Protocol of the Session on May 10, 2017

(Oh-Rufe von der SPD – Abg. Andreas Stoch SPD: Geht es noch? Unzulässig?)

Damit aber keine Missverständnisse entstehen: Es gibt sehr viele Situationen und Gewaltverhältnisse, die eine politische Antwort verlangen, unabhängig davon, ob die Gewalt nun re ligiös, weltanschaulich oder kulturell motiviert ist – oder ein fach nur kriminell. Das Spektrum ist riesig: von körperlicher und seelischer Gewalt gegen Frauen und Kinder über Zwangs prostitution bis hin zu Rassismus und Unterdrückung von Minderheiten.

Eine Erkenntnis aus der Anhörung ist jedoch, dass es für den komplexen Umgang mit komplexen Problemen vieler Mittel, eines ganzen Instrumentenkastens bedarf: von Beratungsmög lichkeiten und Unterstützungsstrukturen über Ermessensspiel räume, etwa in Schulen und Hochschulen, über Ermutigung zur Zivilcourage, bis hin zu gesetzlichen und untergesetzli chen Flankierungen.

Die Diskussion darüber ist notwendig und sinnvoll, ganz im Gegensatz zu aufmerksamkeitsheischenden Schnellschüssen oder ungelenken Reparaturversuchen. Wenn wir uns einig sind, dass es eines ganzen Instrumentenkastens bedarf, dann wirkt die Opposition mit ihren Anträgen wie ein Hobbyhand werker, der statt seines Werkzeugkastens nur einen Hammer mitbringt

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

und dann frei nach einem chinesischen Sprichwort agiert, das lautet: „Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in je dem Problem einen Nagel.“ Damit bekommen Sie aber we der eine Schraube festgezogen noch einen Knopf an die Sa che – und Sie bekommen schon gar kein Problem gelöst.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Sehr gut! – Gegenruf des Abg. Sascha Binder SPD: Du hast doch selbst keine Ahnung! – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Für die CDU-Fraktion er teile ich das Wort dem Kollegen Dr. Lasotta.

Lieber Herr Präsident, werte Kollegen, verehrte Kolleginnen! Der uns vorliegende Gesetzentwurf der FDP/DVP-Fraktion zum Thema „Offene Kommunikation“, der quasi ein Verbot der Vollverschleierung in verschiedenen Bereichen vorsieht, hat zumindest zu einer guten Debatte im Parlament geführt.

(Abg. Sascha Binder SPD: Die ist seit der Rede des Kollegen Poreski vorbei!)

Ich glaube, auch die Anhörung war für die Debatte in unse rem Parlament hilfreich,

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

weil sie uns in vielen Bereichen die Augen geöffnet hat.

Natürlich kann man dem Gesetzentwurf so, wie er vorgelegt wurde – auch mit den vorliegenden Änderungsanträgen –, nicht zustimmen. Aber ich möchte der FDP/DVP-Fraktion ausdrücklich bescheinigen, dass sie das Thema – im Vergleich zu dem, was die AfD-Fraktion Anfang des Jahres beantragt hatte – auf eine sachliche Ebene gezogen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Anton Baron AfD: Was war daran denn nicht sachlich?)

Der Entwurf der AfD war eher von Angst und Hass geprägt. Die FDP/DVP-Fraktion hat sich damit auseinandergesetzt, un terschiedliche Grundrechte abzuwägen. Dafür gebührt ihr Dank.

(Abg. Anton Baron AfD: Und was ist mit Österreich? Lächerlich!)

In welchen Bereichen kann es nun also zu einem Vollver schleierungsverbot in Baden-Württemberg kommen? In der Anhörung wurden vier Bereiche untersucht. Das eine war das Versammlungsgesetz. Da waren sich alle Experten einig; sie haben gesagt, man könne die vorgeschlagene Regelung nicht treffen.

Der zweite Punkt betraf die Regelung für die Beamten. Hier ist der Bund mittlerweile auch auf Ebene des Bundesrats tä tig geworden. Ich glaube, hier haben wir eine gute Regelung hinbekommen, sodass wir als Landesgesetzgeber in diesem Bereich – außer dem, was wir im Bereich der Gerichte regeln – nicht tätig werden müssen.

