Protocol of the Session on November 4, 2020

Frau Präsidentin, werte Kol leginnen und Kollegen! Wir unterhalten uns heute in der zwei ten Lesung über den Gesetzentwurf der SPD zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes, der im Wesentlichen zwei Punk te umfasst: Unterstützungsunterschriften für Bürgermeister wahlen in Gemeinden mit unter 20 000 Einwohnern und zum Zweiten die Veränderung des Aufstellungsverfahrens bei Ort schaftsratswahlen.

In der ersten Lesung war die Zeit so knapp, dass ich zum zwei ten Punkt gar nicht gesprochen habe. Aber ich schließe mich den Ausführungen der Kollegin Dr. Leidig an, dass wir das Aufstellungsverfahren jetzt nicht überstürzt ändern sollten. Viele Regelungen im Kommunalwahlgesetz werden in der nächsten Legislatur noch einmal auf den Prüfstand kommen.

(Zuruf)

Ich sage heute zum wiederholten Mal für meine Fraktion, dass für uns dazu auch das Auszählverfahren gehört. Aber das ent scheiden wir zu gegebener Zeit. Beim Aufstellungsverfahren jetzt einen Bruch vorzunehmen halten wir nicht für zielfüh rend. Wer einmal das Privileg hatte, solche Nominierungsver anstaltungen leiten zu dürfen, weiß, wie schwer es für Ehren amtliche ist, alle Fallstricke zu durchdringen. Das räume ich ein; es ist nicht ganz einfach. Aber ich glaube, dass wir das nicht zum Anlass nehmen sollten, das Gesetz grundsätzlich zu ändern.

Der Schwerpunkt des Gesetzentwurfs liegt auf dem Unter schriftenquorum für Bürgermeisterwahlen in Gemeinden mit unter 20 000 Einwohnern. Ich habe in der ersten Lesung dar an erinnert, dass der Landtag im Jahr 1997 in Gemeinden mit über 20 000 Einwohnern ein Unterschriftenquorum eingeführt hat. Dadurch sind die Postkartenbewerbungen von heute auf morgen weggefallen.

Ich hatte auch darauf aufmerksam gemacht, dass uns das Amt des Bürgermeisters in der Demokratie der Bürger besonders

wichtig ist. Das ist unbestritten. Ich hatte auch der Sorge Aus druck verliehen, dass wir uns mittlerweile durch verschiede ne Bürgermeisterwahlen – die Spitze des Eisbergs war sicher Bad Herrenalb – Sorgen machen, was die Attraktivität des Amtes anbelangt. Dazu hat Frau Dr. Leidig ausführlich Stel lung genommen. Darauf möchte ich verzichten.

Sie hat auch die Frage angesprochen, ob der Weg und der Zeit punkt der richtige sind. Ich will einmal sagen: Der richtige Weg ist es sicher, aber der richtige Zeitpunkt ist es noch nicht, weil wir uns auch noch einmal die Situation anschauen wollen. Wenn sich das Amt nach wie vor zur Beute von Spaßkandi daten entwickelt und dadurch die Demokratie Schaden nimmt, dann müssen wir nachsteuern. Wir halten die Zeit für noch nicht gekommen.

In der Sitzung des Innenausschusses hat Kollege Hinderer sinngemäß ausgeführt – ich höre ihm immer sehr aufmerksam zu; ich hoffe, dass ich seine Ausführungen sinngemäß richtig wiedergeben kann –, er habe in der ersten Lesung nach sei nem Gefühl eine gewisse Zustimmung herausgehört, auch bei den Regierungsfraktionen. Gefühle sind so eine Sache. Ihre Gefühle gestehe ich Ihnen zu, aber die Gefühle, die Sie hat ten, tragen bei uns noch nicht zu einem anderen Abstim mungsverhalten bei – zumindest heute noch nicht.

(Vereinzelt Heiterkeit und Beifall)

Das will ich an dieser Stelle noch einmal deutlich machen. Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass es Möglichkeiten ge ben wird, das Thema aufzugreifen.

Ich möchte an die Schlusssequenz des Innenministers erin nern. Als er in der ersten Lesung Stellung genommen hat, hat er in dieser Frage eine gewisse Offenheit erkennen lassen.

