Protocol of the Session on September 30, 2020

Wir haben zusätzlich vereinbart, dass diese Maßnahme zum 31. Dezember 2021 einer gründlichen und kritischen Evalua tion unterzogen wird. Ich glaube daher, dass wir das vorschla gen können.

Zum Thema „Personenkontrollen bei Großveranstaltungen“, einem weiteren Zankapfel bei der Anhörung und der Diskus sion. Dort erkennen wir ebenfalls praktischen Bedarf. Aktu ell sind Kontrollen an sogenannten gefährdeten Orten zuläs sig, sie bewegen sich aber in einem rechtlichen Graubereich. Das ist für die Polizei immer wieder ein Problem. Es handelt sich um einen Graubereich, wenn ein Ort nicht durchgängig ein besonderes Gefährdungsrisiko aufweist, wie beispielswei se ein Bahnhofsvorplatz, sondern nur vorübergehend, wenn dort Veranstaltungen stattfinden. Auch dort müssen polizeili che Tätigkeiten stattfinden, weil es oft genug bei solchen An sammlungen Gefahren gibt; das wissen wir alle. Oft genug kommt die Polizei auch dort in eine kritische Situation, und ihre Einsätze werden auch öffentlich kritisch diskutiert. Ge rade weil das eine schwierige Aufgabe ist und die Polizei un ter ständiger öffentlicher Beobachtung steht, wollen wir, dass sie rechtssicher handeln kann, dass auch der Bürger weiß: Die Polizei hat eine klare Grundlage, gegen die er anschließend Beschwerde einlegen kann, wenn er glaubt, dass ihm Unrecht geschehen ist.

Es gab zwei Möglichkeiten. Die eine Möglichkeit war, man streicht es komplett. Das hielten wir für falsch, weil wir dann die Polizei in dieser Frage einfach im Stich lassen würden. Das wollen wir nicht. Wir wollten einen konstruktiven Lö sungsansatz, und diesen präsentieren wir jetzt. Es ist kein ufer loses Recht, Personen zu kontrollieren

(Abg. Sascha Binder SPD: Natürlich!)

oder Identitäten festzustellen, sondern es ist schon bei der Per sonenauswahl eine erhebliche Sorgfalt an den Tag zu legen. Das steht so im Gesetz drin. Zitat:

... bei der Auswahl der Person ist im besonderen Maße der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten,...

Der Gesetzentwurf enthält die Klarstellung, dass Demonstra tionen nach dem Versammlungsgrundrecht nicht gemeint sind. Dort dürfen also diese Kontrollen nicht stattfinden. Weiter sieht der Gesetzentwurf einen sehr engen Anwendungsbereich vor, nämlich nur, wenn sich im Einzelfall bei einer Veranstal tung konkrete Tatsachen ergeben, dass nach Art und Größe ei ne Gefährdung vorliegt, dürfen Kontrollen überhaupt durch geführt werden. Das ist weit davon entfernt, dass, wie behaup tet wird, jetzt einfach regelmäßig sehr niedrigschwellig Kon trollen stattfinden könnten.

Auch dieser § 27, meine Damen und Herren, wird zum 31. De zember 2021 einer gründlichen und kritischen Evaluation un terzogen werden.

Es wurde bei der Anhörung noch kritisiert, dass Datenschutz regeln weder anwendbar noch verständlich seien. Das trifft nun tatsächlich nicht zu. Es gibt immer eine gewisse Schwie rigkeit, die Rechtssystematik von europäischer Datenschutz gesetzgebung mit deutschem Datenschutzrecht zu vereinba ren. Das gibt es bei jedem Gesetz. Man hätte es anders ma chen können, aber nicht einfacher. Wir finden es richtig, dass das Innenministerium vereinbart hat, dass da eine gründliche Ausbildung und Fortbildung der Polizistinnen und Polizisten für die Anwendung stattfinden wird, und vertrauen darauf.

Was haben wir noch? Wir haben einige kleinere neuere Be fugnisse vorgesehen: Aufzeichnung von Telefonanrufen, Aus kunft an Gerichtsvollzieher und Ähnliches. Das halten wir für machbar.

