Friedlinde Gurr-Hirsch
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Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich stehe hier natürlich schon mit einer Wahnsinnslast am Mikrofon: Ich soll mich kurzfassen, und dann habe ich noch gehört, dass das wichtigste Thema die Polizei sei.
Ich beanspruche aber für uns, dass Essen und Trinken den Menschen zusammenhält.
Insofern danke ich Ihnen, Herr Burger, dass Sie dieses lebens wichtige Thema aufgerufen haben.
Wir haben uns ja im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass wir das Thema „Ernährung, Ernährungskompetenz“ in alle Lebenswelten hineintragen. Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals gefragt wurde, wie es um die Seniorenernährung steht. Die jetzige Anfrage mag darauf zurückgehen, dass der Kolle ge etwas ergraut ist und sich jetzt diesem Thema zuwendet.
Ernährung kann aber auch ein besonderes Lebensgefühl ver mitteln, nämlich dass man sich jünger fühlt. Dazu wurde über eine bundesweite Studie herausgefunden, dass es einen Un terschied macht, ob man in einem Privathaushalt oder etwa in einer Einrichtung lebt. Es hat sich herausgestellt, dass dieje nigen, die zu Hause leben – die haben dann auch Zeit und sind nahe am Herd –, sehr häufig übergewichtig, ja adipös sind. Der Status ist: 34 % der Männer und 33 % der Frauen seien adipös. Von den Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben, seien – was den Ernährungszustand angeht – nur 20 % adi pös.
Untergewicht – das ist ja auch etwas, was man berücksichti gen könnte – findet man bei zu Hause lebenden Senioren eher weniger. Da spricht man nur von 10 % Betroffenheit. In Se nioreneinrichtungen allerdings liegt der Anteil derer, die man gelernährt sind, durchaus bei 40 bis 45 %.
Wenn man von Seniorenernährung spricht, sollte man also schon von ausgewogenen Mahlzeiten ausgehen, die einerseits über genügend Energiedichte, Nährstoffdichte verfügen und andererseits auch zu einer guten gesundheitlichen Verfassung führen.
Zum zweiten Teil, lieber Kollege Klaus Burger: Was den An passungsbedarf in Kliniken angeht, sind wir schon sehr der Meinung, dass die Landesregierung eine Treiberin sein muss. Die Qualität der ernährungsmedizinischen Struktur in deut schen Kliniken und Pflegeheimen entspricht nicht den von den Fachgesellschaften geforderten und international meist etab lierten Standards.
Aber auch Mangelernährung stellt in den Kliniken ein rele vantes Gesundheitsproblem dar. Das vermutet man sicherlich nicht. 2018 waren 16 % der Patientinnen und Patienten in deutschen Krankenhäusern untergewichtig. 42 % berichteten von einem unbeabsichtigten Gewichtsverlust innerhalb des in Rede stehenden Dreimonatszeitraums, 12 % wurden vom Pfle gepersonal als mangelernährt eingestuft.
Es lohnt sich also schon, einen Blick auf die Situation zu wer fen. Ich bin dankbar, dass in den Gesundheitskonferenzen des Sozialministeriums dies auch Gegenstand einer wissenschaft lichen Befassung war und dass wir hier tätig sind, um die Mor talität, die aus einer Mangelernährung entstehen kann, und die ungenügende Resilienz zu bekämpfen.
Die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernäh rung beinhalten Kriterien für eine gesundheitsfördernde, aber auch für eine nachhaltige Verpflegung und bieten eine praxis nahe Unterstützung für die Aufstellung des Speiseplans. Es wäre wünschenswert, wenn sich die Entscheidungsträger da ran auch orientieren würden. Wir konnten allerdings bis jetzt nur 24 Rehakliniken und 14 Krankenhäuser davon überzeu gen, sich zertifizieren zu lassen. Dabei bieten wir durchaus Assistenz. Denn es gibt, wie gesagt, diese Möglichkeit durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung.
Was tun wir, um die Einrichtungen zu unterstützen? Seit 2019 haben wir die Modellprojekte „Gutes Essen in der Klinik“, die wir mit fünf Krankenhäusern beispielhaft durchführen. Ab dem kommenden Jahr werden wir weitere Modellprojekte zur Verbesserung der Klinikverpflegung durchführen.
Besonders gefreut hat uns, dass wir vom Bund jetzt einen durchaus nennenswerten Zuschuss in Höhe von mehr als 1 Million € für den Schwerpunkt Seniorenernährung bekom men haben. Wir haben unser Landeszentrum für Ernährung in Schwäbisch Gmünd beauftragt, dieses Projekt zu begleiten. Da geht es darum, die Qualität der Verpflegungsangebote ins gesamt zu steigern; es geht aber auch darum, bei mobilen Menüdiensten tragfähige Strukturen zu schaffen, die die Um setzung der Qualitätsstandards ermöglichen.
Ein weiteres Ziel ist die Stärkung der Ernährungskompetenz von Seniorinnen und Senioren. Man muss sich auch vorstel len, dass sie häufig auf einen Einpersonenhaushalt zurückge worfen sind. Es ist gar nicht so einfach, für eine Person zu ko chen, wenn man vorher vielleicht einen großen Haushalt hat te.
Wir bieten diese Kurse auch betreuenden Angehörigen an. Ein spannendes Projekt haben wir zudem zusammen mit dem So zialministerium; da geht es darum, quartierbezogen Modell projekte durchzuführen. Essen ist ja nicht nur etwas, was den Körper betrifft, sondern es ist ein soziales Tun. Dabei wird an gestrebt, in Mehrgenerationenhäusern oder in Quartierstreff punkten die Menschen zu Mittagstischen einzuladen, damit sie ihr Haus auch einmal verlassen müssen. Sie wissen ja, dass viele Menschen in hohem Alter einsam sind. Damit verbun den ist dann, dass sie sich ankleiden müssen und dass sie da durch eine Struktur in ihrem Tagesablauf haben.
All das haben wir vor. Wir sind – das muss ich hinzufügen – durch Corona in unserer Zeitplanung natürlich etwas zurück geworfen, weil wir ja nicht in die Einrichtungen gehen kön nen.
Ich kann mir, sehr geehrter, lieber Kollege, momentan nur ein Bild zusam menreimen, was das sein könnte. Wenn das Projekt näher be schrieben ist, könnte ich mir vorstellen, dass es in die Linie „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ passt. Es gibt bis zum 31. Juli die Möglichkeit, Anträge zu stellen.
Doch auf Zuruf kann ich mir unter „Auf Rädern zum Essen“ nur fitte, E-Bike fahrende Jungsenioren vorstellen, die mittags nicht kochen wollen und dann in eine solche Einrichtung ge hen. Das müssen wir einmal genauer betrachten.
Herr Kollege, herzlichen Dank für diese Zusatzfrage. – Unbestritten ist, dass wir, wenn wir den von Ihnen genannten Anteil an ökologi schem Landbau im Jahr 2030 erreichen wollen, Absatzmög lichkeiten schaffen müssen. An der Ladentheke ist der Ver braucher mit sich allein und kämpft dann mit sich, ob er das günstige Produkt nimmt oder ob er aus moralischen Gründen,
weil er es vorher versprochen hat, zu dem etwas teureren, wer tigeren greift.
Es ist ein sehr mühevoller Weg, der hier schon vielfach dar gelegt wurde. Aber wenn sich eine Einrichtung mit ein paar Tausend Essen entscheidet, ökologisch erzeugte Lebensmit tel zu beziehen, haben wir einen ganz anderen Durchsatz. Er liegt in Gemeinschaftseinrichtungen in Baden-Württemberg bei den pro Woche eingenommenen Essen schon jetzt bei 40 %.
Es ist wirklich des Einsatzes wert, in Krankenhäuser oder in Senioreneinrichtungen zu gehen, sie aufzufordern, sich dabei begleiten zu lassen, wie man etwa eine ideale Speiseplanung gestaltet. Man kann auch die Speiseplanung kostenmäßig aus tarieren. Es muss nicht jeden Tag billiges Fleisch sein; Fleisch würde auch zweimal in der Woche reichen. Man könnte da für dann hochwertiges Gemüse aus ökologischer Erzeugung reichen.
Bei Ihrer Frage nach einer finanziellen Förderung durch das Land geht mein Blick in Richtung Sozialministerium. Doch ich denke, der Ansatz, den Sie hier zur Sprache bringen, wä re ein totaler Kurswechsel. Denn diese Kosten müssten in ers ter Linie die Bewohnerinnen und Bewohner der Pflegeheime selbst tragen – oder die Gesellschaft trägt sie, wenn das Ein kommen nicht reicht. Dann sind es eben die Kostenträger. Beim Krankenhaus sind es die Kassen, die hier aushandeln.
Aber ich wäre sehr zufrieden, wenn Sie, meine lieben Kolle ginnen und Kollegen, in den Gesprächen mit den Kranken hausträgern oder mit den Trägern von Pflegeeinrichtungen die ses Thema aufwerfen würden. Ich bin im Gespräch mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft, mache das Ganze dort auch immer wieder zum Thema. Aber wenn man mit 8,50 € am Tag rechnet, worin auch noch die Servicekosten enthalten sind, dann kann man diese Ansprüche einfach nicht erfüllen.
