Protocol of the Session on October 14, 2020

Sie haben gewusst, dass es darauf hinausläuft. Nur weil Sie sich nicht einig sind, haben Sie die Begrifflichkeit nicht mehr richtig angewandt. Ich behaupte – auch wenn der Rechnungs hof das nicht zum Thema gemacht hat –, dass Sie mit dieser Sache – das kann man prüfen – den Geist der Verfassung, von dem unsere Änderung damals getragen war, nicht getroffen haben. Sie haben das so gewählt, weil Sie das entsprechend entscheiden wollten. Zunächst hatten Sie geplant, dass hier im Landtag gar keine Abstimmung darüber stattfindet. Sie sag ten: „Das gilt einfach fort.“ Jetzt haben Sie mit einem Antrag nachgezogen.

Das ist nicht in Ordnung, meine Damen und Herren. Ich sage Ihnen: Wir lassen uns das von Ihnen nicht gefallen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wir sind natürlich froh, dass Sie den Kommunen finanziell zur Seite stehen. Aber ich will auch ganz klar sagen: Frau Mi nisterin, vielleicht nehmen Sie die Gelegenheit wahr, uns ei ne Aussage der Regierung dazu zu geben, ob sie – ich fände das schön – auch im Jahr 2021 und den Folgejahren den Kom munen bei den Gewerbesteuerausfällen zur Seite steht. Das ist in diesem Haushalt nicht verankert. Es ist aber notwendig, weil der Bund nicht ein weiteres Mal die Verfassung ändern und dies möglich machen wird.

Das Land versteht sich laut Ministerpräsident Kretschmann als Partner der Kommunen – auch wenn er das nicht lebt. Jetzt ist das Land wirklich gefordert. Wie sieht es mit der Gewer besteuer in den kommenden Jahren aus? Ich bin der Meinung: Auch hier muss das Land Baden-Württemberg Flagge zeigen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Es ist nicht erkennbar, ob der Nachtragshaushalt wegen der Coronakrise oder zur Transformation eingebracht wurde. Sie

soufflieren das ein bisschen, weil Sie merken, dass die Maß nahmen nicht alle auf die Coronakrise passen.

Tatsache ist: Der Rechnungshof hat Ihnen attestiert, dass vie le Punkte nicht in diesen Haushalt gehören. Im Einzelnen kön nen Sie da erklären, was Sie wollen.

Auch müssen Sie sich fragen lassen, ob die Maßnahmen, die Sie jetzt für den Herbst und den Winter ergreifen, vom Timing her wirklich richtig sind. Denn viele der Maßnahmen, die et wa im Wirtschaftsteil angelegt sind, wirken gar nicht unmit telbar. Sie wirken nicht jetzt, sondern vielleicht in zwei Jah ren. Das ist Saatgut, das sicher sinnvollerweise ausgestreut werden kann – auch in einem normalen Haushalt; es müsste nicht in diesem Nachtrag sein –, aber man muss sich schon einmal fragen, ob es in den kommenden Monaten tatsächlich die erhoffte Wirkung erzielt.

An dieser Stelle sei auch an den etwas tragikomischen Auf tritt des Ministerpräsidenten im Rahmen der Ersten Beratung erinnert. Er musste der Opposition unbedingt vorhalten, sie füttere mit ihrer Kritik Mäuse, während er natürlich der Mann sei, der die Tiger und die Elefanten füttert. Zunächst einmal muss man sagen: Für die ehemalige Graswurzelpartei ist das eine tolle Rhetorik.

(Heiterkeit des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Was würde Baldur Springmann sagen? Aber es ist schon all mählich auch eine Hybris, die hier eintritt. Wir wissen ganz genau, dass wir das Ganze ohnehin nur zu einem geringeren Teil in der Hand haben, sodass wir auch nicht in der Lage sind, hier zu sagen: „Das ist etwas für die Elefanten, das ist etwas für die Mäuse“, solange die Regierung überhaupt keine Zah len hinterlegt. Der Mann hat sich hier hingestellt, ohne das, was er für Elefanten- oder für Tigerfütterung hält, mit Zahlen belegen zu können.

Man fragt sich, ob ihm seine Umgebung schon so viel dazu souffliert hat, wie groß doch seine wirtschaftspolitischen Auf tritte sind, dass er sich ungesichert auf solche Sachen einlässt. Ich fand es in höchstem Maß peinlich, wie da jemand so alt testamentarisch zornig fragt: „Was habt ihr denn für eine Ah nung, was für große Räder ich hier wirtschaftspolitisch bewe ge?“ Ich finde, das war unangemessen, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Ich will zum Ende sagen – Frau Präsidentin, ich sehe das ro te Licht aufleuchten –: Wir, die SPD, werden die Anträge hier einbringen, die wir für richtig halten, weil sie wirken, wenn sie umgesetzt werden. Die kommunale Seite muss gestärkt werden. Wir brauchen Weiterbildung in diesem Land. Deswe gen wollen wir einen Weiterbildungsfonds.

