(Vereinzelt Beifall – Zurufe, u. a. Abg. Karl Zimmer mann CDU: Extra die Friseurläden geöffnet gehal ten!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sie kennen meine Einstellung zu dieser Gesamtcoronapolitik. Ich halte sie für katastrophal.
Ich möchte jetzt nur zwei Punkte herausgreifen, und da appel liere ich an Sie, da bitte ich Sie, den Kurs wirklich zu korri gieren. Denn das, was Sie da machen, ist so schamlos, dass das nichts mehr mit Politik zu tun hat. Das ist vielmehr Ter ror.
Es geht um zwei Punkte: zum einen um die innerhäusliche Kontrolle. Bitte fassen Sie hierzu den Beschluss, dass Polizei und Ordnungsamt keinen Zutritt haben, um zu kontrollieren, ob an Geburtstagsfeiern oder sonst wo zu viele, zu wenige, zu alte Menschen oder zu verschiedene Familien anwesend sind.
Es ist schamlos, hier in derartiger Weise das Wohnrecht, die Privatsphäre zu verletzen, ohne dass dies einen nennenswer ten Sinn macht.
Hören Sie doch endlich auf, auch hier noch nach einem Frak tionsdenken zu handeln, meine Damen und Herren. Fassen Sie sich einmal an den Kopf, gehen Sie in sich, oder machen Sie einmal eine geheime Abstimmung. Vielleicht kommt dann etwas ganz anderes heraus, als wenn immer nur nach Frakti onen abgestimmt wird. Ich glaube, ich hoffe sogar, dass es so ist, meine Damen und Herren, dass Sie, wenn Sie frei ent scheiden könnten, einen solch schamlosen Schwachsinn nicht mit entscheiden würden.
Das Zweite: Ich bitte Sie mit Nachdruck – – Ich sehe in der eigenen Familie und sonst wo: Kinder kommen nach zehn Stunden Schule, nach zehn Stunden Maskentragen an – total ausgelaugt, Kopfschmerzen, lernmüde.
Und es ist erwiesen, dass die Maske gesundheitsschädlich ist, meine Damen und Herren. Der CO2-Gehalt, mit dem Sie sich ja so beschäftigen, spielt dabei eine Rolle. Da missachten Sie ihn. Bitte beschließen Sie hier: keine Maskenpflicht in Schu len, keine Maskenpflicht in Hochschulen, und schon gar nicht in Kindergärten oder sonst wo! Das ist meine heutige Bitte an Sie. Wenn Sie das beschließen, haben Sie sich wenigstens noch einen Rest an Schamgefühl bewahrt.
Herr Abg. Dr. Gedeon, Sie sind befreit von der Pflicht, eine Maske zu tragen, aber nicht vom Abstandsgebot. Das nächste Mal gibt es ein Zwangsgeld, wenn es außerhalb des Plenarsaals passieren sollte.
(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Sagen Sie mal! Wie gerieren Sie sich denn hier? Wie Her mann Göring, oder wie? – Weitere Zurufe)
Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen, sehr geehrte Damen und Herren! Gestern Abend zu spä ter Stunde habe ich eine SMS von einem befreundeten Lan desrat aus Vorarlberg erhalten. Er bittet darum, ihm in Bälde mitzuteilen, ob wir Patientinnen und Patienten aus den Inten sivstationen von Vorarlberg übernehmen könnten. Sie laufen in den dortigen Krankenhäusern voll.
Meine Damen und Herren, wenn Sie heute die „Stuttgarter Zeitung“ aufschlagen und die Tabelle zur Entwicklung des In fektionsgeschehens um uns herum sehen, erkennen Sie, wie dramatisch die Lage ist. Ja, meine Damen und Herren, in ge wisser Weise sind wir einerseits weiter als in der ersten Wel le, weil wir wesentlich mehr wissen. Andererseits hat uns die se Pandemie mit einer Wucht getroffen und hat eine Dynamik entfaltet, die unsere auf Linearität, auf langsames Entwickeln der Pandemie ausgerichteten Strategien in Bund, Land, Kom munen tatsächlich jetzt vor diese Herausforderung stellt, so zu agieren.
Meine Damen und Herren, wir haben sehr viel gemeinsam – auch Sie – in der parlamentarischen Begleitung geschaffen. Denken Sie etwa daran, wie wir die Testkapazitäten aufgebaut haben. Wir haben den Pakt mit dem ÖGD – Kollege Stoch, das haben Sie in Ihren Antrag richtigerweise hineingeschrie ben. Baden-Württemberg ist das erste Bundesland, das die
Bundesvorgaben mit der Kabinettsvorlage so umgesetzt hat, dass die Bundesgelder in der ersten Tranche schon uneinge schränkt fließen können. Dafür auch den Regierungsfraktio nen herzlichen Dank.
