Protocol of the Session on June 8, 2016

Bürgerinnen und Bürger sollen früh, offen, umfassend und verständlich informiert... werden.

Sehr gut. Dieser Anspruch muss aber, gerade wenn es um Ne benabreden geht, mit Leben gefüllt werden.

Natürlich werden wir auch darauf achten, dass auch diejeni gen in Ihrer Politik vorkommen, deren Stimme sonst wahr scheinlich nicht gehört wird, denn in Baden-Württemberg le ben u. a. auch knapp 13 % der Kinder unter 18 Jahren in Ar mut. Das ist kein Grund, sich selbstzufrieden zurückzulehnen, sondern ein Grund dafür, alle Teile der Gesellschaft aktiv mit in die Regierungspolitik einzubinden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, darüber wird die SPD-Landtagsfraktion intensiv wachen.

(Beifall bei der SPD)

Aus diesem Grund wird die SPD-Landtagsfraktion in der Op positionsrolle auch Vorschläge unterbreiten. Die SPD-Land tagsfraktion wird in den wichtigen Feldern – einige davon ha be ich benannt – alles dafür tun, dass die Vielschichtigkeit der Problemlösungen auch tatsächlich von der Landesregierung berücksichtigt wird.

Wir werden in wichtigen Bereichen, wo es wirklich um den gesellschaftlichen Zusammenhalt geht, versuchen, diesem Teil des Landes, der sonst möglicherweise von CDU und Grünen vergessen wird, eine Stimme zu geben. Wir werden alles da für tun, dass die Menschen in Baden-Württemberg diese fünf Jahre nicht, wie es schon in der „taz“ steht, als eine der lang

weiligsten Regierungszeiten in der Geschichte betrachten. Vielmehr werden wir versuchen, Marksteine zu setzen, sodass diese Regierung einfach entscheiden muss, auch wenn sie an manchen Stellen gar nicht entscheidungsfähig ist.

(Beifall bei der SPD)

Zum Abschluss noch eine kleine Hilfe, weil offensichtlich so wohl für Abgeordnete der CDU als auch für Abgeordnete der Grünen die Umsetzung dessen, was auf 140 Seiten im Koali tionsvertrag steht, durchaus schwierig ist. Es ist ja auch schwie rig, diese Sprache erst einmal zu lernen und umzusetzen. Die SPD-Landtagsfraktion nimmt ihre Rolle als Oppositionsfrak tion sehr ernst und unterstützt die Regierung auch an Stellen, wo sie es für dringend notwendig hält. Wir haben uns auch gefragt, wer diese Rede geschrieben hat und wer den Koaliti onsvertrag verfasst hat.

(Der Redner hält eine Papierscheibe hoch.)

Deswegen hat die SPD-Landtagsfraktion einen „Phrasenge nerator“ entworfen – man könnte auch „Phrasendreschmaschi ne“ sagen; die CDU reagiert ja gern auf Begriffe aus der Land wirtschaft.

Wenn Sie diesen Phrasengenerator verwenden, werden Sie Ih ren Mitgliedern an der grünen Basis und an der CDU-Basis diesen Koalitionsvertrag hundertprozentig genau erläutern können. Da steht z. B. ganz viel von einer „aktiven Digitali sierungsoffensive“ oder, wenn ich weiterdrehe, von einer „so lidarischen Digitalisierungskoordination“. Mit dieser Phra sendreschmaschine, diesem Phrasengenerator werden Sie den Menschen in Baden-Württemberg zumindest den Koalitions vertrag erklären können. Die Zukunft Baden-Württembergs wird darin aber nicht liegen.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei Abge ordneten der AfD – Zuruf der Staatssekretärin Fried linde Gurr-Hirsch – Der Redner übereicht Abg. An dreas Schwarz GRÜNE die Papierscheibe.)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzendem Dr. Rülke das Wort.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP bringt eine Stofftasche mit zum Rednerpult. – Zuruf von der CDU: Er hat eine ganze Tasche dabei! – Abg. Hans- Ulrich Sckerl GRÜNE: Weitere Geschenke!)

Jetzt kommt der Nächste mit Mitbringseln.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen, Herr Ministerpräsident, liebe Kollegen von der Grünen-Fraktion! In der Tat, auch ich habe etwas mitgebracht.

(Heiterkeit)

Allerdings müssen Sie sich noch bis zum Ende meiner Aus führungen gedulden.

Zunächst will ich an der Stelle beginnen, Herr Ministerpräsi dent, an der Ihre Rede am vergangenen Mittwoch, um es

freundlich zu formulieren, am konkretesten gewesen ist, näm lich beim Thema „Europa und Weltoffenheit“. Gleichzeitig ist das auch der Punkt, an dem das Verbindende von zumindest vier Fraktionen im Landtag von Baden-Württemberg am deut lichsten wird.

Sie, Herr Ministerpräsident, haben dazu aufgerufen, sozusa gen den Schulterschluss zu üben. Natürlich kann ich für mei ne Fraktion, die FDP/DVP, diesen Schulterschluss im Be kenntnis zu Europa und zur Weltoffenheit ohne Einschrän kung zusagen.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Ich glaube, es ist am heutigen Tag, zu Beginn dieser Legisla turperiode und auch vor dem Hintergrund dieses Wahlergeb nisses schon wichtig, deutlich zu machen, was in den letzten 70 Jahren im Land Baden-Württemberg geleistet worden ist – mitten in Europa, in Weltoffenheit und in einem Bekenntnis zu dieser Weltoffenheit, zu Frieden und Wohlstand. Dies wur de, Herr Meuthen, von dem von Ihnen stets verächtlich so be zeichneten „Kartell der Altparteien“ nicht unwesentlich mit gestaltet.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Jetzt bauen Sie es wieder ab, oder?)