Es bleiben noch zwei Bereiche: die Schulen und die Hoch schulen. Die Mehrheit der Experten hat in der Anhörung ein deutig gesagt, dass wir im Schulbereich regeln können. Das ergibt sich aus zwei Aspekten. Zum einen haben wir den be sonderen Erziehungsauftrag in unserem Grundgesetz und kön nen dadurch auch entsprechende Regelungen treffen, weil wir im Unterricht eine offene Kommunikation brauchen, da an sonsten eine Vermittlung der Lehrinhalte und eine Rückkopp lung mit dem Schüler nicht möglich ist. Dies ergibt sich zwei tens auch aus unserer Landesverfassung. Hier kann also eine allgemeine Regelung getroffen werden.

Der zweite Bereich betrifft die Hochschulen. Hier ist der be sondere Erziehungsauftrag nicht vorhanden. Aber die Mehr heit der Experten hat dafür plädiert und gesagt, wir sollten den Rektoren an den Hochschulen eine Regelungsmöglichkeit überlassen – in den Seminaren, in den Laboren, im Hörsaal, bei Klausuren, immer, wenn eine offene Kommunikation ge währleistet werden muss –, damit auch hier ein Verbot der Vollverschleierung geregelt werden kann und wir den Rekto ren der Hochschulen eine Handlungsermächtigung geben kön nen.

Jetzt ist der Entwurf der FDP/DVP-Fraktion eben ungenü gend, nicht zielgenau gewesen. Deswegen konnten wir dem auch nicht zustimmen. Wir, die CDU-Landtagsfraktion, ha ben das Angebot an die anderen Fraktionen im Parlament ge macht und gesagt: Lasst uns überlegen, ob wir Gemeinsam keiten finden, wo Regelungen erarbeitet werden können, die auf allgemeine Akzeptanz – analog der Anhörung – stoßen.

Ich muss jetzt schon meine Verwunderung darüber ausdrü cken – insbesondere gegenüber der SPD, Herr Binder –, dass, wenn vertrauliche Gespräche geführt werden, in denen ver sucht wird, zu sondieren und abzustimmen, ob hier eine Ge meinsamkeit möglich wäre, sofort Pressekommentare abge geben werden nach dem Motto: Diese Geschichte ist geschei tert.

(Abg. Sascha Binder SPD: Die Grünen sind nicht ge kommen!)

Ich glaube, das ist kein kollegialer Umgang.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

Nein. – Wenn Sie wirklich etwas erreichen wollen,

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

dann sollten Sie mit uns sprechen und nicht über die Presse mit anderen sprechen.

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

Ich finde es gegenüber unserem grünen Koalitionspartner nicht fair, wenn er einfach noch Zeit braucht, um Gespräche zu führen, dann über die Presse zu sagen: „Das ist geschei tert.“ Wir kommen hier nicht weiter.

(Abg. Sascha Binder SPD: Sie sind einfach nicht ge kommen! – Glocke des Präsidenten)

Das ist unkollegial und unfair. Auf diesem Weg bekommen Sie im Parlament keine Gemeinsamkeit hin.

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

Kollege Dr. Lasotta, ge statten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hinderer?

Am Ende meiner Rede.

Dann ist es keine Zwi schenfrage mehr; also nein.

(Heiterkeit – Unruhe)

Zwei Sekunden vor dem Ende der Rede wäre es noch eine Zwischenfrage.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Thomas Poreski GRÜ NE: Eine Sekunde!)

Für die CDU sind Regelungen für den Bereich der Schule und für den Bereich der Hochschulen vorstellbar. So haben wir das gerade formuliert. Für uns ist klar, dass eine Vollverschlei erung nicht tolerierbar ist. Denn sie ist frauenfeindlich und steht der offenen Kommunikation entgegen.

Die Rechtspolitiker der Grünen haben uns signalisiert, dass sie dieses Thema im Zuge der Änderung des Schulgesetzes noch mal aufrufen werden und dass wir darüber reden wer den. Das halte ich für einen richtigen Weg.

(Beifall des Abg. Thomas Poreski GRÜNE)

Schon bei vielen anderen Debatten habe ich betont: Diese Ko alition der Mitte, aus Grünen und CDU,

(Zuruf von den Grünen: Genau!)

ist immer wieder bereit, Kompromisse zu finden.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Die gleiche Leier! Ergeb nisse aber null!)

Unser Ministerpräsident sagt, dass der politische Kompromiss an sich einen Wert hat. Das gibt die Kraft, entsprechende Re gelungen zu finden.

(Abg. Anton Baron AfD: Sagen Sie es doch einfach, dass die Grünen blockieren!)

Dafür sind wir unserem Koalitionspartner ausdrücklich dank bar. Die Zusammenarbeit mit den Grünen ist, lieber Herr Bin der, wesentlich vertrauensvoller, ehrlicher und zielgenauer als mit Ihnen.