Protocol of the Session on October 14, 2020

Vielen Dank. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Themenkomplex. Damit ist das abgearbeitet. Vielen Dank, Frau Ministerin.

Das nächste Thema, gemeldet von der Fraktion der FDP/DVP, lautet:

C o r o n a / B e h e r b e r g u n g s v e r b o t e

Ich darf das Wort Herrn Abg. Dr. Schweickert erteilen.

Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Es geht um das Beherbergungs verbot. Mit der aktuellen Corona-Verordnung ist ein Beher bergungsverbot für Gäste aus Gebieten mit einer erhöhten In fektionszahl verbunden. Nur wenn ein negativer Test, der nicht älter als 48 Stunden sein darf, vorgelegt wird, darf über nachtet werden.

Das Gastgewerbe nennt das Ganze unsinnig, unpraktikabel, unverhältnismäßig und einen Lockdown durch die Hintertür. Auch sonst sehr kritische Personen wie Herr Lauterbach oder andere sagen, es fehle jegliche Evidenz. Ministerin Hoffmeis ter-Kraut und Minister Wolf kritisieren das Beherbergungs verbot ebenfalls.

In der Bund-Länder-Konferenz, auf der der Ministerpräsident weilt, ist laut Presseinformation keine grundsätzliche Verän derung dieser Regelung vorgesehen. Daher frage ich die Lan desregierung:

Erstens: Wie schätzt die Landesregierung die Wirksamkeit von Beherbergungsverboten für Gäste aus Gebieten mit er höhter Infektionszahl im Verhältnis zu den anderen Einschrän kungen – also immer im Verhältnis – ein?

Zweitens: Wie schätzt sie die Wirkung der Beherbergungsver bote auf die wirtschaftliche Lage der Hotel- und Gaststätten branche im Verhältnis zu der oben abgefragten Wirksamkeit ein?

Vielen Dank.

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Minister Lucha.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Professor Schweickert! In Baden-Württemberg existiert seit dem 25. Ju ni ein Beherbergungsverbot für Personen aus innerdeutschen Risikogebieten gemäß den Veröffentlichungen des Robert Koch-Instituts. Dieses Regelwerk wurde zum 15. Juli und zum 18. August jeweils neu geregelt. Hintergrund dieser Regel war der Corona-Ausbruch zu Beginn der süddeutschen Sommer ferien und zur Mitte bzw. zum Ende der nordrhein-westfäli schen Sommerferien beim fleischverarbeitenden Betrieb Tön nies in Gütersloh.

Man wollte damals richtigerweise verhindern, dass Personen aus Gütersloh hier Urlaub machen in einer Zeit, in der wir die Diffusität sehr stark im Blick hatten. Unter Verweis auf die in nerdeutschen Gebietsausweisungen des RKI dürfen Beherber gungsbetriebe – Sie haben es richtigerweise zitiert – nach der zeitiger Rechtslage keine Gäste aus diesen Regionen beher bergen. Verstöße sind nicht bußgeldbewehrt.

Ausnahmen gelten nur, wenn die Gäste gegenüber dem Be herbergungsbetrieb glaubhaft machen, dass sie sich in den letzten sieben Tagen nicht in einem entsprechenden Risikoge biet oder in einem örtlich abgrenzbaren Risikobereich eines solchen Gebiets aufgehalten haben oder einen höchstens 48 Stunden alten ärztlichen Negativbefund vorweisen. Zudem können nach § 20 Absatz 2 der Corona-Verordnung die nach der Zuständigkeitsverordnung zum Infektionsschutzgesetz zu ständigen Behörden – im Regelfall die Ortspolizeibehörden – aus wichtigem Grund im Einzelfall weitere Ausnahmen von dem Verbot treffen.

Sie haben richtigerweise angemerkt, dass jetzt im Augenblick die Ministerpräsidentinnen- und Ministerpräsidentenkonfe renz mit der Kanzlerin über dieses Thema berät. Das Beher bergungsverbot war im Prinzip in den letzten Wochen kein Thema mehr, weil es keine nennenswerten Regionen gab, die eine Inzidenz größer 50 hatten. Aufgeschlagen ist es, als groß städtische Bereiche, allen voran Berlin – auch aus der süd deutschen Perspektive –, mit ihren Winterferien, die im Prin zip das Pendant unserer Herbstferien sind, Druck auf Schles wig-Holstein, auf Mecklenburg-Vorpommern ausübten. Die se Bundesländer haben mit Quarantäneverordnungen agiert, die es in Baden-Württemberg zu keinem Zeitpunkt gab.

Wir stellen heute fest – als Antwort auf Ihre zwei qualitativen und quantitativen Fragen –: Wir haben in der Zeit bis jetzt in den Beherbergungsbetrieben in Baden-Württemberg keine auffällige Inzidenz und keine Nachweisbarkeit von Infektio nen durch die Beherbergungsbetriebe. Das kann ich an dieser Stelle wirklich sagen. – Der Tourismusminister ist jetzt nicht da. – Die Beherbergungsbetriebe sind gut aufgestellt. Wir ha ben mit dem DEHOGA gute Konzepte entwickelt. Der Erfah rungswert ist jetzt natürlich aus einer Zeit, in der wir generell niedrige Inzidenzen hatten. Wir haben noch keine Erfahrungs werte aus Belegungszeiten mit erhöhten Inzidenzen.