Schauen wir einfach einmal, was passiert. Dann reagieren wir. Das Amt des Bürgermeisters ist zu wichtig, als dass wir es ei nigen wenigen überlassen dürften, die es verballhornen wol len. Wir ziehen dann Konsequenzen. Ich glaube, das ist eine Regelung, auf die wir uns grundsätzlich verständigen können, weil wir das Kommunalwahlgesetz im Land breit diskutieren und über eine breite Mehrheit im Land entsprechend umset zen.

Wir lehnen den Gesetzentwurf ab.

Vielen Dank.

(Beifall)

Herr Abg. Hinderer, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Herr Kollege Hockenberger, Sie haben mich gerade so freundlich auf meine Gefühle angesprochen, die ich im Ausschuss zum Ausdruck gebracht habe. Nach der ersten Lesung und der Beratung im Ausschuss sowie den bei den Vorreden jetzt habe ich noch immer den Eindruck,

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Gefühle können täuschen!)

dass zumindest die demokratischen Fraktionen hier im Land tag

(Oh-Rufe)

unserer Gesetzesvorlage etwas abgewinnen können und ge wisse Sympathien dafür hegen; man kann es eben nicht so richtig sagen, weil die Initiative von der Opposition kommt.

Im Kern bleibt als Ablehnungsgrund übrig: Für eine Ände rung ist gerade nicht der richtige Zeitpunkt. Wahrscheinlich ist auch der Antragsteller nicht der richtige. Wir werden se hen, ob sich nach dem 14. März 2021 der richtige Zeitpunkt findet für eine Regelung, deren Notwendigkeit zumindest von allen kommunal engagierten Repräsentanten auch der ande ren Fraktionen gesehen wird.

Eine Ausnahme bildete in der ersten Lesung die AfD-Frakti on. Sie haben sich an der mangelnden Definition des Begriffs „Spaßkandidat“ ereifert. Richtig ist: Dafür gibt es keine rechts sichere und sicher auch keine gerichtsfeste Definition.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Was, Sie stimmen mir zu?)

Mit Ausnahme von Ihnen haben, glaube ich, alle verstanden, was damit gemeint ist. Gemeint sind sicher nicht, Herr Klos, Kandidierende der AfD; das hat sicher nichts mit Spaß zu tun, das ist bitterer Ernst.

(Beifall – Lachen des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Was für ein Unheil daraus entstehen kann, hat man zuletzt in Burladingen gesehen.

Wir stellen bei dieser Gesetzesinitiative auch nicht die Frage nach der Qualifikation oder der Geeignetheit von Bewerbe rinnen und Bewerbern. Dafür hat der Wähler/die Wählerin als Souverän sicher das richtige Gespür. Es geht schlicht und er greifend um die Frage, was man einer Kandidatin/einem Kan didaten im Vorfeld einer Wahl zumuten oder abverlangen kann. Das sind beileibe keine hohen Hürden. Zumutbar ist es doch, die Gemeinde, in der man oder frau kandidieren möch te, wenigstens einmal aufzusuchen und je nach Gemeindegrö ße zehn, 20 oder 30 Unterschriften zu sammeln oder – wenn das zu viel ist – zumindest ein paar Verbündete in der Gemein de zu haben, die diese Unterschriftensammlung vor Ort orga nisieren.

Wir sind nach wie vor der Meinung, dass diese Anforderun gen zumutbar, maßvoll und angemessen wären und der Wich tigkeit des Amtes einer Bürgermeisterin/eines Bürgermeisters und der Ernsthaftigkeit einer Kandidatur Rechnung tragen würden. Das haben auch alle Stellungnahmen aus der kom munalen Familie im Rahmen der Anhörung so gesehen.

Wir bitten deshalb noch einmal um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf und ebnen dann für den Teil bezüglich der Un terschriften den Weg, indem wir einer getrennten Abstimmung über die Nummern 1 und 2 in Artikel 1 zustimmen. Das er folgt auf Vorschlag der FDP/DVP-Fraktion. Vielen Dank vor ab für die Unterstützung zu diesem zweiten Teil.

Zum ersten Teil bezüglich der Aufstellungsversammlung: Ich habe schon darauf hingewiesen, dass diesbezüglich kein Mas senproblem besteht. Aber die aktuelle Rechtslage führt immer wieder zu Problemen bei den Wahlversammlungen auf Ort schaftsebene in sehr kleinen Ortschaften mit ganz wenigen Mitgliedern einer Wählervereinigung oder einer Partei. Die se Probleme könnten wir ausräumen.

