Zunächst einmal muss ich feststellen, dass in Baden-Würt temberg rund 28 000 ha Beeren-, aber auch Kernobst- und Rebfläche durch den Frost beschädigt wurden. Sehr stark be troffen und geschädigt bis hin zu einem Totalausfall sind rund 50 % von diesen 28 000 ha. Das ist eine vorläufige Bilanz.
Am stärksten hat es die Reben getroffen. Von 27 000 ha Reb fläche sind 8 000 ha von dem Frost betroffen. Außerdem sind 11 000 ha Kernobst geschädigt, aber auch Beerenobst hat es erheblich erwischt.
Das ist eine vorläufige Bilanz. Die Schadenserhebung für die se vorläufige Bilanz wurde letzte Woche, am 15. Juni, von den Landkreisen vorgenommen. Das ist das, was man von den Frostnächten um den 20. bis 22. April bis heute visuell wahr nehmen kann.
Es hat sich aber auch bei den Reben gezeigt, dass sich späte re Sorten besser entwickelt haben und deren Blüte erfreuli cherweise gut verlaufen ist. Es gibt Sorten – ich sage es jetzt auf Schwäbisch –, die machen sich wieder. Dazu gehört auch der Spätburgunder. Deswegen ist bei den Reben der Schaden teilweise relativiert.
Das gilt auch für das Feldgemüse, bei dem man die Befürch tung hatte, dass es große Schäden gibt, aber auch für die Zu ckerrüben; die haben sich ganz gut entwickelt, allerdings bräuchten wir jetzt Regen.
Auf jeden Fall haben uns die Nächte im April verdeutlicht, dass bestimmte Kulturen in der Landwirtschaft mehr denn je risikobehaftet sind. Wir hatten ja schon einmal die Gelegen heit, hier im Haus darüber zu sprechen. Das bedeutet nicht, dass es früher keinen Frost gegeben hätte, sondern es hängt damit zusammen, dass unsere Vegetation gegenüber früheren Jahren einfach zwei bis drei Wochen früher dran ist und dann, wenn im April ein Frost kommt, auch tatsächlich große Schä digungen entstehen können.
Natürlich hängen diese Schäden auch vom Standort, von der Kulturart, aber teilweise auch von der Anbauart ab. So hat es sich natürlich bewährt, wenn bestimmte Beeren im Tunnel kultiviert waren.
Man muss auch sagen, dass es ein Glück ist, wenn man einen Gemischtbetrieb hat; denn dann kann man diese Problematik abmildern. Sehr verzweifelt sind natürlich spezialisierte Obst- und Weinbaubetriebe. Diese haben teilweise ganz erhebliche Liquiditätsprobleme und Einkommenseinbußen. In nicht we nigen Fällen geht es tatsächlich um die Existenz, gerade im Bereich des Kaiserstuhls, wo schon im letzten Jahr Schädi gungen durch Hagel oder andere Unwetter und vor drei Jah ren auch schon Frostschäden aufgetreten sind.
Insgesamt hat sich die erste Einschätzung dahin gehend ent wickelt, dass wir inzwischen von einem dreistelligen Millio nenbetrag sprechen, was den Schaden in diesen Kulturen an geht. Wir haben 75 % Schaden zugrunde gelegt und unter stellt, dass von einem durchschnittlichen Schaden pro Hektar
von 8 000 € auszugehen ist. Dann kommen Sie auf 100 Mil lionen €. Das ist eine Nummer! Das verdeutlicht und bestä tigt uns, dass diese Branchen auch künftig einer gesonderten Betrachtung bedürfen und wir die Förderpolitik – künftig auch die EU-Politik – danach ausrichten müssen und nicht müde werden dürfen, die Diversifizierung, also das Mehrere-BeineHaben in der Landwirtschaft, durch die Politik zu fördern.
Wer auch in Zukunft noch qualitativ gute regionale Erzeug nisse in Baden-Württemberg kaufen möchte, der muss bereit sein, diesen Weg mitzugehen und der Landwirtschaft in sol chen Kalamitäten beiseitezustehen. Sie wissen, wir werden in diesen Wochen eine Regionalkampagne starten – das war auch der Wille der Koalition –, um das Thema Regionalität beim Verbraucher zu positionieren und ihn für regionale Produkte zu sensibilisieren. Aber wenn wir ihn so weit bringen, dass er sich regional orientiert, dann muss regional halt auch etwas da sein. Deswegen müssen wir auch für solche Wetterkatast rophen die entsprechenden Entscheidungen herbeiführen.
