Protocol of the Session on September 27, 2017

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich dem Kollegen Rivoir das Wort.

Herr Präsident, meine Kollegin nen und Kollegen! Ich hatte in der Tat, als ich am Montag den Titel der Aktuellen Debatte „Neue Perspektiven für den wis senschaftlichen Nachwuchs und Gründer“ gelesen hatte, ein Déjà-vu-Erlebnis. Denn vor knapp zehn Monaten, nämlich genau am 10. November 2016, stand ich schon mal hier. Da war auch eine Aktuelle Debatte, ebenfalls beantragt von den Grünen, mit dem Titel „Studierst du noch oder gründest du schon? – Hochschulen als Quelle der Gründerkultur“.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: So wichtig ist das Thema!)

Irgendwie hat das Ganze hier so etwas von dem Motto „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Denn auch heute, meine Da men und Herren, werden wir vermutlich wieder – wie damals im November – viel Eigenlob der Wissenschaftsministerin zur neuen Gründerkultur an unseren baden-württembergischen Hochschulen hören. Ich weiß schon, was da kommt. Man

muss es wahrscheinlich nur im Protokoll der Sitzung vom No vember letzten Jahres nachlesen. Es wird wahrscheinlich um die Förderlinie Gründungskultur im Rahmen des „Fonds Er folgreich Studieren in Baden-Württemberg“ gehen. Letztes Jahr wurden da 8 Millionen € für Projekte bewilligt. Das ist alles wunderbar.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Sehr gut! Das freut uns!)

Aber, Frau Ministerin, wenn ich Sie im letzten Wissenschafts ausschuss richtig verstanden habe, sind diese 8 Millionen € Bundesmittel zur Qualitätssicherung vorgesehen, also eigent lich kein Landesgeld, sondern Bundesgeld. Frau Ministerin, auch hier schmücken Sie sich mit fremden Federn.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sicherlich wird dann auch gleich das gemeinsam mit dem Mi nisterpräsidenten im vergangenen Jahr feierlich eröffnete Cy ber Valley wieder umfangreich Erwähnung in den Ausführun gen finden. Sie werden wahrscheinlich zum Programm „Jun ge Innovatoren“ sprechen. Auch das können wir alles im Pro tokoll vom letzten Jahr nachlesen.

Dass Sie mich nicht falsch verstehen: Das alles hat seine Rich tigkeit, ist gut und vernünftig und wird auch von uns außer ordentlich begrüßt. Wir müssen aber in diesem Zusammen hang betonen, dass es auch darum geht, diese Förderkultur an unseren Hochschulen zu einer Daueraufgabe zu machen. Wir haben im Moment nur eine aktuelle Projektförderung, die zeit lich befristet ist. Diese Projektförderung bedarf der Überlei tung in eine Dauerförderung. Das hat auch etwas mit den lang fristigen Perspektiven für das Personal im Mittelbau zu tun und mit Professuren, die wir dann dort brauchen, z. B. im Fachgebiet „Existenzgründung und Unternehmertum“. Auch dort müssen wir neue Schwerpunkte setzen.

Also, meine Damen und Herren, das ist alles schön und gut an dieser Stelle.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Perfekt!)

Warum eine Aktuelle Debatte? Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es wieder einmal der verzweifelte Ver such ist, positive Schlagzeilen für das MWK und die Minis terin zu produzieren.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Noch mehr po sitive Nachrichten!)

Anscheinend ist die Gründerkultur in Baden-Württemberg das einzige vorzeigbare Projekt, über das hier im Landtag von Ba den-Württemberg diskutiert werden kann, sonst hätten Sie es ja nicht schon wieder innerhalb von wenigen Monaten hier auf die Tagesordnung gesetzt.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Sie finden es al so nicht wichtig!)

Das Thema wird offensichtlich als Gegenpol zu den negati ven Schlagzeilen, die das MWK die ganze Zeit produziert, ge sehen.

