Protocol of the Session on November 12, 2020

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Stärkung der Rechte der ehrenamtlichen Hel ferinnen und Helfer im Bevölkerungsschutz Baden-Würt temberg – Drucksache 16/9194

Das Wort zur Begründung durch die Landesregierung erteile ich Herrn Staatssekretär Klenk.

Frau Präsidentin, sehr ge ehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben an dieser Stelle im Landtag von Baden-Württemberg in den vergangenen Ta gen und auch heute intensiv über die Coronapandemie, deren Folgen und die notwendigen Maßnahmen debattiert. Ja, es stimmt: Wir befinden uns mitten in einer der schwersten Kri sen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, und die Corona pandemie verlangt uns allen sehr viel ab. Wir können deshalb froh sein, dass es so viele – ich bezeichne sie immer so – Hel dinnen und Helden des Alltags gibt, die den Staat am Laufen halten: die Polizistin, der Polizist, Krankenpfleger, Ärztinnen und Ärzte, Feuerwehrleute, Notfallsanitäter, selbst die Ver käuferin und der Verkäufer im Laden um die Ecke oder auch

die Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung. Sie alle tragen das Gemeinwesen in diesen schweren Zeiten.

(Beifall – Zuruf: Und alle, die Sie vergessen haben!)

Was häufig nicht bekannt ist: Im Bereich der nicht polizeili chen Gefahrenabwehr handelt es sich ganz überwiegend um ehrenamtlich tätige Einsatzkräfte, die ihre Freizeit für die Si cherheit der Allgemeinheit opfern. Für uns in Baden-Würt temberg ist es selbstverständlich, dass wir uns ehrenamtlich engagieren. Das macht unser Land ja auch so lebens- und lie benswert. Bei uns bringen sich die Menschen aktiv ein und packen dort, wo es etwas zu tun gibt, auch beherzt an.

Das Ehrenamt im Bevölkerungsschutz ist jedoch ein ganz be sonderes: Verschüttete orten und befreien, Verletzte versor gen, Menschen aus Autowracks befreien, Brände löschen, sich bewusst für andere in Gefahr, ja sogar in Lebensgefahr brin gen – solches Engagement ist alles andere als selbstverständ lich.

Der Stärkung genau dieses Ehrenamts im Bevölkerungsschutz dient das Gesetz, über das wir heute in erster Lesung beraten.

Wie man die nötige Hilfe leistet, wissen die Einsatzkräfte selbst am besten. Unsere Aufgabe ist es aber, die dafür not wendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Deshalb freue ich mich, Ihnen heute den Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Rechte der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer im Bevöl kerungsschutz Baden-Württemberg vorlegen zu können. Die ses Gesetz hat die ehrenamtlich tätigen Menschen im Blick, die das Bevölkerungsschutzsystem tragen. Es bietet für eh renamtlich tätige Einsatzkräfte eine solide Rechtsgrundlage, sofern diese nicht bereits z. B. durch das Feuerwehrgesetz, das THW-Gesetz oder das Rettungsdienstgesetz abgesichert sind. Es sichert eine Freistellung der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer am Arbeitsplatz für Einsatzlagen auch unterhalb der Katastrophenschwelle bei sogenannten – wir bezeichnen es im Gesetzentwurf so – außergewöhnlichen Einsatzlagen.

Sie erinnern sich vielleicht: Zu Beginn der Pandemiekrise kam aus der einen oder anderen Ecke durchaus die Forderung, wir mögen doch bitte den Katastrophenfall ausrufen. Dafür gab es jedoch keinen Grund, keine Berechtigung. Aber es fehlt auch eine Grundlage für Einsätze zwischen dem Alltagsein satz und dem Katastrophenfall an sich.

Der durch einen entsprechenden Einsatz verursachte Ver dienstausfall wird nach unserem Entwurf ebenso vom Land übernommen wie auch mögliche Sachschäden oder Aufwen dungen der ehrenamtlich tätigen Hilfskräfte in ihrem Einsatz.

(Vereinzelt Beifall – Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr gut!)