Sie haben als Zweites gefragt, Herr Kollege, wie sich das Pro gramm „Liquiditätssicherung“ der Landwirtschaftlichen Ren tenbank darstellt. Die Stärke der Schäden hat in der Vergan genheit zugenommen. Deswegen haben wir einen ganzen Strauß zielführender Entscheidungen aufgemacht. Mein Mi nister hat einen Brief an die Landwirtschaftliche Rentenbank geschrieben, und ich habe mich mit Herrn Direktor Dr. Bock getroffen. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass aufgrund die ser starken Frostschäden das Förderprogramm „Liquiditätssi cherung“ für Unternehmen in der Landwirtschaft auch für den Garten- und Weinbau geöffnet wird. Die Landwirtschaftliche Rentenbank hat die Einschätzung der Landesregierung von Baden-Württemberg geteilt und dieses Liquiditätsprogramm im Mai dieses Jahres geöffnet.
Wir haben ganz aktuell heute noch einmal angerufen. Es ist so, dass im Moment nur telefonische Anfragen vorliegen. Die Landwirte warten eben auch ab, weil unser nationales Rah menprogramm – das habe ich Ihnen an dieser Stelle schon ein mal mitgeteilt – verlangt, dass die Frostschäden kurz vor der Ernte erhoben werden und man dann auch seitens des Landes Zusagen machen kann. Sie werden abwägen, welches für sie jeweils der passende Weg ist, es hat aber schon viele Telefo nate gegeben.
Von der Rentenbank wird man Ratendarlehen mit langen Lauf zeiten – mittelfristig vier, sechs oder zehn Jahre – anbieten. Hierfür müssen die Betriebe deutliche Ergebnisrückgänge der Hausbank gegenüber nachweisen, mindestens – wie es das Rahmenprogramm vorgibt – 30 % im jeweiligen Betriebs zweig, also nicht auf den gesamten Betrieb bezogen. Aus die sen Darlehen können die Landwirte dann Betriebsmittel kau fen oder andere wichtige betriebliche Ausgaben tätigen. Sie können sie aber auch für den Kapitaldienst einsetzen. Da wird es einem dann aber schon mulmig, wenn man sich überlegt, ein Darlehen aufnehmen zu müssen, um die Mittel für den Ka pitaldienst einzusetzen.
Die Öffnung des Programms „Liquiditätssicherung“ für die frostgeschädigten landwirtschaftlichen Betriebe ist bis zum nächsten Jahr befristet. Sie haben also noch Zeit bis zum 30. Juni, da wird kein Risiko eingegangen. Die Nutzung ist, wie gesagt, noch nicht absehbar.
Die Ad-hoc-Hilfen der Landesregierung sind jetzt auch ein Stück weit festzusetzen. Wir haben am 2. Mai in der Landes regierung beschlossen, dass wir ein Hilfsprogramm auflegen. Wir sind im Moment dabei, die Verwaltungsvorschrift zu dis kutieren. Der Minister wird in Bälde Entscheidungen treffen. Es geht dabei um verschiedene Eckpunkte, etwa um die Fra ge: Wer soll bei diesem Hilfsprogramm überhaupt Adressat sein? Wir neigen dazu, das Programm vor allem für gärtneri sche Belange, für Winzer zu öffnen. Die Frage wäre, ob man es für alle landwirtschaftlichen Kulturen öffnet. Aber das wä re dann ein Fass ohne Boden.
Da spielt übrigens auch die Versicherbarkeit eine Rolle. Wenn man etwas versichern kann, dann sollten wir, der Staat, uns da nicht groß engagieren; denn dann liegt es in der Entschei dung eines Unternehmers, hier vorzusorgen.
Es geht auch um die Frage: Wo ist der Deckel? Man kann so etwas bei großen Betrieben natürlich ins Unendliche treiben.
Es geht auch um die Frage, wie die Gelder eingesetzt werden können, ob man sie – ähnlich wie bei der Rentenbank – auch zur Tilgung der Darlehen, die man schon hat, verwenden kann.
Ein großes Thema wird morgen, am 23. Juni, behandelt. Da trifft man sich in der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg und veranstaltet einen Work shop, an dem die Verbände beteiligt sind. Aber auch die VER EINIGTE HAGEL als Markführer ist dabei. Dabei wird es da rum gehen, über einen Systemwechsel zu diskutieren, etwa anhand der Frage: Wie kann man vor allem auch Schäden ver meiden? Da kann es um Einhausungen gehen.
Beregnungen. – Es geht auch darum: Soll das Land einen Fonds schaffen, damit wir im Haushalt nicht immer hinterher hecheln? Sollen wir ab 2021, wenn die neue Agrarpolitik greift, eine EU-kofinanzierte Versicherungslösung ins Auge fassen?
