Binden Sie den Landtag ein, wie wir es im Zusammenhang mit der Schuldenbremse vor kurzer Zeit gemeinsam beschlos sen haben.
Denken Sie an die Menschen in diesem Land, vor allem an die, die keine Gipfelgespräche mit dem Ministerpräsidenten führen können.
Prüfen Sie bei jedem einzelnen Punkt ganz genau, ob er wirk lich etwas mit Corona zu tun hat oder nur die Bedürfnisse der Regierungsfraktionen erfüllt.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die letzte Steuerschätzung hat die schlimmsten Befürchtungen nicht be stätigt. Die Bürger von Baden-Württemberg haben auch un ter widrigsten Bedingungen das Schlimmste verhindert. Wir danken allen Bürgern für ihre Motivation, ihren Unternehmer geist und ihren Fleiß.
Die Finanzministerin kann sich gegenüber der letzten Steuer schätzung im Mai über Mehreinnahmen von 1,5 Milliarden € freuen. Da ist es in der Logik der Landesregierung nur kon sequent, wenn, sozusagen als Belohnung, die ohnehin geplan te enorme Schuldenaufnahme noch einmal drastisch ausge weitet wird. 12,4 Milliarden € Schulden waren vor der Steu erschätzung anvisiert; nun ist die große Katastrophe nicht ein getreten, und es werden 1,5 Milliarden € mehr. Da legen wir dann zusätzlich noch mal 1,5 Milliarden € an weiteren Schul den drauf – also 3 Milliarden € in Summe. – Ein Schelm, wer Böses dabei denkt und sich fragt, wann die Landesregierung das Geld denn ausgeben will.
Wenn wir den Nachtrag verabschiedet haben, sind wir bereits im Oktober dieses Jahres. Allein die vom Landesrechnungs hof ständig kritisierten Ausgabereste des Landes belaufen sich auf deutlich über 6 Milliarden €, obwohl es dazu zu einem ganz wesentlichen Teil keine rechtlichen Verpflichtungen und keine Bewilligungsbescheide gibt – Geld also, das einfach üb rig geblieben ist. Dazu kommen dann in diesem Nachtrags haushalt 5,8 Milliarden € Zuführungen an die Rücklagen für Haushaltsrisiken und für das sogenannte Projekt „Zukunfts land Baden-Württemberg“. 6 Milliarden € und dazu nochmals die genannten 5,8 Milliarden €, das ergibt Schulden im Um fang von rund 12 Milliarden €. Es ist völlig ausgeschlossen, dass ein wesentlicher Teil davon noch in diesem Jahr ausge geben wird; wir werden also mit rund 10 Milliarden € an üb rig gebliebenem Geld in das neue Jahr gehen.
Die Landesregierung plant, im Wahljahr 2021 über den größ ten Teil dieses Geldes beliebig verfügen zu können, ohne die lästige Konsultation des Landtags mit den damit verbundenen Diskussionen und ohne den kritischen Blick der Öffentlich keit. Mittel in nahezu beliebiger Höhe an der Öffentlichkeit vorbei – der Wunschtraum jedes Wahlkämpfers!
Einziges offensichtliches Manko für jeden, der sich einen Rest von Anstand und Moral erhalten hat: All dies erfolgt zulasten unserer Kinder. „Kinder dürfen nicht für ihre Eltern haften“ übertitelt denn auch der Bund der Steuerzahler seinen Kom mentar zum Nachtragshaushalt. In 30 Jahren erst sollen diese Schulden getilgt sein. Der Vorsitzende des Landesverbands Baden-Württemberg im Bund der Steuerzahler, Herr Bilaniuk, kommentiert diesen Nachtragshaushalt so:
Damit wird dem Gang in den Schuldenstaat Tür und Tor geöffnet, denn in den nächsten 20 Jahren werden mit Si cherheit neue Krisenszenarien auf das Land zukommen. Und dann folgt die nächste Diskussion über neue Schul den, während die alten Schulden noch bedient werden müssen.