Zudem verursacht das Engagement für den Bevölkerungs schutz natürlich auch Kosten bei den beteiligten Organisatio nen. Denken Sie an die Ausrüstung und die Schutzausstattung für die Helferinnen und Helfer selbst, genauso aber auch an digitale Meldeempfänger und vieles mehr oder die erforder liche Ausbildung der ehrenamtlichen Einsatzkräfte. Hieran wird sich das Land nach dem nun eingebrachten Gesetzent wurf erstmals mit einem Beitrag von 130 € pro Einsatzkraft und Jahr beteiligen.

Selbstverständlich wurde der Gesetzentwurf trotz der Heraus forderungen der Coronapandemie mit den betroffenen Hilfs organisationen eng und partnerschaftlich abgestimmt, sodass deren weitgehende Zustimmung im Anhörungsverfahren nicht weiter verwundert.

Insgesamt führt das Gesetzesvorhaben zu einem entsprechen den finanziellen Mehrbedarf, wobei die einsatzbezogenen Kosten natürlich nur schwer im Voraus zu beziffern sind. Das ist gut und richtig angelegtes Geld, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist eine Investition in die Sicherheit, es ist eine Investition in das Ehrenamt an sich.

Lassen Sie mich Ihnen, Frau Finanzministerin, und Ihnen, lie be Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, an dieser Stelle herzlich danken, dass Sie das Vorhaben unter stützen und im Rahmen des Nachtragshaushalts die nötigen Vorkehrungen getroffen haben, damit auch die Finanzmittel zur Verfügung stehen.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Für Sie immer, Herr Staatssekretär!)

Vielen Dank. Ich bin sehr froh, hier im Landtag – da schlie ße ich jetzt das gesamte Parlament gern mit ein – stets auf of fene Ohren zu stoßen, wenn es um die innere Sicherheit und das Ehrenamt an sich geht.

Deshalb lade ich Sie herzlich ein, diesen Weg in Richtung ei ner weiteren Verbesserung des Bevölkerungsschutzes mitzu gehen und den vorgelegten Gesetzentwurf im Rahmen des weiteren parlamentarischen Verfahrens zu unterstützen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Machen wir!)

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall – Zurufe von der CDU: Sehr gut!)

Nun hat Frau Abg. Schwarz das Wort für die Fraktion GRÜNE.

Sehr verehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bevölkerungs- und Katastrophenschutz in Baden-Württemberg lebt vom eh renamtlichen Engagement. Ohne dieses Ehrenamt könnte der Schutz der Bevölkerung nicht in diesem Maß und so hinrei chend gewährleistet werden. Deshalb ist der vorliegende Ge setzentwurf zur Stärkung der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer ein ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Wir haben mit der Ehrenamtsstrategie schon hilfreiche, eh renamtsfördernde Rahmenbedingungen geschaffen und diese auch im Laufe der aktuellen Legislaturperiode weiterentwi ckelt, um Familie, Beruf und Ehrenamt miteinander zu ver einbaren. Wir haben in der letzten Legislaturperiode außer dem das Bildungszeitgesetz auf den Weg gebracht, um die Qualifizierung zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten zu ermöglichen; deshalb können sich seit 2016 Beschäftigte für Weiterbildungsmaßnahmen in ihrem Ehrenamt an bis zu fünf Tagen freistellen lassen. – Dies um nur einige Punkte zu nennen.

All dies waren und sind wichtige Maßnahmen, die das Ehren amt stärken. Ich bin jedoch der Meinung, dass man allein da

mit den engagierten Mitgliedern der Blaulichtfamilie nicht ge recht wird. Jeweils 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr setzen sie sich für uns ein. Sie stellen nicht nur ihre Freizeit, ihre Kraft, ihre Energie in den Dienst der Gesellschaft,

(Zuruf: Ihre Gesundheit!)

sie begeben sich oftmals auch selbst in Gefahr, um andere zu retten. Und sie müssen oftmals selbst für Ausrüstung, Fahr zeuge, Unterkünfte etc. sorgen. Sie tun das kreativ über Spen densammlungen, Sanitätsdienste, Speisenangebote bei Festen und vieles mehr.

