Protocol of the Session on July 22, 2020

(Beifall)

Sie müssen verhindern, dass Billigprodukte aus Südamerika, aus Osteuropa oder aus Asien importiert werden, indem Le bensmittel, die aus diesen Räumen kommen und die nicht nach unseren Vorstellungen produziert werden, mit einem Ein fuhrverbot belegt werden oder auf solche Produkte so hohe Zölle fällig werden, dass es keinen Sinn mehr macht, diese hier am Markt anzubieten.

(Beifall)

Dann haben Sie eine Chance, dass die deutschen Bauern, die deutschen Landwirte, die baden-württembergischen Landwir te tatsächlich umbauen und Ihnen folgen, dass sie Ihren Weg mitgehen. Das ist aber nur dann der Fall, wenn sie sicher sind, dass sie ihre Produkte zu dem Herstellungspreis mit einer klei nen Gewinnmarge auch am Markt platzieren können. Nur dann gelingt dieser Umstieg. Solange Sie tatsächlich globa len Handel in diesem Bereich ohne Vorschriften zulassen, so lange wird dieser Umbau nicht gelingen. Was dann eintreffen wird, ist der Tod der bäuerlichen Landwirtschaft, der famili ären Landwirtschaft in Baden-Württemberg.

(Beifall)

Da gehen Sie einen Weg wie auch im Automobilbau in Ba den-Württemberg. Diesen Weg sind Sie in diesem Bereich auch schon erfolgreich gegangen.

(Zuruf)

Die Ideen sind richtig und gut. Wir alle wollen uns in einer le benswerten Natur aufhalten; wir wollen uns eine Umwelt er halten, die lebensfähig bleibt. Wir müssen aber auch ehrlich sein und uns eingestehen, dass die Gesetze, die dazu notwen dig sind, und die Vorschriften manchmal mit unserer freiheit lichen Globalisierungsidee in Konflikt stehen und deshalb nicht zu den Lösungen führen können, die wir uns vorstellen, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Machen Sie sich hier ehrlich, und verstecken sich nicht hin ter Ihrer Ideologie, dass alles, was Sie wollen, was Sie sich auf die Fahnen schreiben in den Bereichen Landwirtschaft,

Umwelt, Tierwohl ohne einen gesunden Protektionismus mög lich wäre.

Danke schön.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, während der Tisch hier desinfiziert und gereinigt wird, bitte ich Sie bzw. speziell Herrn Abg. Lede Abal, sich in seiner Wortwahl auch bei Zwischenrufen parlamentswürdig zu ver halten. Ich habe das selbst nicht gehört.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Moment, Herr Abg. Lede Abal. Jetzt habe ich das Mikro fon, und Sie hören bitte zu. Wir haben in der letzten Woche im Präsidium darüber diskutiert, wie die Debattenkultur hier im Haus sein sollte. Wir waren uns alle einig. Ich finde, das hat in den letzten Sitzungen wunderbar geklappt, und das soll ten wir auch weiterhin so handhaben. Vielen Dank.

(Beifall)

Jetzt erteile ich das Wort für die FDP/DVP-Fraktion Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Rülke.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Herr Abg. Lede Abal, ich wäre an Ihrer Stelle wirklich ru hig.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Ich habe nur eine Frage des Kollegen beantwortet!)

Dann beantworten Sie diese bitte so leise, dass es hier vorn nicht stört. Vielen Dank.

(Beifall)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, Sie haben den Gesellschaftsvertrag beschworen. Sie haben sich selbst zitiert, zunächst einmal Ihre erste Regierungserklärung 2011. Viele in diesem Haus haben das auch noch im Ohr: Po litik des Gehörtwerdens. Das haben Sie dann später relativiert mit der Politik des „Nicht-unbedingt-Erhörtwerdens“. Sie ha ben mittlerweile auch selbst eingestanden, dass sich Ihre Hal tung zur direkten Demokratie verändert habe.

Das ist doch auch klar. Sie haben am heutigen Tag zwar Marx nicht zitiert, aber das Sein bestimmt bei Ihnen schon das Be wusstsein. In der Opposition ist manchmal – wir wissen auch, wovon wir reden – direkte Demokratie angenehmer als in der Regierung.

(Vereinzelt Beifall)

Aber was Sie am heutigen Tag geschafft haben, ist schon be merkenswert: dann trotzdem das Hohelied der direkten De mokratie zu singen und zu erklären: Das ist das, was wir woll ten; wir haben die Quoren abgesenkt, und das Ganze war jetzt ein Musterbeispiel direkter Demokratie.

Also, ich stelle fest: Die Grünen und auch Sie persönlich ha ben Jahrzehnte darum gekämpft, dass es Volksbekundungen

ob es jetzt ein Volksantrag oder ein Volksbegehren sein mag – in diesem Land gibt und die Bevölkerung dann entscheidet.