Rund 14 Milliarden € neue Schulden – oder, wie die Landes regierung widersinnig sagt: „14 Milliarden € frisches Geld.“ Ich persönlich sage dazu: Ich weiß nicht, was an der Verun treuung der Zukunft unserer Kinder nun frisch sein soll.
„Natürlich geht das nicht ohne ein mulmiges Gefühl“, gibt Herr Ministerpräsident Winfried Kretschmann öffentlich zu. Herr Ministerpräsident, selten waren wir uns so uneinge schränkt einig. Auch ich habe ein mulmiges Gefühl; ich glau be, das geht schief. 14 Milliarden € neue Schulden; das sind nahezu ein Drittel der 45 Milliarden € Schulden, die alle Re gierungen zusammen seit Bestehen Baden-Württembergs auf gehäuft haben. Ohne Zweifel werden Sie, Herr Ministerprä sident, in die Geschichte eingehen als der Ministerpräsident,
(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Wie kommen Sie eigentlich auf 14 Milliarden €, Herr Kollege? Das stimmt überhaupt nicht!)
der wegen einer Grippewelle mit unterdurchschnittlicher Ster berate die Zukunft des Landes und die Zukunft unserer Kin der ruiniert hat.
Welches Beweises bedarf es dabei für einen normal denken den Menschen noch? Der aktuelle Doppelhaushalt wurde noch im Gefühl des scheinbar ewig währenden Aufschwungs er stellt und basiert heute auf völlig unrealistischen Vorausset zungen. Haben Sie hier reagiert? Wurde der Haushalt ange passt? Haben Sie den von Ihnen selbst geforderten Kassen sturz veranlasst, den die AfD hier, von dieser Stelle aus, schon im März angemahnt hat? Nein und nochmals nein!
Zwar wäre es zu diesem Zeitpunkt, im März 2020, angemes sen gewesen, den Landeshaushalt zu überprüfen,
aber die Landesregierung hat sich kategorisch geweigert. Ein halbes Jahr vor den Landtagswahlen wollte man die Bürger, wollte man die Beamten, wollte man die Angestellten des Lan des nicht erschrecken, und vor allem wollte man sie nicht ver schrecken. Da könnte ja die Landtagswahl beeinflusst werden.
Herr Ministerpräsident, öffentlich sagen Sie, es gebe keine Al ternative zu diesem Kurs, das habe sich aus der Pandemie er geben und sei Ihrer Auffassung nach notwendig. Weiter sag ten Sie – ich zitiere Sie erneut wörtlich –:
„Der Eindruck eines orientalischen Basars ist falsch“, betont Kretschmann. Es gehe ausschließlich um Investi tionen in Zukunftsprojekte.
Nehmen wir Sie also beim Wort. Natürlich geht es nicht um einen orientalischen Basar; da sind wir uns völlig einig. Es geht, wenn überhaupt, um einen schwäbisch-badischen Basar, und insbesondere geht es um einen grün-schwarzen Wahl kampfbasar.
Im Nachtragshaushalt stehen also zur Bekämpfung des Virus, zur Bewältigung der Coronakrise – also um Corona zu be kämpfen, vermute ich – zusätzliche Mittel für die Landesver tretung in Berlin, zusätzliche Mittel für die Landesvertretung in Großbritannien,
zusätzliche Mittel für das Landesmuseum, zusätzliche Mittel für die Landesbibliothek, zusätzliche Mittel für die Kunsthal le in Karlsruhe, natürlich auch zusätzliche Mittel für das ira kische Asylbewerberkontingent – alles, um die Coronakrise zu bekämpfen. Herr Kollege Stoch hatte andere Beispiele an geführt. Ich könnte die Aufzählung endlos fortführen,
tue dies aber aus Rücksicht auf die Redezeit nicht. Außerdem wissen Sie selbst, welche Wahlgeschenke Sie verteilt haben und welche Lieblingsprojekte Sie hiermit umsetzen.
