Protocol of the Session on October 12, 2017

wenn es um eine Beschneidung der Gemeinschaftsschule geht. Beim Thema „Zuweisung von dringend benötigten Gymnasi allehrkräften an Gemeinschaftsschulen“ vergisst sie hingegen die Gleichbehandlung.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da wollen nicht al le hin!)

Seit unserer Anfrage wissen wir, dass 900 Referendare gern an einer Gemeinschaftsschule arbeiten möchten, aber nur 180 eingestellt werden. Kein Wunder; wir haben ja zu Beginn die ses Schuljahrs auch erfahren müssen,

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

dass die Landesregierung über 1 000 Lehrerstellen gestrichen hat. Die Kultusministerin zieht sich dann oftmals auf die la pidare Aussage zurück, es gebe ja nicht so viele Lehrkräfte für Neubesetzungen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Es hat Auswirkun gen für Gymnasien, nicht für Gemeinschaftsschulen!)

Das ist an dieser Stelle – entschuldigen Sie – keine Verlegen heitslüge; das ist bewusste Täuschung. Wir fordern eine Ein stellungsoffensive für Gymnasiallehrkräfte – jetzt!

(Beifall bei der SPD)

Beispiel Nummer 4: Verschleppung der Genehmigung von Oberstufen. § 30 b des Schulgesetzes ist eindeutig: Für die Genehmigung einer gymnasialen Oberstufe muss in Klassen stufe 9 die Mindestschülerzahl von 60 für Klassenstufe 11 langfristig prognostiziert werden können. Seit letztem Jahr geht nun plötzlich das Gerücht um, die Schule müsse auch sta bil vierzügig sein. Wieder wurden Schüler und Schulträger und auch Eltern verunsichert. Schulen, die sich trotzdem auf den Weg machen, werden nicht etwa gefeiert. Erst letzte Wo che wurde nach Konstanz auch in Tübingen eine Oberstufe genehmigt. Dem Kultusministerium ist das schlichtweg kei ne Meldung wert. Stattdessen redet die Ministerin die Ge meinschaftsschulen in Interviews schlecht.

Dass wohlwollende und unterstützende Worte ausbleiben, ist an dieser Stelle aber leider noch nicht das Ende vom Lied. Be werbern wie der erfolgreichen Gemeinschaftsschule in Wut öschingen werden aktiv Steine in den Weg gelegt. Denn nach dem das vom Kultusministerium beschriebene Verfahren dort ordnungsgemäß durchlaufen wurde und alle Prognosekriteri en erfüllt wurden, ändert die Ministerin die Spielregeln. Die regionale Schulentwicklung wird leider wieder neu aufgerollt, und ganz neue Vorgaben werden formuliert.

Offensichtliches Ziel ist, die positive Entwicklung der Ge meinschaftsschule nicht zu begleiten, sondern zu behindern. Die Folge sind Frustration und Verunsicherung bei Schulge meinschaft und Schulträgern. Das darf nicht sein. Wir fordern, dass die Zulassung von Oberstufen an Gemeinschaftsschulen weiterhin so transparent bleibt wie beschlossen. Orientieren Sie sich auch weiterhin an dem Schulgesetz, und bauen Sie nicht irgendwelche künstlichen Hürden auf.

(Beifall bei der SPD)

Genehmigen Sie die Oberstufe für die erfolgreiche Gemein schaftsschule in Wutöschingen.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, diese Fehlentwicklungen müssen ein Ende haben. Ich fordere Sie auf: Würdigen Sie heute aus drücklich das pädagogische Engagement und die Qualität der Arbeit an den Kollegien der Gemeinschaftsschulen.

Ansonsten kann ich nur hoffen, dass die Grünen endlich ak tiv werden und der Ministerpräsident interveniert. Schimpfen Sie von mir aus auf Ihre Vorgänger – wir werden uns zu weh ren wissen –, aber hören Sie auf mit dieser Politik des Schlecht redens und der Verunsicherung. Sie demotivieren Kollegien, Sie verunsichern Eltern und Schüler. Wollen Sie bessere Qua lität im Bildungswesen, unabhängig von ideologischen De batten und Strukturdiskussionen? Dann fangen Sie heute da mit an.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Karl Zimmer mann CDU)

Das Wort für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Boser.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Fünf Jahre Gemeinschaftsschule heißt fünf Jah re ein leistungsstarkes, wohnortnahes Bildungsangebot, das alle Schülerinnen und Schüler in ihrem jeweiligen Leistungs spektrum fördert.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Stimmt!)