Ich denke, wir überfordern unsere Gesellschaft, wenn wir ei nerseits verlangen, alle Essen in der Kita und im Pflegeheim kostenlos anzubieten, während gleichzeitig Renten, Kinder geld oder Freibeträge steigen sollen. Dann wären wir auf dem Weg zu einer Rundumversorgung und es gäbe überhaupt kei ne Eigenverantwortung mehr.
Unsere Aufgabe ist, in die Krankenhäuser zu gehen, den Di rektorinnen und Direktoren zu sagen, dass ein gutes Essen heilsam ist und mit Sicherheit zu einem stabileren Gesund heitszustand beiträgt als ausgemergeltes Mehl oder sonst et was, was man bei den Graubrötchen hat. Es regt mich immer wieder auf, wenn ich in Pflegeheime gehe und sehe, was da auf dem Teller liegt: zwei Scheiben Lyoner mit einem Fettan teil von 80 % und Graubrot. Für Sie, lieber Kollege Grath, als Biobäcker ist das eine grausame Vorstellung.
Ich denke, es wä re zunächst einmal ganz wichtig, dass diese allein lebenden Männer auch soziale Kontakte haben,
und soziale Kontakte zum anderen Geschlecht würden das Problem ein Stück weit mindern.
Ich nehme das jetzt aber allen Ernstes mit. Das Projekt wird ja im Moment gestaltet. Zusammen mit Bayern haben wir die sen Auftrag bekommen. Ich glaube schon, dass Sie recht ha ben. Man müsste dann an die jüngeren Senioren, die vielleicht auch etwas kochaffin sind, herantreten.
Danke schön.
Ich nehme es mit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Der Klimawan del zählt zu den größten globalen Herausforderungen unserer Zeit.
Um die Klimaschutzziele zu erreichen, sind u. a. natürlich auch energiepolitische Entscheidungen von großer Bedeutung.
Die größte Entscheidung, die getroffen wurde, erfolgte im Nachgang zu Fukushima. Sie gibt vor, dass 2023 das Ende der Atomenergie in Deutschland besiegelt ist.
Vielleicht können Sie mal, dem Haus entsprechend, etwas kollegial sein und nicht nur alles herausplärren.
Die Landesregierung hat sich deshalb, wie Sie alle wissen, im aktuellen Koalitionsvertrag verpflichtet, den Ausbau der er neuerbaren Energien ambitioniert fortzusetzen. Zuletzt ist der Ausbau von Windenergieanlagen an Land – das haben Sie al le schon festgestellt – stark ins Stocken geraten. Das wurde auch teilweise von bestimmten – so möchte ich sagen – poli tischen Richtungen kritisiert. In den vergangenen Monaten stand das dann auch im Fokus der Berichterstattung.
Es ist deutlich geworden, dass der Gesetzentwurf der AfDFraktion nicht aus eigener Feder stammt. Man brüstet sich da mit, dass er dem entsprechenden Gesetzentwurf der Thürin ger CDU-Landtagsfraktion entspricht. Aber ich denke, dass dies kein seriöses Vorgehen ist,
einfach Gesetze, die hier im Land nicht nötig sind, weil wir die nötigen Gesetzesgrundlagen haben, zu übernehmen.
In ihrem Gesetzentwurf schlägt die Fraktion der AfD vor, § 9 Absatz 1 des Landeswaldgesetzes dahin gehend zu ändern,
dass zukünftig keine Waldumwandlungsgenehmigungen zum Zwecke des Windkraftausbaus mehr möglich sein sollen.
Sehr geehrte Damen und Herren, § 9 des Landeswaldgesetzes – das wurde auch schon zitiert – beinhaltet bereits in der jetzt aktuellen Fassung einen sehr starken Schutz des Waldes. Die Erhaltung des Waldes stellt also hierbei die Regel dar, und die Umwandlungen sind die Ausnahme. Waldumwandlungen be dürfen stets einer Genehmigung durch die höhere Forstbehör de, und ihnen liegt eine intensive Prüfung zugrunde. Das, was der Kollege Karrais von der FDP/DVP gerade gefordert hat, wird in der Regel auch zugrunde gelegt; selbstverständlich darf man für Schutzgebiete hier einen herausragenden Schutz erwarten.
Die genannte Prüfung beinhaltet die Abwägung von Interes sen. Die Genehmigung soll versagt werden und wird natür lich auch versagt, wenn die Erhaltung des Waldes überwie gend im öffentlichen Interesse ist, insbesondere, wenn der Wald für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, die forst
liche Erzeugung oder die Erholung der Bevölkerung von we sentlicher Bedeutung ist. Das ist, denke ich, ein sehr umfas sender Anspruch.
Der Gesetzgeber hat damit bereits einen sehr engen Maßstab für jegliche Art der Waldumwandlung angesetzt. Ein beson deres Verbot von Waldumwandlungen für die Errichtung von Windkraftanlagen ist daher weder erforderlich noch zielfüh rend.
Für den Ausgleich nachteiliger Wirkungen einer Waldum wandlung werden regelmäßig natürlich auch Ersatzauffors tungen bzw. Schutz- und Gestaltungsmaßnahmen festgelegt. Die Waldfläche hat nicht abgenommen, in vielen Teilen unse res Landes hat sie sogar zugenommen; das wissen Sie.
Insofern ist auch dem in § 1 genannten Gesetzeszweck, näm lich einer umfassenden Walderhaltung, ausreichend Rechnung getragen. Ein Widerspruch des § 9 zum § 1 des Landeswald gesetzes besteht weder grundsätzlich noch im Hinblick auf die Windenergie.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir alle wissen: Die nach haltige Sicherstellung der Energieversorgung unserer Gesell schaft mit regenerativen Energien ist, wie ich eingangs schon sagte, im Hinblick auf den Klimawandel dringend geboten, besonders hinsichtlich des unter Klimastress stehenden Wal des; auch das wurde von meinen Kollegen schon dargestellt. Deswegen ist es wichtig, dass wir eine Reduktion von CO2Ausstoß anstoßen,
auch wenn im Wald nach reiflicher Abwägung Windkraftan lagen errichtet werden – die ja bekanntlich sehr wenig CO2 verursachen,
etwa in Form der Elektroenergie für den Grundumsatz.
Der Gesetzentwurf der AfD dient daher weder waldpolitischen noch energiepolitischen Zielen des Landes
und leistet damit keinen Beitrag zu einer nachhaltigen Ent wicklung in Baden-Württemberg. Daher ist der Gesetzentwurf abzulehnen.
Hier handelt es sich sicherlich auch um eine Schnittproblematik. Herr Schebesta hätte da durchaus auch Bezüge.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Ich danke Herrn Abg. Epple für die Frage, wie sich di gitale Medien für den Verbraucher darstellen.
Inzwischen ist es – vor allem für die jüngere Generation – Usus geworden, alle möglichen Waren, aber auch Dienstleis tungen im Netz zu bestellen und damit auch Datenspuren im Netz zurückzulassen. Bei dieser Veränderung des Verbrau cherverhaltens ist es durchaus unsere Aufgabe als Verbrau cherschutzministerium, dass wir hier Alltags- und Konsum kompetenzen in der digitalen Welt begleiten.
Gerade beim Thema Reisen, aber auch beim Thema Finanzie rung hinterlässt man Spuren, aus denen sich dann mit soge nannten Algorithmen – – Man könnte sagen, das sind Analy sen, die sich aus dem Weg, den der Verbraucher im Internet nimmt, ergeben. Vor allem lassen sich auch für die Anbieter
eine ganze Menge Erkenntnisse ableiten, beispielsweise zu den Fragen: Für welchen Urlaub hat sich der Einzelne inter essiert? Welche Art von Flügen oder Hotels wollte er buchen? Damit wird der Verbraucher im Netz von den Analysten au tomatisch bewertet. Das kann sich eventuell dann auch auf Kreditgesuche auswirken.
Diese Spuren veranlassen die Analysten – gerade bei teuren Produkten – dazu, über denjenigen, der sich im Netz bewegt, gewisse Bonitäten zu ermitteln. Dabei kommen sogenannte berechnete Verbraucherscores zum Einsatz.
Die Kriterien für die Berechnungsmethode des Algorithmus sind den Verbrauchern natürlich nicht bekannt. Es ist unklar, inwiefern beispielsweise der Wohnort, das geschätzte Alter oder das Geschlecht Eingang in die Berechnung eines solchen Bonitätsscores finden und dann Entscheidungen zur Folge ha ben, die der Konsument nicht nachvollziehen kann.
Seitens des Verbraucherschutzministeriums in Baden-Würt temberg haben wir hier seit Längerem eine angemessene Offen legung der Berechnungskriterien sowie Regulierungen von Algorithmen gefordert, ohne bei den Unternehmen unverhält nismäßigen regulatorischen oder bürokratischen Aufwand los zutreten.
Damit sich die Verbraucher über die vielfältigen Einsatz- und Einflussmöglichkeiten von Algorithmen bewusst werden und gegebenenfalls auch darauf reagieren können, informieren wir mit der Algorithmenkampagne „#seiunberechenbar“, die auf der Homepage unseres Ministeriums zu finden ist und zu der man auch im Internet eine Webseite findet.
