Zweite Bemerkung: Die Landesregierung muss die von Ihnen unterstellte Untätigkeit nicht beenden, denn tatsächlich gibt es gar keine Untätigkeit. Genau das Gegenteil ist der Fall.
Ich möchte Ihnen, Herr Abg. Hinderer, heute gern darüber be richten. Ich glaube, es ist im Interesse dieses Hauses, dass ich das nicht über die Medien oder die Presse mache, sondern den Landtag von Baden-Württemberg darüber zuerst in Kenntnis setze.
(Abg. Rainer Hinderer SPD: Das ist aber das erste Mal! – Gegenruf des Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist anders als früher!)
Meine Damen und Herren, wenn ein Bürger in unserem Bun desland rettungsdienstlicher Hilfe bedarf, dann ist im Mittel spätestens rund sieben Minuten nach der Alarmierung ein Ret tungswagen bei ihm, und dies in ganz Baden-Württemberg bei einer oft sehr schwierigen Topografie, die wir im Land ha ben.
In vielen Fällen erreicht der Rettungsdienst den Notfallpati enten noch schneller, nämlich bereits nach fünf Minuten. Wer
Das gilt auch für das, was der SWR berichtet hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß nicht, ob der SWR die Hörerreaktionen, die er ausgelöst hat, tatsächlich erwartet hat. Aber es ist dem öffentlich-rechtlichen Sender zugutezuhalten, dass er sie veröffentlicht hat. Vielleicht musste er sie veröf fentlichen. Es war eine Livesendung morgens um 7 Uhr, die ich selbst gehört habe. Ich will Ihnen die drei Hörerinnen und Hörer, die angerufen haben und sich auch ein bisschen über die SWR-Berichterstattung beschwert haben, einfach zitieren. Denn sie geben, glaube ich, Pars pro Toto das wieder, was für das Land Baden-Württemberg zutrifft und was auch der Ein druck der Menschen in unserem Land ist.
Hörerin: Hier ist... aus Leingarten. Ich hatte vor einem Vierteljahr einen Oberschenkelhalsbruch. Ich glaube, es waren keine fünf Minuten, da war der Rettungswagen bei mir, und der Notarzt, meine ich, war noch schneller da. Also es ging wahnsinnig schnell, und die haben sich so rührend um mich gekümmert. Also ich kann nur die Leu te sehr, sehr loben.
Hörer: Hier ist... in Ditzingen. Ich habe am Heiligen Dreikönig früh Schmerzen gehabt in der Brust, richtig arg, und meine Frau hat um 6:45 Uhr den Notarzt ange rufen, und sieben Minuten später waren die hier und ich war 40 Minuten später im Robert-Bosch, und dort haben sie mir einen Stent gelegt.
Hörer: Hier ist... aus Winterbach. Vor vier Jahren bin ich hier drin gewesen in meiner Bude, und ich war stocksteif. Und dann kam die Rettung innerhalb kürzester Zeit, al les vom Feinsten. Vor den Leuten ziehe ich den Hut, und das will etwas heißen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist auch der Ein druck der Menschen in diesem Land, dass der Rettungsdienst bei uns gut aufgestellt ist. Deswegen sollten wir, meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP/DVP,
die Dinge auch nicht schlechter reden, als sie sind, und keine Verunsicherung bei den Menschen verbreiten. Herr Abg. Blen ke hat zu Recht darauf hingewiesen.
Gerade jüngst bei diesem schweren Busunfall in Eberbach ha ben wir gesehen, dass die Rettungsdienste in unserem Land auch in einer relativ kleinen Stadt dann bei einem so schwe ren Unfall – ein mit Schülerinnen und Schülern voll besetzter Bus – sehr gut arbeiten. Auch dort wurden in einer topogra fisch schwierigen Lage in der Enge des Neckartals die Ver letzten zeitnah und bestens versorgt, schnell in die richtigen und geeigneten Krankenhäuser transportiert.
Ich habe mich in einem Gespräch mit dem dortigen Bürger meister persönlich davon überzeugt. Dieser sagte mir erstens, in der Rettungsdienstarbeit habe alles geklappt wie am Schnür
chen, und zweitens berichtete er mir, dass auch viele Bürger und viele Betriebe ihre Türen – ihre Haustür, ihre Betriebstür – aufgemacht haben, um verstörte und verletzte Kinder auf zunehmen.