Ich persönlich mache aus meinem Herzen jetzt keine Mörder grube. Die CdSK hat in der letzten Woche einen Mittelweg zwischen der ganz radikalen Quarantänelösung des Nordens und einem Nicht-/Gar-nicht-Gebot vorgeschlagen. Dieser Mit telweg hat nicht lange gehalten, weil es viele Ausschwenkun gen gibt: NRW hat ein Beherbergungsverbot, hat es aber nie vollzogen; Thüringen hatte zu keinem Zeitpunkt eines; bei Schleswig-Holstein weiß ich es im Moment noch nicht; Rheinland-Pfalz hat jetzt gesagt, sie vollziehen es nicht.

Ich sage ganz offen: Wir hatten für diese Woche ressortintern – Kollege Hauk – wenigstens schon einen Vorschlag, die Dienstreisen zu ändern. Wir wollten eigentlich verkünden, dass wir diese separieren.

Noch einmal: Die touristische Dimension haben wir jetzt noch kurz zurückgestellt, weil heute die MPK ist und wir nicht al le drei Tage eine Verordnung ändern können. Wir warten jetzt auf die Botschaft, die wir aus der MPK erhalten. Uns wäre ei ne bundeseinheitliche oder eine sehr kompatible bundesein heitliche Regelung sehr recht.

Sie kennen mich. Es gibt ja welche, die mir hier vorwerfen, ich wäre sonst immer sehr streng und würde sehr streng regu lieren. Ich glaube, ich tue es da, wo es notwendig ist, sehr ge zielt. Ich halte Stand heute, ohne zu wissen, was jetzt in Ber lin beschlossen wird und wir dann auch gemeinsam der Re gierung empfehlen, das Beherbergungsverbot für verzichtbar bei der Bekämpfung der Pandemie.

Danke schön.

Aber ich bin nicht allein. Die Kräfte wirken. Wir haben natür lich schon galoppierende Zahlen. Wenn Sie heute Morgen nach Holland oder zu unseren Freunden nach Österreich schauen, die wir auch ein Stück weit bewundert hatten, und ein bisschen analysieren: „Wieso galoppiert das so? Wieso wird es so schnell diffus?“, dann kann schon sein – –

(Unruhe)

Entschuldigung, darf ich noch einen Satz sagen? Pardon!

Ich bin auch in der „Bild“-Zeitung zitiert worden, ich hätte den Quatsch des Tages gesagt. Ich habe es aus der süddeut schen Perspektive gesehen. Ich gebe zu, ich habe zu wenig im Kopf gehabt, welche unterschiedliche Bedeutung die Herbst ferien im Gesamtkonzept, vor allem im Norden Deutschlands haben.

Doch ich sehe das jetzt erst einmal in der Gesamtsumme. Aus baden-württembergischer Warte sehe ich für die Herbstferien in Baden-Württemberg nicht den großen Mobilitätsdruck. In der Beweglichkeit, in der die Menschen unterwegs sind, sehe ich nichts, wovor ich mich groß fürchten würde.

Natürlich hat die MPK heute die Empfehlung – die war eher philosophisch als politisch – ausgesprochen

(Abg. Martin Rivoir SPD: Immer!)

und an uns alle appelliert: „Machen Sie keine Reisen, die nicht nötig sind.“ Stimmt. Machen Sie es nicht!

Ich könnte es den Leuten aber auch nicht verdenken – das hat der Ministerpräsident gestern richtig gesagt –, wenn sie mal sagen: „Jetzt wollen wir mal zwei, drei Tage ins Hotel. Alles ist sauber. Wir halten uns an die Hygieneverordnungen, hal ten Abstand. Die Konzepte stimmen. Alles ist nachvollzieh bar.“ Das muss ich den Menschen schon zugestehen. Denn für manche Familien oder Paare war dieses Jahr nicht nur ein Zu ckerschlecken.

Wir hatten jetzt zumindest einen Vorschlag parat, dass wir das Beherbergungsverbot im touristischen Gesamtkontext mal aufrechterhalten, wobei es ja Widersprüche gibt. Sie sehen ja – das brauche ich Ihnen nicht zu erklären –, wenn Sie Stand heute in eine Stadt gehen, die einen höheren oder niedrigeren Inzidenzwert hat, können Sie einander ausschließen. Wenn je mand aus einem Gebiet mit dem Inzidenzwert 50 jemanden aus einem anderen Gebiet mit dem Inzidenzwert 50 besucht, ist es im Prinzip äquivalent. Da müssen wir schon schauen, dass uns die Menschen noch folgen. Aber wir haben gestern im Kabinett beschlossen: Sobald der Ministerpräsident kommt – er wird Ihnen ja morgen berichten –, werden wir wirklich – – Uns ist die Akzeptanz für diese Verordnungen schon wich tig.

