Protocol of the Session on February 1, 2018

(Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP: Ich weiß!)

Ihnen allen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Her ren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Große Anfrage besprochen und Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts (HRWeitEG) – Drucksache 16/3248

Das Wort zur Begründung erteile ich Frau Ministerin There sia Bauer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kollegin nen und Kollegen! Was ich an meinem Amt so gern mag, ist, dass es nie langweilig wird und voller Überraschungen steckt.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Untersu chungsausschuss!)

Am 14. November 2016 hat der Verfassungsgerichtshof des Landes festgestellt, die Freiheit der Hochschulprofessoren sei in Baden-Württemberg nicht ausreichend gewährleistet.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich wollte nur um etwas Ruhe für Ihre Ausführungen bitten, Frau Ministerin.

Sehr freundlich.

Sie dürfen fortfahren.

Noch mal mein Einstieg: Die Überraschung des Jahres 2016: Der Verfassungsgerichtshof des Landes hat fest gestellt, dass die Freiheit der Hochschulprofessoren in BadenWürttemberg nicht ausreichend gewährleistet sei. So sei der Senat im Vergleich zum Rektorat zu schwach. Oder zumin dest müsse es den Hochschulprofessoren möglich sein, allein und ohne die Mitwirkung einer anderen Hochschulgruppe und auch ohne Mitwirken des Ministeriums

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

sich vom Rektor oder vom Kanzler zu trennen und diese ab zuwählen.

Ich gebe gern zu: Dieses Urteil hat mich überrascht. Denn zwei Jahre zuvor – im April 2014 – hatten wir in Baden-Würt temberg das Landeshochschulgesetz erneuert. Die damaligen Neuregelungen haben das Kompetenzgefüge der Hochschu len deutlich in Richtung einer Stärkung des Senats verscho ben.

Seit 2014 war z. B. keine Rede mehr von dem Begriff „Un ternehmerische Hochschule“, mit der ja damals versucht wur de, die Hochschulen nach dem Vorbild von Aktiengesellschaf ten neu auszurichten und umzubauen und z. B. den Hoch schulrat im Vergleich zum Senat noch mal deutlich zu stär ken. Kein Wort mehr davon. Stattdessen haben wir 2014 eine ausgewogene Balance hergestellt zwischen dem Rektorat als operativem Leitungsorgan, dem Senat als dem zentralen Ort der akademischen Selbstverwaltung und dem Hochschulrat, der den externen Blick organisiert und auf Augenhöhe mit dem Senat agieren sollte.

Trotzdem hat der Verfassungsgerichtshof 2016 dem Gesetz geber aufgegeben, die individuelle Wissenschaftsfreiheit der Professoren stärker im Landeshochschulgesetz abzusichern. Das hat also als unerwartete Aufgabe begonnen, und wir ha ben es zu einer willkommenen Chance gemacht, ein gutes Hochschulgesetz daraus zu erarbeiten. Wir schaffen es mit der

Novelle, den Rahmen für selbstbewusste, für dynamische Hochschulen herzustellen. Damit werden sowohl die indivi duelle Freiheit der Professoren als auch die institutionelle Freiheit der Hochschule umfassend gesichert.

Ich habe in diesem Haus im September vergangenen Jahres im Rahmen einer Aktuellen Debatte die Eckpunkte des Lan deshochschulgesetzes schon einmal vorgestellt und erläutert, dass wir uns bewusst dafür entschieden haben, bei der Um setzung des Urteils die Kompetenzen der Rektorate zu erhal ten. Wir wollen die Rektorate nicht schwächen. Das Land braucht handlungsfähige Rektorate, die in der Lage sind, stra tegische und mutige Entscheidungen zu treffen, Schwerpunk te zu setzen und Profile herauszuarbeiten. Es ist allen klar: Hinter solchen Entscheidungen stecken anspruchsvolle Über legungen, und man kann solche Entscheidungen nicht immer im Konsens mit allen fällen. Rektorate müssen deswegen auch so stark sein, dass sie Gegenwind aushalten können, sonst würden sie nämlich nicht mehr aus der Deckung kommen.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Richtig so!)