(Zuruf des Abg. Alexander Salomon GRÜNE)

Was haben wir denn an Schlagzeilen, meine Damen und Her ren? Die jüngste Sitzung des Untersuchungsausschusses zu der nicht rechtmäßigen Zulagengewährung in Ludwigsburg hat wieder gezeigt, wie sehr Ihr Haus, Frau Ministerin, die Thematik Leistungszulagen im Frühjahr 2012 unterschätzt hat. Diese Sitzung hat auch gezeigt,

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Sie waren doch gar nicht dabei!)

dass ein ehemaliger Rektor einer baden-württembergischen Verwaltungshochschule Rechtsetzung und Rechtsprechung selbst übernehmen konnte, ohne dass das Ministerium nach Kenntnis dieser Vorgänge unmittelbar – wie es notwendig ge wesen wäre – ein eigenes Verfahren gegen den Altrektor ein geleitet hat.

Diese Sitzung hat eben gezeigt, wie wichtig und richtig es ist, die Aufarbeitung in einem eigenen Untersuchungsausschuss, so, wie er von uns beantragt worden ist, stattfinden zu lassen.

Die ganze Zulagengeschichte, auch in Konstanz, trägt im Mo ment wirklich nicht zu einem Imagegewinn der baden-würt tembergischen Hochschulen und des MWK bei.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Miesmacherei auch nicht!)

Es kommt doch eines nach dem anderen. Die gestern bekannt gewordenen neuen Vorkommnisse an der Verwaltungshoch schule Ludwigsburg verursachen eben weitere negative Schlag zeilen.

Aber damit ist nicht das Ende erreicht. Auch das Thema „Stu diengebühren für internationale Studierende“ poppt immer wieder hoch. Die meisten Hochschulen im Land werden wohl in diesem und auch im kommenden Semester sozial schwa che oder besonders begabte internationale Studierende eben nicht von den Studiengebühren befreien können. Warum? Schlichtweg deswegen, weil Ihr Haus, das MWK, wie wir hö ren, erst Ende Juli dieses Jahres die Handreichung zum Ver fassen einer entsprechenden Satzung an die Hochschulen ge geben hat. Das war für die meisten Hochschulen schon zu spät, um die Satzung zu entwerfen und dann durch die Gre mien zu bekommen.

Meine Damen und Herren, das bedeutet bei genauer Hinsicht, dass das Instrument, mit dem Sie angeblich die Sozialverträg lichkeit der aus unserer Sicht unsozialen und diskriminieren den Studiengebühren erreichen wollen, aufgrund von Verzö gerungen im MWK nicht angewendet werden kann. Das ist der eigentliche Skandal in diesem Zusammenhang, meine Da men und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Es ist der Beweis, dass dieses Gesetz mit heißer Nadel ge strickt und nicht sauber durchgearbeitet worden ist.

Jetzt liegt uns der Entwurf zum neuen LHG vor. Bereits seit Sommer rumort es, denn Sie planen, den Verfassten Studie rendenschaften das politische Mandat zu entziehen –

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Das macht doch keinen Sinn! Das wissen Sie genauso!)

eine Forderung der CDU; die Grünen laufen hinterher und ma chen das.

Ein anderes Thema im LHG, das für Unruhe sorgt, ist die neu zu etablierende Urabwahl der Rektoren. Gemeinsam mit den Rektoren und Präsidenten unserer Hochschulen, meine Da men und Herren, sehen wir darin eine große Gefahr. Die Zahl der Abwahlversuche in Baden-Württemberg wird, vermute ich einmal, stark ansteigen. Die Hürde, dass 10 % aller Pro fessorinnen und Professoren einer Hochschule reichen, um ein entsprechendes Verfahren einzuleiten, erscheint uns viel zu niedrig.

Die Liste der negativen Schlagzeilen, Kolleginnen und Kol legen – Ludwigsburg, Konstanz, Studiengebühren, LHG –, lässt sich fast beliebig fortsetzen. Es ist ein einziger Stein bruch von unfertigen Projekten, den Sie, Frau Ministerin, bzw. Ihr Haus schlampig, überhastet und auch planlos angegangen sind.

(Lachen des Abg. Alexander Salomon GRÜNE)

Die heutige Debatte, meine Damen und Herren, bringt die Hochschulen in unserem Land keinen Schritt weiter. Sie zeigt aber vor allem eines: Sie, Frau Ministerin, sind gut darin, sich mit fremden Federn zu schmücken. Unschöne Geschichten versuchen Sie schnell unter den Teppich zu kehren, und wenn es um handwerklich solide Arbeit geht, dann knirscht es bei Ihnen gewaltig im Gebälk.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Für die FDP/DVP-Frakti on hat Kollege Weinmann das Wort.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Es drängt sich erst beim dritten oder vierten Blick auf, warum in Anbetracht vieler brisanter lan des-, bundes- und geopolitischer Themen die Grünen sich für ein Thema entschieden haben, das seine Aktualität durch die Vorstellung eines Gesetzentwurfs erfährt, der in den nächsten Wochen in der Anhörung und im parlamentarischen Verfah ren noch in geradezu epischer Breite diskutiert werden wird.

