Deswegen, meine Damen und Herren, müssen wir beispiels weise auch besser für Folgendes sensibilisieren: Es gibt eine eigene Telefonnummer für die kassenärztlichen Bereitschafts dienste, nämlich 116117. Diese Nummer muss bekannter wer den; die kennt vielleicht nicht jeder. Sie muss also bekannter werden. Da können wir etwas tun.
Nun zum Thema Personalmangel: ja. Wir versprechen uns al lerdings einiges von dem neuen Berufsbild des Notfallsanitä ters. Die Ausbildung hierfür ist sehr, sehr gut, und es handelt sich um hoch qualifizierte Kräfte,
Je schneller im Notfall die Hilfe kommt, umso besser. Da geht Baden-Württemberg voran: mit der schon erwähnten doppel ten Hilfsfrist, die in Baden-Württemberg sowohl für Notärzte als auch für die Rettungswagen gilt, und zwar unabhängig von der Fläche und unabhängig von der Einwohnerdichte. Wir ha ben die bundesweit höchsten festgelegten Versorgungsmaß
stäbe. In anderen Bundesländern gibt es eine einfache Hilfs frist; diese gilt einfach für das zuerst eintreffende Rettungs mittel, egal, welches es ist. Bei uns gibt es die doppelte Hilfs frist, die sowohl für den Rettungswagen als auch für den alar mierten Notarztwagen gilt.
Klar muss aber auch sein – Kollegin Schwarz hat schon dar auf hingewiesen –: Es handelt sich hierbei nicht um eine me dizinisch indizierte Frist, sondern das ist eine Planungsgröße, ein Faktor für die Planung von Herrn Schröder und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Sicherstellung der ent sprechenden Versorgung. Sie sagt nichts über die Versorgung im Einzelfall aus, und sie ist auch nicht vergleichbar mit ent sprechenden Vorgaben in anderen Ländern – auch das muss man sagen –, denn andere Länder legen zum Teil einfach an dere Maßstäbe an. Deswegen ist das nicht vergleichbar.
Sie haben es schon gesagt, Frau Kollegin Schwarz: Die durch schnittliche reine Fahrzeit eines Rettungswagens zum Einsatz beträgt weniger als sieben Minuten. Das ist zunächst einmal nicht schlecht. Aber klar ist auch: In Großstädten oder in dicht besiedelten Räumen geht es schneller, auf dem flachen Land wird es schwieriger, und – ich weiß, wovon ich rede – in ei ner bergigen Region wird es noch schwieriger.
(Abg. Anton Baron AfD: Und wo schließen Sie die Krankenhäuser? – Gegenruf der Abg. Sabine Wölfle SPD: Wir schließen keine Krankenhäuser! – Gegen ruf des Abg. Anton Baron AfD: Selbstverständlich! – Zuruf der Abg. Dr. Christina Baum AfD)
Deswegen, meine Damen und Herren, kommt es darauf an, dass gerade bei akuten Herz-Kreislauf-Problemen eine schnel le Erstversorgung stattfindet. Da kommt es auf jede Minute, manchmal sogar auf jede Sekunde an.
Deswegen ist einerseits die bereits erwähnte funktionierende Rettungskette vom Zeitpunkt des Unglücks bis zur Versor gung in der Klinik wichtig, diese sogenannte „Golden Hour“ – es muss also innerhalb einer Stunde ablaufen –, andererseits muss aber auch die schnelle, die möglichst sofortige Hilfeleis tung gewährleistet sein.
Deswegen, meine Damen und Herren, ist es unabdingbar, bei Herz-Kreislauf-Stillständen innerhalb der ersten fünf Minu ten zu helfen. Hierfür gibt es verschiedene Maßnahmen. Das kann kein Notarzt oder Rettungswagen flächendeckend schaf fen. Das werden wir auch nicht hinbekommen. Deswegen sind andere Maßnahmen, eine ganze Kette von Maßnahmen, er forderlich.
