Protocol of the Session on October 15, 2020

Ja, das ist zu vermuten. Ich hoffe es auf jeden Fall nicht.

Das wird genauso ein Flickenteppich werden und ein Rohr krepierer sein wie damals die 800-m2-Regelung für Einkaufs flächen. Privaträume: nicht mehr als zehn Personen. Jetzt gibt es ja einen Unterschied: Habe ich eine 30-m2-Wohnung, oder habe ich eine 300-m2-Wohnung oder ein Haus? Was ist jetzt gültig? Was darf ich? Auch hier nur zehn Personen.

In angemieteten Räumen: nicht mehr als 25 Personen. Ja, wie groß ist der angemietete Raum? Habe ich eine Fläche von 100 m2? Dann ist die Obergrenze von 25 Personen vielleicht angemessen. Habe ich 500 m2 angemietet, dann möchte ich andere Möglichkeiten haben, Veranstaltungen durchzuführen.

(Beifall bei der AfD)

Sie haben jetzt der AHA-Regel ein L hinzugefügt – L wie Lüf ten. Ich habe in dieser Woche gelesen, dass die Eltern, die Mütter aufgefordert sind, die Kinder aktuell in schwerer Win terkleidung in die Schule zu schicken – mit Schal und Mütze –, weil auch bei niedrigen Temperaturen – bei 3, 4 Grad, die wir jetzt in den Morgenstunden haben – alle zehn Minuten in den Klassenzimmern gelüftet werden soll. Jetzt frage ich Sie: Was ist denn gefährlicher für ein Kind? Die Medizin oder die Krankheit? Das ist doch hier die Frage.

(Beifall bei der AfD – Abg. Udo Stein AfD: Und dann dürfen sie nicht in die Schule, wenn die Nase läuft! – Abg. Dr. Christina Baum AfD: Unverantwortlich ist das!)

Etwas weniger Hysterie, Ruhe und vor allem – das muss ein fach sein –: Sie müssen nicht einen Physiker zu einer Physi kerin, einen Mathematiker zu einem Mathematiker bringen, sondern Sie müssen Ärzte, Wissenschaftler aus dem Gesund

heitswesen – aus diesen Bereichen – an den Tisch nehmen. Die, die unterschiedliche Meinungen haben, müssen sich dort austauschen können. Da gibt es eine Diskussion,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Gedeon, Fiechtner und Baum!)

und dann wird man vielleicht zu dem einen oder anderen Kompromiss oder zu anderen Ergebnissen kommen. Das ist notwendig. Erst dann kann sich ein Politiker das anhören, kann zu Ergebnissen kommen, und dann kann er Verordnun gen erlassen – aber doch nicht vorher und vor allem nicht aus mathematischen Gründen, wenn es um die Gesundheit geht.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Udo Stein AfD)

Der größte Rohrkrepierer ist das Beherbergungsverbot. Das haben wir heute Morgen schon gehört. Ich glaube, dazu muss man gar nicht mehr viel sagen. Sie waren gestern im Risiko gebiet in Berlin. Was haben Sie denn im Hotel in das Formu lar eingetragen, woher Sie kommen? Haben Sie „StuttgartMitte“ hineingeschrieben? Da hätte man Sie gar nicht beher bergen dürfen. Sie haben Ihren Ausweis gezeigt – mit Ihrem Wohnort. Oder durften Sie dort übernachten?

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Daniel Rottmann AfD: Auf der Straße übernachten lassen! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: In Berlin gilt das nicht! In Berlin haben sie die Regeln nicht! – Abg. Nese Erikli GRÜNE: Eine Nebelkerze nach der anderen!)

Sonst hätten Sie nämlich tatsächlich – – Haben sie noch nicht? Aber das wird zukünftig so sein. Dann müssen Sie sich ein Zelt im Tierpark in Berlin aufstellen.

Überhaupt: Warum müssen 16 Ministerpräsidenten mit Tross für die drei Ergebnisse nach Berlin fliegen? Das hätte nicht sein müssen. Die Ergebnisse hätten sie in einer Viertelstunde am Telefon miteinander vereinbaren können.

(Beifall bei der AfD – Abg. Andreas Schwarz GRÜ NE: Junge, Junge, Junge!)