(Zuruf des Abg. Tobias Wald CDU)

Wir wollen für „Zukunft Schule“ etwas tun – deswegen Nach hilfe und Lehrereinstellung –, und wir wollen, dass wir auch eine Unterstützungstransfergesellschaft im Land haben. Das wären Maßnahmen, die wirken würden, und das wären Maß nahmen, die nahe an den Menschen sind. Deswegen haben wir diese Vorschläge eingebracht. Ich glaube auch, dass wir

damit die Menschen im Land überzeugen, weil sie merken, dass dann im Landtag in einer Zeit der Unsicherheit über die unmittelbare Zukunft nachgedacht wird und nicht über Maß nahmen, die die Regierungsfraktionen zum eigenen Profil un bedingt noch durchbringen wollen.

Deswegen: Dieser Haushalt, meine Damen und Herren, ist keiner, dem man wirklich seine Zustimmung geben kann – weder vom Verfahren noch vom Inhalt her.

Herr Kollege Wald, Sie haben von „Totalausfall“ gesprochen. Überlegen Sie sich lieber, ob Sie vielleicht, um noch etwas zu retten, auf die Vorschläge der Opposition eingehen. Dann könnte es vielleicht eher sein, dass dieser Haushalt ein Ge sicht erhält und kein Totalausfall wird.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Nun spricht für die AfDFraktion Herr Abg. Dr. Podeswa.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Gerade ha ben SPD und FDP/DVP die Einsetzung eines Untersuchungs ausschusses beantragt. Dabei geht es um eine Summe von ma ximal 20 Millionen €.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Gut, wenn man die gleiche Rede zweimal halten kann!)

Das entspricht von der Größenordnung her einem Zehntau sendstel des Landeshaushalts. Wir verhandeln hier zu später Stunde in Zweiter und Dritter Beratung gemeinsam über 7 Milliarden €.

(Vereinzelt Lachen – Zurufe: „Zu später Stunde“! – Abg. Reinhold Gall SPD: Muss das Mittagsschläf chen heute ausfallen? – Unruhe)

Eine Blankoermächtigung über 7 Milliarden €, und nieman den scheint es zu interessieren. Unter dem Deckmantel der Feststellung, dass es sich bei der Coronapandemie um eine Naturkatastrophe handelt, wollen sich die Regierungsfraktio nen eine Blankoermächtigung in dieser schier unfassbaren Größenordnung genehmigen.

Alle Oppositionsfraktionen – SPD, FDP/DVP und AfD – se hen in diesem Haushalt eine ganze Reihe offensichtlicher fi nanzieller Fehlentscheidungen, die nichts, aber auch über haupt nichts mit der Coronakrise zu tun haben, aber – wen wundert es? – sehr viel mit dem anstehenden Wahlkampf.

Ein Schuldenhaushalt, wie es ihn in der Geschichte des Lan des Baden-Württemberg noch niemals in dieser Höhe gab, soll beschlossen werden, ein kaum kaschierter Wahlkampfhaus halt, wie es ihn in der Geschichte des Landes Baden-Würt temberg in dieser – auch Herr Kollege Hofelich hat es ja eben angedeutet – absolutistischen Ausprägung auch noch niemals gab. Dies alles schuldenfinanziert über 30 Jahre, weil wohl weislich die Schuldentilgung erst ab 2024 einsetzen soll, al so zulasten einer ganzen Generation. Das ist wahrlich nach haltig. Das ist grün-schwarze Politik.

Herr Wald, wenn Sie sich hier hinstellen und von einem be sonnenen, vorbildlichen, weitsichtigen Haushalt reden, kann ich Ihnen nur entgegenhalten: Dieser Haushalt ist wirklich nachhaltig. Er wird die zukünftigen Generationen sehr nach haltig belasten und in ihren Möglichkeiten einschränken.

(Beifall bei der AfD)

Dass die CDU dabei trotzdem gute Miene zum bösen Spiel macht, ist nicht verwunderlich. Sie bekommt dafür auch nicht 30 Silberlinge, sondern 3,5 Milliarden € zur Blankoverwen dung. Herr Kollege Hofelich hat auch das bereits erwähnt. Ich brauche das nicht zu wiederholen. Dieser vorgelegte Nach tragshaushalt ist in dieser Form nicht abstimmungsfähig und ist ein Wunschkonzert der Regierungsfraktionen.

Sie wollen rund 14 Milliarden € Schulden aufnehmen, aber zur Deckung aller Ausgabenwünsche der Landesminister und Parteifreunde reichen auch diese 14 Milliarden € überhaupt nicht aus. Schließlich ist Wahlkampf. Da darf es noch etwas mehr sein.