Was haben wir nicht, meine Damen und Herren? Zur Ge schichte dieser Novelle des Polizeigesetzes gehören auch Vor schläge, die auf der Wunschliste des Innenministers standen, aber nun nicht im Gesetzentwurf enthalten sind:

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Einführung der Onlinedurchsuchung, Ausweitung des Anwen dungsbereichs eines letztlich unbegrenzten präventiven Ge wahrsams, Ausweitung der Schleierfahndung in Grenznähe, Ausweitung der Befugnis zur präventiv-polizeilichen DNAUntersuchung oder auch Ausweitung des großen Lauschan griffs. Das wird sehr gern vergessen, aber es gehört dazu: Hier haben sich die Grünen als bürgerrechtliches Korrektiv be währt, meine Damen und Herren, gegen alle Vorwürfe der letzten Woche.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Es wäre aber sinnvoll gewesen, Herr Kollege!)

Ich finde, das ist wichtig; das ist gar nicht erst im Gesetzent wurf erschienen. Ich bitte Sie, das einmal zu würdigen.

Wenn die Bürgerinnen und Bürger am 14. März 2021 darüber entscheiden, wer sich für Bürgerrechte in Baden-Württemberg

einsetzt, haben wir da ein gutes Gewissen und sehen dieser Entscheidung des Souveräns in Ruhe und Gelassenheit entge gen. Das sind zusammengefasst unsere Vorschläge.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Wir halten das für ein Gesetz, das man machen kann, das auf Bedenken stößt – das räumen wir ein –, das aber so, wie es in der Endformulierung gemacht ist, rechtsstaatlich ist und ver fassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Wir werden die sem Gesetzentwurf zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Blenke.

Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Wir sind auf der Zielgeraden zu einer zweiten Novelle des Polizeigesetzes in dieser Wahlperiode. Es geht darum, europäische Datenschutzvorschriften umzu setzen, und wir wollen die Sicherheit der Bevölkerung weiter verbessern und auch unsere Polizistinnen und Polizisten bes ser schützen – das hat nichts mit dem 14. März des nächsten Jahres zu tun, lieber Kollege Sckerl. Darum geht es bei die sem Gesetz.

Eine wesentliche Neuerung ist – Herr Kollege, Sie haben es schon angesprochen – die Umsetzung der EU-Datenschutz richtlinie. Ich danke dem Landesdatenschutzbeauftragten Dr. Brink für seine konstruktive Mitarbeit. Im Innenministerium wurde gut gearbeitet, und mit dem Landesdatenschutzbeauf tragten wurde gut zusammengearbeitet. Vielen Dank dafür.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Zum Einsatz der Bodycam in Wohnungen und Geschäftsräu men. Die Evaluation nach einem Jahr Betrieb der Bodycam hat gezeigt: Ein Drittel aller Angriffe gegen Polizeibeamte fin den in geschlossenen Räumen statt. Dort ist aber bislang der Einsatz der Bodycam mit ihrer erwiesenermaßen deeskalie renden Wirkung untersagt. Das blendet die Opposition in ih ren Änderungsanträgen völlig aus. Herr Kollege Goll, die FDP meint sogar, dass die Bodycam in Innenräumen gar nichts nützt. Sie meinen also, gerade dort, wo die Beamtinnen und Beamten sie zum Schutz besonders brauchen, sei sie entbehr lich. Da kann ich nur sagen: Wir sagen „on“, nicht „off“, und wir schützen unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

Der dritte Big Point sind die Personenkontrollen bei Großver anstaltungen. Ich sage es verkürzt: Da fehlt Ihnen laut Ihren eigenen Aussagen bis heute das praktische Anwendungsbei spiel. Wie oft, Herr Innenminister, haben Sie das Beispiel der Hochrisikospiele schon genannt?

(Lachen des Abg. Sascha Binder SPD – Abg. Sascha Binder SPD: Das ist das schlechteste Beispiel! – Zu ruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Okay, das Argument verstehen Sie nicht. Ich füge ein wei teres Beispiel hinzu: die großen Weihnachtsmärkte, die die ses Jahr leider nur eingeschränkt stattfinden können. Weih nachtsmärkte sind ein klassisches weiches Ziel: freier Zugang, viele Menschen eng beieinander, und für jemanden, der Schlim mes im Sinn hat, ist es ganz einfach, sich dort unterzumischen und vielleicht eine Bombe im Rucksack zu zünden.