Das Urteil hat gefordert: Entweder müssen Kompetenzen ver lagert werden – weg vom Rektorat, hin zum Senat –, oder die Professorenschaft muss sich von Rektoratsmitgliedern allein – ohne die Beteiligung weiterer Hochschulgruppen und des Ministeriums – trennen können.

Wir haben uns für einen völlig neuen Weg entschieden. Der Einbringungsentwurf sieht nun ein hochschulweites zweistu figes Urabwahlverfahren vor für den Fall einer schweren Ver trauenskrise. Ich finde, dass dieser Weg der Urabwahl eine zeitgemäße und auch eine elegante Lösung ist. Jeder Profes sor, jede Professorin hat die Möglichkeit, sich dabei unmittel bar einzubringen. Es kommt auf jede Stimme an, es ist ein fai res Verfahren, und es ist eines, das man nicht leichtfertig ini tiieren kann. Es produziert zudem ein klares Ergebnis. Wenn mehr als die Hälfte der Professoren das Vertrauen entziehen würde oder auch mehr als die Hälfte der Fakultäten dieses Vo tum so unterstützten würde, könnte man in einem Leitungs organ einer Hochschule tatsächlich nichts mehr bewegen, weil es dann an der nötigen Vertrauensbasis fehlen würde.

Mich freut es deswegen sehr, dass dieses Verfahren im Rah men der Anhörung – sowohl der schriftlichen Anhörung als auch der Anhörung, die die Fraktionen im Landtag veranstal tet haben – überwiegend begrüßt wurde. Auch von den direkt Betroffenen, den Rektoren, kam Zustimmung. Ich denke des wegen, dass wir für Baden-Württemberg mal wieder eine sehr innovative Lösung eines grundsätzlichen Problems auf den Weg gebracht haben, mit dem sich andere Bundesländer jetzt durchaus auch auseinandersetzen, nämlich mit der Frage, wie man gleichzeitig starke Professoren und starke Rektorate ha ben kann. Ich vermute einmal, wir müssen nicht lange war ten, bis wir sehen, dass andere Bundesländer nachziehen, was die neue Regelung angeht.

Bei Gesetzgebungen sagt man normalerweise gern, ja, man ist gespannt, wie sich so eine neue Regelung in der Praxis be währt. In diesem Fall möchte ich es gern umgekehrt formu lieren. In diesem Fall ist es anders: Ich freue mich, wenn sich die Urabwahl in der Praxis nicht bewähren muss. Denn es ist ganz klar eine Regelung für absolute Ausnahmefälle. Wir wol len nämlich nicht permanent Abwahldebatten haben, sondern

wir wollen, dass es der Normalfall ist, eine sauber legitimier te Präsidiums- oder Rektoratslösung auf einer Grundlage zu haben, auf der man gut handeln, entscheiden und agieren kann.

Die vorliegende LHG-Novelle enthält aber auch vieles, was dann doch zur Regel werden soll, denn das neue LHG setzt drei Akzente, die weit über die Umsetzung des Urteils selbst hinausgehen:

Erstens: Wir werden mit dieser LHG-Novelle künftig Grün dungen im Rahmen der Hochschulen für ehemalige Hoch schulmitglieder besser unterstützen können. Zweitens: Pro motionen von Absolventen der HAWs werden erleichtert. Dritter Punkt: Doktoranden erhalten einen eigenen Status und damit Sichtbarkeit und Stimmrecht in den Hochschulgremi en. Dies sind Änderungen, die insbesondere den wissenschaft lichen Nachwuchs stärken und die damit im wahrsten Sinn des Wortes zukunftweisend sind.

