Protocol of the Session on February 1, 2018

Ich habe nicht den Eindruck, dass ökobilanziel le Betrachtungen in der Industrie und in der Umweltpolitik heute keine große Rolle spielten. Ganz im Gegenteil spielt das selbstverständlich eine große Rolle. Das erkennen Sie bei spielsweise daran, wie das Thema „CO2-Rucksack von Pro

dukten“ diskutiert wird. Dass die Ökobilanz keine Rolle spiel te, kann ich nun wirklich nicht erkennen, Herr Kollege.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Dann ver schrottet man!)

Kommen wir noch mal konkret zu der Einrichtung, die wir jetzt in Karlsruhe auf den Weg bringen, zu dem Thinktank. Herr Kollege Gruber, Sie haben vorhin gefragt, was dahinter steckt. Der Thinktank „Industrielle Ressourcenstrategien“ stellt eine strategische Antwort auf die von mir eben beschrie benen Herausforderungen dar. Er ist letztendlich eine Ideen schmiede, die Industrie und Politik gemeinsam auf den Weg bringen, um die Weichen für die rohstoffstrategischen Her ausforderungen, wie ich sie eben darzustellen versucht habe, richtig zu stellen.

Der Thinktank soll z. B. Rohstoffkonzepte für eine erfolgrei che Energie- und Mobilitätswende entwickeln. Er soll – um Ihre Frage zu beantworten – auch ausloten, welche Chancen die Digitalisierung auch für effizientere Produktionsverfahren bietet. Auch die Frage der Rohstofftransparenz in der Wert schöpfungskette wird ein Arbeitsgebiet des Thinkthanks sein.

Um ein konkretes Beispiel zu nehmen: Aus einer Tonne Golderz können Sie 5 g Gold gewinnen. Wenn Sie eine Tonne von den Geräten haben, die jeder von uns in der Tasche hat, könn ten Sie daraus theoretisch 200 g Gold gewinnen. Wir buddeln aber alle nach 5 g und nicht nach 200 g. Warum? Weil bislang die Technologien teilweise fehlen und weil natürlich auch die Kostenfrage bei der Rückgewinnung von kritischen Rohstof fen nach wie vor ein Problem ist.

Hier weiterzukommen, die Kosten zu senken, neue Techno logien für die Rückgewinnung von Rohstoffen zu entwickeln, das ist mit die Aufgabe dieses Thinktanks. Ich glaube, dass wir mit Professor Dr. Hirth jemanden an der Spitze haben, der von seiner Geschichte her – früher war er in verschiedenen Fraunhofer-Instituten, z. B. in Pfinztal, dann auch hier an der Universität Stuttgart und am KIT in verschiedenen Instituten tätig – auch sehr industrienah ist, dass wir hier eine hervorra gende Persönlichkeit haben, um diese Dinge, die ich gerade erwähnt habe, voranzubringen.

Da geht es ja nicht nur um Gold, sondern Gold steht letztend lich stellvertretend für all die Rohstoffe, die heute in den Pro dukten verbaut sind, die jeder von uns zu Hause, in den Un ternehmen, am Arbeitsplatz usw. nutzt.

Ich glaube deswegen, was wir da machen, ist ein gutes Pro jekt. Ich will an dieser Stelle noch einmal sagen: Ich bin froh, dass es gelungen ist, für die nächsten vier Jahre eine Finan zierung im Haushalt sicherzustellen. Ich bin auch froh, dass sich die Industrie hälftig daran beteiligt, und ich bin froh, dass das ein Projekt ist, das wir gemeinsam mit dem Wirtschafts ministerium und mit meiner Kollegin, Frau Dr. HoffmeisterKraut, vorangebracht haben.

Der Thinktank ist ein gemeinsames Projekt des Umwelt- und des Wirtschaftsministeriums. Sie können auch sagen, darin kommt zum Ausdruck, dass Ökologie und Ökonomie zusam menpassen. Denn sowohl die ökologischen Interessen, die da hinterstecken – ich habe versucht, das deutlich zu machen: Ressourceneinsparung –, als auch die Wirtschaft in BadenWürttemberg haben etwas davon, wenn wir zukünftig effizi

enter mit Rohstoffen umgehen können, wenn wir Kosten ein sparen, wenn wir dadurch auf den Märkten der Welt wettbe werbsfähiger werden. Wir wollen in der Ressourcenpolitik – –

(Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, erlauben Sie ei ne Zwischenfrage?

