Im Übrigen sollten wir auch den Euro nicht schlechtreden. Helmut Kohl und Theo Waigel haben den Euro durchgesetzt. Sie haben das nicht gemacht, um Deutschland zu schaden. Niemand hat mehr vom Euro profitiert als Deutschland – und niemand mehr als das Exportland Baden-Württemberg.
Macron war ohne Zweifel mutig, leben wir doch in einer Zeit, in der Europa mehr Buhmann als Strahlemann ist, in einer Zeit, in der Populisten mit Botschaften, die die europäische Idee mit Füßen treten, Wahlen gewinnen,
in einer Zeit, in der der Stier, auf dem Europa reitet, schwer in Atemnot geraten ist. Ich bin mir sicher, dass für Helmut Kohl die Wahl in Frankreich nochmals eine Genugtuung war, dass es für ihn ein Zeichen war, dass das, was er so mühevoll auf- und ausgebaut hat, fortleben kann und fortleben wird.
Nehmen wir uns deshalb das Gedenken an Helmut Kohl und diese Wahl in Frankreich besonders zum Auftrag, die deutsch
französischen Beziehungen und die europäische Idee mit neu em Leben zu erfüllen, gerade in Frankreich, der nächsten Nachbarregion zu unserem Land. Vielleicht können wir uns als Baden-Württemberger auch als ein besonderer Motor in Deutschland für die deutsch-französische Freundschaft be greifen.
Machen wir den Menschen klar, dass die Errungenschaften von Frieden und Freiheit keine Selbstverständlichkeiten sind. Machen wir den Menschen klar, dass Europa einen echten Mehrwert hat. Machen wir den Menschen klar, dass wir nur in einem geeinten und partnerschaftlichen Europa eine gute Zukunft für diesen Kontinent haben werden. Machen wir den Menschen auch klar, dass Europa ohne engagierte Europäer nicht funktionieren wird, so, wie eine Demokratie ohne enga gierte Demokraten nicht funktionieren wird. Leben wir Euro pa auch mit Leidenschaft.
Diese großen übergreifenden Ziele müssen im kleinen Leben aber auch vorgelebt werden. Leben wir deshalb die europäi schen Partnerschaften, beginnend mit unseren Nachbarn. Aber gehen wir auch gemeinsam die großen Fragen und Herausfor derungen an, vor denen Europa steht.
Wie kann Europa auf die Herausforderungen einer sich ver ändernden Sicherheitslage in der Welt reagieren? Wie findet Europa einen konsistenten Umgang mit der Flüchtlingsfrage? Wo soll die Europäische Union in 15 oder 50 Jahren stehen? Wollen wir ein „Weiter so!“, wollen wir eine Vertiefung der europäischen Integration und Zusammenarbeit, wollen wir ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten oder die Konzentration auf wenige Kernbereiche?
Gerade zu den letzten Fragen hat die Kommission mit dem Weißbuch zur Zukunft Europas eine umfassende Diskussion angestoßen, die auch wir im Land im Sinne Helmut Kohls jetzt führen sollten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, Hel mut Kohl kämpfte ein Leben lang dafür, dass wir nicht in iso lierten Einzelstaaten leben, sondern gemeinschaftlich in der Europäischen Union. Dabei stand für ihn nie die totale Auf gabe der nationalen Identitäten zur Diskussion. Er hat sich im mer als Deutscher und als Europäer gesehen. Es war ihm wichtig, diese beiden Identitäten stolz und selbstbewusst zu leben. Heimat, Brauchtum und Identität wurden von Kohl ge lebt und auch zelebriert, nicht nur über die von ihm geliebte heimische pfälzische Küche.
Als es im Jahr 1989 in unzähligen harten und langwierigen Verhandlungen um die Wiedervereinigung Deutschlands ging, hat er seine Rolle dabei so beschrieben:
Helmut Kohl war aber viel mehr als die Oma der Bundesre publik. Helmut Kohl war ein Vater der Europäischen Union, und als solcher ist es nur mehr als angemessen, dass ihm die Ehre des ersten europäischen Staatsakts zuteilwerden wird.
