Protocol of the Session on February 1, 2018

Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Mi nisteriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau – Für eine innovative Wohnungspolitik in Baden-Württemberg – integrativ, nachhaltig, bezahlbar – Drucksache 16/793

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

In der Aussprache erteile ich nun das Wort für die Fraktion GRÜNE Frau Abg. Bay.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Begreifen kommt von grei fen. Deshalb habe ich im letzten Sommer ein spannendes, lehrreiches, auch anstrengendes Praktikum in einem Bauun ternehmen in meinem Wahlkreis gemacht.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Denn das Thema „Bauen und Wohnen“ ist uns Grünen im Landtag von Baden-Württemberg in all seinen Facetten enorm wichtig.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Deshalb auch dieser Antrag gleich zu Beginn der Legislatur periode.

Im Januar haben wir dann als Fraktion einen Beschluss zu zu kunftsfähigem und bezahlbarem Bauen in einer gesunden Um gebung gefasst. Denn wir denken Wohnungsbau vorausschau end, vernetzt und vom Menschen aus,

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

nicht als rein technische und quantitative Gebäudepolitik, son dern in lebendigen Quartieren und Kommunen, in denen wir auch unseren Enkeln gute Lebensbedingungen hinterlassen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Anton Baron AfD: Den Eidechsen auch! Wir brauchen mehr Wohnraum für die Eidechsen!)

Dabei ist der soziale Mietwohnungsbau ein entscheidender Stützpfeiler des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Unser Ziel: In Baden-Württemberg muss jede und jeder Zugang zu bezahlbarem Wohnraum haben. Der Schwerpunkt der Förder programme liegt deshalb darauf. Das ist uns Grünen beson ders wichtig. Jährlich setzen wir über 180 Millionen € bei ei nem Fördervolumen von 250 Millionen € ein.

Hier gleich einmal vorsorglich zu Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD – man kennt sich ja schon ein wenig –: Ihnen ist das Programm nicht groß genug.

(Abg. Daniel Born SPD: Aber es ist auch nicht groß genug!)

Entscheidend aber ist nicht, wer die größte Zahl aufs Papier schreibt. Das ist in der Opposition sowieso ziemlich einfach.

(Abg. Daniel Born SPD: Sie waren aber froh darum, dass der Bund so eine große Zahl in das Papier ge schrieben hat!)

Entscheidend ist, dass wir das Programm in die Fläche brin gen.

(Abg. Daniel Born SPD: Hätte der Bund nicht eine so große Zahl draufgeschrieben, wären Sie ohne was dagestanden!)

Wir haben zusammen mit unserem Koalitionspartner die Ge bietskulisse abgeschafft und fördern so sozialen Mietwoh nungsbau im ganzen Land. Unsere neu eingeführte Bindungs dauer von 30 Jahren sichert bezahlbaren Wohnraum für Jahr zehnte.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

So wurden in den ersten neun Monaten des Programms „Woh nungsbau BW 2017“ bereits 156 Millionen € an Subventio nen ausgereicht, und das, falls gewünscht, neuerdings sogar als Vollzuschuss.

Das neue Programm „Wohnungsbau BW 2018/2019“ werden wir noch attraktiver gestalten, indem wir z. B. wegen gestie gener Baukosten und unterschiedlicher Grundstückspreise die berücksichtigungsfähigen Kosten anheben und modularisie ren.

Ich möchte erst dann wieder etwas zum Programmvolumen von Ihnen hören, wenn Sie uns die erste Bauherrschaft liefern, die keine Förderung mehr erhält. Denn eine halbe Milliarde Euro will erst einmal verbaut werden.

Wenn Sie sich angesichts des Wohnungsmangels verdient ma chen wollen, dann wirken Sie doch in einer möglichen neuen GroKo darauf hin, dass der Bund Verantwortung für den Woh nungsbau übernimmt, gerade auch in steuerlicher Hinsicht –

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Daniel Born SPD: Das steht doch drin! Lesen Sie die Papie re! Da war nur auf dem Jamaika-Balkon nicht die Re de davon!)

falls Sie sich dazu durchringen können, Regierungsverantwor tung zu übernehmen.

Ein wichtiger Partner für uns hier im Land ist die WohnraumAllianz. Ihre Empfehlungen geben wichtige Denkanstöße.

(Abg. Anton Baron AfD: Was haben Sie davon um gesetzt?)

Wir setzen darauf, dass sie innovative Konzepte vorschlägt, z. B. um die Kommunen beim Flächensparen zu unterstützen. Der Flächenverbrauch in Baden-Württemberg beträgt gegen wärtig 3,5 ha pro Tag. Wir sind also bereits sparsamer gewor den. Die Nettonull bleibt unser langfristiges Ziel. Wir wissen aber, dass wir in der gegenwärtigen Situation nicht ganz oh ne eine maßvolle Ausweisung neuer Baugebiete auskommen.