Wir möchten, dass sich die Polizei mit geschultem Blick ver dächtige Personen kurz näher ansehen kann. Darum geht es.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

So holen wir, Kollege Binder, potenzielle Straftäter aus ihrer Anonymität, die vielleicht im Sinn haben, möglichst viele arg lose Menschen zu töten. Das wollen wir verhindern.

Einige Anmerkungen zu der Anhörung am 14. September. Ich schließe mich da den Ausführungen des Kollegen Sckerl aus drücklich an. Der Vertreter der kommunalen Landesverbän de, der Opferschutzbeauftragte und bisherige Generalstaats anwalt Dr. S., der oberste Personalvertreter der Polizei, Ralf Kusterer, die Präventionspraktikerin aus Mannheim, Krimi nalhauptkommissarin T. K., und allen voran Generalstaatsan walt A. B. haben das Gesetz durchweg als wichtig für die po lizeiliche Praxis, als verhältnismäßig, als verfassungsrechtlich vertretbar und als ein gutes Gesetz bezeichnet – alle.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen – Abg. Sascha Binder SPD: Stimmt nicht!)

Doch, alle.

(Abg. Sascha Binder SPD: Stimmt nicht!)

Das heißt, alle Praktiker, teils hochrangige Topjuristen, die wir gehört haben – die hoffentlich auch Sie gehört haben, wenn Sie zugehört haben –,

(Abg. Sascha Binder SPD: Wir haben zugehört!)

stützen den Gesetzentwurf. Selbst der Landesdatenschutzbe auftragte hielt den Einsatz von Bodycams in Wohnungen auf grund des Richtervorbehalts hinsichtlich der Verwertung für vertretbar. Bemerkenswert!

Und was macht die Opposition, was machen SPD, FDP/DVP und AfD in seltsamem Einklang? Sie stützen sich selektiv auf die von Ihnen ausgesuchten Kritiker und ignorieren komplett die genannten Praktiker.

Um es klar zu sagen: Die Opposition entscheidet sich für die Bedenkenträger. Wir, die CDU, stehen für den Opferschutz.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Herr Kollege Dr. Goll, ich schätze Sie wirklich sehr. Aber ich verstehe Sie hier an dieser Stelle nicht. Sie haben ja die An waltsseite in die Anhörung gestellt – völlig in Ordnung. Aber glauben Sie im Ernst, dass es irgendeinen Strafverteidiger gibt, der der Polizei mehr Möglichkeiten in die Hand geben will, seine Mandanten zu überführen? Es war doch absehbar, was von dort kommt.

(Zurufe der Abg. Dr. Ulrich Goll FDP/DVP und Sa scha Binder SPD)

Wir dagegen haben den Generalstaatsanwalt und den ehema ligen Generalstaatsanwalt und Opferschutzbeauftragten be nannt.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Generäle!)

Für uns hat deren Expertise ein ganz besonderes Gewicht. Sie wissen doch selbst – Sie waren Justizminister dieses Landes –, Sie wissen doch besser als ich, dass im deutschen Strafpro zessrecht die Staatsanwaltschaft explizit nicht nur gegen ei nen Beschuldigten, sondern auch zugunsten eines Beschul digten ermitteln muss. Jeder Jurastudent lernt dies im Grund kurs Strafprozessrecht. Das ist so, Herr Professor.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

Das unterscheidet übrigens unser Recht fundamental etwa vom amerikanischen. Die deutsche Staatsanwaltschaft ist per Gesetz zur Objektivität verpflichtet und wird deswegen auch als die objektivste Behörde der Welt bezeichnet. Und die Op position unterstellt ihr, sie wolle einfach immer nur mehr Kompetenzen. Mich erschreckt, ehrlich gesagt, schon, lieber Kollege Goll, dass die Partei, die sich den Schutz des Rechts staats so auf die Fahnen schreibt, den obersten Staatsanwalt dieses Landes schlichtweg ignoriert.

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)