Protocol of the Session on January 31, 2018

Dass dies grundsätzlich möglich ist, zeigt unser Nachbarland Hessen. Dort gilt eine Hilfsfrist von zehn Minuten. Zwar hat auch Hessen Schwierigkeiten, seine Hilfsfrist flächendeckend zu erreichen, aber dort geht es um die zehnminütige und nicht um die 15-minütige Frist.

Doch genau diese fünf Minuten können den Unterschied zwi schen Leben und Tod bedeuten, und sie werden es in der Pra xis sicherlich auch oft sein.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Völlig falsch!)

Der SWR hat nun versucht, den Ursachen auf den Grund zu gehen. Wenig überraschend ist dabei die Erkenntnis, dass es im Rettungsdienstwesen an Personal fehlt – wie bei vielem anderen leider auch. Das vorhandene Personal ist wegen Über lastung und mäßiger Bezahlung frustriert. Für Neueinsteiger ist das Berufsfeld dementsprechend zunehmend unattraktiv. Dass inzwischen allerdings ganze Rettungsdienstschichten wegen Personalmangels ausfallen, ist alarmierend.

Unverständlich ist auch die Tatsache, dass offenbar zuneh mend Krankentransporte mit Rettungswagen durchgeführt werden, Rettungswagen, die bei Noteinsätzen dann fehlen. Hier mangelt es offensichtlich an der gebotenen Aufsicht oder an fehlender Ausstattung mit Krankenwagen.

Es lässt sich also feststellen, dass es im Land im Bereich des Rettungswesens seit Jahren massive Missstände gibt, und das ist nicht länger hinnehmbar.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Die seitens der Regierung jeweils angekündigten Maßnahmen haben bestenfalls homöopathische Verbesserungen gebracht. Insbesondere das damals hochgepriesene neue Rettungsdienst gesetz von 2015 mit der darin vorgesehenen umfassenden Qualitätssicherung scheint nicht die erwarteten Verbesserun gen gebracht zu haben, denn an der Qualität hapert es weiter hin.

Die Einsatzzahlen im Rettungsdienst haben sich in den letz ten Jahren praktisch verdoppelt. Das ist eine enorme Heraus forderung für die Organisation dieses Dienstes.

Die geplanten Krankenhausschließungen werden das Problem natürlich weiter verschärfen, weil die zurückzulegenden Stre cken für die Rettungswagen größer werden. Das darf jedoch nicht auf Kosten der Notfallpatienten gehen. Der Rettungs dienst ist Bestandteil der medizinischen Grundversorgung. Der Staat hat sicherzustellen, dass dies bestmöglich und rei bungslos funktioniert.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Hier ist das Innenministerium gefordert. Den Evaluierungen und Prüfungen müssen endlich konkrete Maßnahmen folgen, welche die nicht länger hinnehmbare Situation im Rettungs wesen nachhaltig verbessern.

Wir haben in den vergangenen Haushaltsplanberatungen er neut feststellen müssen, dass in diesem Landeshaushalt Geld offenbar kein Problem darstellt, je nachdem, für was es aus gegeben wird. Das Leben von akut hilfsbedürftigen Menschen sollte jedenfalls dazugehören.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos])

Für die SPD-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Hinderer das Wort.

Herr Präsident, werte Kollegin nen und Kollegen! Die Situation im Rettungsdienst ist seit ei niger Zeit Gegenstand öffentlicher Debatten. Wir spüren: Die se Debatten eignen sich bestens dazu, auch sehr emotional ge führt zu werden, geht es im Rettungsdienst doch um Leben und Tod.

Auch der Titel der Aktuellen Debatte, den die FDP/DVP ge wählt hat, ist emotional, auch etwas reißerisch. Ihre Ausfüh rungen, Herr Fraktionsvorsitzender Rülke, waren dann doch verhältnismäßig milde. Wiederholt wurde – zuletzt vom SWR – thematisiert, dass die Hilfsfristen in Baden-Württemberg nicht eingehalten werden. Ich habe die Berichterstattung weit gehend verfolgt. Zu dieser Thematik haben ja auch ganz un terschiedliche Menschen Stellung genommen. Auch aus Ih rem Haus, Herr Strobl, hat Ihr Abteilungsleiter Schröder pro fund Auskunft gegeben. Nur bei Ihnen selbst war Funkstille.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Andere Sor gen!)

