Protocol of the Session on March 9, 2017

Man sieht es schon an den Wahlkampfauftritten türkischer Mi nister: Es gibt in dieser Frage keine gemeinsame europäische Linie. Die Österreicher verbieten solche Auftritte, die Deut schen lassen sie durch die Kommunen verbieten und nicht durch die Regierung. So geht es nicht; so können wir nach au ßen keine gemeinsame Einheit bilden.

Eine Dauerbaustelle ist Griechenland. Es scheint, als werde eher der Berliner Flughafen fertig, als dass Ruhe in der Schul denkrise in Griechenland einkehrt. Das nächste Rettungspa ket steht vor der Tür. Der IWF soll mit im Rettungsboot sit zen – aber nur dann, wenn man einen grundsätzlichen Schul denschnitt durchführt.

(Abg. Anton Baron AfD: Die FDP hat dem ja schon zugestimmt!)

In diesem Zusammenhang, sehr geehrte Damen und Herren, möchte ich Sie noch auf eine Sache aufmerksam machen, die mir auch bei den Beratungen unseres Landeshaushalts aufge fallen ist: Die Schulden unseres Landes betragen 48 Milliar den €. Das bedeutet eine Zinsbelastung von etwa 1,7 Milliar den €, entspricht aber vor allem rund 11,5 % des Bruttoin landsprodukts von Baden-Württemberg. Dies ist unsere Schul denlast. Dafür bringen wir 3,5 % unseres Haushalts auf.

Schauen wir einmal nach Griechenland. Griechenlands Ver schuldung liegt bei 180 % seines Bruttoinlandsprodukts. Was stellt man fest, wenn man in den griechischen Haushalt schaut? Siehe da, die zahlen auch nur 3,7 % ihres Staatshaus halts für Schulden und Tilgung.

Man fragt sich: Wie kommt so etwas zustande? Bei uns ent spricht der Schuldenstand 11,5 % und in Griechenland 180 %

des Bruttoinlandsprodukts, und trotzdem beträgt die prozen tuale Schuldenlast des griechischen Haushalts nur 3,7 %. Wo ran liegt das? Wenn man statt einer Tilgungsrate von 1 000 € nur 10 € zahlt oder wenn man die Schulden nicht bis zum Jahr 2030 zurückzahlen muss, sondern ihre Rückzahlung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschiebt, ist das de facto schon ein Schuldenerlass.

Sehr geehrte Damen und Herren, das werfe ich der deutschen, aber auch der europäischen Politik vor: Man streut den Bür gern in Europa Sand in die Augen.

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es! – Abg. Rüdiger Klos AfD: Völlig richtig!)

De facto ist in Griechenland ein Schuldenschnitt durchgeführt worden.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Schon da!)

Ich glaube nicht, dass eine solche Entscheidung letztlich zu einer Vertrauensbildung innerhalb Europas und bei den euro päischen Bürgern führt. Das geht nicht, und darauf müssen wir hinweisen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der AfD)

Deswegen sagt die FDP/DVP eindeutig: Der Grexit muss sein, sonst kommen die Damen und Herren in Hellas nie auf die Füße.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Es besteht für uns Liberale kein Zweifel: Deutschland profi tiert vom Euro und auch von der EU – nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch. Wiedervereinigung, politische Stabi lität in Europa waren nur innerhalb dieses Staatenverbunds zu halten.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Jetzt, sehr geehrte Damen und Herren, wird aber dieser Ver bund von Kräften bedroht, die die historische Vergangenheit ausblenden, Deutschland zum starken Mann Europas machen wollen und die europäischen Nachbarn nur als Kostgänger Deutschlands sehen. Diese Kräfte sind stark, und die Briten haben in dieser Hinsicht eine Vorlage geliefert. Aber diese Kräfte sitzen leider auch hier im Parlament,

(Beifall bei der FDP/DVP – Lachen des Abg. Anton Baron AfD)

und diesen müssen wir inhaltlich entgegentreten.

Ich komme zum Schluss und stelle fest: Ich stehe aus voller Überzeugung hinter der europäischen Idee –

(Zurufe: Wir auch!)

nach dem Motto: Europa im Kopf, Deutschland im Herzen.