Bei genauem Hinsehen erklärt sich dies dadurch, dass mit der Vielzahl der auf den ersten Blick interessanten und durchaus diskussionswürdigen Änderungen, auf die heute im Rahmen der Aktuellen Debatte das Augenmerk gelenkt werden soll, der eigentliche Aufgabenkern der Novelle überlagert werden soll. Denn das Ziel, in Umsetzung des Urteils des Verfassungs gerichtshofs vom 14. November 2016 die Wissenschaftsfrei heit in der Hochschulleitung deutlicher abzubilden, die Hoch schulleitung zu stärken, wird mit dem vorliegenden Gesetz entwurf geradezu konterkariert.

Einerseits führt die Regelung, wonach bereits 10 % der Pro fessorenschaft ein Abwahlverfahren gegen jedes Rektorats mitglied einleiten können, dazu, dass gerade mutige und in novative Wege nicht mehr beschritten werden. Vielmehr wird hier ohne Not eine Streitkultur gefördert, die dazu führen wird, dass sich die Hochschulen mit sich selbst beschäftigen, statt sich inhaltlichen und strukturellen Aufgaben zuzuwenden.

Die Entziehung der Stimmrechte und die damit einhergehen de Entmachtung von Prorektoren und Dekanen werden zudem dazu führen, dass das Interesse von Wirtschaft und Verbän den, sich im Hochschulrat zu engagieren, abnehmen und in soweit die gewünschte Verzahnung von Wissenschaft und Pra xis gefährdet wird. Hierüber und noch zu weiteren Punkten zu der Novelle werden wir jedoch im Rahmen der Anhörung und des weiteren parlamentarischen Verfahrens noch hinrei chend reden.

Gleichwohl ist der Gesetzentwurf in Bezug auf die die Kern aufgabe begleitenden Änderungen – ich sagte es bereits – in teressant und diskussionswürdig, wenngleich auch hier eini ge Schwächen erkennbar sind.

Wir sind uns einig: Die Hochschulen zu stärken muss im Sin ne aller Akteure sein. Hochschulen sind Grundlage für Inno vation, Wirtschaftswachstum, Zukunft. Dafür brauchen die Hochschulen Freiraum, Unabhängigkeit, wissenschaftsfreund liche und forschungsaktivierende Rahmenbedingungen, auch im Sinne einer zuverlässigen Finanzierung.

Lassen Sie mich ganz kurz auf wenige – auch heute schon an gesprochene – Punkte eingehen. Mit dem Thema „Gründer an Hochschulen“ greift das MWK nun die Möglichkeit auf, die Hochschulen bei sogenannten wissenschaftsgeleiteten Exis tenzgründungen zu unterstützen. Vorgesehen ist, Mitglieder der Hochschulen oder Absolventen durch Mitnutzungsmög lichkeiten vorhandener Hochschulressourcen zu unterstützen. Damit sind in erster Linie der Zugang zu Bibliotheken, Labo ren und Räumen sowie die Bereitstellung von IT-Infrastruk tur gemeint. Der Charme dieser Idee liegt darin, dass sie prak tisch ohne zusätzliche Kosten, also kostenneutral für den Lan deshaushalt darstellbar ist. Das ist innovativ – aber ein großer Wurf sieht anders aus.

Sinnvoll wären beispielsweise flankierend, wie von uns bei den letzten Haushaltsberatungen beantragt, eine Aufstockung des Förderprogramms „Junge Innovatoren“ oder eine Novel lierung, eine Anpassung an die veränderten Gegebenheiten bei Innovationsgutscheinen, die kleine und mittlere Unterneh men bei gemeinsamen Forschungsprojekten mit den Hoch schulen einlösen können.

Die Einrichtung einer eigenständigen Tenure-Track-Professur im Gesetzentwurf begrüßen wir hingegen ausdrücklich.