Ich denke, die Menschen im Land haben schon Interesse da ran, auch von Ihnen, Herr Minister, zu hören, wie es denn mit dem Rettungsdienstgesetz, mit dem Rettungsdienst insgesamt

weitergeht. Insofern sind wir gespannt, was Sie uns nachher in der Debatte hier zu berichten haben.

In der Berichterstattung konnte schon der Eindruck entstehen, dass es um unsere Rettungsdienste miserabel bestellt ist und dass es besser ist, in Baden-Württemberg nicht zu verunfal len. Es ist immer besser, überhaupt nicht zu verunfallen, aber wenn man verunfallt, besteht, denke ich, kein Grund zur Pa nik.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Es besteht Verbesserungsbedarf, es besteht Handlungsbedarf, aber kein Grund zur Panik. Die Rettungsdienste in unserem Land sind insgesamt gut aufgestellt, und die Sanitäterinnen und Sanitäter sowie auch die Notärzte leisten eine hervorra gende Arbeit. Dafür möchte ich mich auch namens der SPDFraktion ganz herzlich bedanken.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei den Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Die Qualität der Arbeit wurde mit dem Berufsbild des Not fallsanitäters mit einer dreijährigen Ausbildung nochmals ver bessert. Das ist gut, das ist richtig; das haben wir auch unter stützt. Allerdings werden dadurch noch einmal zusätzliche Lü cken im Personalbestand entstehen, einfach aufgrund der Aus bildungsdauer und der Dauer des Zugangs in den Beruf. Die Personalengpässe werden sich nochmals verschärfen. Das gilt es im Blick zu behalten.

Die Hilfsfristen sind gesetzlich geregelt, und zwar im Ret tungsdienstgesetz. Dabei handelt es sich in erster Linie um ei ne Planungsgröße, auf die man sich in den Verhandlungen mit den Krankenkassen bereits vor vielen Jahren geeinigt hat. Aus medizinischer Sicht – es wurde bereits darauf hingewiesen – ist bei lebensbedrohlichen Situationen – da geht es insbeson dere um Herzstillstand, Herzinfarkt und große Blutverluste – wichtig, dass innerhalb von drei bis fünf Minuten geholfen wird. Da kann weder Rettungsdienst- noch Notarzteinsatz si chergestellt werden. Deshalb hat bereits Innenminister Gall – Herr Blenke, Sie haben die Errungenschaften genannt; die Ur heberschaft muss man schon dazusagen –

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das waren schon immer alle Innenminister!)

alle Anstrengungen auf die Verbesserung der gesamten Ret tungskette gesetzt, insbesondere auf die Themen „Helfer vor Ort“, Telereanimation und „Entwicklung der Helfer-Apps“, aber auch darauf, dass der Patient in das am besten geeignete Krankenhaus eingeliefert wird. Das am besten geeignete Kran kenhaus, Frau Abg. Baum – sie ist nicht mehr da –, muss nicht unbedingt das nächstgelegene sein. Das Thema Krankenhaus schließungen hat mit dieser Thematik wirklich überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Genau! Aber gar nichts zu tun! – Abg. An ton Baron AfD: Natürlich! Da gibt es Vorgaben vom Sozialministerium! Das ist doch eine Sauerei! Ich kenne mich damit sehr gut aus!)

Bezüglich der Hilfsfristen, der Planungsgrößen, wird darauf hingewiesen, dass sowohl die Zehnminuten- als auch die 15-Minuten-Frist nicht den Planungsvorgaben entspricht, zu

mindest in weiten Teilen des Landes nicht. Fairerweise sollte aber nicht unterschlagen werden, dass die durchschnittliche Fahrzeit von Rettungswagen und Notarztwagen nur knapp über sechs Minuten liegt, also die allermeisten Menschen im Land – seien es 85 % oder 90 % – durchaus sehr viel schnel ler vom Rettungswagen erreicht werden.

Was gibt es zu tun? Wir haben mit der Novellierung des Ret tungsdienstgesetzes im Jahr 2015 den Grundstein dafür ge legt, dass die gesamte Rettungskette in den Blick genommen wird. Wir fordern jetzt aber, dass noch intensiver geprüft wird, in welchem Teil der Kette Zeit eingespart werden kann.