Meine lieben Kollegen und Kolleginnen, zur zweiten Frage, die der Kollege auch gleich gestellt hat: Wie können Verbrau cher und Verbraucherinnen, vor allem auch die schutzbedürf tigen – darunter verstehen wir Kinder, Jugendliche, aber auch ältere Marktteilnehmer –, hier in der digitalen Welt geschult werden?
Die Themen des Verbraucherschutzes in der digitalen Welt ha ben bei den Aktivitäten zur Verbraucherinformation und Ver braucherbildung, die unser Haus leistet, natürlich eine große Bedeutung. Die bereits angesprochene Algorithmenkampag ne „#seiunberechenbar“ ist dafür ein gutes Beispiel. Wir wer den auch eine Veranstaltung zu diesem Thema im Juni in Brüssel durchführen. Diese Kampagne wurde 2019 gestartet. Sie sensibilisiert den Verbraucher zu diesem Thema. Auch der Verbrauchertag 2019 hat sich damit beschäftigt.
Es wurde von Herrn Epple auch noch konkret nach den Kin dern und Senioren gefragt. Es gibt eine Initiative Verbrauch erbildung, die wir auch im Koalitionsvertrag verabredet ha ben. Wir haben hier natürlich in der Schule selbst über die Leitziele des Lehrplans, aber auch in der außerschulischen Verbraucherbildung Angebote.
Seit der Einführung der Leitperspektive Verbraucherbildung in der Bildungsreform 2016 fördern wir Projekte, die wir aber jetzt auch vernetzt haben. Wir haben einfach festgestellt, dass es möglicherweise nicht überall bei den Lehrern bekannt ist. Deswegen haben wir uns mit dem Landesmedienzentrum ver netzt, welches unsere Hilfestellungen in sein Angebot aufge nommen hat. Das Landesmedienzentrum führt jetzt mit uns zusammen in den nächsten beiden Jahren Schülerworkshops
durch, um die Kompetenzen bei den Jugendlichen diesbezüg lich zu verbessern.
Bei den Senioren sind wir eigentlich schon seit 2009 unter wegs, und zwar haben wir die Institution Landesseniorenrat und die Kreisseniorenräte dazu genutzt. Es ist immer wieder frappierend, wie interessiert Menschen mit 60 plus – zu die ser Kohorte gehöre ich auch –
an dieses Thema herangehen. – Ach, ihr funktioniert immer noch.
In diesem Jahr haben wir fünf Veranstaltungen im Blick, Kol lege Epple, die hier Verbraucherbildung anbieten. Natürlich haben wir auch die Familien im Blick. Da arbeiten wir gern mit dem Volkshochschulverband, mit der Kirche, auch mit der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft der Familien-Bildungs stätten und mit der Verbraucherzentrale zusammen. Ich den ke, es ist ganz wichtig, dass nicht jeder vor sich hin arbeitet, sondern dass man da Synergien nutzt.
Ich wollte jetzt die Gelegenheit nutzen, um das Verbraucher bildungsangebot hier ein bisschen breiter darzustellen. Ich hoffe, dass die Menschen das dann auch nutzen.
Ich muss ehrlich sagen, ich traue mich jetzt nicht, das qualitativ abzugrenzen. Im Prinzip hat man das früher auch schon gemacht. Ich war Berufsschullehrerin. Ich habe die jungen Leute darauf hinge wiesen, dass ihr Verbraucherverhalten, wenn sie beispielswei se nicht bezahlen, dann möglicherweise in der Schufa festge halten wird.
Ich vermute, dass breiter überwacht wird als früher. Denn frü her musste man schon – so möchte ich sagen – einen Rechts titel haben, um dann von der Schufa auch wahrgenommen zu werden. Ich glaube, dass es jetzt unterhalb von Rechtstiteln läuft. Aber, wie gesagt, ich bin auf diese Antwort nicht vorbe reitet. Ich kann es nur mutmaßen.
Ganz herzlichen Dank. – Ich finde, das ist ein interessanter Aspekt. Mir ist nicht bekannt, dass wir explizit vom Endgerät her gedacht haben. Die Aktivitäten gehen in erster Linie in Richtung Sensibilisie rung, dass die Leute ganz einfach wissen, dass, wenn sie im mer wieder dieselben Fragen stellen und mit derselben Ziel richtung unterwegs sind, von ihnen ein Profil erstellt wird. Aber ich nehme diese Frage mit, um näher zu ergründen, in wiefern das auch schutzwürdig ist. Vielen herzlichen Dank für die Anregung.
Sehr geehrte, lie be Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Gern beantworte ich die Frage. Wir haben tatsächlich in der vergan genen Woche eine Aktionswoche gegen Lebensmittelver schwendung gehabt, weil dies ein ganz brisantes Thema ist, nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt. Des wegen gehört es auch zu den Sustainable Development Goals der UN, die Lebensmittelverschwendung bis zum Jahr 2030 um 50 % zu reduzieren.
Durch eine Untersuchung des Thünen-Instituts hat sich ge zeigt, dass der Endverbraucher, also der Haushalt, ganz be sonders stark, nämlich zu ca. 52 %, an der Lebensmittelver schwendung beteiligt ist. Dann folgt die Außer-Haus-Verpfle gung mit 12 %. Das heißt, dass der Endverbraucher zwei Drit tel der Lebensmittelverschwendung selbst verursacht. Des halb ist es, wenn man mit einer Strategie etwas unternehmen will, wichtig, sich als Erstes an den Verbraucher zu wenden.
Allerdings haben wir diese Strategie nicht „Strategie gegen Lebensmittelverschwendung“ genannt, weil sich das nach er hobenem Zeigefinger anhört, sondern wir haben sie „Lebens mittelwertschätzung“ genannt. Denn genau diese sollte der Verbraucher dem Lebensmittel gegenüber aufbringen, indem er sagt: Darin ist sehr viel Know-how des Produzenten, in der Regel der Landwirtschaft, enthalten, darin stecken aber auch viele Ressourcen, die der Natur abgerungen wurden, Wasser und Nährstoffe aus der Erde; möglicherweise steckt auch noch Logistik, sprich CO2, darin. Deswegen sollte man Lebensmit tel wertschätzen.
Deswegen haben wir zusammen mit dem Lebensmitteleinzel handel eine Aktionswoche zur Lebensmittelwertschätzung ins Leben gerufen. Wir haben auch, um das ein Stück weit – so möchte ich sagen – in der Gesellschaft zu verankern, das Ern tedankfest zum Anlass genommen, die Kirchen zu bitten, die ses Thema auch im Erntedankgottesdienst anzusprechen, al so nicht nur für die Ernte, die eingefahren werden konnte, zu danken.
Des Weiteren sind seit zwei Jahren sämtliche Einzelhandels unternehmen in der Lebensmittelbranche bei uns im Ministe rium an einem runden Tisch beteiligt, um über diese Thema tik zu sprechen. Leider bestand in der öffentlichen Wahrneh mung immer ein bisschen der Eindruck – vielleicht auch auf grund der Berichterstattung –, dass es der Handel sei, der den höchsten Anteil an der Lebensmittelverschwendung zu ver antworten hat. Das Thünen-Institut zeigt uns, dass dieser An teil maximal 4 % beträgt. Das ist schlimm genug, aber wir können nicht sagen, die Handelsunternehmen seien die Haupt verursacher.
Es gibt sogar sehr ambitionierte Lebensmitteleinzelhändler, vor allem Selbstständige, die schon im eigenen Interesse da ran arbeiten, von diesen 4 % herunterzukommen. Sie wenden hierfür verschiedene Techniken an. So werden häufig kurz vor Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums Sonderpreise ge macht, oder sie senken bei Obst und Gemüse – hier zeigt sich ja die höchste Verschwendungsrate – abends die Preise, damit diese Produkte möglichst noch am selben Tag verkauft wer den. Es besteht auch eine Zusammenarbeit beispielsweise mit Tafelläden. Bei uns in Baden-Württemberg ist es seit über 25 Jahren erprobte Praxis, dass die Tafelläden Lebensmittel er halten, deren Mindesthaltbarkeit sich dem Ende nähert.
In jüngster Zeit gibt es eine weitere sehr intelligente Praxis. Diese wird aus der Bürgerschaft heraus geübt, nämlich von sogenannten Fair-Teilern – angelehnt an das Wort „fair“. Die se bemächtigen sich der Produkte, die vom Lebensmittelein zelhandel gerade aussortiert wurden, die dann aber nicht in ei nen Container geworfen, sondern auf eine Laderampe ver bracht werden. Die Fair-Teiler sichten die Produkte und ar beiten diese auf, indem sie Waren, die vielleicht nicht mehr ganz so gut aussehen oder auch nicht mehr ganz zuverlässig scheinen, wegwerfen und die unversehrten in ein Regal stel len, wo sich die Menschen dann kostenlos bedienen können.
Mit der Aktionswoche sind wir hier mit dem Einzelhandel sehr gut unterwegs gewesen. Diese Aktion wurde von allen Le bensmitteleinzelhändlern – ich kann die Namen nennen: es sind Rewe, Edeka, Lidl, Penny und Netto – mitgetragen. Ich habe auch einige dieser Läden besucht und muss sagen: Ich möchte herzlich für diese Gemeinsamkeiten danken. Das er mutigt uns, bei diesem Thema weiterzumachen.
