Protocol of the Session on December 2, 2020

Deswegen sind wir auch der Meinung, dass man das nicht auf die Familiengerichtsbarkeit beschränken sollte, sondern ge nerell in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, in der Fachgerichts barkeit entsprechend fortführen müsste und eine Fortbildungs pflicht konstituieren sollte. Damit ermöglicht man es jungen Richterinnen und Richtern, über den Tellerrand hinauszu schauen und sich auf einem anderen Fachgebiet entsprechend fortbilden zu lassen, zumal es in den Verfahren oft Über schneidungen gibt.

Lassen Sie mich als rechtspolitischer Sprecher der Fraktion aber noch auf ein bestimmtes Thema kommen, das uns be schäftigt. Es hat nicht originär mit diesem Gesetzentwurf zu tun, spielt aber für die Justiz in Baden-Württemberg eine gro ße Rolle. Wir erwarten von der Justiz oder dem Staat, dass er junge Richterinnen und Richter gerade in Bereichen, die in der heutigen Zeit besonders unter Beobachtung stehen, mehr unterstützt und seine Richterinnen und Richter auch entspre chend schützt.

Wir erleben gerade in den ganzen Coronadiskussionen, aber auch im Kindschaftsrecht, dass Staatsanwältinnen und Staats anwälte, Richterinnen und Richter immer stärker persönlich keitsverletzenden Angriffen ausgesetzt werden, die eine zu lässige Kritik an Entscheidungen – man kann ja Kritik an Ent scheidungen äußern – bei Weitem übersteigen. Wir werden darauf sicherlich auch morgen im Ständigen Ausschuss zu sprechen kommen. Diese Entwicklung bereitet uns große Sor ge und kann zu einem Verlust von Vertrauen in den Rechts staat führen, wenn wir die Justiz nicht mit geeigneten Maß nahmen vor solchen Angriffen schützen. Hier tragen sowohl Exekutive als auch Legislative eine gemeinsame hohe Verant wortung.

Die baden-württembergische Justiz genießt zu Recht einen hervorragenden Ruf, den wir nicht aufs Spiel setzen dürfen und wollen. Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen, allen in der Justiz, in der Rechtspflege und im Justizvollzug tätigen Menschen, die sich täglich für das Recht und die Gerechtig keit in unserem Land einsetzen und dafür einstehen, im Na men der SPD-Fraktion herzlich zu danken. Seien Sie gewiss, dass wir, die SPD, uns der Verantwortung bewusst sind, die wir hier im Landtag für die Justiz unseres Landes tragen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Nun spricht für die AfDFraktion Herr Abg. Klos.

Frau Präsidentin, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Mit dem Gesetzentwurf zur Ände rung des Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetzes und wei terer Gesetze werden im Ansatz richtige Anpassungen vorge schlagen. Wir begrüßen die Verankerung des Prinzips des le benslangen Lernens und die Konkretisierung der Fortbildungs pflicht für Richter und Staatsanwälte.

Kontinuierliche Fortbildung ist unverzichtbar für die Bewäl tigung des Berufsalltags der Richter und Staatsanwälte. Der Leitgedanke lebenslangen Lernens ist ein selbstverständlicher Grundsatz in der Justiz. Für Richter in Bund und Land besteht schon nach geltendem Recht in Ausgestaltung des Richter dienstverhältnisses eine allgemeine Pflicht zur Fortbildung.

Fragen der Fortbildung für die Richter im Landesdienst lie gen im Kompetenzbereich des Landes. Bei der konkreten Aus gestaltung der Fortbildungspflicht ist aber zwingend zu be achten, dass die in Artikel 97 Absatz 1 des Grundgesetzes ga rantierte richterliche Unabhängigkeit gewahrt bleibt – der Herr Minister hatte hier schon darauf hingewiesen.

Die AfD verwahrt sich allerdings prophylaktisch entschieden gegen m ö g l i c h e Versuche einer inhaltlichen Einfluss nahme im Wege der Fortbildung, die etwa eine bestimmte Rechtsprechungslinie nahelegt oder diese gar vorgeben will. Die AfD erteilt allen Versuchen, die Richterschaft oder die Staatsanwaltschaft politisch-ideologisch zu instrumentalisie ren und somit zu missbrauchen, eine klare Absage.

(Beifall)

Unzulässig wäre es beispielsweise auch, Richter kurzfristig zu zeitlich und örtlich derart gebundenen Fortbildungsmaß nahmen zu verpflichten, dass diese Richter gezielt an der Aus übung ihrer Rechtsprechungstätigkeit in bestimmten Verfah ren gehindert werden. Darauf werden wir auch ein besonde res Augenmerk legen.