Dazu gehört, dass die Schnittstelle Rettungsdienst/Kranken haus beleuchtet wird, auch mit dem Ziel einer Verkürzung der Übergabezeiten bei den Krankenhäusern. Es muss gelingen, dass die Wartezeiten bei den Krankentransporten verkürzt werden und dass dann auch die missbräuchliche Inanspruchnahme von Rettungswagen für Krankentransporte eingedämmt wer den kann. Dazu gehört allerdings auch – das muss man auch sagen –, dass die Krankentransporte auch auskömmlich finan ziert werden müssen.

Es liegt meines Wissens für das Jahr 2018 ein Finanzierungs konzept, über das weitgehend Einigkeit besteht, auf dem Tisch. Allerdings gibt es noch eine Blockade seitens der AOK. Vielleicht müssen da noch einmal Gespräche geführt werden, damit dann auch die Krankentransporte auskömmlich finan ziert werden und jeder Rettungswagen und Krankentransport wagen dann für den ihm zugedachten Einsatz regelmäßig zur Verfügung steht.

(Beifall bei der SPD)

Nicht zuletzt geht es auch darum, im Rettungsdienst noch die Luftrettung verstärkt einzubinden, einerseits, um den Patien ten in das am besten geeignete – ich sage noch einmal: nicht das nächstgelegene – Krankenhaus einliefern zu können, an dererseits zur Entlastung der Rettungswagen, die dann für an dere Fahrten zur Verfügung stehen.

Ein weiterer Punkt in der Diskussion behandelt die Struktur der Leitstellen und die Frage, wie diese Struktur verbessert werden kann. Das Rettungsdienstwesen in Baden-Württemberg ist sehr kleinräumig strukturiert. Dies bedeutet auch, dass vie le Leitstellen sehr viele Aufgaben wahrnehmen und die Pro zesse unter den Gesichtspunkten Qualität, Effizienz und Wirt schaftlichkeit mitunter als nicht optimal empfunden werden. Da gilt in der Tat, Herr Kollege Rülke, dass die Rechtsaufsicht bezüglich der Bereichspläne deutlich stärker wahrgenommen werden muss.

Im Koalitionsvertrag von Grünen und CDU ist vorgesehen, die Leitstellenlandschaft der Integrierten Leitstellen für Feu erwehr und Rettungsdienste zu überprüfen. Unsere Frage, Herr Innenminister: Wann dürfen wir hier mit Ergebnissen rechnen?

Die Rettungswachenstruktur wurde ausgebaut, die Anzahl der Fahrzeuge erhöht, die Ausbildung zum Notfallsanitäter auf den Weg gebracht und die Hubschrauberstandorte auf Vorder mann gebracht. Das war die Endbilanz des Innenministers Gall. Nun geht es darum, dass Sie, aufbauend auf dem einge führten landesweiten Qualitätssicherungssystem unter Einbe ziehung aller Datenquellen, daraus auch die entsprechenden

Konsequenzen ziehen. Das steht auf der Tagesordnung; das muss geschehen, und da warten wir auf die Ergebnisse.

Letzter Satz: Frau Kollegin Schwarz, Sie haben gerade gesagt, der Ärztliche Leiter Rettungsdienst – bzw. die vier Ärztlichen Leiter Rettungsdienst, in jedem Regierungsbezirk einer – sei schon installiert. Stimmt das? Wenn ja: Dieses Thema ist, glaube ich, noch nicht öffentlich kommuniziert. Wir unterstüt zen diese Forderungen. In anderen Bundesländern gibt es be reits den Ärztlichen Leiter Rettungsdienst. Ich denke, auch in Baden-Württemberg wäre es gut und wichtig, dieses Thema zeitnah anzugehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Andrea Schwarz GRÜNE)

Wird installiert? Gut.

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Strobl.

Herr Präsident Klenk, verehrte Damen und Her ren Abgeordnete! Lassen Sie mich zunächst hier und heute zweierlei feststellen. Erstens: Der Rettungsdienst ist in Ba den-Württemberg gut aufgestellt.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Genau!)

Alle im Rettungsdienst Tätigen, ob auf dem Rettungswagen, ob in den Integrierten Leitstellen oder bei den Hilfsorganisa tionen, sie alle leisten eine hervorragende Arbeit, und dafür gilt ihnen unser besonderer Dank.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Zweite Bemerkung: Die Landesregierung muss die von Ihnen unterstellte Untätigkeit nicht beenden, denn tatsächlich gibt es gar keine Untätigkeit. Genau das Gegenteil ist der Fall.