Aber auch bezüglich dieses Punktes wurde uns in den Bera tungen signalisiert, dass die Änderung nicht jetzt beschlossen werden müsse, weil die nächsten Kommunalwahlen noch ein paar Jahre auf sich warten ließen und neue Kandidatenaufstel lungen zu Ortschaftsratwahlen erst ab dem Jahr 2023 fällig würden. Das ist richtig. Insofern sind wir gespannt, welche Änderungen im Kommunalwahlgesetz bis dahin noch auf den Weg gebracht werden müssen – und wenn ja, von wem. Wenn von uns, werden wir diesen Punkt und auch den anderen Punkt ganz sicher wieder auf die Agenda setzen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Jetzt hat Herr Abg. Klos das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Heute beschäftigen wir uns zum zwei ten Mal mit einem weiterhin völlig unausgegorenen Gesetz entwurf der SPD. Wir erinnern uns: Laut der SPD steht das Amt des Bürgermeisters vor einer schweren Beschädigung oder wurde bereits schwer beschädigt – bei der SPD weiß man ja nie so genau, was sie wirklich meint –, und zwar durch – wie sie es nennt; ich zitiere aus dem Gesetzentwurf – „Spaß kandidierende“.

Es wird niemanden überraschen, dass die Rechtschreibpro gramme diesen Ausdruck sofort markieren und beanstanden. Überprüft man dieses Wort dann im Duden, stellt man fest: Es existiert laut Duden gar nicht. Ebenso wenig, wie Sie die deutsche Sprache beherrschen, haben Sie die Fähigkeit, ver nünftige Gesetzentwürfe zu machen.

(Beifall)

Es gab bereits in der ersten Lesung herbe Kritik an dem Ge setzentwurf. Die Reaktion von Ihnen war, diesen Entwurf nicht zurückzuziehen, sondern tatsächlich noch eine zweite Aussprache zu erzwingen. Zur Krönung legen Sie den Ent wurf auch noch in völlig unveränderter Form vor.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Daraus muss man folgern: Erstens haben Sie nichts dazuge lernt, und zweitens gibt es offenbar in der größten und schwers ten Wirtschaftskrise unseres Landes keine wirklich wichtigen Aufgaben zu erledigen – laut der SPD.

Gut, dass der Wähler Sie für diese Legislatur auf die Opposi tionsbänke verwiesen hat. Vernünftige Politik geht offensicht lich nur noch mit der AfD.

(Beifall – Zurufe)

Denn nur noch die AfD sichert die Wirtschaft und die Arbeits plätze in diesem Land. Wir beschäftigen uns mit den Dingen, die für unser Land wichtig sind.

(Zurufe, u. a. Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Sie sind ja von den eigenen Leuten abgeschossen wor den!)

Ein weiterer Kritikpunkt: Sie haben Ihren eigenen Entwurf zerschossen, weil Ihre selbst gewählten Beispiele bewiesen

haben, dass niemand, der es mit seiner Kandidatur nicht ernst meinte, auch nur den Hauch einer Chance hatte. Alle wurden vom Souverän, dem Wähler, abgestraft. Der öffentliche Spott war ihnen teilweise auch sicher. Sie schießen mit Kanonen auf Spaßvögel.

Die Bürger entscheiden beim Bürgermeisteramt nach den Kri terien Sachkompetenz und Verantwortung und wollen nicht, dass selbst ernannte linke Bildungsbürger, die Feuilletonmo ralisten der Genderabartigkeit, ihre Auswahl beschneiden und ihnen vorschreiben wollen, wen sie zu wählen haben. Nach deren Maßstäben hätte ein Trump keine Chance. Aber es ist noch immer gut, dass das Volk entscheidet und nicht Redak tionen oder Lobbygruppen entscheiden.

(Vereinzelt Beifall)

Sie haben doch permanent vollmundig getönt, Sie würden die AfD argumentativ stellen. Wenn ich jetzt auf diese Legisla turperiode zurückblicke, muss ich Sie fragen: Wann haben Sie uns jemals argumentativ gestellt? Die Einzigen, die gestellt wurden, und zwar von uns, waren die Altparteien für ihr Ver sagen, meine Damen und Herren.