Wesentlich ist auch, dass die Richter und Staatsanwälte den notwendigen Freiraum erhalten, um sich eigenverantwortlich – die Eigenverantwortlichkeit und das Subsidiaritätsprinzip kann man hier nicht oft genug betonen – den Möglichkeiten der Fortbildung zu widmen. Das gilt nicht nur für rechtliche Weiterbildungsangebote, sondern gerade auch für Angebote zur Steigerung der persönlichen und technischen Kompetenz wie die Vermittlung von EDV- oder allgemein IT-Fähigkei ten. Der Faktor Technik darf hier nicht unterschätzt werden.

Natürlich sind funktionierende, qualifiziert besetzte Geschäfts stellen unabdingbar. Aber der Faktor Technik ist Kern der per manenten Weiterentwicklung und Digitalisierung der Dezer natsarbeit. Das Land ist gefordert, hier attraktive Anreize zur freiwilligen Fortbildung anzubieten. Die umfangreichen Fort bildungsangebote, u. a. in der Deutschen Richterakademie, die sich bundesweit mit jährlich knapp 150 Tagungen an Rich ter aller Gerichtszweige und Aufgabengebiete richten, und ört liche Fortbildungsprogramme belegen dies eindrucksvoll.

Fortbildungen sind geeignet, Befähigung, Eignung und fach liche Leistung der Richter und Staatsanwälte positiv zu beein flussen und ihnen hierfür Zugang und Aufstieg zu weiter ge henden Ämtern zu verschaffen.

Aber eines darf nicht vergessen werden: Wird eine Fortbil dungspflicht gesetzlich konkretisiert, dann muss auch festge halten werden, dass die Angebote des Landes kostenfrei oder gegen Erstattung durch den Dienstherrn erfolgen. Hierzu, Herr Minister, vermissen wir derzeit eine Aussage im Entwurf. Wir werden diesen Punkt in den Beratungen im Ausschuss erör tern mit dem Ziel einer Ergänzung. Aber es wäre sicherlich hilfreich, wenn Ihr Haus hier schon zur Sitzung des Ständi gen Ausschusses vorarbeiten würde.

Lassen Sie uns zum Schluss noch einen kleinen Ausblick wa gen. Die AfD hält es für angebracht, als Spiegelbild zum Prin zip des lebenslangen Lernens auch die Durchgängigkeit der Justizlaufbahn zu anderen Verwendungen in Staat und Wirt schaft zu erreichen. Höchstaltersgrenzen wie in § 48 der Lan deshaushaltsordnung und § 6 des Landesrichter- und -staats anwaltsgesetzes müssen hinterfragt werden. Passen derart starre Vorgaben noch in die Lebenswirklichkeit und die ge wandelten Anforderungen an das Arbeits- und Privatleben?

Nicht zuletzt erwarten die Bediensteten eine individuelle Fle xibilisierung ihrer Berufs- und Karrierewege. Der Staat soll te nicht ohne Not auf die Teilhabe an der Lebens- und Berufs erfahrung gerade der höchstqualifizierten Teile des Volkes ver zichten.

Vielen Dank.

(Beifall)

Herr Kollege Weinmann, Sie haben als Nächster das Wort für die FDP/DVP.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Dieses sogenannte Omnibusgesetz enthält zahlreiche Änderungen, nicht selten auch technischer Natur, die wir problemlos mittragen können.

Neben einem zentralen Sachbearbeiter-Pool als gemeinsame Zweigstelle der grundbuchführenden Amtsgerichte oder der Einführung der Amtstracht für Rechtspflegerinnen und Rechts pfleger sind es gerade die zwei Themen, die hier von meinen Vorrednern angesprochen wurden, die uns auch beschäftigt haben.

Zum einen – eine Erkenntnis aus dem schrecklichen Staufe ner Missbrauchsfall –: Dieser Fall hat offengelegt, dass gera de auch in familiengerichtlichen Verfahren nicht immer die notwendige Kenntnis vorhanden ist, um technische Funkti onsweisen – beispielsweise auch der digitalen Medien –, die forensische Auswertung oder beispielsweise Schutzbehaup

tungen von Tatverdächtigen entsprechend in das Verfahren einfließen zu lassen. Das macht es notwendig, tatsächlich ei nen Fokus auf die Fortbildung von Richterinnen und Richtern zu legen.