Es funktioniert also in unserem Land. Gerade dieses jüngste Beispiel hat es wieder gezeigt. Ich habe Respekt vor allen und große Dankbarkeit für alle, die auch in diesem konkreten Fall gezeigt haben, dass es in Baden-Württemberg funktioniert.
Ich will aber bei all diesen positiven Feststellungen gar nicht verschweigen, dass wir auch im Rettungsdienst vor großen Herausforderungen stehen. Wir arbeiten jeden Tag daran, die se Herausforderungen anzunehmen und die Rettungsdienst arbeit noch einmal zu intensivieren. Ja, es gibt Rettungsdienst bereiche, die die gesetzlichen Planungsvorgaben immer noch nicht erfüllen. Die in den Rettungsdienstbereichen beschlos senen Vorhalteerweiterungen wurden vielerorts durch die stei genden Einsatzzahlen aufgezehrt.
Zum anderen stehen wir aufgrund einer Vielzahl gesellschaft licher Veränderungen vor zusätzlichen Herausforderungen. Der Ärztemangel im ländlichen Raum ist eine solche Heraus forderung. Die Überalterung der Gesellschaft wirkt sich mas siv auf die Einsatzzahlen aus. Wie in anderen Gesundheitsbe reichen trifft uns daneben auch im Rettungsdienst zunehmend der Fachkräftemangel. Dies gilt für die Ärztinnen und Ärzte ebenso wie für die Besatzungen der Rettungsmittel.
All diese Herausforderungen nehmen wir an. Wir stellen uns diesen Herausforderungen, und wir arbeiten an nachhaltigen Lösungen. Wir haben bereits wichtige Schritte eingeleitet, ins besondere Schritte, die zu einer noch höheren Qualität und zu einer größeren Transparenz führen.
Die Stelle zur trägerübergreifenden Qualitätssicherung im Rettungsdienst wurde eingerichtet. Die dort vorgenommene Auswertung des umfangreichen Datenmaterials bietet uns eine Grundlage für sachgerechte und richtige Entscheidungen, und die Jahresberichte gewährleisten in Baden-Württemberg eine bundesweit einmalige Transparenz bei diesem Thema.
Bei der letzten Änderung des Rettungsdienstgesetzes im De zember 2015 wurden die Kompetenzen der Rechtsaufsicht über die Bereichsausschüsse gestärkt. Ebenso wurde die jähr liche Überprüfung und Anpassung der Bereichspläne im Ge setz verankert.
Wir unterstützen die Bereichsausschüsse und die Aufsicht bei spielsweise durch einen neuen, landesweit geltenden Muster bereichsplan, den wir in den nächsten Wochen einführen wer den. Nicht aktualisierte Bereichspläne müssen der Vergangen heit angehören. Wir wollen verbesserte Kontrollmöglichkei ten, und derzeit arbeiten wir daran, dass diese Forderung lan desweit umgesetzt wird.
Wichtig ist mir, dass wir die gesamte Rettungskette im Auge haben. Frau Abg. Schwarz und Herr Abg. Blenke haben zu Recht auf diesen wichtigen Punkt hingewiesen.
Nicht nur die Hilfsfristen, sondern alle Prozessschritte müs sen beleuchtet werden. Bei vielen Indikationen wie einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt ist entscheidend, dass die Patientinnen und Patienten innerhalb der sogenannten „Gol den Hour“ in die hierauf spezialisierte Klinik kommen. Übri gens: In Baden-Württemberg gelingt uns dies durchschnitt lich nicht in einer Stunde, sondern in 46 Minuten.
Zur Gewährleistung einer qualifizierten Ersthilfe bei reanima tionspflichtigen und lebensbedrohten Notfallpatienten hat die Landesregierung das Helfer-vor-Ort-System jetzt im Gesetz implementiert und damit Rechtssicherheit geschaffen.
Das ist ein wichtiger Punkt. Diese Helferinnen und Helfer vor Ort sind diejenigen, die in den ersten fünf Minuten lebens wichtige Hilfe leisten. Ihnen gilt mein besonderer Dank. Das sind die Engel, die ganz schnell vor Ort das Leben retten.
Um Ihre Frage, Herr Abg. Hinderer, ganz konkret zu beant worten: Im Doppelhaushalt 2018/2019 haben wir bei den Re gierungspräsidien vier neue Stellen Ärztlicher Leiter Ret tungsdienst geschaffen und die auch für den Bevölkerungs schutz zuständigen Referate 16 personell verstärkt. Damit wollen wir die Kontrolle und die Einflussnahme des Landes verbessern sowie die Bereichsausschüsse und die Rechtsauf sichten beraten und unterstützen. Die Stellen sind nun also im Haushaltsplan vorhanden. Wir werden sie selbstverständlich eine nach der anderen besetzen.
