An dieser Stelle kann ich nicht nachvollziehen, wenn Sie, Herr Kollege Schweickert, sagen, der Mittelstand in unserem Land würde nicht global agieren.
Natürlich tut er dies. Unser Land ist Exportweltmeister. Wir haben den Luxus, dass nicht nur in einigen wenigen Zentren, sondern im ganzen Land Weltmarktführer ihren Sitz haben. Das ist auch gut so, und das wollen wir auch in Zukunft so er halten.
Deshalb war es unser Ziel, dass wir das Urteil des Bundesver fassungsgerichts umsetzen, dass wir an einer verfassungsfes ten Lösung arbeiten, damit die Unternehmen in unserem Land auch in Zukunft Rechts- und Planungssicherheit haben.
Wir haben uns dafür verkämpft – besonders wir in BadenWürttemberg –, dass es keine übermäßige Belastung der Un ternehmen, insbesondere der Familienunternehmen, gibt, da mit auch in Zukunft Investitionen und Arbeitsplätze nicht ge fährdet werden. Wir brauchen Rechts- und Planungssicherheit auch für die Steuerverwaltung, und natürlich geht es auch da rum, Aufkommen zu sichern.
Alle, die jetzt sagen, es sei nicht relevant, ob wir eine Milli arde mehr oder weniger im Haushalt haben, sollen doch dann bitte mal aufzeigen, wo sie diese Milliarde in Zukunft einspa ren wollen.
(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Aber gern!)
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom De zember 2014 deutlich gemacht: Ja, es ist möglich, Unterneh men zu privilegieren, aber wir dürfen sie nicht überprivilegie ren. Die bisherigen Verschonungsregeln hat das Bundesver fassungsgericht als zu weitgehend angesehen, beispielsweise dass viele Unternehmen von der Erbschaftsteuer befreit wa ren, ohne dass eine Bedürfnisprüfung stattgefunden hat.
Deshalb war es wichtig, das umzusetzen, was das Bundesver fassungsgericht in seinem Urteil uns, der Politik – vor allem im Bund, aber über den Bundesrat eben auch in den Ländern –, mit auf den Weg gegeben hat. Es wurde eine Frist bis zum 30. Juni 2016 gesetzt.
Es ist schon darauf hingewiesen worden: Es war kein einfa cher Weg dahin. Bundesfinanzminister Schäuble hat im Juli 2015 einen Gesetzentwurf vorgelegt. Er hat sich damals für eine minimalinvasive Lösung entschieden. Das heißt, es war von Anfang an klar, dass es nicht darum geht, ein komplett neues Steuermodell auf den Weg zu bringen, sondern darum, die Änderungen, die vom Bundesverfassungsgericht gefordert worden sind, im bestehenden Gesetz umzusetzen.
Nach der Vorlage des ersten Gesetzentwurfs von Minister Schäuble im Juli 2015 hat sich bereits im September 2015 der Bundesrat intensiv damit befasst und einige Empfehlungen an die Bundesregierung gegeben. So weit, so gut. Es gab aber ein innerkoalitionäres Problem in Berlin; es lag nicht an der CDU, aber dennoch an Teilen der Union, dass ein im Februar gefun dener Kompromiss nicht gehalten hat und es letztendlich bis Juni dieses Jahres gedauert hat, bis ein Kompromiss gefun den war, der zumindest im Bundestag eine Mehrheit gefun den hat – allerdings nicht im Bundesrat.
Das Bundesverfassungsgericht hat dann angedroht, die Erb schaftsteuerreform auf die Tagesordnung für Ende September zu setzen. Die Kollegin Walker hat schon darauf hingewiesen, dass dies ein sehr ungewöhnlicher Vorgang des Bundesver fassungsgerichts war und es viele Möglichkeiten gegeben hät
te, was dies dann im Ernstfall bedeutet. Das Bundesverfas sungsgericht hätte eigene Regeln erlassen oder die Erbschaft steuer in ihrer bisherigen Form sogar aussetzen können; das hätte Einnahmeverluste von 6 Milliarden € bedeutet. Es hät te auch die Verschonungsregelungen, die in den §§ 13 a und 13 b festgehalten sind, aussetzen können.
Vor diesem Hintergrund, Herr Kollege Schweickert, kann ich das, was Sie hier postuliert haben, überhaupt nicht nachvoll ziehen. In einem Satz zu sagen: „Wir sind für die mittelstän dischen Unternehmen in unserem Land“ und im nächsten Satz zu sagen, man müsse das, was jetzt auf dem Tisch liegt, am Freitag im Bundesrat ablehnen. Damit würden Sie gerade den jenigen, denen Sie das Wort zu reden versuchen, den aller größten Bärendienst erweisen und die Unternehmen im Land in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Wir wollen das auf je den Fall nicht, meine Damen und Herren.
Aufgrund der Vorgeschichte konnte ich darstellen, dass es schwierig und verworren war, ein zustimmungsfähiges Ge setz im Bundesrat hinzubekommen. Kollegen, die länger im Amt sind als ich, haben gesagt, dass sie so eine schwierige Gemengelage, wie es sie jetzt im Vorfeld des Vermittlungs ausschusses gab, noch nicht erlebt haben, meine Damen und Herren.