Wir werden den Antrag der FDP/DVP-Fraktion selbstver ständlich unterstützen. Da gibt es überhaupt keine Diskussi on: Das Beherbergungsverbot muss weg. Nicht einmal Hone cker wäre auf die Idee gekommen, innerdeutsche Reisen zu verbieten.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD – Heiterkeit des Abg. Rüdiger Klos AfD – Abg. Daniel Rottmann AfD: So ist es! – Abg. Rüdiger Klos AfD: So ist es! Tja, die Wahrheit tut weh! – Abg. Nese Erikli GRÜNE: So ein Scheiß! Peinlich!)

Für die FDP/DVP-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Rülke.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst vielen Dank, Herr Ministerpräsident, für die schnelle Information des Parlaments über die Ergebnisse dessen, was gestern in Berlin zwischen

den Ministerpräsidenten und der Kanzlerin besprochen wur de.

Zunächst vielleicht zum Verbindenden, zu dem, was die FDP/ DVP-Fraktion von dem nachvollziehen kann, was Sie am heu tigen Tag vertreten haben. Es ist zutreffend: Die Zahl der po sitiv Getesteten steigt rasant. Das heißt noch nicht, dass die Zahl der Erkrankten rasant steigt, aber es ist auf jeden Fall – wie hat es Kollege Reinhart in Anlehnung an einen bayeri schen Provinzpolitiker, der von der „Mutter aller Zahlen“ sprach, genannt? – nicht die einzige wichtige Zahl. Ich wer de das noch ausführen.

Klar ist aber, dass diese Entwicklung eine Reaktion erfordert und dass es notwendig ist, sich die Frage zu stellen: Wie re agiert man politisch darauf? Wir halten es ausdrücklich für richtig, politisch darauf zu reagieren.

Wir halten es auch für richtig, sich so, wie es im Beschluss steht, schwerpunktmäßig auf vulnerable Gruppen zu konzen trieren und eine Teststrategie für vulnerable Gruppen zu ent wickeln. Richtig ist auch, eindringlich an die Bevölkerung zu appellieren. Wenn wir uns beim Beherbergungsverbot nicht einig werden, dann sind wir uns doch darin einig, dass man natürlich den Menschen sagen kann, sie sollen gut überlegen, ob eine Reise in dieser Situation notwendig ist und ob es not wendig ist, in den Herbstferien zu verreisen.

Natürlich ist es auch richtig, die Einhaltung von Regeln – Ab stand, Hygiene – schwerpunktmäßig einzufordern und gege benenfalls auch staatlich durchzusetzen. Da sind wir völlig bei Ihnen. Auch glaube ich, dass es wie in der Vergangenheit sinnvoll ist, die Hotspots in den Blick zu nehmen und im Sin ne einer Hotspot-Strategie zu versuchen, zu vermeiden, dass aus Hotspots ein Flächenbrand wird.

Aber der Kollege Reinhart – jetzt ist er gerade nicht mehr an wesend –

(Abg. Willi Stächele CDU: Wir sagen es ihm!)

hat gerade gesagt: Die plakative Zahl sollte nicht allein das sein, worauf die Politik blickt. Damit kommen wir, glaube ich, zum Knackpunkt dessen, was am gestrigen Tag besprochen wurde: Sie konzentrieren sich – aus unserer Sicht ist das ein Fehler – ausschließlich auf diese plakative Zahl. Sie schauen auf die Zahl der positiv Getesteten und kommen zu dem Er gebnis – am gestrigen Tag –: über 5 000. – Heute sind es über 6 000.

Die Maßnahmen, die Sie eingeleitet haben, mögen richtig sein. Man kann aber – wie ich meine, zu Recht – daran zwei feln, dass sie wirklich einschneidende Wirkung haben wer den. Sie werden jedenfalls in den 14 Tagen, die Sie in den Blick genommen haben, mit Sicherheit nicht dazu führen, dass das Geschehen, das an der Zahl der positiv Getesteten deut lich wird, zum Erliegen kommt, dass die Welle bricht. Das heißt, wenn Sie sich in zehn Tagen wieder treffen, dann wer den Sie feststellen: Es gibt in Deutschland täglich eine fünf stellige Zahl von positiv Getesteten. Und was machen Sie dann, Herr Ministerpräsident?