Herr Kretschmann, mit diesem Schuldenhaushalt legen Sie das Land Baden-Württemberg wissentlich in Trümmer. Im März ist Wahl. Dann stimmen die Baden-Württemberger da rüber ab, wer diese Trümmer aufkehren darf.
Dieser Nachtragshaushalt, den die Regierung Kretschmann vorgelegt hat, ist kein Coronahaushalt. Es ist ein Wahlkampf haushalt par excellence –
zulasten unserer Kinder. Verantwortungslosigkeit pur! Wir se hen den Scheinberatungen der Regierungsfraktionen sehr be sorgt entgegen und hoffen, die Bürger von Baden-Württem berg können trotz Ihrer Nebelkerzen, Herr Ministerpräsident, die Realitäten erkennen.
Sie investieren in eine ideologisch getriebene Scheinzukunft. Sie investieren mit Schulden in den Arbeitsplatzabbau. Sie, Herr Ministerpräsident, wollen den Menschen, die vor der In solvenz stehen oder bereits insolvent sind, die um ihren Ar beitsplatz bangen oder bereits arbeitslos sind, Sie wollen den beschämend vielen Rentnern, die Wohngeld beantragen müs sen, Sie wollen den beschämend vielen Kindern in BadenWürttemberg, die armutsgefährdet sind, Sie wollen diesen Menschen, ohne einen Blick auf eine Haushaltskonsolidie rung geworfen zu haben, verkaufen, dass wir hier mit 14 Mil liarden € keinen Wahlkampf und keine entbehrlichen Projek te finanzierten?
(Abg. Udo Stein AfD: Herr Schwarz, Sie sind so still! Die Wahrheit scheint wohl wehzutun! – Gegenruf von der AfD: Den Grünen nicht!)
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde zu Recht ange sprochen, dass auch meine Fraktion im Frühjahr dieses Jah res eine Neuverschuldung von 5 Milliarden € mitgetragen hat, um eine Katastrophe oder eine sich abzeichnende mögliche Katastrophe, nämlich die Coronapandemie, in ihren Auswir kungen abzufedern. Zu diesem Beschluss stehen wir bis zum heutigen Tag, und es war, glaube ich, richtig, der Regierung diesen Handlungsspielraum zuzugestehen.
Auch am heutigen Tag stellen wir uns nicht auf den Stand punkt, zu sagen: Jegliche Neuverschuldung ist tabu. Wir wol len vielmehr grundsätzlich keine neuen Schulden. Aber Sie müssen sich schon fragen lassen, Herr Ministerpräsident, in wieweit diese Neuverschuldung, die Ihre Regierung am heu tigen Tag von diesem Parlament begehrt, mit der Coronapan demie zu tun hat. Man muss sich natürlich auch die Frage stel len: Wo ist das Bestreben, entbehrliche Ausgaben auch zu rückzuführen?
Ausdrücklich sind wir damit einverstanden, das Bundespro gramm zur Stützung der Kommunen kozufinanzieren. Das wä re ja sonst auch widersinnig. Das Bundesgeld ginge verloren, und die Kommunen sind natürlich durch die Coronapandemie bzw. durch die Auswirkungen der Coronapolitik in Kalamitä ten geraten.
Aber das, was Sie uns am heutigen Tag vorlegen, ist nicht ein Haushalt, der sich an einer Pandemie orientiert, nicht ein Haushalt, der sich an den Kommunen orientiert, schon gar nicht ein Haushalt, bei dem an der einen oder anderen Stelle darauf geachtet wird, was entbehrlich ist. Vielmehr wollen Sie am heutigen Tag dem Land Baden-Württemberg, seinen Bür gerinnen und Bürgern und vor allem der nächsten und wahr scheinlich auch der übernächsten Generation unter dem Deck mäntelchen Corona eine Rekordverschuldung zumuten, um sich den künftigen Wahlerfolg 2021 zu erkaufen. Das ist das eigentliche Ziel.