Es haben sich auch einige Promis dieser Aktion angeschlos sen. So hat etwa Dodokay – mit bürgerlichem Namen Kuhn – dies mitgetragen. Auch die Genussbotschafterin Petra Klein, die sich immer wieder bei „Pfännle on Tour“ für unsere regi onalen Produkte einsetzt, hat sich dabei engagiert.
Das ist also eine gute Sache gewesen, gemeinsam mit dem Lebensmitteleinzelhandel.
Ich sagte schon, dass die zweitwichtigste Stelle der Verschwendung der Au ßer-Haus-Verzehr ist. Wenn wir immer mehr in Richtung Au ßer-Haus-Verzehr gehen – 40 % der Bevölkerung essen täg lich außer Haus in Kita, Kindergarten, Schule, Betriebsrestau rant, Reha, Krankenhaus etc. –, dann macht es Sinn, zu schau en: Gibt es eine zielgenaue Portionierung? Ist das Speisenan gebot umsichtig vorbereitet, oder plant man an der tatsächli chen Esserzahl vorbei?
Deswegen sprechen wir mit allen Betrieben, Kantinen, die wir beraten, sowohl über die Zusammensetzung der Speisen im Hinblick auf eine ausgewogene, gesund erhaltende Ernährung als auch immer über das Thema, wie sie Lebensmittelabfälle vermeiden können. Wir bieten ihnen eine Beratung durch „United Against Waste“ an. Dabei wird gemessen, wie viel von den Gästen weggeworfen wird. Es ist für die Caterer und für die Gastronomen keine Sache der Moral, sondern bei ih nen geht es letztlich auch darum, wie es sich betriebswirt schaftlich darstellt. Wenn man weiß, dass ein Liter Speiseab fall 2 € kostet und sie eine große Menge haben, dann kommen bei Firmen, die am Tag 300, 400 Essen ausgeben, durchaus Beträge von 40 000 € im Jahr zusammen, die man für soge nanntes Refood, also für die Entsorgung von Speiseabfällen, erbringen muss. Insofern sind sowohl die Mitglieder des DE HOGA als auch andere, die sich in der Außer-Haus-Verpfle gung engagieren, an einem Rückgang interessiert.
Frau Bundesministerin Klöckner hat die nationale Strategie ausgerufen. Sie will nächstes Jahr eine Aktionswoche gegen Lebensmittelverschwendung machen. Unser Ansatz war, nicht bis nächstes Jahr zu warten. Baden-Württemberg war das ers te Bundesland überhaupt, das eine solche Aktionswoche ge macht hat. Wir arbeiten auch auf der nationalen Plattform, und wir arbeiten in einer nationalen Arbeitsgruppe mit. Aber jetzt sage ich einmal ganz stolz: Man orientiert sich inzwischen an uns. Unser Vorhaben ist es, im Frühjahr eine Aktionswoche zum Thema „Außer-Haus-Verpflegung und Vermeidung von Lebensmittelabfällen“ zu machen.
Wir machen das natürlich auch bei den kleinen Kindern. Die se sind bei ihresgleichen immer gleich sehr kontrollierend. Bei ihnen bringt es noch am meisten. Deswegen gibt es auch Pilotprojekte, bei denen man an Schulen gläserne Behältnis
se aufstellt, in die die Schüler dann ihr zu viel geschöpftes Es sen in der Öffentlichkeit abladen müssen.
Ich glaube, dass wir im Großen und Ganzen eine gute Stim mung erzeugt haben. Alle Leute, die das wahrgenommen ha ben, haben gesagt: „Es wird Zeit, dass man gegen die Ver schwendung etwas macht.“ Die alten Menschen haben gesagt: „Uns braucht ihr das nicht beizubringen. Wir erfahrenen Haus frauen machen das schon immer so.“ Ich muss leider feststel len – – Wir arbeiten mit der DHBW in Heilbronn, Food Ma nagement, zusammen. Wir haben eine sehr gute Zusammen arbeit mit Frau Professorin Scheubrein, die eine Untersuchung durchgeführt hat, in der bei den Studierenden die höchste Wegwerfquote festgestellt wurde. Darüber sind diese selbst erschrocken.
Augenfällig, wenn man dann auch die Bilder sieht, die ausgestrahlt wer den, wächst sofort die Einstellung, dass man sich fragt: War um sollen diese Leute die Lebensmittel nicht herausholen dür fen, ansonsten wird es ja weggeworfen?
Es gibt zwei Aspekte, die mich davon abhalten, mich für das Containern auszusprechen. Zum einen ist es rein formal im Eigentum des Einzelhändlers, wenn dort containert wird. Wenn dann jemand ein Lebensmittel erwischt, das tatsächlich nicht unbedenklich ist – z. B., weil Schimmel darauf ist –, ist es für die Juristen nicht von der Hand zu weisen, dass dann möglicherweise der Eigentümer, sprich der Einzelhändler, hierfür geradestehen muss. Das ist die eine Seite.
Die andere Seite ist ganz einfach: Wenn Sie vor Ihrem Haus auf Ihrem Gelände etwas stehen haben und jemand das dann mitnimmt mit der Begründung, das sei nicht abgesichert, ist das eigentlich Diebstahl. Containern ist also eine Einstellung, die ein Stück weit den Eigentumsgedanken unterminiert.
Ich habe vorhin ausgeführt, dass ich es viel besser fände, wenn Einzelhändler so verfahren würden, wie ich es gerade zum Thema Fair-Teiler aufgezeigt habe. Da stellt also der Einzel händler das aussortierte Obst auf die Rampe, dann kommt ei ne Initiative, ein Verein, sortiert vor Ort die Guten ins Töpf chen, die Schlechten ins Kröpfchen – sprich: in den Abfallbe hälter – und stellt es dann schön aufbereitet in ein extra aus gewiesenes Regal. Ich fände es ganz toll, wenn das in öffent lichen Bereichen wäre, ob im Rathaus oder bei der Universi tät. Derjenige, der es dann herausholt, erklärt damit, dass er es in sein Eigentum nimmt. Damit trägt er auch, möchte ich sagen, das Risiko, falls das Aussortierte, das er an sich genom men hat, doch nicht optimal für die Gesundheit ist.
Ganz herzlichen Dank. – Ich freue mich über diese Frage, weil das bei dem runden Tisch, den wir seit vier Jahren haben, immer das zen trale Thema war. Deswegen haben wir bei der Aktionswoche die Menschen auch ermuntert, ihre Augen und Nasen einzu setzen. Denn es ist wirklich eine ganz schlimme Entwicklung, dass sich keiner mehr traut – vor allem bei Molkereiproduk ten –, etwas noch zu verzehren, wenn das MHD erreicht oder annähernd erreicht ist. Ich kenne es aus dem eigenen Famili enbereich.
Dennoch ist es wichtig, dass wir als Gesetzgeber auch einmal darüber nachdenken, was rechtlich machbar wäre. Natürlich will sich jeder absichern. Deswegen haben wir am 4. Novem ber in der Landesvertretung in Berlin eine Gesprächsrunde mit Bundespolitikern aus dem einschlägigen Bereich der Landwirtschaft und des Verbraucherschutzes. Daran nimmt auch ein Wissenschaftler des Max Rubner-Instituts in Karls ruhe, das für Ernährung zuständig ist, teil, der auch digitale Instrumentarien vorführt, durch die ein Konsument eventuell durch aktive Aufbringung von Applikationen gezeigt be kommt, ob ein Nahrungsmittel noch verzehrt werden kann, auch wenn das MHD überschritten ist.
Im Koalitionsvertrag auf Bundesebene – wir sind ja auf Bun desebene miteinander unterwegs – steht, dass man dieses The ma aufarbeiten will. Ich sage jetzt einmal so locker, sportlich aus Baden-Württemberg: Mir hat sich bis jetzt noch keine gro ße Initiative auf Bundesebene gezeigt. Deswegen wollen wir, der Einzelhandelsverband und das Land Baden-Württemberg, einmal die einschlägigen Politiker in Berlin damit konfrontie ren, was man machen könnte und dass sie bitte schön die Sa che angehen sollten.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Grath. – Wir sind Geschwister im Geiste, was das Thema Lebensmittelverschwendung angeht. Ich habe das Klimapaket durchgesehen. Ich habe nichts gelesen.
Tatsächlich werden 26 % aller verbrauchten Ressourcen auf der Welt – mit Gigatonnen usw. kann vielleicht nicht jeder et was anfangen – für Lebensmittel verwendet. Wenn die Hälf te weggeworfen wird, hinterlassen wir wirklich sehr große CO2-Abdrücke. Deswegen ist es wichtig, dass jeder an seinem Ort das Thema, auch im privaten Kreis, kommuniziert. Auch eine Kommune kann das Thema adressieren. Wir werden auf jeden Fall dranbleiben.
Das macht vielleicht auch mal Spaß; denn Lebensmittel zu verwenden heißt auch Resteküche. Wenn ich an Sie als Bä cker denke, dann fallen mir sofort Semmelklöße ein.