Ich bin auch ein bisschen überrascht, dass das Beherbergungs verbot, das lange niemanden interessiert hat, jetzt solche Wel len schlägt. Daran hat die „Bild“-Zeitung aktiv mitgearbeitet. Das ist nun mal so; das ist ihre Funktion. So versteht sie sich.

Wir haben das Ganze quer durch die Ressorts sehr ordentlich auf dem Schirm.

Die nächste Nachfrage ist noch von Herrn Abg. Dr. Schweickert.

Herr Minister, vielen Dank für die Aussage der vollen Unterstützung, wenn es da rum geht, nicht nur effektiv, sondern auch effizient etwas zu tun. Da haben Sie uns an der Seite. Aber ich interpretiere Ih re Äußerungen so, dass es wichtigere oder höher zu priorisie

rende Dinge gibt, wenn man der Pandemie einigermaßen Ein halt gebieten will – Abstand, Masken usw. –, und dass das Be herbergungsverbot nicht ganz oben auf der Agenda steht.

Ich bitte einen Punkt zu berücksichtigen. Es gibt teilweise Bundesländer, die zwei Wochen Herbstferien haben, weil die Sommerferien kürzer sind. Wir haben in Baden-Württemberg nur eine Woche Ferien. Daher wird der Reisedruck sicherlich nicht sehr hoch sein. Aber es hängt natürlich für die Beher bergungsbetriebe auch touristisch einiges daran, nicht nur, was die Geschäftsreisen angeht.

Daher würde ich mich freuen, wenn sich die Meinung, die Sie hier geäußert haben, dann auch in der Beratung dessen, was kommt – – Denn ihr seid ja als Regierung in Baden-Württem berg autark. Ich verstehe, dass man probiert, eine gemeinsa me Linie zu finden; aber wenn ich sehe, wie sich manche Län der vorher positioniert haben, glaube ich an diese gemeinsa me Linie, ehrlich gesagt, nicht so ganz. Das ist vielleicht auch gar nicht notwendig, wenn ich unterschiedliche Inzidenzen habe.

Bitte, Herr Minister.

Es ist ja klar: Die Positionierung war sehr eindeutig; das war auch der Chef des Kanzleramts. Die Chefs der Staatskanzleien – das muss man positiv sagen – haben tatsächlich da gedacht, sie bekommen zwischen einer extrem strengen Quarantäne pflicht und – – Da bekommen sie eine Klammer. Und diese Klammer sehen wir offensichtlich nicht. Das ist so.

Jetzt sind wir tatsächlich – ich wiederhole mich – – Jetzt ha ben wir ein bisschen die Herausforderung, dass wir selbst be urteilen. Also, der Ministerpräsident kennt meine Position; ich habe sie auch gestern ihm gegenüber deutlich gemacht. Er selbst ist an dem Punkt noch ein bisschen zurückhaltender als ich. Aber das ist ja das Gute: Er ist er, und ich bin ich.

Also, ich glaube schon, wir sind auf dem Weg, ganz offen und ganz problemorientiert.

Es ist ein Abwägungsprozess. Ist es das wert angesichts der Summe der Leute, die tatsächlich eventuell infiziert reisen? Ist das eine so große Bedrohung, dass es den möglichen Ak zeptanzverlust in der Bevölkerung aufwiegt? Da wird näm lich gesagt: Wir verstehen nicht mehr, was ihr wollt. Das ist ein Eingriff; und ihr macht uns dabei etwas vor.

Mir geht es wirklich darum – – Ich zitiere da gern auch Jens Spahn. Er hat schon recht gehabt. Er hat in unserer GMK zu dem, was über das Wochenende so lief, gesagt: Die Kakopho nie über das Beherbergungsverbot birgt die Gefahr, innerhalb von drei Tagen die Akzeptanz einzubüßen, die wir uns in sie ben Monaten erarbeitet haben. Und das wollen wir nicht ris kieren.

In dieser Gewichtung bin ich natürlich für die Akzeptanz in der Bevölkerung.

Die nächste Frage kommt von Herrn Abg. Dr. Rapp.

Herr Minister, Sie haben ge rade ausgeführt, dass das Beherbergungsverbot ja bisher kei

ne Anwendung gefunden hat – logischerweise –, aufgrund der fehlenden Infektionszahlen,...

Wir wissen jetzt nicht, wer aus Gütersloh nicht gekommen ist. Das wurde nicht gezählt.

... die wir haben im Vergleich zu jetzt, durch die Hotspots, die nachweisbar sind.

Sie haben jetzt davon gesprochen, dass man künftig auf eine stärkere Differenzierung achten will. Dahin geht meine erste Frage, und zwar – Sie haben jetzt gerade auch von Akzeptanz gesprochen; wir wissen auch, dass so ein Virus wahrschein lich keine Unterscheidung zwischen einem Geschäftsreisen den und einem touristisch Reisenden macht –: In welcher Wei se kann eine derartige Differenzierung Sinn machen? Das ist die erste Frage.