Wir haben eine große Zahl von Hygienekonzepten in verbind licher Weise umgesetzt und den öffentlichen Gesundheits dienst um 227,5 neue Stellen aufgestockt und unterstützt. End lich einmal gab es eine größere Zahl von Bewerbungen. Wir haben eine Teststrategie entwickelt und haben gezielt symp tomatische Personen getestet, und wir haben in der Sommer zeit und in der zu Ende gehenden Urlaubszeit asymptomatisch die Gruppen der Lehrerinnen und Lehrer, der Reiserückkeh rerinnen und Reiserückkehrer getestet. Wir haben derzeit – bei einer Auslastung von 122 % – wöchentlich 160 000 PCRTests. Das ist eine unglaubliche Leistung aller Akteure auf al len Ebenen.
(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Sie ha ben keine Antworten! Das weiß ich! Bei all den An fragen, die ich an Sie gestellt habe, haben Sie kaum Antworten!)
Ich glaube, dass wir diese paar Monate mit Ihnen hier in diesem Parlament noch erdulden. Dann schauen wir weiter.
Meine Damen und Herren, wir haben in diesem Sommer ge meinsam mit der kommunalen Familie, mit allen Verbänden, den Krankenhäusern, den Ärzten ein verbindliches Pandemie konzept beschlossen, in der Tat bis drei Stufen. Wir sind nun – der Herr Ministerpräsident hat es gestern angekündigt – an der Erarbeitung der Stufen 4 und 5, die wir gern vermieden hätten, die jedoch unumgänglich sind; das gebe ich ehrlich zu. Und eines ist auch klar: Hätten wir nicht in Stufe 3 die Kom munen befähigt und bemächtigt, Maßnahmen zu treffen – es war ausdrücklich auch der gemeinsame Wunsch einer regio nalen Begrenzung –, dann hätten wir vermutlich zahlenmäßi ge Entwicklungen, die uns noch vor wesentlich größere Her ausforderungen gestellt hätten als die, die wir haben.
Wir sind natürlich auch darüber entsetzt, dass wir noch immer 60 % diffuse Entwicklungen haben. Aber es sind keine 75 %, und wir tun alles, um unsere 410 Teams, die wir derzeit ha ben, auf über 500 aufzustocken. Da sind wir – das wissen Sie – an allen Orten aktiv.
Aber zur Vollständigkeit gehört auch, meine Damen und Her ren: Wir haben in Kalenderwoche 44 einen Anteil positiv Ge testeter von 8,7 %; im Sommer waren dies – Reiserückkehrer – 0,7 %. Die WHO spricht bei über 5 % von einem klar sig nifikanten diffusen Ausbruch. Genau das ist das Problem.
Lieber Herr Rülke, genau das ist das Dilemma: zu glauben, dass man ausschließlich mit einem Protektionsansatz Erfolg haben könnte. Wenn es Ihnen nicht gelingt, die Verbreitung des Virus im Kern einzudämmen, werden Sie die gefährdeten Gruppen nicht ausreichend schützen können.
Selbstverständlich haben wir den Schutz aller in den Gesund heitseinrichtungen, in den Pflegeeinrichtungen deutlich – deut lich! – vorangetrieben. Aber ohne zu wissen, woher das Virus kommt, wie es weiterverbreitet wird, von wem es wohin ge tragen wird, werden Sie nicht schützen können. Länder, die sich auf diese Methode konzentriert haben, haben meines Er achtens einen außergewöhnlich hohen Preis dafür bezahlt.
Ich sage noch einmal: Sie können eine „Detection and Contain ment“-Strategie nie abkoppeln von der „Protection“. Das muss immer gleichzeitig stattfinden. Das hat uns gerade diese Pan demie gezeigt.
Meine Damen und Herren, die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten haben sich mit der Kanzlerin auf der Ba sis der Erkenntnis, die uns alle seriösen Virologen und nicht zuletzt Professorin Priesemann von der Universität Göttingen übermitteln, darauf verständigt: Wir müssen die Kontakte um 75 % reduzieren. Auch Sie, die Regierungsfraktionen – Kol lege Stoch, auch Sie haben es gar nicht in Abrede gestellt –, haben erklärt, dass wir reduzieren müssen.
Ja, meine Damen und Herren, ich fand es schon richtig, dass der Ministerpräsident gefragt hat: „Machen wir die Oper auf und schließen stattdessen die Schulen und Kindertagesstät ten?“ Wir müssen irgendwo sagen, wo wir beschränken.
Und worauf haben wir uns in der Beschränkung konzentriert? Auf die notwendigen, auf die wirklich notwendigen wirt schafts- und gesellschaftspolitischen Aufgaben. Das sind das Wirtschaftsleben im großen Stil, gewerbliche Wirtschaft, Dienst leistungen – außer denjenigen, die im Freizeitbereich tätig sind – und die Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder – und deren Eltern – in unserem Land. Ich kann mich an viele Debatten während der ersten Welle hier erinnern, in denen immer wieder die Sorge groß war und gefragt wurde: Wieso schließt ihr bei den Kindern? Wir haben uns auch ge meinsam mit der Kultusministerin den ganzen Sommer über mit der Thematik beschäftigt und uns darauf geeinigt, dass wir, wenn wir wieder Beschränkungen machen müssen, Schu len und Kindertagesstätten offen halten.