Denn im Koalitionsvertrag und in der Regierungserklärung war nichts drin. Also, diese „ungeahnten Möglichkeiten“ sind im Laufe dieser Legislaturperiode noch zu entwickeln.
Denn in der Tat: Es sind vielfach Worthülsen. Ich darf nur ei nige zitieren – Seite 6 des Vorabdrucks der Regierungserklä rung –:
Denn niemand kann sicher vorhersagen, welche... Ge schäftsmodelle in Zukunft erfolgreich sein werden.
Das ist richtig, Herr Ministerpräsident, und das gab mir auch ein Stück weit Hoffnung. Denn Sie sind ja im Jahr 2011 an getreten mit der nicht ganz glücklichen Formulierung der „In novationspeitsche“. Wenn Sie jetzt so weit sind, dass Sie sa gen: „Niemand kann sicher sein, welche Geschäftsmodelle in Zukunft erfolgreich sein werden“, bin ich zunächst einmal da von ausgegangen, dass Sie diese Innovationspeitsche aus der Hand gelegt haben. Aber leider findet sich dann auf Seite 11 der Satz:
Wir wollen... unsere Unternehmen zur Nummer 1 bei Res sourceneffizienz und Umwelttechnologien machen.
Da ist ja dann doch wieder die Innovationspeitsche, Herr Mi nisterpräsident, dass Sie doch wieder deutlich machen: Die Politik weiß besser als die Unternehmen selbst, was Unter nehmen zu tun haben.
Wenn Sie es mir nicht glauben, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion – Kollege Mack hat bei meinen Ausfüh rungen pflichtschuldigst den Kopf geschüttelt –, kann ich Sie vielleicht mit der Aussage eines Parteifreundes konfrontieren, der die Innovationspolitik und die Gründungspolitik dieser Landesregierung schon aufs Korn genommen hat. Am 24. Mai wird in den „Stuttgarter Nachrichten“ darüber berichtet: Flo rian Nöll, Vorsitzender des Bundesverbands Deutsche Startups in Berlin – pikanterweise seinerseits CDU-Mitglied –, spricht davon, die Maßnahmen seien „eher Lada als Porsche“.
Der überaus schwammig versprochene Innovationsfonds des Landes falle gegenüber der vollmundigen Zielvorstellung, man wolle bester Gründerstandort Europas werden, drama tisch ab. Auch die Tatsache, dass der Bereich Digitalisierung vom Wirtschaftsministerium an das CDU-geführte Innenmi nisterium abgetreten wurde, attackiert er:
Diese Entscheidung ist ein dramatischer strategischer Fehler, ein Sieg von rückwärtsgewandter, sicherheitsori entierter Digitalpolitik über digitale Wirtschaftspolitik, ein Sieg von Eitelkeit über Kompetenz.
Die Regierungserklärung, Herr Ministerpräsident – um Ihnen auch, zumindest innerkoalitionär, ein Lob auszusprechen –, steht ja auf zwei Pfeilern. Den ersten habe ich genannt: Sie verbleiben im Ungefähren. Der zweite Pfeiler ist, dass Sie den Sieg in den Koalitionsverhandlungen über die CDU feiern. Das ist berechtigt, wie wir sehen werden.
Ich komme einmal zum ersten Punkt, zum Verweilen im Un gefähren. Ich habe selten ein solches Sammelsurium von Ge meinplätzen erlebt.
Auch bei den politischen Absichten dieser Regierungskoali tion bleibt alles im Ungefähren, so auch die Haushaltskonso lidierung. Sie bekennen sich dazu, die Schuldenbremse in der Landesverfassung zu verankern. Herzlich willkommen! Wir haben Ihnen in der zurückliegenden Legislaturperiode bereits zweimal durch Gesetzentwürfe die Gelegenheit dazu gege ben. Sie sind – wie Sie sicherlich in beiden Fällen sagen wer den – jeweils am Koalitionspartner gescheitert. Aber die Ge legenheit hätten Sie gehabt.
