Protocol of the Session on July 15, 2020

Besonders wichtig scheinen sie Ihnen nicht zu sein.

Der vorliegende Antrag der Grünen ist bekanntlich vor drei Jahren eingebracht worden, aber nicht erst seit damals hat sich bei den Grünen bekanntlich etwas verändert. Ich spreche die Grünen an, weil sie die Anträge eingebracht haben.

(Abg. Nese Erikli GRÜNE: Gute Anträge!)

Bei der CDU ist sowieso Hopfen und Malz verloren. Wenn da ein zartes Pflänzlein von Bürgerbeteiligung aus dem Boden dringt, dann kommt der Kollege Hockenberger und schüttet E 605 darauf.

(Heiterkeit – Abg. Ulli Hockenberger CDU: Unter stellen Sie mir eine verbotene Handlung? – Weitere Zurufe, u. a.: Mein lieber Mann!)

Manchmal hat man auch den Eindruck, dass Sie gerade den Gemeinderat noch für halbwegs notwendig halten.

(Abg. Ulli Hockenberger CDU: Unbedingt!)

Hoffentlich. – Also ich rede nicht zur CDU, sondern zu den Grünen, weil von ihnen die Anträge kommen.

Was da stattgefunden hat, ist ein Prozess, den man damit über schreiben kann: Je länger man die Macht hat, desto lästiger kommt einem das Volk vor.

(Beifall)

Das kommt am besten beim Ministerpräsidenten zum Aus druck, der Ende November letzten Jahres gesagt hat, er be werte direktdemokratische Elemente zurzeit sehr viel vorsich tiger als noch vor ein paar Jahren. Er sagt es wenigstens of fen. Zum ersten Mal offen gesagt hat er das übrigens beim Na tionalpark. Beim Nationalpark wurde sehr schnell klarge macht: Da kann man sich in den Gemeinden die Köpfe heiß reden, aber am Ende wird es im Landtag entschieden, und zwar so, wie er es will. Da stand alles staunend. Das war die Linie, die da vorgegeben war.

Man kann einen solchen Regierungsstil pflegen, aber dann sollte man nicht gleichzeitig so tun, als wäre dieser bürger freundlich und als wäre man an Mitwirkung interessiert. Dann muss man sagen: Wir entscheiden mit der Mehrheit im Land tag, und zwar, was wir wollen. Das wurde dort das erste Mal so richtig deutlich gesagt und kennzeichnet diesen Positions wechsel.

Schauen wir uns andere Beispiele an. Wir hatten in letzter Zeit über die Bürgerbeteiligung auf Landkreisebene gesprochen. Das ist eigentlich ein ziemlich harmloses Unterfangen. Die Evaluation hat auch ergeben, dass da z. B. auf Gemeindeebe ne kein Schaden entstanden ist, kein Geld verschleudert wor den ist. Eine Sache, bei der man hätte sagen können: „Das las sen wir laufen; das machen wir jetzt einfach mal als freundli ches Zeichen.“ Die CDU wollte natürlich auch hier nicht; das ist klar. Aber ich habe eigentlich einen ernsthaften Anlauf von seiten der Grünen bisher vermisst, sich bei der CDU in die sem Punkt tatsächlich durchzusetzen. Das spricht nicht dafür, dass das noch ihr Markenkern ist. Das muss ganz klar gesagt werden.

(Beifall)

Auch das Beispiel Kitagebühren will ich nennen. Wir sind nicht inhaltlich für die Abschaffung der Kitagebühren, aber wir wären natürlich für die Beteiligung des Volkes gewesen. Es wäre übrigens schwierig genug geworden, in relativ kur zer Zeit 700 000 Unterschriften zu sammeln. Aber die Art, wie das von vornherein unterbunden wurde, mit juristischen Ar gumenten, über die man sich streiten kann, halten wir nicht

für richtig. Ich kenne auch das Urteil; das ist klar. Aber Sie wissen auch, dass die eine Hälfte der Juristen so sagt und die andere so. Hätte man gesagt: „Das machen wir jetzt“, dann wäre die Sache vor überhaupt kein Gericht gekommen, und das wäre auch nicht schlimm gewesen. Aber es wurde auch verhindert.

Das sind sozusagen Meilensteine in dieser Legislaturperiode, bei denen man merkt: An Bürgerbeteiligung ist diese Landes regierung nicht interessiert, und die Grünen setzen sich nicht durch bei einem Thema, das einmal ihres war.

(Beifall)

Nächstes Thema: Sanierung der Oper. Da wurde schnell klar, dass es auch da zu keiner Abstimmung kommen wird. Dabei muss man vielleicht sagen, dass dieses letztgenannte Thema, bei dem die Bürgerbeteiligung schnell ausgeschieden ist, viel leicht ja auch geeignet ist, das Pro und Kontra eines Plebis zits durchaus zu diskutieren. Wir sind auch nicht so blauäu gig, dass wir da nur sagen: Das Plebiszit ist das Allheilmittel.

Aber weil Sie, Frau Erikli, Rottweil so betont haben: Rottweil ist auch ein Beispiel, über das sich trefflich streiten lässt. In Rottweil gab es einen einstimmigen Gemeinderatsbeschluss. Ich frage mich, was ein Gemeinderat in Rottweil zu dem denkt, was hinterher passiert ist. Denn eine Anstalt ist immer eine etwas unpopuläre Geschichte. Wenn dann ein Gemein derat einstimmig für einen Standort votiert – vor Jahren –, dann finde ich es nicht gut, wenn man dieses Paket noch ein mal aufmacht. Jetzt steht die Anstalt noch immer nicht – sie wäre sonst seit fünf Jahren in Betrieb –, und sie kostet drei mal so viel wie geplant.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Genau!)