CDU, SPD, FDP/DVP und andere haben dieses Bundesland gegründet, die Grünen wirken seit 35 Jahren mit. Sicherlich ist in diesen 70 Jahren nicht alles richtig gemacht worden,

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

aber das, was in Baden-Württemberg in diesen 70 Jahren ge leistet worden ist, meine Damen und Herren, wie die Men schen in Baden-Württemberg leben und welche Lebenschan cen sie haben, das hat schon ein bisschen damit zu tun, was in diesem Haus in den letzten 70 Jahren beschlossen worden ist. Dazu haben Sie bisher noch keinen Beitrag geleistet, mei ne Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP, den Grünen, der CDU und der SPD)

Deshalb ist es auch bemerkenswert, mit welcher Selbstgerech tigkeit und welcher Aufgeblasenheit Sie am heutigen Tag hier aufgetreten sind.

(Beifall bei der FDP/DVP, den Grünen, der CDU und der SPD)

Im Grunde haben Sie nur in weinerlichem Ton über sich selbst gesprochen. Das ist kein Beitrag zur Zukunft des Landes Ba den-Württemberg.

(Zuruf von der AfD: So spricht ein Liberaler!)

Ich sage Ihnen eines, und da hat der Herr Ministerpräsident völlig recht. Ich darf aus seiner Regierungserklärung zitieren:

Wir stellen eine Politik der Liberalität und des besseren Arguments einer Politik... der Hetze gegen Minderheiten gegenüber.

Selbstverständlich ist das ein Zitat, das Liberale unterschrei ben.

Ich sage Ihnen noch eines: Wir werden gemeinsam verhin dern, dass in diesem Land eine Politik der Hetze gegenüber Minderheiten, eine Politik des Rassismus und auch eine Po litik des Antisemitismus wieder hoffähig werden.

(Beifall bei der FDP/DVP, den Grünen, der CDU und der SPD – Zurufe von der AfD)

Am heutigen Tag, meine Damen und Herren, geht es um die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten und um den Ko alitionsvertrag von Grün-Schwarz. Das ist das Thema des heu tigen Tages.

Natürlich – da gilt für die Fraktion der FDP/DVP dasselbe, was Kollege Stoch für die SPD-Fraktion zugesagt hat – sehen wir unseren Auftrag als Opposition darin, die Regierung an ihrem eigenen Anspruch zu messen und das zu kritisieren, was wir für falsch halten. Selbstverständlich werden wir in diesem Haus aber nicht nur kritisieren und schon gar nicht ständig über uns selbst reden, sondern wir werden konstruktive Vor schläge machen und eigene Gesetzentwürfe einbringen. Der erste liegt schon vor.

Wenn sich der objektive Betrachter allerdings anschaut, was es über das, was ich jetzt genannt habe, hinaus an Gemein samkeiten gibt, stellt er nicht mehr allzu viel fest.

Sicher ist es richtig, sich dafür einzusetzen, dass Menschen, wie Sie es formuliert haben, Herr Ministerpräsident, nicht schief angeschaut werden, wenn sie als Unternehmensgrün der nicht erfolgreich waren. Natürlich ist es richtig, zu einer Kultur des Scheiterns zu kommen, einer Kultur der zweiten Chance – das, was wir bei unserem Besuch in Kalifornien im vergangenen Jahr gelernt haben.

Was uns aber fehlt – und das ist das eigentliche Leitmotiv der Regierungserklärung und des Koalitionsvertrags –, ist die Konkretheit der Maßnahmen. Wir haben sowohl im Koaliti onsvertrag als auch bei Ihrer Regierungserklärung Aussagen dazu vermisst, was Sie konkret tun wollen, um ebendiese Kul tur des Scheiterns einzurichten und eine „Kultur des Schei tern-Dürfens“, wie es im Koalitionsvertrag heißt, umzusetzen.

Auch das, was da konkret drinsteht, sind Dinge, die nicht nur aus der letzten Legislaturperiode, sondern vielfach aus der vorletzten Legislaturperiode übernommen wurden – beispiels weise das Thema Innovationsfonds, beispielsweise das The ma Innovationsgutscheine, beispielsweise das Thema Risiko kapital. Was uns aber fehlt, sind konkrete Vorschläge. Es wä re natürlich sinnvoll, den Innovationsfonds für privates Kapi tal zu öffnen, aber uns fehlen die konkreten Vorschläge – und das ist das Leitmotiv sowohl der Regierungserklärung als auch des Koalitionsvertrags.

Der Kollege Reinhart hat am heutigen Tag eine – so will ich sagen – lyrische Rede gehalten.

(Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Eine epo chale Rede! – Abg. Stefan Teufel CDU: Eine sehr gu te Rede!)

Was aber auf jeden Fall bleiben wird, ist eine Formulierung, die ich mir gleich aufgeschrieben habe, zu dieser Koalition. Der Kollege Reinhart hat diese Koalition als eine „Koalition der ungeahnten Möglichkeiten“ bezeichnet.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Andreas Stoch SPD: Das ist mir auch aufgefallen!)

Da hat er völlig recht.