Ganz nebenbei und wohl in der Hoffnung, dass es niemand merkt, haben Sie die globalen Minderausgaben in der Finanz verwaltung von 60 Millionen € auf 320 Millionen € ausge weitet. Das heißt, die Finanzministerin wusste gar nicht mehr, wie sie die überbordenden Ausgabenwünsche ihrer Kollegen im Kabinett bedienen sollte, und hat dort einfach einmal 260 Millionen € mehr an globalen Minderausgaben angesetzt.

Globale Minderausgaben sind Mittel, die im Gesamthaushalt eingespart werden sollen. Der einzige Schönheitsfehler hier bei ist: Kein Mensch weiß, wo, und es passiert auch selten.

Sie wollen also gegenüber dem verabschiedeten Haushalt rund 14,3 Milliarden € – nennen wir es so – anders verwenden. Oh ne Zweifel haben Sie damit eines schon jetzt erreicht: Sie ha ben mit einem Haushalt von 62 Milliarden € einen neuen Re kord aufgestellt. Sie haben mit 60 Milliarden € Landesschul den einen Allzeitrekord aufgestellt, und Sie haben nach neun Jahren Regierung auch einen neuen Rekord bei der Zahl von Beamten und Landesangestellten aufgestellt. Alles Rekorde, die voraussichtlich sehr lange ungeschlagen bleiben. Denn diese Zeiten sind vorbei.

Wir haben uns da nicht etwa heimlich mit der FDP/DVP und auch nicht mit der SPD abgesprochen. Die Zahlen der Lan desregierung sprechen einfach für sich, sie sind offensichtlich. Alle Oppositionsfraktionen haben diese Haushaltspolitik der Regierung kritisiert und für vermutlich verfassungswidrig er klärt. Selbst der Bund der Steuerzahler unterstützt im Prinzip unsere Argumentation. Wenn der Präsident des Landesrech nungshofs das dann auch unterstützt und die lange Schulden tilgung als – Zitat – „verfassungsrechtlich fragwürdig“ be zeichnet, ist das sicherlich eine Höchststrafe für eine Landes regierung.

(Beifall bei der AfD)

Bei mir schrillen da alle Alarmglocken. Offensichtlich haben Sie sich dieses Gespür nicht mehr erhalten können. Es ist ja auch objektiv ein deutlicher Anhaltspunkt für eine miserable Regierungsleistung, wenn aus allen involvierten Gruppen die gleichlautende Kritik kommt, und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem Deutschland und noch verstärkt Baden-Württemberg

am Rande einer Deflation stehen. Die Inflationsrate in Deutschland wird im September 2020 voraussichtlich minus 0,2 % betragen. Das hat das Statistische Bundesamt veröffent licht. Das ist nicht Inflation, das ist Deflation, meine Damen und Herren Kollegen. Deflation! Ich glaube, ich muss den Kollegen von SPD, CDU und FDP/DVP nicht erklären, wel ches wirtschaftliche und ökonomische Horrorszenario sich da mit ankündigen könnte.

Ja, wenn der Herr Ministerpräsident sagt: „Wir dürfen jetzt nicht in die Krise hineinsparen“, dann ist das richtig. Nicht richtig jedoch ist, dass er in seinem Haushalt keinerlei Spar anstrengungen unternimmt und sich dieser Aufgabe katego risch verweigert, wie Herr Kollege Hofelich ja schon kompe tent ausgeführt hat.

Und, meine Damen und Herren Kollegen, bergab nicht Voll bremsung zu leisten, das ist möglicherweise durchaus richtig, aber bergab Vollgas zu fahren, das geht schief.

(Beifall bei der AfD)

Und ohne jegliche Gegenfinanzierung fehlt auch beim Bürger jegliches Verständnis für Ihr Regierungshandeln.

Die AfD-Fraktion lehnt diesen voraussichtlich verfassungs rechtlich fragwürdigen Nachtragshaushalt ab, sowohl bezüg lich des zweifelhaften parlamentarischen Verfahrens, das hier angewendet wurde, als auch bezüglich des Inhalts. Die AfDFraktion versteht jedoch die Kritik von SPD und FDP/DVP nicht, wenn diese sich hinterher dem Antrag der AfD verwei gern, einen verfassungsmäßigen Haushalt aufzustellen. Das ist dann pure Heuchelei.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Erklären Sie das Ihren Wählern im Wahlkampf.

Erwähnenswert – das ist in diesen subsumierten Tagesord nungspunkten a bis d tatsächlich das einzige Erwähnenswer te – ist das Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgeset zes und damit der Ausgleich der wegfallenden Gewerbesteu ereinnahmen für die Gemeinden. Selbstverständlich – ich den ke, wir alle in diesem Haus sind uns da einig – ist das richtig, sinnvoll und notwendig. Wie ebenfalls schon von Vorrednern ausgeführt, wird es bei dieser Hilfe des Landtags an die Kom munen des Landes nicht bleiben können. Die AfD-Fraktion wird dieser Änderung des Finanzausgleichsgesetzes zustim men.

(Beifall bei der AfD)