Protocol of the Session on December 15, 2017

(Zuruf des Abg. Rainer Stickelberger SPD)

Nein, die Schulden sind über Jahre aufgebaut worden. Und warum? Weil man nicht vorgesorgt hat. Denn ein ordentlicher Kaufmann – ich wiederhole mich – unterscheidet zwischen Rückstellungen und Rücklagen. Aber auch diese Begrifflich keit scheint nicht bekannt zu sein.

(Zuruf der Abg. Sabine Wölfle SPD)

In Artikel 109 Absatz 3 des Grundgesetzes haben sich der Bund, aber auch die Länder dazu verpflichtet, Einnahmen aus Krediten zu vermeiden und Haushalte zu konzipieren, die die se nicht mehr vorsehen. Es gibt zwei Ausnahmen: konjunktu relle Gründe und Naturkatastrophen. Das ist hier nicht unbe dingt gegeben. Wir können das selbst reparieren. Deshalb ha ben wir großes Verständnis für den Gesetzentwurf der Frak tion von Herrn Hofelich und stimmen wir diesem zu.

Ich beruhige Sie: Ich mache gleich Schluss; denn alles ist nur Wiederholung von heute Morgen.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort dem Kollegen Stickelberger.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Implizi te Verschuldung“ hat uns ja die ganzen Haushaltsberatungen über beschäftigt – schon im letzten Jahr – und hat dieses Mal weiter Fahrt aufgenommen. Es ist durchaus nicht unumstrit ten, was genau man darunter versteht. Da gibt es unterschied liche Interpretationen. Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf eine Klärung der Rechtslage herbeiführen und insbesondere die Stellung des Haushaltsgesetzgebers stärken, und wir wol len ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Tilgung von Kreditmarktschulden einerseits und impliziter Verschuldung andererseits gewährleisten.

Der Begriff „Implizite Verschuldung“ ist kein Unwort des Jah res und auch keine Erfindung des früheren Finanzministers, sondern ein finanzwissenschaftlicher Begriff, den es schon lange gibt. Niemand wird bestreiten, dass implizite Schulden angegangen werden müssen. Es handelt sich um verdeckte Schulden, und für deren Vermeidung und Abwehr muss recht zeitig Sorge getragen werden. Darüber besteht sicher Einig keit.

Was aber im letzten Jahr passiert ist und jetzt fortgeführt wird: Der finanzpolitische Begriff wird zu einem Rechtsbegriff und findet über § 4 Absatz 16 des Haushaltsgesetzes Eingang in das Haushaltsrecht. Um einem Missverständnis vorzubeugen: Die Landeshaushaltsordnung wurde nie geändert, sondern man hat durch das Haushaltsgesetz den Paragrafen in der LHO uminterpretiert und gesagt, er sei auch im Sinne impliziter Schulden auszulegen. Wenn Sie so wollen, ist das ein defini torischer Trick.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Das ist gar kein Trick, das ist eine Verordnung!)

Die Einzelheiten stehen dann in einer Rechtsverordnung des Finanzministeriums, unterschrieben von der Frau Finanzmi nisterin, und in entsprechenden Verwaltungsvorschriften.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Das ist doch kein Trick! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Wir wollen das mit unserem Gesetzentwurf klarstellen und beschränken uns, was die implizite Verschuldung angeht, auf Nettobauinvestitionen und Pensionsausgaben – neben den Kreditmarktschulden. Es wurden vorhin noch andere Berei che genannt; das lehnen wir ab. Verluste bei der NECKARPRI sind keine impliziten Schulden.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD)

Wir stimmen mit dem Rechnungshof überein, der auch gefor dert hat, dass Maßnahmen zur Tilgung impliziter Schulden auch in der Landeshaushaltsordnung klar definiert werden. Wir machen das mit unserem Gesetzentwurf.

Der Rechnungshof hat im Übrigen durchaus Zweifel, wie man die Nettobauinvestitionen dann zu bewerten hat. Wenn Sie al so den Sanierungsstau als implizite Schulden ansehen, dann muss man das irgendwie quantifizieren. Da hat der Rech nungshof – erinnern Sie sich an die Finanzausschussberatun gen – durchaus Zweifel, wie man das bewertet.

Was die Ausgabereste angeht: Herr Dr. Schütte, Ihr Vortrag war zwar sehr laut, aber deshalb nicht besser verständlich.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU)

Wissen Sie: Wenn Sie Kreditzusagen haben und diese Kredi te nicht in Anspruch nehmen, dann haben Sie deswegen nicht weniger Schulden.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es! – Abg. And reas Kenner SPD: Bravo! So ist es!)

Sie haben allenfalls keine zusätzlichen Schulden. So, wie Sie die gängige Haushaltsordnung in § 18 strapazieren, der für Kreditmarktschulden vorgesehen ist, so öffnen Sie eigentlich das Tor dafür, dass im Grunde jede langfristig wirkende Maß nahme schon als Abbau impliziter Verschuldung definiert wer den kann. Das kann nicht rechtens sein. Da haben wir auch den Bund der Steuerzahler an unserer Seite, der das genauso sieht.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir sorgen mit un serem Gesetzentwurf für Transparenz, stärken den Haushalts gesetzgeber, der dann nämlich bestimmt, was er mit den im pliziten Schulden anfängt, und leisten damit einen Beitrag zur Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Rüdiger Klos AfD – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Nichts zur kom munalen Sanierung im Bestand gesagt!)