Die Frage, die ich mir die ganze Zeit gestellt habe, ist: Über fordern wir damit dieses wichtige Ehrenamt nicht? Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf treten wir dem entgegen und ma chen deutlich: Die grün regierte Landesregierung steht an der Seite der engagierten Menschen im Bevölkerungs- und Kata strophenschutz.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Ihr Vorredner gehört der CDU an! Das wollte ich nur der Vollständigkeit hal ber erwähnen)

Dennoch ist die Landesregierung grün geführt.

(Vereinzelt Beifall – Zurufe)

Katastrophen wie Hochwasser oder Waldbrände werden nicht immer vom Menschen ausgelöst, aber Menschen können die se Katastrophen auflösen. Wie schon erwähnt, ist der Groß teil des Katastrophenschutzes auf ehrenamtliche Füße gestellt. Ob beim THW, bei der Feuerwehr oder den Hilfsorganisatio nen, sie alle leisten einen unbezahlbaren und wertvollen Bei trag für schnelle und unkomplizierte Hilfe.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erleichtern wir die Frei stellung der Engagierten am Arbeitsplatz, übernehmen wir ei nen möglichen Verdienstausfall, führen einen Aufwendungs ersatz ein, wenn beim Einsatz Einbußen entstehen, und betei ligen uns an den Kosten der Aus- und Fortbildungen sowie an den Kosten für persönliche Schutzkleidung, gerade bei den Fachdiensten Sanität und Betreuung, Wasser-, Berg- und Hö henrettung und auch beim Retten mit Hunden.

Das Land ist angehalten, bei jedem Gesetz Kosten und Nut zen abzuwägen. Ich bin bei diesem Gesetz überzeugt, dass sich die Investitionen wie kaum in einem anderen Politikfeld lohnen werden. Die Kosten, die aus der Umsetzung des ge planten Gesetzes folgen, sind im Vergleich zu den Kosten, die auf uns zukommen würden, müssten diese Aufgaben haupt amtlich Tätige bewältigen, wirklich marginal.

Die Botschaft, die wir den Ehrenamtlichen mit der Schaffung guter Rahmenbedingungen senden, ist maximal. Wir zeigen: Wir stehen auf eurer Seite und halten euch den Rücken frei.

(Beifall)

Es gilt, in den nächsten Jahren noch mehr Menschen für die Krisenprävention, für die Arbeit bei der Feuerwehr, bei den Hilfsorganisationen und beim THW zu gewinnen. Der demo grafische Wandel wie auch der Klimawandel werden uns vor ganz neue Herausforderungen stellen.

Wir schaffen mit diesem Gesetzentwurf die rechtliche Grund lage zur Stärkung der Ehrenamtlichen, indem wir, wie Staats sekretär Klenk bereits sagte,

(Abg. Thomas Blenke CDU: Von der CDU!)

eine Zwischenstufe, angesetzt unterhalb des Katastrophen alarms, einziehen: die „Außergewöhnliche Einsatzlage“. Sie erreicht zwar nicht die Dimension einer Katastrophe, aber sie erfordert gleichwohl ehrenamtliche Rettungskräfte zur Behe bung der Lage.

Zum Schluss möchte ich die Chance nutzen und mich bei un seren Blaulichtorganisationen bedanken. Sie sind und bleiben ein Garant für Hilfe in der Not.

Vielen Dank.

(Beifall)

Herr Kollege Hockenber ger, Sie haben das Wort.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Jetzt kommt der von der CDU! Das sind die, die das Gesetz gemacht haben!)

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mich erinnert die Beratung an die 126. Sit zung des Landtags am 23. Juli 2020. Die CDU hatte zur Ak tuellen Debatte das Thema „Starke Leistung in der Krise – Re spekt für unsere Blaulicht-Organisationen!“ angemeldet.

Unser Sprecher Thomas Blenke hat eine bemerkenswerte und nachlesenswerte Grundsatzrede zum freiwilligen Ehrenamt als einer tragenden Säule des Bevölkerungsschutzes gehalten. Ausweislich des Protokolls erhielt er dafür 13-mal Beifall, einmal den Zuruf „Bravo!“ und einmal den Zuruf „Sehr gut!“; ich habe nachgezählt.

(Vereinzelt Heiterkeit)