So ist es z. B. sehr sinnvoll, die Eigenhilfemöglichkeiten der Meldenden zu stärken. Telefonreanimation ist das Stichwort, wenn der Disponent der Leitstelle dem Anrufenden sagen kann, was er tun kann. Ich habe das im eigenen Bekannten kreis schon einmal erlebt: Ein Menschenleben konnte geret tet werden, weil der Disponent in der Leitstelle der anrufen den Ehefrau gesagt hat, was sie bei dem Herz-Kreislauf-Still stand tun soll, bis der Rettungswagen da ist. Der Mensch hat überlebt, was sonst vielleicht nicht der Fall gewesen wäre.
Das ist eine hervorragende Einrichtung. Das ist wichtig, und das ist unabdingbar, meine Damen und Herren.
Vor allem die nächste Stufe, das Helfer-vor-Ort-System, ist eine ganz tolle Einrichtung, die wir da geschaffen haben. Das möchte ich ausdrücklich erwähnen: Helfer vor Ort, mit Eh renamtlichen, die voralarmiert werden, die mitalarmiert wer den und dann schon vor dem Rettungswagen da sind, das ist eine hervorragende Einrichtung.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Andreas Glück FDP/DVP – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)
Ich möchte noch einen Schritt weiter gehen. Der Kollege Wald und ich waren letzte Woche in Baden-Baden beim DRK – beim Roten Kreuz – und haben uns dort das System der „Mo bilen Retter“ erklären lassen. Das ist etwas Ähnliches – es wi derspricht sich auch nicht gegenseitig und ist kein Nebenein ander –, aber bei den „Mobilen Rettern“ kommt hinzu, dass über eine satellitengestützte App in Echtzeit derjenige von den registrierten Rettern erreicht werden kann, alarmiert wird, von dem man weiß, dass er am nächsten am Unglücksort, am Not fallort dran ist.
Das wird jetzt ausprobiert. Dafür gibt es drei Pilotprojekte. Das ist eine Initiative aus der Notfallärzteschaft heraus. Ich freue mich sehr – ich möchte mich da ausdrücklich bei Ihnen, Herr Minister, und bei Ihnen, Herr Schröder, bedanken –, dass das auch vom Innenministerium jetzt mit Probeläufen unter stützt wird. Das ist eine hervorragende Ergänzung. Das ist kein Nebeneinander und kein Widerspruch zum Helfer vor Ort, sondern eine hervorragende Ergänzung und kann das Sys tem vielleicht – ich sprach vorhin von Minuten und Sekunden – noch einen Tick schneller machen und damit die Lebensret tung noch ein bisschen weiter verbessern. Wir sind da auf dem richtigen Weg.
Deswegen, meine Damen und Herren: Sie sehen: Wir wollen, dass die Rettungskette wie Zahnräder ineinanderläuft. Das muss wie Zahnräder ineinanderlaufen. Dann wird es auch ge lingen, und dann gelingt es zunehmend. Es ist gut geeignet, die Zeit der Erstversorgung – von der Alarmierung über die Erstversorgung bis zum Beginn der Versorgung im Kranken haus – zu verkürzen, die Schritte lückenlos zu machen und so Menschenleben zu retten.
Deswegen, meine Damen und Herren: Wir sind in BadenWürttemberg gut aufgestellt. Es gibt Herausforderungen; da ran arbeiten wir, daran arbeitet das Innenministerium. Es gibt auch Probleme, die gelöst werden müssen.
Aber der Zungenschlag, der schon im Titel der Debatte ent halten ist, gefällt mir, ehrlich gesagt, nicht. Denn es gibt kei nen Anlass, den Menschen Angst zu machen. Doch mit Ver weis auf medizinische Versorgung, die nicht funktioniert – vor allem im Notfall nicht funktioniert –, macht man Menschen Angst.
damit wiederhole ich noch einmal meine Aussage vom An fang – der vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ret tungsdiensten und den ehrenamtlichen Helfern bei „Helfer vor Ort“ und bei „Mobile Retter“ nicht gerecht.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin der FDP/DVP sehr dank bar, dass sie das Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat, denn Probleme müssen angesprochen werden. Es bringt nichts, alles unter den Tisch zu kehren.