Für die FDP/DVP-Frakti on erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Aden.

Sehr geehrter Herr Prä sident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Parlamentsreden der letzten Tage und die Diskussionen der vergangenen Mo nate zum Thema „Implizite Verschuldung“ belegen vor allem eines: Die Landesregierung hat mit der Einführung eines neu en Schuldenbegriffs der Landeshaushaltsordnung ein ganz di ckes faules Ei ins Nest gelegt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das haben Sie schon zehnmal gesagt! Das ist die zehnte Debatte jetzt da zu! Sorry! – Zuruf des Abg. Tobias Wald CDU)

Das erfordert Widerspruch von uns; aber vor allem geht es nun um den Gesetzentwurf der SPD, den wir heute hier bera ten.

Ich kann mich angesichts der heute und in den vorigen Tagen geführten Debatten wirklich kurzfassen. Angesichts des be vorstehenden Abschlusses der Haushaltsberatungen dieser Woche erlaube ich mir jetzt auch, ein bisschen lyrisch zu wer den:

Der Gesetzentwurf der SPD ist ein Licht in dunkler Nacht, et was Gutes im Bösen, ist das erste zarte Pflänzchen nach ei nem harten Winter. Dennoch – –

(Minister Thomas Strobl niest. – Heiterkeit und Bei fall – Abg. Thomas Blenke CDU: Zum Glück ist er Arzt!)

Haben Sie „Quatsch“ gesagt?

(Anhaltende Heiterkeit – Minister Thomas Strobl: Entschuldigung!)

Sie haben nicht „Quatsch“ gesagt. – Machen wir weiter.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Er war so beein druckt!)

Trotzdem können wir den Gesetzentwurf nicht unterstützen. Die SPD möchte die verhältnismäßig breite Ermächtigung, die sich die Landesregierung selbst gegeben hat, um implizi te Schulden zu tilgen, auf ein vernünftiges Maß eindampfen. Und das mit Recht; denn der Weg, eine substanzielle Grund lage der Gesetzesnovelle der Landeshaushaltsordnung aus dem Jahr 2012 mit einer Verordnung einfach aus dem Weg zu schaffen,

(Zuruf: Ja!)

wird der Wichtigkeit dieses Themas in keiner Weise gerecht.

Da die FDP/DVP-Fraktion die Tilgung impliziter Schulden grundsätzlich ablehnt, können wir leider auch dem Gesetzent wurf nicht zustimmen.

Herr Schütte – ist er noch da? doch! – hat uns vorgeworfen,

(Abg. Tobias Wald CDU: Da sitzt er! – Zuruf von der CDU: Den kann man nicht übersehen!)

wir würden überhaupt kein Geld mehr in der Kasse haben. Wissen Sie, Herr Schütte: Erwartete Überschüsse im Jahr 2017 in Höhe von wahrscheinlich 4 Milliarden € sowie ca. 400 Millionen € überzogene Zinsausgaben gewährleisten oh ne Probleme die Erfüllung von Sanierungsaufgaben, die – auch angesichts der boomenden Baukonjunktur – in absehba rer Zeit durchführbar sind.

Nun ist es ja wirklich ureigene Aufgabe des Landeshaushalts, das Vermögen zu bewahren. Es wussten – das ist jetzt wich tig – doch alle: Als 2012 die Neuregelung in die Landeshaus haltsordnung aufgenommen wurde – – Deswegen beklagen

wir das auch; deswegen geht der Gesetzentwurf der SPD ja in die richtige Richtung. Es wird wirklich gegen den Geist von 2012 verstoßen. Damit – das muss ich wirklich sagen, sehr geehrte Damen und Herren – hat die Landesregierung, wie ich eingangs schon gesagt habe, der Landeshaushaltsordnung ein dickes Ei ins Nest gelegt.

Mir und auch anderen fiel während der Beratungen im Finanz ausschuss auf, dass die Ideen der SPD in den Reihen der Re gierung wohl doch einen gewissen Nerv getroffen haben. Man spürte eine gewisse Dünnhäutigkeit, so wie bei einem Schul buben, der beim Griff in die Keksdose ertappt wurde.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Schönes Bild!)

Das ist – jetzt komme ich schon zum Schluss – auch verständ lich, denn Sie, geehrte Damen und Herren von den Regie rungsfraktionen, müssen erklären, wie es sein kann, dass die Politik jahrzehntelang Schulden macht und verspricht, diese bei guter Lage zurückzuzahlen

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Machen wir doch! – Gegenruf des Abg. Stefan Herre AfD: Viel zu we nig!)

ach, 500 Millionen €! –, und man sich jetzt, bei der ersten Gelegenheit, die sich dafür ergibt, an diese Aussage nicht mehr gebunden fühlt. Auch das gehört zum Thema „Mangeln de Glaubwürdigkeit in der Politik“ –