Jetzt haben wir zum ersten Mal in diesen Jahrzehnten ein Volksbegehren erlebt, das tatsächlich von unten aus der Be völkerung kam. Und was haben Sie gemacht? Sie haben es abgewürgt, weil Ihnen die Stoßrichtung des Volksbegehrens unangenehm gewesen ist. Dieses Volksbegehren hat also über haupt nicht stattgefunden. Das wollen wir einmal festhalten.

Auch der Volksantrag, den Sie am heutigen Tag beschworen haben – darauf komme ich noch –, ist viel weiße Salbe.

Sie haben schon ein bemerkenswertes Meisterwerk vollbracht – davon war doch die Rede: Zwei Minister hätten eine Meis terleistung vollbracht. Sie haben heute auch eine Meisterleis tung vollbracht, Herr Ministerpräsident. Sie haben die direk te Demokratie beschworen, dann haben Sie sie abgewürgt, und dann haben Sie sich noch selbst dafür gelobt, dass so viel direkte Demokratie in Baden-Württemberg stattgefunden ha be.

(Beifall)

Ich habe mir einmal notiert, welche großen Philosophen Sie am heutigen Tag zitiert haben – Hannah Arendt war nicht da bei; die Frauenquote war also nicht erfüllt –:

(Zuruf)

Aristoteles, Hobbes, Locke, Rousseau; Goethe kam dann auch noch ums Eck.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Rülke fehlt!)

Nein, ich fehle nicht. Ich rede jetzt, und zu Ihnen wurde am heutigen Tag schon genügend gesagt.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Wen Sie aber vergessen haben, ist der eigentliche Urvater Ih rer heutigen Rede, nämlich Machiavelli. Das, was Sie am heu tigen Tag hier zum Thema „Direkte Demokratie“ geäußert ha ben, Herr Ministerpräsident, war ein Meisterwerk machiavel listischer Dialektik, nämlich direkte Demokratie in BadenWürttemberg zu verhindern, weil sie unangenehm ist, und sich dann auch noch dafür zu feiern. Das ist das Ergebnis, das wir am heutigen Tag feststellen.

(Beifall)

Das Volksbegehren hat also nicht stattgefunden. Da hatte man Angst vor dem Ergebnis. Man hat sich dann mit den Initiato ren hingesetzt und hat gefragt: Was können wir tun, damit ihr mit diesem Volksbegehren aufhört – das wir doch eigentlich über Jahrzehnte so toll fanden? Dann gab es einen Volksan trag mit 85 000 Stimmen: die Reaktion auf dieses Volksbe gehren.

(Zuruf)

Von mir aus auch 90 000 Stimmen. Ich wollte etwas zurück haltend sein, nicht, dass Sie sagen, ich übertreibe. Denn die se 90 000 Stimmen – wenn es 90 000 waren – richten sich ja gegen das Volksbegehren. Die waren offensichtlich nicht ein verstanden mit der Zielrichtung des Volksbegehrens.

Jetzt schauen wir uns einmal die Reaktion dieser Koalition auf den Volksantrag an: viel Lyrik, viel weiße Salbe. Da steht dann das Lippenbekenntnis von dem Artenschutz als gesamt gesellschaftlicher Aufgabe. Da steht, man wolle den flächen deckenden Erhalt der heimischen Landwirtschaft. Aber was in Ihrem Gesetz steht, das nachher dann vermutlich beschlos sen wird, ist das Gegenteil des flächendeckenden Erhalts der heimischen Landwirtschaft.

Dann ist die Rede von stimmigen Rahmenbedingungen für fa miliengeführte Agrarbetriebe – „stimmige Rahmenbedingun gen“. Das Tollste findet sich dann in Abschnitt III. Da ist die Rede davon, dass die Belange dieser familiengeführten Land wirtschaft mit dem Biodiversitätsstärkungsgesetz aufgegrif fen würden. Sie erklären im Grunde der Landwirtschaft in Ba den-Württemberg: Das, was wir jetzt beschließen und was euch die Beine wegschlägt, ist genau das, was ihr wollt.

(Beifall – Zuruf: Ja!)

Diese machiavellistische Dialektik ist schon bemerkenswert.

Dann werden die Leute noch mit einem Prüfauftrag beruhigt.

(Zuruf)

Ja, wir haben Erfahrungen mit Prüfaufträgen. Das ist schon richtig. – Das Anliegen der Landwirtschaft wird auf einen Prüfauftrag verschoben. Was heißt denn Prüfauftrag? Diese politische Erfahrung hat mittlerweile jeder, der schon einmal mit Koalitionen zu tun hatte: Prüfauftrag bedeutet Beerdigung dritter Klasse. Das ist genau das, was Sie den baden-württem bergischen Landwirten in Aussicht stellen: Es wird einen Prüf auftrag geben. Da kann man sicher sein, meine Damen und Herren, dass bis zum Sankt-Nimmerleinstag nichts, aber auch gar nichts passiert.