Flächenpolitik ist Sache der Kommunen. Baulücken aktivie ren, die Innenentwicklung vorantreiben und die interkommu nale Zusammenarbeit – das geschieht dort vor Ort. Das Land unterstützt hier tatkräftig, so über das Landesprogramm „Flä chen gewinnen durch Innenentwicklung“, über die kaufpreis ermäßigte Abgabe von Landesgrundstücken für den Woh nungsbau und über die Plausibilitätsprüfung, die nachweisbar wachsenden Kommunen neue Flächen ermöglicht, aber eben in schrumpfenden Kommunen auch das Bewusstsein für das Flächensparen schafft.

Sozusagen die Klammer um alle Einzelmaßnahmen ist die Stadtentwicklung – ganzheitlich, von den Menschen für die Menschen. Hier haben wir jetzt einen Vierklang an Maßnah men aus vier Ministerien. Das ist vernetztes Handeln. Vom WM kommt die Städtebauförderung mit mehr als 250 Milli onen €,

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

hinzu kommen das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum aus dem MLR und die Strategie „Quartier 2020“, die das Zu sammenleben in lebenswerten Quartieren mit einem beson deren Fokus auf das Leben im Alter stärkt. Schließlich stoßen wir Innovationen an im Bereich der digitalen Zukunftskom mune, z. B. über den Wettbewerb des Innenministeriums.

Nun bleibt noch das große Thema der sozialen und ökologi schen Standards, die für lebenswertes und zukunftsfähiges Wohnen in gesunder Umgebung unabdingbar sind. Dabei den ken wir insbesondere den demografischen Wandel und die Verkehrswende mit. Die Nachfrage nach barrierefreien Woh nungen übersteigt schon jetzt laut einer Prognos-Studie das Angebot um 220 000 Wohnungen – aber der Bedarf wird wei ter steigen. Die Regelungen in der LBO helfen, für diesen Be darf ein entsprechendes Angebot zu schaffen. Beim Neubau vorauszudenken ist immer günstiger als eine spätere Nachrüs tung. Das weiß jede, die schon mal einen Altbau fit gemacht hat.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Darüber hinaus erkennen wir den Förderbedarf für neue Wohnformen für ältere Menschen und Menschen mit Behin derungen. Inklusion ist für uns Grüne nicht nur irgendein Be griff aus der Sozialarbeit, sondern in allen berührten Lebens bereichen Auftrag und Herzensangelegenheit.

Das Nachkriegsideal der autogerechten Stadt ist, freundlich gesagt, an seine Grenzen gekommen

(Zuruf von der AfD)

mit Staus, Parkplatzmangel und Schadstoffbelastung. Wir ar beiten auch hier an der Wende zur menschengerechten Stadt. Im Großen muss die Infrastruktur für Mobilität mit Bus, Bahn, Fahrrad und den Füßen vorhanden sein.

(Abg. Anton Baron AfD: Sie habe ich noch nie auf dem Fahrrad gesehen!)

Im Detail können kluge Konzepte mit Fahrradstellplätzen, Ladeinfrastruktur und Carsharing zu moderner Mobilität ein laden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Denn wenn wir alle öfter Alternativen zum Auto nutzen, wird auch das Autofahren – mit sauberen Autos – wieder angeneh mer.

Gesunde Städte für Körper und Seele sind grüne Städte. Hier komme ich ins Schwärmen. Ein Paradebeispiel hierfür ist Bosco Verticale in Mailand. Da ersetzt ein vertikaler Wald an einem Hochhaus das, was in einer Großstadt fehlt: Grün. In brütender Sommerhitze geht man darauf zu, und schon wenn man ums Eck geht, spürt man, es wird frisch, es wird luftig, man kann wieder atmen.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Man steht in einer grünen Oase in einer versiegelten Stadt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist überlebenswichtig – auch bei Feinstaub, für die Wasseraufnahme bei Starkregen und bei Hitzesommern, die uns zukünftig öfter sozusagen blü hen werden.

Wer nicht gleich nach Mailand reisen kann: Freundlicherwei se sind Bilder davon am Zugang zum Bahnhof – wer gele gentlich Zug fährt, sieht sie – ausgestellt. Es lohnt sich, das mal anzuschauen.

Hier höre ich jetzt die Kolleginnen und Kollegen der FDP/ DVP ächzen, Überregulierung verhindere den Wohnungsbau.