(Abg. Anton Baron AfD: Na ja!)

Mit diesem politischen Glaubensbekenntnis komme ich zum Schluss. Sie merken, meine Damen und Herren, es gibt selbst

abseits der vielen Herausforderungen – die Flüchtlingskrise habe ich gar nicht angesprochen –

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

eine Menge Probleme, mit denen wir uns beschäftigen müs sen. Es ist Zeit, Maßnahmen zu ergreifen, sodass Europa er halten bleibt und gestärkt wird, Maßnahmen, die für uns alle wirklich sinnvoll sind.

Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit. – Das passt zeitlich genau.

(Beifall bei der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Herr Abg. Dr. Gedeon er hält das Wort.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Wird der auch ausgeschlossen? – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Zur Sache oder zum Ordnungsruf?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zur Verteidigungsproblematik: Die NATO-Politik,

(Zurufe: Oh nein!)

die Politik der Vereinigten Staaten allgemein hat sich durch Trump nicht verändert, sondern nur verschärft. Es wurde deut lich, dass wir uns auf die USA nicht verlassen können – auch bei der Verteidigung nicht. Das heißt, dass wir uns von der NATO, von der Schutzfunktion der Amerikaner unabhängig machen müssen.

Die Parole einer Europäisierung der Verteidigung ist grund sätzlich richtig – allerdings nicht in dem Sinn, wie sie Herr Juncker aufgestellt hat, sondern in einem ganz anderen Sinn. Juncker geht davon aus, dass wir eine europäische Armee auf bauen, also eine einheitliche Armee, in der nicht mehr deut sche, nationale Kräfte getrennt sind, sondern alles Misch masch ist unter der Regie der Kommission.

Was wir aber brauchen, ist ein europäisches Militärbündnis, das nach und nach die NATO ersetzt. Das ist die Aufgabe der Zeit. Das gilt auch für den atomaren Schutz, meine Damen und Herren. Wir können uns unter solchen Bedingungen auch nicht mehr auf den atomaren Schutz der Amerikaner verlas sen. Wenn wir unser Verteidigungsbudget von 1,2 auf 2 % des Bruttoinlandsprodukts aufstocken,

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

dann ist es sinnvoll, zu überlegen, wie weit wir das für eine atomare Aufrüstung nutzen.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Das ist ein Gedanke, der Sie sehr überraschen wird. Aber ich bitte Sie: Denken Sie das konsequent zu Ende. Dann werden Sie sehen: Das ist die richtige Konsequenz aus der geopoliti schen Änderung, die sich ergeben hat – gerade unter Trump.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Das Wort für die Landes regierung erteile ich Frau Staatsrätin Erler.

(Zuruf von der AfD: Muss das sein? – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ist die Einzige, die von der Regie rung sprechen kann!)

Ich bin auch die Älteste in der Landesregierung.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Genau!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bevor ich ins De tail gehe, weise ich darauf hin: Ich vertrete Minister Wolf, der heute auf der Europaministerkonferenz in Brüssel ist.

Wir können hier natürlich z. B. über die Afrikapolitik reden. Diese können wir aber nicht wirklich stringent betreiben. Wir können uns in die Diskurse einbringen. Ich will aber sagen, dass der frühere Europaminister Friedrich auf Landesebene eine sehr gut funktionierende entwicklungspolitische Strate gie mit den Bürgern entwickelt hat, die wir auch weiter um setzen.

Ich möchte jetzt Themen ansprechen, Herr Hofelich, die wir durchaus konsequent und intensiv im Rahmen der Europapo litik auf Landesebene betreiben. Europa – das hat der Minis terpräsident hier gesagt – ist für uns Staatsräson. Wir versu chen das auch in vielen einzelnen Bereichen umzusetzen, wie sie in einer Landespolitik realisierbar sind.

Ich selbst – das werden Sie möglicherweise noch nicht wis sen – bin zuständig für die grenzüberschreitende Zusammen arbeit mit Frankreich, der Schweiz und Österreich sowie für die Internationale Bodensee Konferenz. Wir sind da natürlich in sehr enger Abstimmung mit Europaminister Wolf. Das ist alles aus einem Guss.