Herr Gall, Sie scheinen zwischendurch nicht da gewesen zu sein.
Denn Herr Kollege Epple hat vorhin danach gefragt, und ich habe bereits geantwortet,
dass wir da natürlich mitarbeiten, aber dass wir sie schon über holt haben. Inzwischen sind wir die Benchmark.
Sehr geehrte Frau Präsidentin Aras, lieber Kollege Burger, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Mündliche Anfrage des Abg. Burger wie folgt beantworten:
Die Bekämpfung von Lebensmittelbetrug – er hat den engli schen Begriff „Food Fraud“ verwendet – gewinnt leider zu nehmend an Bedeutung, vor allem, wenn es sich um hochwer tige und regionale Spezialitäten handelt. Der Auslöser für die Frage von Herrn Abg. Burger könnte gewesen sein, dass wir in letzter Zeit in den Medien von einigen Fällen gehört ge habt, so etwa im Bericht des „Stern“, wo es darum ging, dass italienisches Tomatenmark häufig in China produziert wurde. In der Tat kann man eine derartige Verschleierung der Her kunft sicher als Verbrauchertäuschung ansehen.
Auf derartige Fälle hat auch das Europäische Parlament re agiert, sodass ab dem nächsten Jahr bereits falsche Anspielun gen, also bereits Anspielungen bezüglich der Herkunft der Hauptzutat ohne ausreichende Kenntlichmachung, nach der Lebensmittelinformationsverordnung verboten sind.
Sie haben Ihre Mündliche Anfrage um die Frage erweitert, welchen Stellenwert der Lebensmittelbetrug bei uns in der Le bensmittelüberwachung hat. Leider – das muss man so sagen – nimmt der organisierte Lebensmittelbetrug durch die orga nisierte Kriminalität ständig zu. Nach Schätzungen von Ex perten lässt sich durch Lebensmittelbetrug mehr Gewinn er wirtschaften als durch Drogenhandel. So sind laut Schätzun gen international bis zu 10 % der im Einzelhandel verkauften Lebensmittel schlichtweg Fälschungen, was einen jährlichen wirtschaftlichen Schaden zwischen 10 und 15 Milliarden USDollar ausmacht.
Doch nicht nur der ökonomische Schaden spielt bei den Le bensmittelfälschungen eine bedeutende Rolle, auch den Ein fluss auf die Gesundheit der Konsumenten darf man auf kei nen Fall außer Acht lassen. Denken Sie an diese Sache in Chi na, wo vor ca. zehn Jahren die ganze Welt erschüttert wurde; es ging darum, dass dort Babys mit einer mit Melamin ge streckten und damit verfälschten und auch gefährlichen Milch großgezogen wurden.
Die Bekämpfung von Lebensmittelbetrug ist so alt wie das Lebensmittelhandwerk. Diese kleine Anmerkung möchte ich Ihnen nicht ersparen. Am Sockel des Freiburger Münsters – Herr Bäckereifachmann Grath – gibt es einen Vergleich. Man hat diesen Vergleich dort angebracht, damit die Marktbesu cher im Mittelalter die erworbenen Backwaren an diesem Län genmuster messen konnten, um zu sehen, ob sie übers Ohr ge hauen wurden oder nicht. Das heißt, Menschen sind immer täuschend unterwegs gewesen, und jede Zeit hat ihre Mög lichkeiten. Deswegen ist es wichtig, dass man staatlicherseits dafür sorgt, dass solche Machenschaften zutage kommen. Denken Sie an den Pferdefleischskandal 2013. Da ist natür lich eine neue Qualität von Lebensmittelverfälschung deut lich geworden. Das ist regelrechter Betrug.
Deswegen hat sich auch, wie gesagt, das Europäische Parla ment dessen angenommen und geht mit einer neuen EU-Kon trollverordnung dagegen vor.
Es gibt – da gibt es keine Grenzen – zum Glück inzwischen auch ein Netzwerk, das sich Food-Fraud-Network nennt. Da mit können wir untereinander in der EU die Daten sehr schnell austauschen und auch verfolgen. Baden-Württemberg ist Teil nehmer dieses Netzwerks und hat eigene Schwerpunkte. Ich glaube, es ist vernünftig, dass sich jede wissenschaftliche Ein heit einem Thema vertieft zuwendet.
Ich darf Ihnen sagen, wir geben diesem Thema landespolitisch einen großen Stellenwert. Deswegen haben Sie mit Ihrem Be schluss auch dafür gesorgt, dass wir 88 neue Lebensmittel kontrolleure einstellen konnten, um dieser Thematik nachzu gehen. Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt – wir haben vier solcher Ämter in Baden-Württemberg – hat hier auch verschiedene Schwerpunkte. Mich hat sehr beeindruckt, dass man etwa bei einer Forelle, auf deren Verpackung „Schwarzwaldforelle“ steht, nachweisen kann, ob diese tat sächlich in Schwarzwaldwasser großgezogen wurde. So et was schafft Respekt vor den Möglichkeiten, die wir heute ha ben.
Ergänzend möchte ich dem Kollegen Burger noch sagen, wel che Maßnahmen wir ergreifen. Es gibt vier verschiedene Stoß richtungen. Zum einen geht es darum, dass vor allem lebens
mittelfremde Farbstoffe offengelegt werden. Diese sind durch aus üblich, um dem Produkt den Charakter von Frische – wenn es rot ist; etwa bei Fischen – zu geben. Dem gehen wir natürlich nach.
Auch bei der Kennzeichnung der geografischen Herkunft wird sehr viel Geld gemacht. Zurzeit ist ein Thema der ArabicaKaffee, der mit Robusta-Kaffee gestreckt wird. Diesen Kaf fee kann man dann teurer verkaufen. Hier sieht man, welche Motivationen es gibt.
Falschdeklarationen, falsche Angaben und Auslobungen wer den natürlich genauso verfolgt. Es ist auf jeden Fall wichtig, dass es nicht nur die bloße Kontrolle ist, sondern dass wir vor allem auch mit der Staatsanwaltschaft in Verbindung sind.
Wir haben seit 2015 eine Art Taskforce eingerichtet, die sich „Landeskontrollteam Lebensmittelsicherheit“ nennt. Sie ar beitet auch interdisziplinär überregional und ist sehr schlag kräftig. Wenn man Regionalität bewirbt – so, wie wir es ge meinsam tun –, muss man dafür sorgen, dass diese Regiona lität auch gewährleistet ist. Deswegen wurden in der Vergan genheit Apfelsaft und Fleisch auf Regionalität überprüft. Die Echtheit von ausgelobtem heimischen Spargel steht ebenfalls auf der Liste.
Man hat etwa im CVUA in Karlsruhe eine günstige und schnelle Spezialanalytik, die auch europaweit Geltung hat. In den Jahren 2015 bis 2018 haben wir viele Komplettfälschun gen, etwa bei Olivenöl, offengelegt. Da werden Sojaöl, Son nenblumenöl und Rapsöl vermengt, und man gibt Karotin und für den Geschmack noch ein bisschen Olivenöl dazu.
Dass solche Fälle auffliegen, ist sehr wichtig; sonst ist das Ver trauen der Verbraucher nicht mehr gegeben. Wie gesagt, es geht hier um große volkswirtschaftliche Schäden.
Also, lassen Sie uns an dem Thema weiterhin mit offenen Au gen arbeiten.
Ja, ich habe in meiner Antwort zweimal darauf verwiesen, dass dies jetzt in Vorbereitung ist. Wenn die EU es verbietet, bedarf es eben auch Strafmaßnahmen, je nach Schwere dieser Delikte.
Ich bin froh, dass es jetzt auf europäischer Ebene angegangen wird, statt dass jeder einzelne Staat seine eigenen Auslegun gen hat.
Ich habe davon noch keine Kenntnis erlangt, aber ich kann dem gern nachge hen.
Das ist jetzt natürlich auch nicht unbedingt ein Thema für die Lebensmittelkontrolle; Ihre Frage zielt ja auf Gebrauchsge genstände. Es ist aber auf jeden Fall
ein Thema des Verbraucherschutzes. Ich werde da einmal re cherchieren.
Meines Wissens ist seit dem BSE-Skandal bezüglich des Einsatzes von Sepa ratorenfleisch dieses Separatorenfleisch als kritisches Fleisch eingestuft worden; die Verwendung ist also nicht erlaubt. Da her braucht man auch keine Kennzeichnung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, lieber Kollege Hockenberger, meine Damen und Herren! Ich darf die Frage wie folgt beantworten:
Sie wissen, wir haben am 21. November 2017 dieses Sonder programm aufgelegt. Drei Häuser sind beteiligt: das Ministe rium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, in glei chem Umfang das Umweltministerium und – mit 5 Millio nen € – das Verkehrsministerium, das vor allem auch das Be gleitgrün im Auge behalten soll. Es handelt sich um ein Ge samtvolumen von 36 Millionen €.