Nein, ich lasse jetzt keine weiteren Zwischen fragen zu. – Wir wollen in Ressourcenpolitik und Ressour ceneffizienz internationaler Impuls- und Ideengeber, wir wol len Leitmarkt, und wir wollen Leitanbieter sein. Der Think tank, den wir gemeinsam mit der Wirtschaft und der Wissen schaft aufbauen, soll dafür wichtige Ideen und Impulse lie fern. Der Thinktank wird hierzu einen wichtigen Beitrag leis ten – nicht allein. Ich habe ja vorhin deutlich gemacht, dass wir durchaus eine Reihe von anderen Projekten auf den Weg gebracht haben: Förderprogramme, aber auch das Projekt „100 Betriebe für Ressourceneffizienz“ und auch das Thema Ultraeffizienzfabrik, das der Kollege Nemeth erwähnt hat – um nur diese Punkte zu nennen.

Unser Ziel ist, zu zeigen, dass es möglich ist, effizienter mit Ressourcen umzugehen, aber auch den Ressourcenverbrauch sozusagen vom Wirtschaftswachstum zu entkoppeln und da mit Baden-Württemberg noch einmal ein Stück wettbewerbs fähiger zu machen, als wir es heute schon auf den Weltmärk ten sind.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

In der zweiten Runde liegen mir bisher keine Wortmeldungen vor. – Herr Abg. Nemeth von der CDU-Fraktion.

Meine Damen und Herren! Wir ha ben bei einem Konzept und bei einer Debatte, die auch der Vernunft geschuldet ist und auf der Vernunft gründet, große Einstimmigkeit erlebt. Aber es ist bei den Rednern der AfD und der FDP/DVP zum Teil der Eindruck entstanden, dass es zwischen Wirtschaft und Politik einen Widerspruch geben würde, wie zwei Silos, die nicht miteinander kommunizieren.

Meine Damen und Herren, wir reden hier über das Erbe von Lothar Späth, das in den Achtzigerjahren mit der Philosophie begonnen hat, dass Wirtschaft und Politik miteinander reden und sich wechselseitig Vorteile verschaffen.

Nehmen Sie nur einmal den Begriff des Technologietransfers, den wir damals ins Gespräch gebracht haben. Baden-Würt temberg war das erste Land mit Berufsakademien, den heuti gen Dualen Hochschulen. Auch das ZSW wurde damals ge gründet – das übrigens auch zu großen Teilen von der Wirt schaft mitfinanziert wird.

Meine Damen und Herren, Sie zerstören daher mit Ihrer Dis kussion die Philosophie,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wo denn? Falsch, Herr Kollege! – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

die Baden-Württemberg erfolgreich gemacht hat, nämlich dass Wirtschaft und Politik zusammenarbeiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Gruber.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister, danke, dass Sie auf einige Fragen ein gegangen sind. Danke, dass Sie die Aufgabenstellung des Thinktanks, der entstehen soll, präzisiert haben. Sie haben dessen Fragestellungen und Aufgaben dabei viel klarer defi niert, als das in der großspurigen achtseitigen Broschüre der Fall war. Bei deren Lektüre habe ich gedacht: Die war sicher nicht effizient; den Inhalt dieser acht Seiten hätte ich Ihnen auf einer Seite zusammenfassen können.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Claus Paal CDU)

Ich glaube auch, dass wir, wie es der Kollege Nemeth gerade geschildert hat, einen großen Konsens über die grundsätzli chen Aufgabenstellungen haben – Sie haben beispielsweise die Kreislaufwirtschaft beschrieben. Die Frage ist aber doch nur: Haben wir bei Themen wie Kreislaufwirtschaft und Re cycling überhaupt ein Erkenntnisdefizit? Geht es nicht viel mehr darum, dass wir zwar Erkenntnisse haben, das Defizit aber im Bereich des Handelns liegt? Sollten wir nicht aktiver werden? Müssen wir nicht einfach mehr tun und durch Recy cling noch mehr Rohstoffe wiedergewinnen? Das ist, meine ich, gar keine Aufgabenstellung für einen Thinktank, sondern das ist allgemeines Gedankengut, das hier im Haus sicherlich auch fast alle teilen.