Insofern begrüßen wir die Maßnahme, wie sie jetzt auch in die Formulierung Eingang gefunden hat.

In der Tat haben wir uns auch mit der Frage der richterlichen Unabhängigkeit beschäftigt. Wir kommen aber im vorliegen den Fall zu dem Ergebnis, dass diese insoweit nicht betroffen ist, als das Ganze natürlich auch von der individuellen Aus gestaltung an den jeweiligen Landgerichtsbezirken abhängt.

Aber der Fokus zeigt auch, dass wir ausreichend Fortbildungs angebote sicherstellen müssen und insbesondere Beruf und Familie in Einklang bringen müssen.

Die Deutsche Richterakademie wurde angesprochen. Diese hat ihren Sitz in Wustrau am Neuruppiner See – wunderschön gelegen, allerdings nicht gerade in nächster Nähe. Das heißt, die Veranstaltungen finden oftmals freitags, samstags bzw. an den Wochenenden statt. Insoweit muss da auch eine adäqua te Lösung gefunden werden, die das Ganze mit der Familie in Einklang bringt.

In der Tat: Das Thema Kosten ist angesprochen worden. Ich glaube aber, es ist selbstverständlich, Herr Minister, dass die Kosten nicht von den Richterinnen und Richtern selbst zu tra gen sind.

Herr Kollege Klos, die Richterschaft würde sich wohl gegen die Aussage verwahren, durch eine einfache Fortbildungsmaß nahme würde man Einfluss auf die Art und Weise nehmen, wie die Gerichte handeln. Und dass die Obergerichtsbarkeit, also die vorangehenden Gerichte, bei der Bewertung und Ur teilsfindung maßgeblich zu berücksichtigen sind, ist nach wie vor selbstverständlich.

Der zweite Punkt waren die Ratschreiber. Hier treffen auch zwei Argumente aufeinander. Einerseits haben die Notare ei ne gewisse Sorge, dass möglicherweise die Qualität nicht ge wahrt wird, weil die Ratschreiber zumindest in der Tiefe kei ne inhaltliche Prüfung durchführen; dies würde – das ist das Argument auf der anderen Seite – insbesondere bei den Re gistergerichten und beim Grundbuchamt zu einem größeren Prüfungsaufwand führen.

Ich denke aber, auch die Ausgestaltung ist hier sehr verhält nismäßig. Insbesondere vor dem Hintergrund der Bürgernähe und des niederschwelligen Zugangs zu dieser Frage von Recht – vor allem im Ehrenamt – erscheint mir die Ausgestaltung ausgewogen und sinnvoll.

Vor diesem Hintergrund tragen wir das im Entwurf vorliegen de Gesetz mit und freuen uns auf die eine oder andere Frage, die es morgen im Ständigen Ausschuss dann noch zu klären gilt.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit können wir die Aussprache wohl als beendet betrach ten.

Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/9339 zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu über weisen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe keinen Wi derspruch. Damit ist das so beschlossen.

Wir können den Tagesordnungspunkt 6 abschließen.

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Heilberufe-Kammergesetzes – Drucksache 16/9344

Diesbezüglich sind die Fraktionen übereingekommen, bei der Ersten Beratung auf die Aussprache zu verzichten. Auch die Regierung verzichtet auf eine Begründung.

Wir können deswegen den Gesetzentwurf Drucksache 16/9344 direkt zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Soziales und Integration überweisen. – Ich sehe dagegen keinen Wi derspruch. Damit ist das so beschlossen.

Wir haben Punkt 7 der Tagesordnung auch erledigt.

Wir kommen nun zu Punkt 8 der Tagesordnung:

Mündlicher Bericht der Vorsitzenden des Petitionsaus schusses

und Aussprache

Zuerst hat die Vorsitzende des Petitionsausschusses, Frau Kol legin Krebs, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin oder sehr geehrte Präsidentinnen – es gibt ja gerade im Sit zungspräsidium einen Wechsel –, liebe Kolleginnen und Kol legen! Es ist mir eine große Freude, Ihnen heute von der Ar beit des Petitionsausschusses in den vergangenen Monaten zu berichten. Sie wissen ja, dass ich jetzt seit etwa einem guten Jahr Vorsitzende des Petitionsausschusses bin. In dieser Zeit hat sich viel getan. Es ist mir eine Freude, hier heute zum ers ten Mal als Vorsitzende des Petitionsausschusses den Bericht geben zu können.

Zunächst kommen Sie nicht darum herum, sich hier ein paar Zahlen anzuhören. Aber es sind durchaus spannende Zahlen.