Ob das ein gutes Beispiel ist?

(Beifall)

Ich komme zum Schluss. Man kann durchaus pro und kontra diskutieren. Aber was nicht geht, ist, weil es am einen Ende nicht redlich ist, wenn die Grünen versuchen, sich mit solchen Anträgen als Anwälte der Bürgerbeteiligung zu inszenieren. Das sind sie schon lange nicht mehr.

Danke schön.

(Beifall)

Frau Staatsrätin Erler, bit te, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin ja die Verkörperung des sogenannten Schmierentheaters, das so tut, als ob wir die Bürger beteiligen. Wir diskutieren anhand des Themas „VwV Öffentlichkeitsbeteiligung“.

Eine kleine Rückschau: 2011 wurde ich in dieses Amt beru fen. Der Ministerpräsident hat mich gefragt: „Wie kann man es in Zukunft verhindern,“ – das wurde schon zitiert – „dass Konflikte so irrsinnig eskalieren?“ Das geht ja wohl nicht nur mit Plebisziten. Man kann auch nicht zu jedem Thema einer kommunalen und sonstigen Entscheidung Plebiszite durch führen. Also sagte er zu mir: „Bitte erarbeite einen Leitfaden,

der dann in eine Verwaltungsvorschrift mündet.“ Ich habe mir am Anfang gedacht: Na ja, wie soll das gehen, und was wird das bedeuten?

Es kam die Redakteurin Mariam Lau von der ZEIT und frag te mich: „Was wollen Sie denn nun tun, um das Thema anzu gehen?“ Ich sagte: „Ich soll einen Leitfaden erarbeiten.“ Sie sagte: „Mein Gott, wie technokratisch!“

Aber, meine Herren, meine wenigen Damen, meine mehr Da men auf dieser Seite,

(Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf)

es ist wirklich so. Sie haben das richtig erkannt. Wir sind bei des Pudels Kern: Wie geht eine Politik des Gehörtwerdens? Es ist so: Wenn Sie jetzt mal im Land unterwegs wären – –

(Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Ich wundere mich ja: Sie kommen doch alle aus Ihren Wahl kreisen. Schauen Sie sich doch mal um, was in vielen Kom munen und an vielen Orten genau mit den Prinzipien dieser VwV erreicht wurde. Die Kultur der Beteiligung in BadenWürttemberg, die Praxis der Beteiligung – erst mal des Lan des – bei Straßenbau, Hochwasserschutz usw. hat sich deut lich verändert.

Es gibt auch Fehler. Es gibt auch Fälle, bei denen ganz am Schluss, nach langen Prozessen unsere Ministerien plötzlich kalte Füße bekommen und einen Prozess einfach zumachen, wo ich dann sage: „Um Gottes willen, das war doch gar nicht nötig.“ Ja, das kommt vor.

Aber wir haben Hunderte von guten Beteiligungen, z. B. zu letzt in Metzingen zu dem Schwimmbad. Damit haben wir gar nichts zu tun.

(Vereinzelt Lachen – Zurufe)

Die beherzigen dieses Prinzip. – Wir nicht! – Die beherzigen heute, wenn Sie sie fragen, die Prinzipien. Was sind die Prin zipien? Fange früh an, bevor gemalt, gezeichnet und geplant ist. Diskutiere mit den Menschen das Ob und das Wie. Wenn das Ob zu problematisch ist, dann raten wir immer: Lass die Finger davon.

Außer beim Fall Haiterbach. Da möchte ich Ihnen sagen: Das Land ist gar nicht zuständig. Diese merkwürdige Bundeswehr samt dem KSK müsste die Bürgerbeteiligung machen. Das ist ein super Träger für Bürgerbeteiligung, wie Sie alle wissen. Deswegen haben wir diese Schwierigkeiten der Kommunika tion mit der Bundeswehr. In diesem Fall war das Land nur Vermittler.

Wir sind kein Vorhabenträger. Ich als dumme Staatsrätin ge he immer dorthin und versuche, diesen armen Bürgern das zu erzählen, was bei der Bundeswehr nicht offengelegt wird, und wir werden selbst schlecht genug informiert.

(Beifall)

Das ist nicht Beteiligung – das behaupten wir gar nicht –, es ist ein notdürftiger Versuch, mit einem unwilligen Bauträger die Kommunikation zu den Bürgern, die sonst gar nichts wis sen, aufrechtzuerhalten. Das ist nicht unsere Schuld. Ich wür de das anders machen, und wir hätten das anders gemacht.

Grundprinzip der Beteiligung ist: Geh früh rein, bilde ein Gre mium, in dem nicht nur die Eliten sitzen. Selbst wenn wir kei ne Zufallsbürger nehmen, machen wir immer ein Beteili gungsgremium. Darin sind z. B. die Landfrauen, Eltern, auch mal Jugendliche. Je nach Thema schaut man auf eine Mi schung der Generationen und Geschlechter. Da sind wir ext rem erfolgreich – seit wir die Zufallsbürger nutzen, noch mehr.

(Beifall)

Wir praktizieren aber auch andere Bürgerbeteiligungsformen. Wir machen es nicht frontal.

Herr Stoch und die Herren von der AfD, zur großen Liebe zum Plebiszit:

(Zuruf)

Ich war in dieser Kommission, als wir um die Gemeindeord nung gerungen haben. Die SPD hat niemals – auch nicht bei der Verfassungsänderung – gesagt, es solle keinen Finanzie rungsvorbehalt geben. Das war nie Thema. Wenn überhaupt, hat der arme Herr Sckerl vielleicht mal in diese Richtung ge redet.

(Vereinzelt Beifall – Oh-Rufe – Zurufe, u. a.: Un glaublich! – „Der arme“! – Unruhe)