Also, bisher nehmen Sie wieder nur die Beamten in den Blick. Insofern hat sich an dieser Stelle im Vergleich zur grün-roten Landesregierung nichts geändert.
Herr Ministerpräsident, mit dieser Formulierung haben Sie sozusagen kongenial beide Pfeiler Ihrer Regierungserklärung zusammengeführt, nämlich das Ungefähre und den Sieg über
die CDU – eine Formulierung, die hinreichend ungefähr ist, aber gleichzeitig deutlich macht: In der Bildungspolitik än dert sich gar nichts. Das ist der eigentliche Punkt.
Das sehen wir natürlich auch an den Reaktionen aus der CDUFraktion, auf die Sie schon der Kollege Stoch angesprochen hat. Wir konnten in der vergangenen Woche beobachten, wel che Ovationen bei der CDU-Fraktion der Satz ausgelöst hat: Gemeinschaftsschulen können weiter eingerichtet werden, und auch Oberstufen sind möglich.
Oder das Thema Windkraft: „Die Windkraft werden wir im Land weiter ausbauen.“ Die CDU wollte doch bremsen. Der Ministerpräsident hat erklärt: „Die Energiewende wird ein Er folg. Wir wollen kostengünstige und effiziente Speichermög lichkeiten für Strom schaffen.“ Aber auch hier fehlt sowohl in der Regierungserklärung als auch im Koalitionsvertrag die Antwort auf die Frage nach dem Wie.
Selbst die Politik des Gehörtwerdens ist in dieser Regierungs erklärung wieder aufgetaucht. Fünf Jahre lang haben wir ge sehen: Jedes Mal, wenn in diesem Haus das Stichwort „Poli tik des Gehörtwerdens“ gefallen ist, haben sich die CDU-Ab geordneten auf die Schenkel geklopft. Und jetzt plötzlich ist es wieder da – sehr zum Ärger zumindest der Partei der CDU. Die Reaktion auf das „Sternchen“ ist ja durch die Landesme dien gegangen. Wir können die Bitte von Steffen Bilger nur wiederholen: Lassen Sie bitte die Gender-Schreibweise in den Tweets der Landesregierung! Das ist ja die ultimative Provo kation – sowohl die „Politik des Gehörtwerdens“ als auch das Gender-Sternchen im Tweet der Landesregierung.
Meine Damen und Herren, die Regierungserklärung ist im Grunde die Umsetzung des Koalitionsvertrags. Herr Minis terpräsident, Sie haben am vergangenen Mittwoch erklärt, den Koalitionsvertrag könne im Grunde jeder lesen, deshalb setz ten Sie in der Regierungserklärung andere Schwerpunkte. Aber es sind im Grunde dieselben Schwerpunkte wie auch im Koalitionsvertrag:
allgemeines Blabla. Der Kollege Stoch hat darauf hingewie sen: Es gab noch nie einen so voluminösen Koalitionsvertrag. Sie haben, Herr Stoch, die Vermutung geäußert: Wenn man nicht viel zu sagen hat, dann braucht man viele Worte. Ich ha be eher den Verdacht: Man braucht viele Worte, um zu vertu schen, dass man wenig sagen möchte.
Das Zweite ist, dass auch an dieser Stelle im Koalitionsver trag deutlich gemacht wird – da unterscheiden wir uns, Herr Kollege Stoch; das werde ich noch deutlich machen –, dass die CDU nicht nur auf den meisten, sondern auf allen Feldern der Landespolitik der Verlierer dieser Koalitionsverhandlun gen gewesen ist.
Das dritte Stichwort ist zugegebenermaßen im Koalitionsver trag weniger umgesetzt worden, nämlich das Schlagwort „Prü fen statt handeln“. Es ist unglaublich, was Sie alles prüfen wollen, meine Damen und Herren.
(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Das geht gründ lich! – Abg. Winfried Mack CDU: Wann kommt das Geschenk?)
Darauf kommen wir aber noch zu sprechen. – Ja, ja, Geschen ke kommen am Schluss. Ich kann auch noch nicht zusagen, ob das Geschenk wirklich überreicht wird.