Protocol of the Session on October 13, 2016

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die französische Regelung der Vollverschleierung wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte überprüft. Es wurde abgewogen: Kann die Vollverschleierung gegen die Re ligionsfreiheit bestehen? Wie schwer wiegen das Integrations bedürfnis in einer Gesellschaft und der Anspruch einer Ge sellschaft, diese Integration zu leisten und auch einzufordern?

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die fran zösische Regelung bestätigt.

(Abg. Anton Baron AfD: In Europa!)

Ich glaube nicht, dass er das leichtfertig abgewogen hat. Er hat sich sehr wohl Gedanken gemacht, ob ein gesetzliches Ver bot Bestand haben kann oder nicht.

Dennoch müssen wir feststellen, dass Ihr Gesetzentwurf ge nau diese Werteabwägung nicht ernsthaft vornimmt. Sie ar gumentieren allgemein mit der europäischen Sittlichkeit und den europäischen Werten. Das ist in dieser Frage zu wenig.

(Abg. Anton Baron AfD: Was fehlt Ihnen?)

Sie müssen die Menschenrechte und die Grundrechte unserer Verfassung ernsthaft gegeneinander abwägen. Das ist weder in Ihrer Rede herausgekommen noch in der Begründung Ih res Gesetzentwurfs, weil Sie auf die Menschenrechte, die Re ligionsfreiheit, die Meinungsfreiheit nicht konkret eingegan gen sind und keine Abwägung dieser Rechte vorgenommen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der Grünen und der SPD – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Wir werden das tun, ja! – Abg. Anton Baron AfD: Herr Lasotta, Sie müssen zuhören!)

Insofern verteidigen Sie nicht unsere Werte, wie Sie vorge ben, sondern genau diese Werte treten Sie mit Ihrer Begrün dung mit Füßen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP – Zuruf von der AfD: Haben Sie zugehört, Herr Kollege?)

Insbesondere wenn Sie über die Würde des Menschen spre chen, sollten Sie mal bei manchen Ihrer Zwischenrufe und bei dem, was Sie hier im Parlament sagen, genau überlegen, ob Sie immer die Würde der anderen achten.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP – Minister Thomas Strobl: Das ist sehr wahr!)

Ich empfinde das anders. Das empfindet auch ein Großteil der Öffentlichkeit so und die meisten der Kollegen hier im Parla ment.

Deswegen müssen Sie sich sehr genau überlegen, wenn Sie etwas bewirken wollen, welche Diskussionen Sie anstoßen und ob Sie das plump-populistisch machen und hier mal ein bisschen Zinnober veranstalten

(Abg. Anton Baron AfD: Sie haben doch einen Ge setzentwurf vorliegen!)

und einen Gesetzentwurf vorlegen, der völlig unzulänglich ist, oder ob Sie ernsthaft in Diskussionsprozesse mit demo kratischen Parteien und der Öffentlichkeit eintreten.

(Abg. Anton Baron AfD: Sie haben doch ein konkre tes Gesetz mit Lösungen vorliegen, Herr Lasotta!)

Kommen Sie bitte zum Schluss.

In Baden-Württemberg haben wir eine Koalitionsvereinbarung geschlossen. Sie wis sen, dass die Frage in allen Parteien ernsthaft diskutiert wird. Auch wir in der CDU sind mit der Forderung nach einem Bur kaverbot in die Koalitionsverhandlungen gestartet. Wir haben keine Einigung erzielt. Aber deswegen kommen wir nicht auf die Idee, im Parlament Zinnober zu machen.

(Lachen bei der AfD – Abg. Emil Sänze AfD: Das steht Ihnen nicht! – Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Sehr gern. – Die Koaliti onsvereinbarung in Baden-Württemberg gibt ein gesetzliches Vollverschleierungsverbot nicht her. Wir glauben auch, dass es besser wäre, das auf Bundesebene über ein entsprechendes Integrationsgesetz zu regeln. Denn was machen Sie in Ulm und Neu-Ulm? Da haben Sie allein schon Probleme zwischen Bayern und Baden-Württemberg,

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Sie wissen nicht, wo Ba den-Württemberg endet?)

wenn jedes Bundesland eine eigene Regelung trifft.

Deswegen glauben wir, dass uns diese Diskussion weiterhin begleiten wird, die wir ernsthaft entlang unseres Grundgeset zes und unserer Werte führen müssen. Und wir sollten vor al lem dafür eintreten, auf der Bundesebene eine gesetzliche Re gelung zu bekommen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der AfD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Binder das Wort.

(Abg. Anton Baron AfD: Die One-Man-Show geht weiter!)

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Wenn mir eine mit einer Burka bekleidete Frau entgegenkommen würde – was mir bisher in BadenWürttemberg noch nicht passiert ist –,

(Zuruf von der AfD)

würde mich das befremden. Denn ich möchte meinem Gegen über in die Augen schauen, möchte sehen, wie sich die Ge sichtszüge entwickeln, wenn ich mit ihr spreche.

(Zuruf: So ist es!)

Deshalb lehne ich eine solche Bekleidung ab. Aber, meine Da men und Herren – das gehört zu den Errungenschaften dieses Landes –, man kann nicht alles, was man ablehnt, verbieten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Frau Dr. Baum spricht von den großen Errungenschaften die ses Staates. Eine dieser Errungenschaften ist die Religions freiheit. Es geht bei dieser Debatte nicht darum, ob wir der Auffassung sind, dass in die Religionsfreiheit eingegriffen wird, sondern ob die betroffene Person ihre Religionsfreiheit verletzt sieht.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Das sagt das Bundesverfassungsgericht; da brauchen Sie gar nicht zu lachen. Im Übrigen ist das Bundesverfassungsgericht auch im Sinne der Gewaltenteilung eine Errungenschaft die ses Staates.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Deshalb achten wir diese Errungenschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Es geht um Ernsthaftigkeit, und da möchte ich dem Kollegen – –

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Binder, ge statten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Fiechtner?

Nein, Kollege.

Kollege Lasotta hat vollkommen recht: Diese Debatte, die nicht nur hier im Landtag, sondern im ganzen Land geführt wird, verdient eine gewisse Ernsthaf tigkeit.

(Abg. Anton Baron AfD: Was sagt die Mehrheit?)

Diese Ernsthaftigkeit gilt auch für diejenigen, die einen Ge setzentwurf in den Landtag einbringen. Ernsthaftigkeit be weist man nicht allein damit, dass man ein Papier beschreibt und „Gesetzentwurf“ darüberschreibt. Vielmehr muss der Ge setzentwurf so bestimmt sein, dass er auch tauglich ist, einen Eingriff in die Religionsfreiheit zu rechtfertigen.

(Abg. Emil Sänze AfD: Was hat denn das mit Religi on zu tun?)

Diesem Anspruch genügt dieser Gesetzentwurf nicht, Kolle ginnen und Kollegen.