Wir werden Helmut Kohl in dankbarer Erinnerung behalten und verneigen uns vor seinem Lebenswerk als Kanzler der Einheit und glühender europäischer Patriot. Sein Lebenswerk ist uns Auftrag und Freude.
Herr Präsident, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen! Ich denke, der Innenminister hat noch einmal deutlich gemacht, dass wir Menschen brauchen wie Helmut Kohl, wie Joschka Fischer, wie Alexander Van der Bellen oder Emmanuel Macron, die sich für Integration ein setzen, für Vereinigung und nicht für Abgrenzung und Mau erbau. Sie hatten und haben immer Zukunftskonzepte, die das europäische Gemeinwohl vor die eigene Nationalstaatlichkeit stellten und stellen. Dies machen sie in dem festen Glauben, dass eine friedliche Zukunft auf unserem Kontinent nur mit einem solidarischen Miteinander zu sichern ist. Diesen Men schen gebühren unser Dank und unsere Anerkennung.
Bündnis 90/Die Grünen ist die einzige Partei, die aus der deut schen Wiedervereinigung heraus die Bürgerrechtsbewegung sogar in ihrem Parteinamen weiter fortführt – bis heute. Un ser Dank gebührt auch Menschen wie Marianne Birthler oder Werner Schulz, die die von Kohl eingeleitete Wiedervereini gung persönlich mit großem Engagement fortgesetzt haben.
Abscheu empfinde ich in diesem Sinn heute, wenn ich in der Presse lese, dass Naziparolen wie „Deutschland den Deut schen“ skandiert werden,
wie es, Herr Meuthen, in internen WhatsApp-Chats Ihres Kol legen Poggenburg aus Sachsen-Anhalt steht, die nun veröf fentlicht wurden. Ich denke, das macht noch einmal den Un terschied zwischen Menschen deutlich, denen das Gemein wohl am Herzen liegt, und solchen, die nur an sich denken und nicht über den Tellerrand hinausblicken können.
Wissen Sie, wenn man ein Haus Europa nur mit dem SchwarzWeiß-Denken „Guter Ökonom, schlechter Ökonom“
betrachtet – über das Schwarz-Weiß-Denken kommen Sie ja nicht hinaus –, dann wird ein Haus von einem guten Ökono men so behandelt, dass es gut unterhalten, mit Leben gefüllt und gepflegt wird.
dass an einem wirklichen aktiven Mitarbeiten bezüglich der Europäischen Union und einem gemeinsamen friedlichen Zu sammenleben in Europa überhaupt kein Interesse besteht.
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union profitieren ja heute schon stark von der wirtschaftlichen, aber auch der po litischen Stärke der Europäischen Union. Denken Sie z. B. da ran, dass Google auf Schadensersatz in Höhe von vermutlich 3 Milliarden € verklagt werden konnte oder dass von Apple 13 Milliarden € an Körperschaftsteuer nachgefordert werden. Glauben Sie denn, dass einzelne Länder vor diesen Großkon zernen irgendeinen Stich machen würden? Nein, hierfür ist die Europäische Union nötig. Auch für diese Stärkung müs sen wir die Europäische Union nutzen.
Ah, okay. – Ein Satz zu der Ver sammlung des Oberrheinrats noch, wenn Sie erlauben, Herr Prä sident. Man hätte dort die Augen der Mitglieder der Schwei zer Delegation sehen sollen, als es um die Roaminggebühren ging. Die Schweizer waren – scherzhaft gesagt – kurz vor dem Einstieg in Beitrittsverhandlungen, als sie mitbekommen ha ben, dass wir eben vor 20 Jahren noch 1,63 € pro Minute be zahlt haben, wenn wir aus dem europäischen Ausland ange rufen haben, und es heute noch 3,2 Cent sind.
Das geht nur mit der Europäischen Union, und das sind auch Vermächtnisse der Menschen, die ich anfangs aufgezählt ha be, die sich für die Integration der Europäischen Union ein gesetzt haben. Dafür verdienen sie unseren Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Ein großer Mensch ist immer auch ein großes Unglück“, heißt es. War Helmut Kohl der gro ße Deutsche, der größte Deutsche nach 1945, wie uns Theo Waigel weismachen will, größer als Konrad Adenauer? Das