Als Sklave dieser Strategie, der Sie sich ergeben haben,

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Sehr gut!)

wird Ihnen gar nichts anderes übrig bleiben – wenn Sie die Strategie nicht ändern –, als den zweiten Lockdown zu be schließen. Viele andere Möglichkeiten werden Sie in der Lo gik dieser Strategie nicht haben.

Sie sprachen davon: Es ist 12 Uhr.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Elf Minuten noch bis 12 Uhr!)

Bei 5 000 positiv Getesteten ist es 12 Uhr. Ja, wie spät ist es dann bei 10 000 positiv Getesteten? Sie machen sich zum Sklaven einer Strategie, die im Grunde im November unwei gerlich zu einem zweiten Lockdown führen wird.

Deshalb sollten Sie eben nicht nur die Zahl der positiv Getes teten in den Blick nehmen, sondern etwa auch die Frage stel len: Wie viele Menschen entwickeln Symptome? Wie viele schwere Verläufe gibt es? Wie ist das Geschehen bei den vor gehaltenen Intensivbetten? Das ist etwa die Strategie, die der Virologe Hendrik Streeck empfiehlt. Ich glaube, mit dieser Strategie wären Sie flexibler und würden sich nicht zum Skla ven einer Zahl machen, die im Grunde zwangsläufig in einen zweiten Shutdown führt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Des Weiteren gibt es Unklarheiten. Ich lese, ab einer Zahl von 35 Infizierten auf 100 000 Einwohner in einer Woche solle es eine Maskenpflicht für Menschen im öffentlichen Raum ge ben. In dieser Regelung haben wir die Formulierung „dort, wo sie dichter und/oder länger zusammenstehen“. Was heißt das, Herr Ministerpräsident?

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Bei der FDP/DVP-Fraktion heißt das nichts!)

Was wollen Sie aus dieser Ansage machen? Was heißt „dich ter und länger zusammenstehen“ konkret? Wie viele, auf wel chem Abstand, bei welchen Veranstaltungen? Ich glaube, mit solchen Ansagen stiftet man mehr Verwirrung, als dass sie da zu führen, dass man tatsächlich wirksam etwas gegen das In fektionsgeschehen tut.

Da bin ich beim Kollegen Stoch: Wenn das, was man be schließt, nicht nachvollziehbar ist, wenn das, was man be schließt, sich nicht selbst erklärt, wenn die Wirksamkeit des sen, was man beschließt, für die Bevölkerung nicht erkenn bar ist, dann verspielt man das, was Sie selbst das höchste Gut der Politik in der Pandemie genannt haben, nämlich das Ver trauen in der Bevölkerung.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Genau das ist das Problem vieler dieser Maßnahmen. Glau ben Sie im Ernst, dass ein Infektionsgeschehen, das jetzt bei ca. 5 000 positiv Getesteten am Tag liegt, sich nicht in Rich tung 10 000 entwickelt, wenn man die Sperrstunde im Hotel- und Gaststättengewerbe von 24 Uhr auf 23 Uhr vorverlegt

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Bravo!)

und dann mit der fürchterlichen Drohung um die Ecke kommt: „Wenn es nicht besser wird, dann gehen wir auf 22 Uhr“?

Das trifft im Grunde immer nur ein Gewerbe, als ob – um es wieder frei nach dem bayerischen Provinzpolitiker zu formu

lieren – das Hotel- und Gaststättengewerbe sozusagen die Mutter der Pandemie wäre. Das ist erkennbar nicht der Fall. Aber bei den ganzen hilflosen Regelungen, die da immer wie der gefunden werden, geht es immer in Richtung einer be stimmten Branche.

Zur Begrenzung der Zahl der Teilnehmer an Feierlichkeiten im öffentlichen und im privaten Raum: Für den öffentlichen Raum kann ich es nachvollziehen, ja. So etwas können wir mittragen. Beim privaten Raum wird es schwierig. Deshalb – das haben Sie nicht vorgetragen – machen da ja auch einige nicht mit. Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen machen da nicht mit – zu Recht, weil es eben besser ist, an die Menschen und deren Vernunft zu appellieren, als Regeln für deren eigene vier Wände zu treffen, zumal das Ganze ja gar nicht kontrollierbar ist. Wie wollen Sie die Einhaltung solcher Regeln kontrollieren?

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Mit der Bundes wehr!)

Wollen Sie Behörden in die privaten Räume von Menschen schicken,