Frau Ministerin, Sie haben gesagt, der Elternwunsch sei für Sie entscheidend. Da haben Sie die FDP/DVP auf jeden Fall an Ihrer Seite. Aus unserer Sicht ist aber die offene Ganztagsschule, wie sie die christ lich-liberale Koalition einst eingeführt hat, ein absolutes Er folgsmodell. Sie garantiert wirkliche Wahlfreiheit, für die Sie sich ja aussprechen. Was haben Sie gegen die offene Ganz tagsschule? Sie wollen sie nicht ins Schulgesetz übertragen. Die Wahl, wie wir sie jetzt haben, ist ja nur die Wahl zwischen ganz oder gar nicht. Was spricht aus Ihrer Sicht gegen die of fene Ganztagsschule?
Zunächst einmal spricht für mich gar nichts gegen flexible Angebote. Nur glaube ich, dass die Verantwortung, wie man das Ganze umsetzt, vor Ort besser aufgehoben ist als unter Schulaufsicht, das heißt unter der Landesaufsicht bzw. der Aufsicht des Kultusministeriums. Da habe ich einen we niger zentralistischen Ansatz als Sie. Dafür bitte ich um Ent schuldigung.
Bei dem, was hinter dieser Verwaltungsvereinbarung, die der Bund und eine Länderkommission verhandelt haben, steht – ich lege nochmals Wert darauf, klarzustellen, dass ich und das Kultusministerium nicht in dieser Kommission saßen –, geht es nicht nur um die jetzt anstehenden 750 Millionen €. Das ist nur die erste Tranche. In den nächsten Jahren möchte der Bund für Investitionen in diesem Bereich 3,5 Milliarden € zur Ver fügung stellen. Und es geht darum, bis 2025 – so der Koaliti onsvertrag von Schwarz-Rot in Berlin – einen Rechtsanspruch auf den gebundenen Ganztag, auf Ganztagsbetreuung an der Grundschule einzuführen.
Dem Wunsch kann man folgen. Nur müssen wir schon heute darauf achten, wie er umgesetzt wird, weil ich mir nicht vor stellen kann, dass dies ausschließlich das Land mit Lehrerin nen und Lehrern finanzieren kann. Das wäre der falsche An satz. Vielmehr brauchen wir gerade für dieses Konzept in Zu kunft starke kommunale Partner, starke außerschulische Part ner. Mit dieser Entscheidung heute wird vorgegeben, wie es in der Förderung und der Bewertung vom Ganztag in den nächsten Jahren seitens der Bundesregierung weitergeht. Des halb ist es entscheidend, jetzt die Weichen richtig zu stellen und jetzt keine Fehler zu machen, die uns in vier oder fünf Jahren wieder einholen. Das nenne ich Weitsicht und nicht Geisterfahrt.
Deshalb geht es darum, dass wir Qualitätsstandards definie ren. Dazu sind wir bereit; das habe ich Frau Bundesministe rin Giffey auch gesagt. Unsere kommunalen Landesverbände haben überhaupt keine Sorge, diese zu definieren. Der Teil des Zitats, den Sie weggelassen haben, ist aber, dass der Bund den Ganztag lediglich unter Länderhoheit, unter Schulaufsicht und nicht unter kommunaler Aufsicht fördern will.
Ja, wir haben 16 Bundesländer, und diese kommunale Rege lung gibt es nur in Baden-Württemberg. Die Zahlen belegen, wie hoch diese von den Eltern geschätzt wird. Deshalb bietet das föderale System – wir nehmen den Föderalismus ernst – auch die Möglichkeit, deutlich zu sagen, dass wir nicht zufrie den sein können, auch wenn 15 andere Länder eine andere Grundlage haben und zufrieden sind. Es ist, mit Verlaub, im föderalen System auch kein neuer Ansatz, dass ein Bundes land seine Interessen durch Verhandlungen, durch Gespräche deutlich macht. Wir sind nun mal nicht alle gleich. Das ist ge lebter Föderalismus. Das akzeptieren die anderen Bundeslän der auch, weil es durch alle Politikfelder keine neue Erkennt nis ist, dass Länder – mal Bayern, mal Nordrhein-Westfalen, mal das Saarland – aus unterschiedlichen Erwägungen heraus Beschlüsse korrigiert haben wollen, weil sie nicht zur Politik vor Ort passen. Das ist föderal. Deshalb ist das auch nichts Besonderes, sondern ein Vorgang, wie wir ihn häufig sehen.
Jetzt bleibt noch der Vorwurf – da stehen knapp 100 Millio nen €, 97 Millionen € im Raum –: „Eisenmann verweigert die Geldannahme.“ Ich bin Schwäbin. Ich nehme alles, was man mir gibt.
Nur: Wie sieht es denn mit der Finanzierung aus? Ich habe vorhin schon gesagt: Die Zielsetzung im Jahr 2014 war der gebundene Ganztag an 70 % aller Grundschulen, weil die El tern das wollten. In der freien Wahl sind es tatsächlich 20 % – und das, obwohl in der letzten Legislaturperiode noch die Entscheidung getroffen wurde, kommunale Angebote gar nicht mehr zu fördern, um den Druck vor Ort, den gebundenen Ganztag einzuführen, zu erhöhen.