Zum Thema Gründungen: Hochschulen können künftig Grün derinnen und Gründern – ehemaligen Hochschulmitgliedern – erlauben, Einrichtungen der Hochschule bis zu drei Jahre lang weiter zu nutzen, Infrastruktur zu nutzen. Voraussetzung ist, dass sie zuvor der Hochschule angehörten. Wir wollen da mit Absolventen und Forschern, die die Aufgabenstellung im Blick haben, Forschungsergebnisse in die Anwendung zu überführen, einen guten Start ermöglichen, indem wir ihnen eine Plattform geben. Eine Unternehmensgründung ist eben auch eine Form des Technologietransfers.

In Baden-Württemberg wollen wir damit klar signalisieren: Es kommt auf drei Dinge gleichzeitig an, nämlich auf exzel lente Lehre, auf exzellente Forschung und auf exzellentes Gründen. Deswegen erleichtern wir es den Hochschulen, Gründern durch ihre Infrastruktur unter die Arme zu greifen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

In der Anhörung wurde angemahnt, dass die Hochschulen mehr Flächen und Ressourcen brauchen, um diese Aufgabe zu erfüllen. Ich will es hier aber noch einmal betonen: Es geht nicht um eine neue Aufgabe, sondern darum, etwas zu ermög lichen, indem nicht genutzte Kapazitäten Gründern zur Ver fügung gestellt werden. Das LHG schafft hier also keine neue Pflicht, sondern es eröffnet Optionen für Pflichten, die auch zuvor schon bestanden haben.

Der zweite Punkt: Promotionen von Absolventen der Hoch schulen für angewandte Wissenschaften. Auch hier geht es um mehr Optionen; es geht um die Möglichkeit, Promotionen von HAW-Absolventen zu realisieren. Wir wollen, dass talentier te Studierende an einer Hochschule für angewandte Wissen schaften bessere Möglichkeiten erhalten, zu promovieren. Es geht dabei nicht darum, dass die Hochschulen für angewand te Wissenschaften in Baden-Württemberg sukzessive ein Pro motionsrecht erhalten sollen. Wir wollen die differenzierte Hochschullandschaft erhalten; wir wollen aber, dass die Pra xis belastbar zeigt, dass allen Absolventen aller Hochschular ten, sofern das Talent und die Bereitschaft vorliegen, An schlusswege sowie auch die Promotion ermöglicht werden.

Das LHG wird es deshalb künftig erleichtern, dass forschungs starke Professoren der Hochschulen für angewandte Wissen schaften an einer Universitätsfakultät assoziiert werden. Da

mit können sie Promovierende eigenständig betreuen, ohne weitere inneruniversitäre Rechte und Pflichten in der akade mischen Selbstverwaltung zu übernehmen.

Diese Lösung wird dazu führen, dass es mehr Promotionen von Absolventen der Hochschulen für angewandte Wissen schaften gibt. Wir werden darauf achten, dass diese Option keine theoretische bleibt, sondern dass dies in der Praxis auch gelebt wird.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Andreas Stoch SPD: Das glaubt keiner mehr!)

Der dritte Punkt: Statusgruppe für Doktoranden. Das ist ein weiterer Bereich, in dem wir im bundesweiten Vergleich Neu land betreten; denn wir sind die Ersten, die in Deutschland nun dafür sorgen, dass die Doktoranden an den promotions berechtigten Hochschulen eine eigene Statusgruppe bilden. Wir stärken damit das Selbstbewusstsein, die Selbstbestim mung und die Teilhabe der jungen Wissenschaftsgeneration, die ja auf der ersten Stufe ihrer wissenschaftlich eigenständi gen Arbeit steht.