Für uns im Ministerium für Ländlichen Raum – Landwirt schaft – geht es darum, die Lebensgrundlagen für die heimi schen Arten zu verbessern. Beispielsweise haben wir das be rühmte Programm FAKT, das erfolgreich mit Brachebegrü nungen und Blühmischungen arbeitet. Diese Blühflächen wer den von vielen Arten besucht – das können Sie nachvollzie hen – und sind eine wertvolle Nahrungsgrundlage, vor allem in der trachtenarmen Zeit von Oktober bis Juni. Ich denke, wir müssen uns auch darüber hinaus Gedanken machen.
Ich habe mich vorhin gefreut, dass auf der Besuchertribüne Anwälte der Natur sitzen, nämlich Mitglieder des Schwarz waldvereins. – Ich darf Ihnen für die Arbeit, die Sie in diesem Zusammenhang erbringen, danken.
Im Rahmen dieses Sonderprogramms wurde die Förderung von Blühmischungen von 5 ha auf 7 ha erweitert. Wenn dies nun landesweit geschieht, erreichen wir damit eine große Flä che. Wir haben immerhin 6 124 Landwirte, die auf 16 500 ha
einjährige Blühmischungen, aber auch Blühmischungen, die über mehrere Jahre gehen, angelegt und hierfür eine Förde rung beantragt haben.
Zudem startet in diesem Jahr, angeschoben durch Mittel aus diesem Sonderprogramm, die neue FAKT-Maßnahme „Blüh-, Brut- und Rückzugsflächen“. Da geht es darum, wertvolle Le bensräume vor allem für das Niederwild, für Feldvögel und Insekten zu schaffen. Gestern haben wir das ja beim Landes jagdverband vorgestellt bekommen.
Das Vorhaben „Lücken für Auerhuhnküken“ im Privat- und Kommunalwald ist ebenfalls eine Maßnahme; diese fördert Aufwendungen für Pflegeeingriffe in die Wälder, durch die sich die Qualität von Brut- und Aufzuchthabitaten im Verbrei tungsgebiet des Auerhuhns sofort verbessern ließe.
In diesem Sinn handelt es sich gewissermaßen um Feuerwehr maßnahmen – das war ja auch Ihre Frage, Kollege Hocken berger. Um dauerhaft und flächendeckend Effekte zu erzielen, müssen diese Maßnahmen natürlich fortgesetzt werden, und sie müssen zum Teil auch noch besser an die Arten und deren Lebensräume angepasst werden. Vor allem sollten wir uns auch damit beschäftigen, auf welche Weise Bodenbrüter wie der Kiebitz in Zukunft ein besseres Habitat haben können.
Um diesem Anspruch nachzukommen, wurde von unserem Ministerium das Vorhaben „Allianz für Niederwild“ aufge legt; es gibt hier natürlich auch Schnittmengen zu dem beste henden FAKT-Programm.
Bei diesen Vorhaben liegt der Schwerpunkt auf der inhaltli chen, aber auch auf der organisatorischen Vernetzung der Ak teure. Da geht es darum, dass die Land- und die Forstwirt schaft zusammenarbeiten, aber auch die Jagd. Das wurde ges tern Abend deutlich.
Ausgehend von den Sonderprogrammen gibt es auch Modell regionen. Es sollen weitere Allianzen entstehen, die in Zu kunft für ihre Regionen gemeinsam planen und Vorschläge machen. Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes, welche auch die Wandervereine umsetzen, sollen das sinnvoll ergänzen, um für Niederwild, Feldvögel und Insekten einen funktiona len Verbund von Blüh-, Brut- und Rückzugsflächen zu schaf fen.
Die zweite, ergänzende Frage war, welche Hinweise auf Er folgsfaktoren es gibt. – Ich lese die Frage natürlich nicht noch einmal ganz vor. – Mit diesen Mitteln des Sonderprogramms ist es möglich geworden, in den Handlungsfeldern „Redukti on des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln“, aber auch „Si cherung genetischer Ressourcen vor dem Hintergrund des Kli mawandels“ oder auch „Umsetzung von Natura 2000 im Wald“ Entwicklungen anzustoßen, zu beginnen oder wieder aufzugreifen. Auf deren Grundlage wird es dann möglich sein, dringend benötigte Empfehlungen für die land- und forstwirt schaftliche Praxis auszusprechen.
Ihnen ist vielleicht auch geläufig, dass die Umsetzung des Sonderprogramms von einem Fachgremium begleitet wird. Es soll auch ein Monitoring gemacht werden. Das sind acht externe Wissenschaftler, die ein Auge darauf werfen. In sei
ner Würdigung hat dieser Fachbeirat jetzt die bisherige Um setzung bewertet und hat bestätigt, dass trotz der kurzen Vor laufzeit die meisten Vorhaben im Laufe des Jahres 2018 ge startet werden konnten. Allein diese Tatsache hat dieser Bei rat schon als anerkennenswert gelobt.
In allen Handlungsfeldern erkennt das Fachgremium gute bis sehr gute, ja teilweise absolut notwendige Ansätze, die biolo gische Vielfalt zu erhalten und zu fördern.
Mehr als die Hälfte der vom MLR begonnenen Vorhaben wur den mit Mitteln aus dem Sonderprogramm angeschoben. Der langfristige Erfolg hängt natürlich auch davon ab, wie dieses Programm finanziell und personell weitergeführt wird. Darü ber werden wir uns sicherlich im Zuge der Haushaltsberatun gen Gedanken machen.
Zum anderen ist nachvollziehbar, dass sich nach der noch kur zen Laufzeit des Sonderprogramms natürlich keine absolut messbaren Erfolge darstellen lassen. Aber das Programm hat große Potenziale, die biologische Vielfalt auf allen Ebenen zu stützen. Es geht immer auch darum, Trittsteine für die Arten zu haben, damit diese sich vernetzen können.
Um diese Potenziale auszuschöpfen, liegen diesem wissen schaftlichen Fachgremium eine Reihe von Empfehlungen vor, die dieses dann prüft und eine mögliche Fortführung des Pro gramms zusammen mit den Akteuren anstößt – ob das Kom munen sind oder auch Privatleute. Die Kommunen müssen wir noch viel mehr sensibilisieren; Landwirte, Imker oder auch Streuobstwiesenbesitzer und Jäger sollten auch mit ins Boot.
Ich darf Sie jetzt noch auffordern, auf unsere Homepage zu gehen. Mein Minister hat heute ein Programm „Baden-Würt temberg blüht auf“ ins Leben gerufen, und er wünscht sich, dass alle Akteure mitmachen, auch Privatleute. Ich glaube, wenn jeder ein paar Quadratmeter in seinem Garten zum Blü hen bringt, mit Biodiversität versieht, ist schon viel erreicht.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen und liebe Kolleginnen! Ich freue mich über diese Anfrage, weil das Thema „Ländlicher Raum“ für uns, die Landesregierung, im Zentrum steht, und ich darf Ihnen auch sagen: In Deutschland wird man bei diesem The ma als Baden-Württemberger immer ein bisschen neidvoll be handelt, weil einige sagen: „Bei Ihnen im Ländle ist der länd liche Raum ja weitgehend gut und sehr gut entwickelt.“ – Aber das ist kein Selbstläufer.
Bereits bei den Koalitionsverhandlungen wurde festgehalten, dass ein Kabinettsausschuss „Ländlicher Raum“ einzurichten ist, der unser gemeinsames Ziel verfolgt – das wir verfas sungsmäßig verantwortet haben –, gleichwertige Lebensbe dingungen im ländlichen Raum gegenüber den städtischen Räumen zu schaffen. Ich bin der Landesregierung dankbar, dass dies auch ganz konsequent verfolgt wird. Das bedeutet, dass wir gleichwertige Lebensverhältnisse anstreben, dass wir in der Infrastruktur vergleichbare Bedingungen haben.
Wir haben mit dem Kabinettsausschuss ein Instrument, das sonst gar nicht genutzt wird und das ich eigentlich für viele Herausforderungen der Politik empfehlen möchte. Wir haben dort einen konstruktiven interministeriellen Austausch und können schauen: Was ist da? Die Potenziale sollen bewahrt werden, aber es sollen auch weitere Potenziale genutzt wer den. Da geht es um Dorf- und Innenentwicklung, es geht vor allem um Themen, die uns unter den Nägeln brennen, die auch wirklich ganz akut sind, etwa die medizinische Versorgung. Dann geht es darum, dass wir auch in Zukunft – ich sprach von Bewahren – die Stärken des ländlichen Raums haben wer den. Wie können wir Haupt- und Ehrenamt sinnvoll mitein ander verknüpfen? Es geht um Informationsangebote, die man als Bürger haben muss, wenn man bestimmte Herausforde rungen hat, etwa die Pflege, und es geht – das will ich deut lich sagen – natürlich auch um Mobilität, die im städtischen Raum automatisch besser ist als im ländlichen Raum. Zudem geht es um Nahversorgung.
Die großen Bereiche Schulen und Fachkräftegewinnung müs sen ebenfalls angegangen werden. Dieser Kabinettsausschuss soll passgenaue, aber auch pragmatische Ansätze suchen, die den Menschen in den Kommunen gleichwertige Lebensver hältnisse bieten.
Wir orientieren uns hier nicht an ländlichen Räumen anderer Bundesländer, sondern wir gehen hart ran, indem wir die Benchmark der Metropolregionen anschauen und fragen: Was haben die Metropolregionen, was der ländliche Raum nicht hat?