Ich bin froh, dass sich alle politischen Ebenen trotz dieser Schwierigkeiten darauf geeinigt haben: Jeder bewegt sich, da mit ein guter Kompromiss erreicht wird, der von allen getra gen werden kann, der verfassungsfest ist und der die Unter nehmen in unserem Land nicht über Gebühr belastet. Das war eine große Herausforderung. Ich bin sehr froh, dass dies, auch durch intensive Bemühungen und Verhandlungen von Minis terpräsident Kretschmann und mir, gelungen ist. Ich gehe da von aus, dass wir am Freitag im Bundesrat eine Mehrheit für diesen Gesetzentwurf, für die Ergebnisse des Vermittlungs ausschusses bekommen werden, und das, meine Damen und Herren, ist gut so. Es ist gut so im Interesse der Unternehmen, der Rechts- und Planungssicherheit, aber es ist auch gut, dass in einer solch schwierigen Situation überhaupt ein Ergebnis zustande kam.
Erstens: Die Grundlage für die Berechnung der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist, wie ein Unternehmen bewertet wird. Hier konnte man sich darauf einigen, dass es eine Absenkung des Kapitalisierungsfaktors von 17,86 % auf 13,75 % gibt. Das bedeutet eine massive Entlastung der Unternehmen. Die derzeitige Bewertung war in einem Niedrigzinsumfeld deut lich überhöht. Es ist auch ein Abbau von Bürokratie. Denn mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren müssen keine auf wendigen Wertgutachten in Auftrag gegeben werden.
Zweiter Punkt: Das Abschmelzmodell, das Baden-Württem berg wichtig war, das auch meinem Vorgänger wichtig war, wird nicht verschärft. Es kann also weiterhin der erworbene Unternehmensanteil, der den Wert von 26 Millionen € über schreitet, in Stufen bis zu 90 Millionen € abgeschmolzen wer den. Das ist gerade für den Mittelstand in unserem Land ein ganz wichtiger Punkt.
Drittens: Freistellung von der Lohnsummenregelung. Derzeit liegt der Status quo bei bis zu 20 Beschäftigten. Vorschlag Schäuble I: Absenkung auf drei. Kompromiss jetzt: Bei bis zu fünf Beschäftigten werden Unternehmen von der Prüfung der Lohnsumme freigestellt. Das ist für unser Land mit vielen kleinen Unternehmen, die einen wichtigen Beitrag zur Wert schöpfung leisten, ein sehr guter Punkt.
Meine Damen und Herren, wie ist denn nun vonseiten der Wirtschaft das aufgefasst worden, was im Vermittlungsaus schuss verhandelt worden ist? Lassen Sie mich ein paar Zita te bringen:
Die gestrige Einigung im Vermittlungsausschuss zur Erb schaftsteuer begrüße ich ausdrücklich. Denn unsere Fa milienunternehmen im Land können nun die nötige Rechts sicherheit erwarten – nicht zuletzt bei Investitionen und Einstellung.
IHK begrüßt Einigung zur Erbschaftsteuer... „Wir sind... froh, dass die Hängepartie ein Ende hat und endlich Rechtssicherheit besteht“, kommentiert IHK-Präsident... Fichtner das Ergebnis des Vermittlungsausschusses.
So sieht es aus, meine Damen und Herren. Ich gebe Ihnen noch ein drittes Zitat, nämlich vom Verband DIE FAMILIEN UNTERNEHMER:
So ist es, meine Damen und Herren. Der Mittelstand ist froh, dass es eine Einigung im Vermittlungsausschuss gibt. Alle ha ben sie begrüßt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP/DVP, mit Ihrer Aktuellen Debatte sind Sie vollkommen auf dem falschen Dampfer. Mit einem Nein im Bundesrat wür den wir den Unternehmen in unserem Land massiv schaden.
Es ist interessant, dass Sie das wollen. Wir wollen es nicht und werden dem Gesetz am Freitag zustimmen.
Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Schweickert das Wort. Sie haben noch eine halbe Minute Redezeit.
Ich habe mich nur noch einmal gemeldet, weil Frau Walker und Frau Sitzmann gefragt haben, warum wir das als faulen Kompromiss bezeich nen. Das tun wir, weil Sie – ich verweise auf genau die Pres semitteilung, die Sie gerade zitiert haben – die Wirtschaft in Sicherheit wiegen, obwohl wir doch eigentlich alle wissen, dass dies ein Verfassungsbruch mit Ansage ist und genau die Sicherheit, die die Wirtschaft braucht, sich nicht einstellt.
Frau Walker, Sie rühmen sich für einen Kompromiss. Auch ich bin für Kompromisse, sie sollten aber tragfähig sein, und wir wissen, dass dies kein tragfähiger Kompromiss vor dem Verfassungsgericht ist.
Sich nach zwei Jahren hinzustellen und, wenn man am Ab grund steht, zu sagen: „Die Alternative ist, am Freitag gar nichts zu machen“, das ist zu wenig. Da hätte ich erwartet, dass in den eineinhalb Jahren von Länderseite mehr gekom men wäre. Deswegen sprechen wir von einem faulen Kom promiss. Faul wird etwas, wenn es zu lange liegt.
Bevor man im Sommer dieses Jahres angefangen hat, sich ak tionistisch mit diesem Thema auseinanderzusetzen, ist es erst einmal eineinhalb Jahre gelegen, ohne dass eigene Vorschlä ge kamen, ohne dass diskutiert worden ist, ob die Flat Tax die Lösung ist.
Daher ist es so – Frau Präsidentin –, dass diese fehlende Rechtssicherheit nachher zum Problem wird. Das ist genau das, was wir kritisieren.
Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Meuthen. – Auch Sie haben noch eine halbe Minute Redezeit.