Mitbestimmung und eine bessere Perspektive für junge Wis senschaftler sind kein Sozialprogramm, sondern dies ist er forderlich für den Erfolg im Wettbewerb um junge Talente in der Wissenschaft. Die Attraktivität für den wissenschaftlichen Nachwuchs ist uns daher ein besonderes Anliegen – und ich bin überzeugt: Sie ist ein ganz besonderer Standortfaktor für uns in Baden-Württemberg. Doktoranden sind ein wesentli cher Bestandteil jeder Universität. Deswegen ist es wichtig, dass die Forschungsbeiträge, die sie leisten, sowie auch die Unterstützung, die sie für eine gute Lehre leisten, sichtbar ge macht werden, dass sie selbst zu Wort kommen.

Mir ist deswegen wichtig, dass diese Gruppe eine eigene Stim me erhält, dass sie nicht mehr von anderen mit vertreten wird, sondern dass sie ihre eigene Sicht auf die Dinge einbringen kann. Ich bin mir sicher, dass sich dies auch für die kommen den Generationen junger Wissenschaftler auszahlen wird, wenn wir diese Perspektive nun realisieren.

Die Anhörung hat in diesem Zusammenhang auch gezeigt, dass es aufgrund der vorgesehenen Änderung verschiedene Sorgen gibt. So wird befürchtet, dass man Doktoranden jetzt von Sozialleistungen ausschließt; eine weitere Sorge ist, dass die übrigen nicht professoralen Statusgruppen im Kontext des Senats geschwächt werden könnten.

Wir haben zu Lösungen gefunden und können heute sagen: All diese Bedenken sind unbegründet. Wir haben Regelungen gefunden, die all diese Sorgen entkräften können.

Die neue Statusgruppe der jungen Forscher wird also jetzt um gesetzt werden, sozusagen als Sondergruppe der Studieren den. Damit gibt es Zugänge zu sozialen Leistungen, die man Doktoranden geben kann, sofern sie sich nicht entschieden haben, als berufstätige Angehörige der Hochschulen eine an dere Option zu wählen.

Diese Regelung schafft mehr Klarheit und Eindeutigkeit im Umgang mit den Doktoranden, weniger Notwendigkeit, auf Kulanz zu hoffen und auf Verhandlungslösungen zu setzen. Ganz wichtig ist mir im Zusammenhang mit den Universitä ten, dass alle Doktoranden eingeschrieben sein werden – egal,

ob sie berufstätig sind oder ob sie individuell oder strukturiert promovieren. Wir werden deswegen mehr darüber erfahren, wie viele wo und mit welchem Erfolg diese wichtige Phase ihrer wissenschaftlichen Karriere durchlaufen.

Darüber hinaus ist mir wichtig zu betonen – auch das war ein Thema im Anhörungsverfahren –: Die Beiträge, die die Dok toranden zur Verfassten Studierendenschaft leisten, die durch ihre Immatrikulation fällig werden, werden getrennt verwal tet, und sie sind für die Belange der Doktoranden und im Ein vernehmen mit den Konventen zu verwenden.

Wir schaffen also eine neue Statusgruppe und sorgen gleich zeitig für mehr Rechtssicherheit im verwaltungstechnischen Umgang mit der Gruppe der Doktoranden.

Wir haben sichergestellt, dass die Doktoranden keine anderen Statusgruppen im Senat verdrängen. Deswegen haben wir im Einbringungsentwurf jetzt einen klaren Rahmen vorgesehen, wie der Senat zusammengesetzt werden kann. Er lässt nach wie vor Spielräume für individuelle Schwerpunkte und Ge staltungsmöglichkeiten der Universitäten. Dennoch sichert er zu, dass die Doktorandengruppe nicht zulasten anderer Hoch schulgruppen im Senat vertreten ist.

An Universitäten und Hochschulen mit Promotionsrecht müs sen nun mindestens 40 % der Mitglieder des Senats aus den übrigen Gruppen – der Verwaltung, des wissenschaftlichen Dienstes, der Studierenden und der Promovierenden – gewählt werden. Damit wird der Anteil dieser Gruppen in den Sena ten ansteigen. Es wird keine Verdrängungseffekte geben.