Zur Frage des Geldes: Es ist so, dass 2006 die damalige Lan desregierung die Vereinbarung mit den kommunalen Landes verbänden geschlossen hat, jedes Jahr in 50-Millionen-€Tranchen – im Endausbau 450 Millionen € – in den Ausbau des gebundenen Ganztags zu investieren. Das wurde 2014 in der Gesetzgebung fixiert. Von diesen 450 Millionen € habe ich noch immer 200 Millionen € auf dem Konto liegen. Wir haben ausreichend Geld, um den gebundenen Ganztag umzu setzen. Da kommen die knapp 100 Millionen € jetzt noch obendrauf. Die nehme ich dankend.
Nur, zu glauben, dass wir irgendetwas blockieren, ist natür lich absurd, weil gar kein Antrag gestellt wird. Ich befürchte, es wird auch dann kein Antrag gestellt, wenn die Mittel vom Bund kommen, weil das den Schulstandort, die Eltern, die Lehrkräfte und die Kommunen vor Ort gar nicht interessiert. Denen geht es um das Konzept und nicht darum, wer das
Ganztagsangebot finanziert. Deshalb können wir die Mittel – Stand heute – gar nicht ausgeben, weil der Bedarf gar nicht da ist. Sonst wären ja die 200 Millionen €, die wir seit vielen Jahren im Haushalt haben, schon lange abgeflossen.
Ich blockiere nichts, sondern ich will die Mittel dort einset zen, wo man sie braucht, nämlich in flexiblen Angeboten. Das ermöglicht der Bund momentan nicht.
Das ist die Grundlage, und da verhandeln wir, weil es um die Sache geht, weil es darum geht, wirkliche Wahlfreiheit mit hoher Qualität zu ermöglichen.
Wenn der Bund sagt, er wolle diese und jene Qualitätszusi cherung haben: sehr gern. Das habe ich Frau Giffey auch schriftlich übermittelt. Ich glaube, wir stellen uns dieser Dis kussion. Nur geht es hier eben nicht darum, zu sagen: Wir ma chen nur dieses oder jenes. Die Errungenschaften, die wir in Baden-Württemberg haben, die Wahlfreiheit und die Bürger nähe unserer Angebote, ob im verbindlichen Ganztag nach § 4 a des Schulgesetzes unter Schulaufsicht oder unter kom munaler Trägerschaft, sind die Stärke dieses Standorts. Dass wir dies verteidigen, ist keine Blockade, es ist auch keine Geisterfahrt, auch kein Skandal, sondern es ist gelebte Poli tik im Sinne der Bürgerinnen und Bürger.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin! Man ist sich ja manchmal nicht hundertpro zentig sicher, ob man mit dem Titel einer Aktuellen Debatte ins Schwarze trifft.
Das war eine rhetorische Geisterfahrt. Das ging völlig an dem vorbei, was wir in den letzten Tagen hier erlebt haben. Ich muss sagen: In Kopplung mit dem, was die Regierungsfrak tionen hier vorgetragen haben – das waren ja sehr getrennte Vorträge; das muss man schon sehen –, war das insgesamt ei ne eher gespenstische Veranstaltung heute Morgen.
Herr Röhm, ich sage immer: Wir sind Vertreter des Bildungs föderalismus. Wenn Sie hier vorn an diesem Podium stehen und verzweifelt danach winseln,
dass auf Bundesebene Qualitätsstandards reingeschrieben wer den müssten, ist das nicht unsere Haltung. Das wollen wir nicht.
Wir glauben schon, dass dies das Land Baden-Württemberg erledigen kann. Aber wenn Sie sagen, Sie brauchen dafür den Bund, dann ist das, um ehrlich zu sein, ein Armutszeugnis der CDU hier im Haus.
Wir, Baden-Württemberg, können das. Darum lässt der Bund übrigens auch völlig offen, ob es offene, gebundene oder teil gebundene Ganztagsangebote sind.
Dazu hat ja auch die Ministerin aus guten Gründen nichts ge sagt, weil sie nämlich in ihren CDU-Videofilmchen die Un wahrheit sagt.
Sie sagt den Familien, den Eltern, den Trägern, den Kindern die Unwahrheit ins Gesicht, wenn sie behauptet, der Bund würde hier in eine Gebundenheit reindiktieren.
Vor der Schulaufsicht – das hat Frau Eisenmann ja sogar zur Presse gegeben – hat sie nur deshalb Hemmungen, weil sie kein Geld bezahlen will. Ich finde, mit dem permanenten Spar hammer kann eine Kultusministerin nicht durch ein Land rei sen, in dem Bildung und Bildungsgerechtigkeit, Entlastung der Familien und Unterstützung der Eltern mit zu den größ ten Aufgaben gehören.
(Heiterkeit – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bra vo! Jetzt wird es spannend! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)