Ich war etwas überrascht, dass Sie auf die argumentative, in formative Rede der Kollegin Reich-Gutjahr so dünnhäutig re agiert haben, Herr Minister.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig! – Abg. Anton Baron AfD: Richtig!)

Das war für mich nicht wirklich nachvollziehbar –

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

gerade auch vor dem Hintergrund, dass wir im Ausschuss für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft untereinander ein durchaus gutes Verhältnis pflegen und um die Sache streiten, und zwar mit Argumenten, und dies nicht auf die Ebene per sönlicher Vorwürfe herunterziehen.

Ich bin dem Kollegen Nemeth auch dankbar, dass er das Tech nologieerbe von Lothar Späth in den Vordergrund stellt. Er lauben Sie mir aber bitte, weitere Erben für diese wichtigen Themen zu benennen, beispielsweise Dr. Erhard Eppler, der ja in den Siebzigerjahren hier bereits die Grundfragen gestellt hat. „Entscheiden, was wachsen soll“, das war eine These von Erhard Eppler; es ging also um selektives Wachstum.

Das, was jetzt immer als Innovation in den Vordergrund ge stellt wird, die Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Rohstoffverbrauch, geht auf Ideen zurück, die Erhard Eppler

bereits in den Siebzigerjahren entwickelt und hier im Parla ment auch formuliert hat. Vielleicht hat Lothar Späth etwas von ihm gelernt.

(Lachen des Abg. Paul Nemeth CDU)

Ein weiterer Punkt, der mich an der Debatte ein bisschen ge stört hat – ich hatte es vorhin schon in Bezug auf diese Bro schüre angemerkt –, ist diese gewisse Großspurigkeit. Dieser Thinktank soll nun etwas Einzigartiges sein, eine Art Stein der Weisen. Das wird der Forschungslandschaft, die wir bereits haben – hierauf haben Sie, Herr Minister, hingewiesen –, nicht gerecht, und es verkennt auch das, was andere Bundesländer leisten. Ich erinnere beispielsweise an das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, das lange Zeit von Ernst Ulrich von Weizsäcker geleitet wurde.

Ernst Ulrich von Weizsäcker hat bereits vor fünf und vor zehn Jahren mit seinen Büchern „Faktor Vier“ und „Faktor Fünf“ bahnbrechende Ideen entwickelt. Dazu habe ich beispielswei se in dieser Broschüre, die Sie am Montag herausgebracht ha ben, keinen wirklichen zusätzlichen Erkenntnisgewinn entde cken können.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Genau!)

In diesem Sinn haben wir es nun, glaube ich, einsortiert. Wir haben klargemacht, wo wir uns einig sind, aber es ist, wie ich denke, in dieser Debatte auch klar geworden, dass es nicht um neue Superlative geht, sondern um wichtige Aufgaben, die wir gemeinsam angehen müssen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig!)

In diesem Sinn danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU so wie des Abg. Andreas Glück FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich das Wort Frau Abg. Lisbach.

Ich will abschließend noch einmal sagen, dass ich es gut finde, dass wir jetzt doch eine recht lebhafte Debatte über das Thema Ressourceneffizienz hatten. Das sah am Anfang nicht unbedingt danach aus.

Aber ich will doch noch einmal den Widerspruch deutlich ma chen. Es wurde immer wieder gesagt – sowohl von Frau Reich-Gutjahr als auch von Ihnen, Herr Gruber –, dass wir so etwas wie einen Thinktank eigentlich nicht brauchen, weil wir uns schon einig sind. Wir sind uns vielleicht im Grundsatz ei nig, aber woran es eben fehlt, sind praxisnahe Methoden, um diese Ressourceneffizienz auch umzusetzen.

Wenn ich mir heute eine Speicherbatterie ins Haus stellen will, dann gibt es keinen Hersteller, der mir eine Batterie liefert, die recyclingfähig ist. An solchen Dingen müssen wir arbei ten, da müssen wir praxisnahe Lösungen finden.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)