Ich bin Ihnen, der Fraktion GRÜNE, aber auch dankbar, dass Sie die Probleme erkannt haben und dass Sie, Frau Schwarz, sie auch angesprochen haben. Das ist sehr ehrenwert.
Herrn Blenke möchte ich sagen: Für einen medizinisch nicht gebildeten Menschen ist es sehr schwierig, eine echte Notsi tuation wirklich zu erkennen oder sie von einer normalen, an deren Schmerzsituation zu unterscheiden. Selbst ich als me dizinisch Ausgebildete – zumindest habe ich eine medizini sche Grundausbildung – war, als ich einmal selbst betroffen war, völlig kopflos. Das kommt noch dazu, dass man dann emotional betroffen ist und die Situation überhaupt nicht mehr richtig einschätzen kann. Ich glaube, da würden wir die Bür ger sehr überfordern.
Aber jeder Bürger in diesem Land, der die Nachrichten hört, der Zeitungen liest, weiß, dass Probleme im baden-württem bergischen Rettungswesen nichts Neues sind. Lesen Sie die „Stuttgarter Nachrichten“. Sie titelten beispielsweise am 3. No vember 2016 „Der Rettungsdienst krankt massiv“ und stell ten fest:
Der Rettungsdienst in Baden-Württemberg krankt. Es fehlt Personal, die Beschäftigten des Deutschen Roten Kreuzes kämpfen gegen ihre Arbeitsbedingungen, zudem können die gesetzlichen Vorgaben seit Jahren nicht ein gehalten werden.
Die „Rhein-Neckar-Zeitung“ stellte am 9. März 2017 in ei nem Artikel mit dem Titel „Wenn der Notarzt zu spät kommt“ fest: „Rettungsdienste in der Region verpassen weiter Hilfs fristen“.
Die Liste ließe sich beliebig fortführen. Auch im Landtag ist der Rettungsdienst seit Jahren immer wieder Gegenstand von Anfragen durch Abgeordnete oder Fraktionen. Der Tenor der Presseberichte wie auch der Parlamentsanfragen ist stets der selbe: Die Hilfsfristen im Rettungsdienst können nicht einge halten werden. Und die sich wiederholenden Presseberichte und Parlamentsanfragen zeigen auch: Dies scheint sich trotz aller Beschwichtigungen seitens der Landesregierung nicht zu ändern.
Der SWR hat sich nun durch eine tief greifende Recherche des Themas angenommen und sämtliche Rettungsdienstein sätze des Jahres 2016 in Baden-Württemberg analysiert. Be denkt man, wie lange die Probleme bereits bekannt sind, so kann man das Ergebnis nur als schockierend bezeichnen.
Etwa 40 % der Bevölkerung Baden-Württembergs – das sind ca. vier Millionen Einwohner – wohnen in Gebieten, die bei Notarzteinsätzen 2016 nicht innerhalb der gesetzlich vorge schriebenen Hilfsfrist erreicht wurden. Notärzte halten eine Hilfsfrist von maximal zehn Minuten für unabdingbar, um den betroffenen Rettungsbedürftigen rechtzeitig wirksame Hilfe leisten zu können.
Im Gesetz über den Rettungsdienst wird diese Frist blumig mit „möglichst nicht mehr als zehn, höchstens 15 Minuten“ angegeben. Aber noch nicht einmal die 15 Minuten werden in weiten Teilen des Landes erreicht.
Dass dies grundsätzlich möglich ist, zeigt unser Nachbarland Hessen. Dort gilt eine Hilfsfrist von zehn Minuten. Zwar hat auch Hessen Schwierigkeiten, seine Hilfsfrist flächendeckend zu erreichen, aber dort geht es um die zehnminütige und nicht um die 15-minütige Frist.