In dieser Arbeit hat man bislang vier interministerielle Arbeits gruppen, IMAs, gegründet, die sich mit den Schwerpunktthe
men „Pflege und Gesundheit“, Bildung – da geht es auch um den Anspruch, die Grundschule im ländlichen Raum, in den Dörfern zu halten; „Kurze Beine, kurze Wege“ –, Mobilität und Fachkräftesicherung beschäftigen.
Wir haben in den einzelnen IMAs die Zielvorstellung, Hand lungsempfehlungen zu entwickeln. Da ist man natürlich auch im intensiven Austausch mit den kommunalen Landesverbän den. Dort gibt es eine hervorragende Zusammenarbeit.
Ich möchte Ihnen durch ein Beispiel eine Idee geben, wie un konventionell dies laufen kann. Beim Thema „Medizinische Versorgung“ gibt es das Projekt LAND ARZT LEBEN LIE BEN, das sich an Studierende der Medizin richtet, die schon in den höheren Semestern sind, um diese auf die Idee zu brin gen, den ländlichen Raum daraufhin anzuschauen, ob das et was für sie wäre. Es gibt dann geplante Besuche, etwa im Schwarzwald, wo man sich als zukünftiger Kollege oder zu künftige Kollegin mit den bereits praktizierenden Ärzten und deren Kassenärztlichen Vereinigungen austauscht. Man darf aber auch eine Ausfahrt machen, um zu sehen, welchen Frei zeitwert die Gegend hat. Es soll also Appetit gemacht werden. Wir haben Rückmeldungen, dass junge Leute sagen: „Das ha be ich seither nicht so gesehen. Warum eigentlich nicht?“
Wir haben in der Medizin dann auch die Herausforderung, dass es heutzutage sehr viele Frauen sind, die Medizin studie ren. – Ich will das nicht weiter hinterleuchten. Medizin stu diert man halt, wenn man gute Noten hat, gell?
Deswegen stellt sich die Frage: Wie können Frauen, wenn sie Interesse für das Hausarztmodell haben, beides – Familie und Beruf – miteinander vereinbaren? Dafür gibt es genossen schaftliche Modelle, die wir auch fördern, damit vielleicht zwei, drei Damen zusammen eine Hausarztpraxis betreiben. Sie sehen: Es gehört auch sehr viel Innovationskraft dazu, um diese Herausforderungen zu beantworten.
Es ist manchmal auch so, dass man, wenn es um Fachärztli ches geht, durchaus auch Telemedizin in Erwägung zieht. Ein Projekt dazu haben wir; das ist das Projekt „IT-gestützte Flä chenversorgung in der Pneumologie“. Dabei handelt es sich um den Einsatz digitaler Instrumente bei Lungenfachärzten. Lungenfachärzte sind in der Fläche nicht so vorhanden.
Auch für die Frage „Wie können junge Menschen zum Abitur kommen?“ haben wir ein Modell an den beruflichen Gymna sien im ländlichen Raum mit Sommerschulen, um den jungen Menschen den Übergang auf das Gymnasium zu erleichtern.
Sie sehen: Dieser Kabinettsausschuss ist ein sehr erfolgrei ches Instrument. Wir berichten darüber auch jährlich im Ka binett. Dort herrscht die Übereinstimmung, dass der Kabi nettsausschuss ein zielgenaues Instrument ist, um in Zukunft den ländlichen Raum vital zu halten und ihn als attraktiven Lebensraum für junge Menschen zu erhalten. Denn wenn die Jugend geht, wird der ländliche Raum aussterben. Da spielen dann auch Dinge eine Rolle, an die man zunächst gar nicht denkt, z. B. das Vorhandensein tertiärer Bildungseinrichtungen. Ich bin heute noch Lothar Späth dankbar, dass er in den Acht zigerjahren die Hochschulen für angewandte Wissenschaften
früher hat man Fachhochschule gesagt – in die Fläche ge bracht hat; auch die dualen Hochschulen.
Ich möchte es veranschaulichen: Wenn die jungen Leute in Furtwangen studieren können, bleiben sie in dieser Gegend, spielen im Musikverein, spielen Fußball, finden dort einen Partner oder eine Partnerin, es werden Kinder geboren, die Kindergärten sind voll, und unser ländlicher Raum hat eine Zukunft.
Wenn solche Professoren da sind wie Sie, Herr Kollege. Das wollten Sie hören, oder?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Im Namen der Landesregierung beantworte ich Ihre Fragen, Herr Abg. Ha gel, wie folgt:
Zunächst zu der Frage, ob uns die Aktion „Topf Secret“ von foodwatch und FragDenStaat bekannt sei, die als Onlineplatt form Ergebnisse von Hygienekontrollen in Restaurants, Bä ckereien und anderen Lebensmittelbetrieben öffentlich ma chen will. Ich darf Ihnen sagen: Jawohl, die Aktion ist uns be kannt. Sie wurde ja pressewirksam am 14. Januar 2019 im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz von foodwatch und FragDenStaat – das sind zwei NGOs – ins Leben geru fen. Das Ziel dieser Plattform ist es, dass man öffentlich Druck machen möchte, um bundesweit ein Hygienebarometer zu in stallieren.
Zur zweiten Frage, welche Chancen und Risiken die Landes regierung in Bezug auf diese Aktion mit Blick auf die Ver braucher und Verbraucherinnen sowie für die einzelnen Be triebe sieht, möchte ich ausführen:
Die Chancen für den Verbraucher und die Verbraucherin be stehen darin, dass sie die Möglichkeit haben, über dieses pri vate Portal oder das NGO-Portal nach dem sogenannten VIG, dem Verbraucherinformationsgesetz, Fragen zu Lebensmittel betrieben zu stellen. Sie können aber auch gegebenenfalls dort veröffentlichte Kontrollergebnisse zu Lebensmittelbetrieben
recherchieren. Der Verbraucher kann dann also auf diese Platt form gehen.
Was hat er davon? Derjenige, der sich für die Kontrollergeb nisse interessiert, erhält über dieses Portal Auskunft.
Wo sind die Schwierigkeiten? Am 14. Januar 2019 wurde es ins Leben gerufen, und wir haben inzwischen eine Flut von 2 500 Anfragen zu Betrieben in Baden-Württemberg, die bei unseren zuständigen Behörden in 35 Landkreisen eingegan gen sind. Bundesweit sind 21 000 Anfragen eingegangen. Das ist der Stand jetzt im April 2019.
Diese Anfragen müssen kontinuierlich abgearbeitet werden; denn nach dem VIG besteht ja auch ein Anspruch des Verbrau chers, innerhalb einer bestimmten Zeit die gewünschten In formationen zu bekommen.
Ich möchte dazu auch Stellung nehmen; denn es ist natürlich klar, dass seitens der Lebensmittelwirtschaft das Ganze nicht nur positiv gesehen wird, dass man das dort sehr kritisch sieht. Dort wird eben vermutet, dass man jetzt durch die Hintertür einen weiteren Hygienepranger schafft, der die vorgeschrie benen Veröffentlichungen nach dem Lebensmittel- und Fut termittelgesetzbuch – § 40 Absatz 1 a – bei Weitem übertrifft. Nach dem VIG wird dann mehr veröffentlicht als nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch.
Wir verfolgen ja – das wissen Sie – seit fast drei Jahren ge meinsam die Strategie, den Verbraucher zu nachhaltigem Kon sum aufzurufen und ihn zu bitten, sich regional zu orientie ren. Das hat für den Verbraucher den Vorteil, die Wertschöp fungskette – vom Acker auf den Teller, vom Stall auf den Tel ler – transparent vor Augen zu haben.
Ich denke, dass das angesprochene Vorgehen ein Misstrauen sät, das die Lebensmittelwirtschaft – unsere Ernährungshand werker – in keiner Weise verdient hat. Deswegen warne ich davor, hier Maß und Mitte zu überschreiten.
Ich kann für die jenigen, die nicht so sehr mit dem Thema vertraut sind, die Arbeitsweise und das Vorgehen von FragDenStaat und food watch einmal kurz beschreiben.
Die Bürger haben die Möglichkeit, über eine konfigurierte Sei te an die Behörden heranzutreten und Abfragen zu einem Le bensmittelbetrieb zu stellen – beispielsweise, welche Auffäl
ligkeiten bei den beiden letzten Kontrollen, die stattgefunden haben, festgestellt wurden. Dann muss die zuständige Behör de diese Anfrage bearbeiten. Sie bearbeitet sie aber nur, wenn der Anfragende auch zuordenbar ist, wenn er seinen Namen angibt. Ansonsten wird die Anfrage nicht bearbeitet.
Dann muss auch geklärt werden, ob der Dritte, der Betroffe ne, der Lebensmittelunternehmer, mit der Art und Weise, wie man die Auskunft gibt, mit den Inhalten einverstanden ist.