Ebenso haben wir Haushaltsmittel für Strukturuntersuchun gen im Rettungsdienst in den Haushalt eingestellt. Momentan bereiten wir die Beauftragung eines landesweiten Gutachtens für die Luftrettung vor. Mit diesem Gutachten wollen wir das Zusammenwirken des bodengebundenen Rettungsdienstes mit der Luftrettung noch einmal verbessern.
Mein besonderer Fokus liegt aktuell auf dem Krankentrans port. Aufgrund einer offenbar nicht auskömmlichen Finanzie rung erwächst ein Kapazitätsproblem. Herr Abg. Hinderer, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir bei den Gesprä chen noch nicht zu einer Einigung gekommen sind.
Wenn der Krankentransport durch die Selbstverwaltung nicht sichergestellt werden kann, dann werden wir, wie wir es in der Antwort auf eine Große Anfrage bereits angekündigt haben, einer Gesetzesänderung nahetreten. Für uns gilt aber das Sub sidiaritätsprinzip: Wir wollen der Selbstverwaltung zunächst einmal die Chance geben, das Problem zu lösen. Wenn das nicht gelingt, sind wir aber auch bereit, die Dinge als Gesetz geber auf den Weg zu bringen.
Damit nicht genug: Es ist mein erklärtes Ziel, einen Rettungs dienst aus einem Guss zu haben. Hierzu können gesetzliche und organisatorische Änderungen notwendig werden. Derzeit beleuchten wir die Chancen übergreifender Konzepte. Dabei haben wir vor allem die Rettungsdienstplanung im Blick.
Während bisher nahezu jeder Bereichsausschuss sein eigenes Gutachten beauftragt, verspricht eine bereichsübergreifende, landesweite Planung deutliche Optimierungspotenziale. Die
se Planung könnte dann in Verbindung mit den Überlegungen der Bereichsausschüsse und deren Vor-Ort-Kenntnissen zu ei ner optimalen landesweiten Planung führen.
Im Besonderen gilt dies für den Krankentransport. Gerade hier bieten sich für die Zukunft Logistikalgorithmen und großräu mige Transportplanungen an. Hierzu stehen wir mit dem Karls ruhe Service Research Institute beim KIT in Verbindung.
Wir brauchen auch zeitgemäße vernetzte Leitstellen, die ih ren hoheitlichen Auftrag effizient erfüllen. Gleiche Software, einheitliche Technik, eine neutrale Datenauswertung und ei ne schlagkräftige Cybersicherheit sind ein Muss. Eine neue Herausforderung bei diesem Thema ist auch, dass wir den Da tentransport, den Datenverkehr sicher machen. Derzeit beglei tet eine Lenkungsgruppe mit allen beteiligten Partnern diesen Prozess.
Am Ende des Tages könnte ein Leitstellengesetz die Grund lage für die künftige Leitstellenlandschaft in Baden-Württem berg bieten. Darin sind die Fragen der Zuständigkeiten, der Trägerschaft, des Betriebskonzepts und der Datenhoheit zu kunftweisend zu lösen.
Mit einem Fachsymposium Rettungsdienst wollen wir am 2. März 2018 in meinem Haus zusammen mit Experten noch einmal die Zukunft des Rettungsdienstes beleuchten und da mit auch den Startschuss für die Umsetzung unserer Ideen ge ben. Hierzu laden wir die zuständigen Abgeordneten und auch alle anderen Abgeordneten dieses Hauses selbstverständlich gern ein. Ich würde mich freuen, wenn dieses Symposium Ihr Interesse finden würde.
Ja, es ist wahr, meine Damen und Herren: Wir werden im Ret tungsdienst noch viele dicke Bretter bohren müssen. Aber dies geht nur gemeinsam. Es geht um die Gesundheit und oft so gar um das Leben der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Meine Damen und Herren, Sie sehen: Wir arbeiten da ran, dass der Rettungsdienst in diesem Land, der auf einem hohen Niveau ist, jeden Tag noch besser wird. Wir gehen da bei einen innovativen und konsequenten Weg.
Ich bedanke mich für die gute Zusammenarbeit insbesondere mit den Fachpolitikern hier im Landtag. Ich bin ganz sicher, dass wir 2018 bei diesem Thema miteinander ein gutes Stück weiterkommen werden.