Durch die Einführung der Gemeinschaftsschule in BadenWürttemberg haben wir erreicht, dass Schulstandorte im länd lichen Raum eine neue Perspektive bekommen haben. Diese Gemeinden haben darauf vertraut und vertrauen heute noch darauf, dass mit der Gemeinschaftsschule auch in Zukunft ein breites Bildungsangebot vor Ort vorgehalten werden kann und

dass den Eltern sowie den Schülerinnen und Schülern damit wohnortnah alle Bildungsabschlüsse offenstehen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Dabei sehen wir durchaus, dass sich diese Schulstandorte un terschiedlich entwickeln. Zum einen gibt es Schulstandorte, an denen Schülerinnen und Schüler abgewiesen werden müs sen, weil die Kapazitäten nicht ausreichen. Auf der anderen Seite gibt es Schulstandorte, die zu geringe Schülerzahlen auf weisen, die die prognostizierten Schülerzahlen nicht erreichen. Aber dieses Phänomen haben wir auch an anderen Schulen, auch an Gymnasien, an Realschulen, an Haupt- und Werkre alschulen. Daher war es richtig und wichtig, eine regionale Schulentwicklung einzuführen, die dies aufgreift und die am Ende ein wohnortnahes Bildungsabschlussangebot vorhält, das allen Schülerinnen und Schülern offensteht.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Wir sehen dabei aber trotzdem die Notwendigkeit – wir Grü nen haben häufig darauf hingewiesen –, dass man die Prog nosekriterien anpasst, dass man schaut, dass Schulstandorte vor Ort stabil aufgestellt werden können und Investitionen am Ende eben nicht ins Leere laufen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Die Gemeinschaftsschulen sind aber nicht nur ein Angebot, um Schulstandorte zu stabilisieren. Ganz im Gegenteil: Mit ihrem vielfältigen pädagogischen Angebot holen sie Schüle rinnen und Schüler in ihrem jeweiligen Leistungsspektrum ab. Dass dies erfolgreich gelingt, haben nicht zuletzt die VERA8-Ergebnisse gezeigt.

(Beifall bei den Grünen)

Die 42 Starterschulen haben bei den Vergleichsarbeiten zu VERA 8 im Bereich Lesen die gleichen Ergebnisse erreicht wie die Realschulen, sie haben in den anderen Bereichen ähn liche Ergebnisse erzielt, und das, obwohl vor allem von der FDP immer wieder gern darauf hingewiesen wird, dass gera de die Starterschulen bei den Anmeldungen vor allem Haupt- und Werkrealschüler zu verzeichnen hatten. Daher zeigt die Gemeinschaftsschule mit den VERA-8-Ergebnissen, dass sie das Leistungsspektrum abdeckt und sehr gute Leistungen er reicht und damit die Qualität stimmt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die Gemeinschaftsschulen leisten zudem einen wichtigen Bei trag bei der Inklusion und bei der Integration. Alle Gemein schaftsschulen sind per se inklusive Schulen. Obwohl alle weiterführenden Schulen diesen Auftrag der Inklusion mit sich tragen, sind es doch immer wieder die Gemeinschaftsschulen, die diese Aufgabe in der Sekundarstufe I übernehmen und da mit einen großen Anteil an dieser gesellschaftlichen Aufgabe mit großem Engagement und Einsatz tragen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Gerhard Klein böck SPD)

Das Gleiche gilt für die Integration von Flüchtlingen und Kin dern mit Migrationshintergrund. Durch ihre Erfahrung im Um

gang mit Heterogenität sind es gerade die Gemeinschaftsschu len, die diese Integrationsleistung erbringen.

Die Gemeinschaftsschulen sind aber auch die Schulen, die ne ben dem Gymnasium Schülerinnen und Schüler durchgängig auf dem gymnasialen Niveau unterrichten und damit durch gängig auf das Abitur vorbereiten. Mit inzwischen zwei Ober stufen in Baden-Württemberg ermöglichen die Gemeinschafts schulen einen weiteren Weg zum Abitur. Weitere Anträge ste hen in der Warteschleife, und wir, die Grünen, erwarten, dass diese nach Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen auch genehmigt werden.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Denn Schulen und Kommunen haben zu Recht die Erwartung, dass sich das Land an die gesetzlichen Grundlagen hält und diesen am Ende auch gerecht wird.

Die Gemeinschaftsschulen schaffen es, Schülerinnen und Schü ler so zu fördern und zu fordern,

(Abg. Anton Baron AfD: Das sieht man!)

dass sie es am Ende oftmals über das erwartete Lernziel hin aus schaffen und mit dem Hauptschulabschluss, dem Real schulabschluss und dem Abitur alle Möglichkeiten ausschöp fen, die es gibt.

Mit dieser Vielfalt sind die Gemeinschaftsschulen zu einem wichtigen Anker der Bildungslandschaft in Baden-Württem berg geworden und verdienen unsere Unterstützung.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich möchte daher an dieser Stelle die Pressemitteilung des Handwerkstags aufgreifen, der am 12. September 2017 genau dies von der Landesregierung gefordert hat: den Gemein schaftsschulen Perspektiven zu eröffnen und weiterhin Unter stützung mitzugeben. Ich glaube, es wäre genau auch für die Kolleginnen und Kollegen der CDU richtig, da hinzuhören und dem Handwerkstag zuzuhören

(Abg. Anton Baron AfD: Hören Sie mal in die Indus trie rein!)

und den Gemeinschaftsschulen auch in Zukunft Unterstützung zu gewähren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Ste fan Fulst-Blei SPD: Jawohl!)

Der Handwerkstag hat von Beginn an die Einführung der Ge meinschaftsschulen in Baden-Württemberg unterstützt. Seit dem PISA-Schock war es der Handwerkstag, der eine Schul art gefordert hat, die längeres gemeinsames Lernen unter stützt,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Alle herhören!)

die die Ausbildungsreife der Schülerinnen und Schüler ver bessert. Daher brauchen die Gemeinschaftsschulen auch in Zukunft unsere Unterstützung.