Das alles kostet natürlich Zeit. Ich gehe jetzt Pi mal Daumen einmal davon aus, dass ein solcher Vorgang, wenn er so ein fach abläuft, wie ich es gerade beschrieben habe, vielleicht ei nen Arbeitsaufwand von zwei Stunden verursacht. Wenn der Vorgang durch einen Angehörigen des gehobenes Dienstes be arbeitet wird – also Besoldungsgruppe A 11, A 12 –, dann wer den es 60 € die Stunde sein, und vielleicht sind es dann 120, 150 € mindestens, die ein solcher Fall verursacht – bei 2 500 Fällen. Manche werden vielleicht auch ihren Namen nicht an geben. Dann fällt die Bearbeitung der Anfrage weg. Gehen wir einmal davon aus, dass das, was bis jetzt angefallen ist, um die 300 000 € ausmacht.
Man muss natürlich auch sehen: Die Zeit, die man für die Be antwortung der Fragen aufbringen muss, fehlt dann eben für die tägliche Arbeit, die von den Lebensmittelkontrolleuren vor Ort zu machen ist.
Aber ich muss sagen: Das ist Bürgerrecht. Es ist zwar jetzt, möchte ich sagen, von foodwatch als NGO instrumentalisiert worden, aber letztlich steht immer ein Name dahinter, ein Bür ger, der eventuell, wenn das Ganze veröffentlicht wird, von dem Betroffenen, sprich dem Lebensmittelunternehmer, auch zivilrechtlich angegangen werden kann. Es passiert hier also nichts Unrechtes, aber diese Kampagne kann vielleicht dazu führen, dass andere wichtige Inhalte derzeit nicht so bearbei tet werden können, wie das wünschenswert wäre.
Dieses Portal gibt zwar eine ganze Menge Informationen, aber die wesentlichen und wichtigen Informationen erfolgen ja über das Lebensmit tel- und Futtermittelgesetzbuch, weil es da um direkte Verstö ße geht. Das ist dort geregelt. Die, denke ich, haben die Öf fentlichkeit etwas anzugehen. Es gibt schon eine Schwelle, bis man über das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch nach außen geht.
Bei dem anderen kann es heißen, dass ein Lappen mal am fal schen Platz gehangen hat oder sonst irgendetwas aufgefallen ist, was aber die Gesundheit nicht beeinträchtigt.
Sehr geehrte, lie be Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Burger, ich freue mich über Ihre Anfrage, weil sie ein zentrales Thema trifft, nämlich dass nur noch 1 % der Bevöl kerung in der Landwirtschaft tätig ist und dass es nicht mehr so wie früher Familien gibt, Opas oder Onkels, zu denen man auf den Bauernhof gehen kann. Dadurch hat sich eine Ent fremdung der Gesellschaft entwickelt. Deswegen ist es wich tig, dass wir Gelegenheit zur Begegnung der Bevölkerung, insbesondere der jungen Leute, mit der Landwirtschaft bie ten. Eine sehr schöne Gelegenheit hierfür war der Schaubau ernhof.
Ich erlaube mir jetzt, die Frage zum Schaubauernhof an den Anfang meiner Beantwortung zu stellen. Am 3. Juli 2017 ha be ich an Frau Staatsekretärin Dr. Splett geschrieben, weil der Schaubauernhof in der Wilhelma geschlossen werden soll. Man hat ihn in Zukunft in der derzeitigen Form nicht mehr zur Verfügung.
Bei allem Verständnis für die notwendige Weiterentwicklung der Wilhelma: Der Schaubauernhof mitten in der Landes hauptstadt hätte natürlich einem breiten Publikum die Gele genheit gegeben, sich über das Aussterben bedrohter Tierras sen zu informieren. Das gilt insbesondere für das Limpurger Rind, das dort zu sehen war.
Um in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Verbänden die Zuchtarbeit an anderer Stelle weiterführen zu können, ha ben wir bereits Gespräche mit der Wilhelma und mit mögli chen Kooperationspartnern geführt. Im Ergebnis haben sich zwei Kooperationen als besonders geeignet erwiesen. Zum einen könnte man den Schaubauernhof im Alten Lager in Münsin gen darstellen – dort ist sowieso eine besondere Entwicklung vorgesehen –, zum anderen hat sich die Hochschule für Wirt schaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen dafür interessiert. Die haben dort das Hofgut Tachenhausen bei Oberboihingen. Derzeit werden konkrete Konzeptionen entwickelt, sodass ich also, lieber Kollege Burger, zuversichtlich bin, dass der Schau bauernhof in anderer Form einem breiten Publikum wieder zur Verfügung stehen wird.
Was die anderen Gelegenheiten angeht, der Landwirtschaft zu begegnen, gibt es natürlich die „gläsernen Produktionen“, die der Öffentlichkeit seit 30 Jahren angeboten werden. Hier öff nen sich die Betriebe für die Öffentlichkeit. Diese Betriebe bieten sehr erfolgreich Begegnungsmöglichkeiten.
Darüber hinaus ist „Lernort Bauernhof“ ein sehr wertvolles Modell in Baden-Württemberg. Hier eröffnet sich für Schü lerinnen und Schüler die Möglichkeit, bei Hofbesuchen etwas
über natürliche Zusammenhänge, über die Herkunft, über die Erzeugung von Lebensmitteln, über regionale Vielfalt, über die Bedeutung der Ernährung und auch über die Bewirtschaf tung der Kulturlandschaft zu erfahren.
Betonen möchte ich, dass „Lernort Bauernhof“ landesweit den allgemeinbildenden Schulen zur Verfügung steht, und zwar Schülerinnen und Schülern in allen Klassenstufen, aber auch Jugendgruppen. Die Akzeptanz dieses Lernorts ist unglaub lich hoch.
Darüber hinaus gibt es auch ein Internetportal zum „Lernort Bauernhof“, das vor allem auch den Lehrern und Lehrerinnen zur Verfügung steht. Sie können dort Bildungsmaterial heran ziehen, das sie in den Unterricht zur Vorbereitung einbringen.
Ich möchte an dieser Stelle ganz besonders betonen, dass die ses Projekt „Lernort Bauernhof“ ein hohes Ansehen hat, weil die teilnehmenden Betriebe sehr gut für diesen Austausch vor bereitet sind. Die Landwirte und Landwirtinnen unterliegen hier Qualitätskriterien. Sie werden qualifiziert, und ihr Betrieb ist zertifiziert. Das dokumentieren sie nach außen auch durch ein besonderes Hofschild.
Alle einsteigenden Landwirte und Landwirtinnen – davon gibt es von Jahr zu Jahr mehr – müssen eine zweitägige Grund schulung absolvieren und eine eintägige Fachexkursion hin ter sich bringen, die alle drei Jahre wiederholt werden muss.
Inzwischen haben wir immerhin einen stolzen Reigen von 540 Betrieben, die solchermaßen qualifiziert sind und die Kinder an den grünen Beruf heranführen.
Wir haben außerdem eine Zentrale Koordinierungsstelle, in der wir in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport jährlich vier umfangreiche Lehrerfortbil dungen durchführen. So konnten wir im vergangenen Jahr in vier Fortbildungen zum Thema „Milchproduktion in BadenWürttemberg“ 70 Lehrer und Lehrerinnen erreichen.
Ich freue mich, dass ich Ihnen sagen kann, dass wir im ver gangenen Jahr mit diesem Angebot immerhin 30 000, fast 31 000 Schüler und Schülerinnen erreicht haben. Es sind ins gesamt 1 538 Bildungsmaßnahmen gewesen.
Natürlich müssen wir die Landwirte auch entschädigen. Denn es kann ja nicht sein, dass sie ihre kostbare Arbeitszeit für die Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Sie bekommen eine schmale Aufwandsentschädigung. Insgesamt stehen 180 000 € für die 540 Betriebe zur Verfügung. Ich kann aus Gesprächen sagen, dass die Landwirte bereit wären, hier noch mehr zu tun, wenn das Budget größer wäre. Deswegen möchte ich ganz einfach einen Appell an die Parlamentarier richten, dass man hier noch aufdoppeln könnte, damit im nächsten Jahr noch mehr Schüler auf die Höfe können.
Ein weiteres wichtiges Instrument, lieber Kollege, ist das Grü ne Klassenzimmer, auch „bwgrün“ genannt. Das ist ein Pro jekt der Fördergesellschaft bei den Landesgartenschauen, jetzt der BUGA und der Gartenschau im Remstal, wo wir immer sehr viele Schüler und Schülerinnen empfangen können. Je nach Leistungsstufe und Interessengebiet können dort die Un terrichtseinheiten ausgewählt werden. Es geht dann um Land wirtschaft, es geht um Ökolandbau, es geht aber auch um das Naturerlebnis Wald, es geht um Bienen, es geht um die Ver mehrung von Pflanzen. Ganz einfach: Der Bezug zur Natur
wird mit diesem Grünen Klassenzimmer gegeben. Das halte ich angesichts dessen, dass viele Kinder heute ziemliche Stu benhocker sind, für ganz wichtig. Nur dann, wenn wir die Kin der in der frühen Kindheit erreichen und sie sensibilisiert sind, können sie auch später Anwälte für die Natur sein und der Landwirtschaft Verständnis und Wertschätzung entgegenbrin gen.
Natürlich hatten wir beim Landwirtschaftlichen Hauptfest, das im vergangenen Jahr sein 100-Jahr-Jubiläum gefeiert hat, ein umfangreiches Bildungsangebot bereitgestellt. Das war auch ein großer – so möchte ich sagen – Bildungsmagnet.