Und es geht, worüber wir schon einmal diskutiert haben, ganz eindeutig auch um die Forderung an den Bund nach steuer freien Risikorücklagen. Wir brauchen eine Verbesserung des Risikomanagements bei gefährdeten Kulturen und für Ext remwettereignisse. Eines ist klar: Wir als Politiker werden na turbedingte Ereignisse nicht beeinflussen können. Aber wir können durchdachte Strategien in der Beratung und in der För derung begleiten.
Gut. – Herr Kollege Dr. Bullinger, eine Zusatzfrage. Bitte fassen Sie die Frage so, dass eine kurze Beantwortung möglich ist.
Herr Präsident, ich werde versuchen, Ihrem Wunsch nachzukommen. – Zunächst herzlichen Dank für die sehr umfangreiche und inhaltsstarke Beantwortung, Frau Staatssekretärin.
Ich wollte noch einmal nachfragen. Das Thema „Steuerfreie Rücklage“ war bei allen Betrieben, in denen ich war, d a s
Thema. Denn es hieß, das, was bisher hinsichtlich der Glät tung für die Betriebe kam, sei das Papier nicht wert, auf dem das steht. Ich frage: Wie will man das Ganze machen, und wie stehen die Verbündeten dazu?
Meine zweite Frage: Am letzten Mittwoch war ich bei Minis ter Brunner in Bayern. In Bayern sind ja auch Schäden zu ver zeichnen. Wie sieht es in anderen Bundesländern aus? Denn das hat ja auf den Markt später und auf die Listungen großen Einfluss. Hat Baden-Württemberg da entsprechende Initiati ven und Mitstreiter gegenüber dem Bund?
Wir haben natür lich sofort an den Bundesfinanzminister und die betroffenen Bundestagsabgeordneten geschrieben. Wir haben nahezu alle Gebiete – vom Bodensee über den Kaiserstuhl bis nach Tau berfranken – bereist.
Sie haben völlig recht: Überall gab es die Forderung – uniso no – nach steuerfreien Risikorücklagen. Die betroffenen Ab geordneten aller Couleur haben sich hinter diese Forderung gestellt. Das wird sicherlich kein Thema mehr für die letzten Wochen der Legislaturperiode des Bundestags. Das wissen Sie; wir sind Praktiker. Aber dieses Thema wird uns nicht los lassen. Ich glaube, dass andere Bundesländer den gleichen An satz verfolgen. Da dürfen wir nicht lockerlassen.
Gibt es weitere Zusatzfra gen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Behandlung der Mündlichen Anfrage unter Ziffer 1 beendet. Vielen Dank.
M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. M a r t i n R i v o i r S P D – P r a k t i s c h e V e r k e h r s e r z i e h u n g f ü r G r u n d s c h ü l e r i n U l m u n d i m A l b - D o n a u - K r e i s
Alb-Donau-Kreis können im Schuljahr 2016/17 wegen Per sonalmangel keine praktische Verkehrserziehung mit da zugehöriger Radfahrprüfung durchführen?
Herr Abg. Rivoir, im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Ulm musste leider die praktische Radfahr ausbildung im laufenden Schuljahr 2016/2017 in 61 von 456 Klassen – das sind 13 % – entfallen. Hiervon sind im Stadt kreis Ulm fünf von 60 Klassen und im Alb-Donau-Kreis 25 von 109 Klassen leider vom Ausfall betroffen.
Eine detaillierte Aufgliederung der Landkreise zeigt, dass prä sidiumsweit 31 Kommunen, 43 Schulen, 61 Schulklassen und insgesamt 1 525 Schülerinnen und Schüler vom Ausfall be troffen sind.
Um den Ausfall der praktischen Radfahrausbildung für die be troffenen Schülerinnen und Schüler zu kompensieren, wurden den Schulen folgende Angebote unterbreitet: klassenweise Nutzung der Verkehrsübungsplätze und der dazugehörigen Ausstattung in Anlehnung an die praktischen Inhalte der Rad fahrausbildung zu Übungszwecken während der Unterrichts zeiten in Begleitung der Lehrerinnen und Lehrer ohne Able gung der Radfahrprüfung, Nutzung der Verkehrsübungsplät ze und der dazugehörigen Ausstattung durch die Schülerin nen und Schüler zu Übungszwecken während der Schulferi en in Anwesenheit eines Polizeivollzugsbeamten der jeweili gen Jugendverkehrsschule ohne Ablegung der Radfahrprü fung.