Protocol of the Session on June 25, 2020

Ich höre sofort auf, Frau Präsidentin, aber dieses Lob möch te ich noch loswerden.

Es ist nicht übertrieben, zu sagen: Mit Ihnen und auch mit der obersten Landesbehörde LfDI hat der Datenschutz in BadenWürttemberg einen qualitativen Sprung nach vorn gemacht. Das finden wir sehr gut. Vielen Dank für Ihre Arbeit.

(Beifall – Der Redner versucht, sein Manuskript vom Redepult aufzuheben.)

Das Problem ist, dass das Papier immer klebt, wenn die Flä che frisch desinfiziert wurde.

(Heiterkeit)

Entschuldigung.

Manche kleben am Ses sel, und Sie kleben am Pult.

(Heiterkeit – Zurufe)

Liebe Frau Kollegin Gentges, Sie dürfen das Pult auch aus probieren.

(Zuruf der Abg. Marion Gentges CDU)

Ja, aber auch noch, wie es gegen Abend klebt.

Verehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Dr. Brink! Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber die meisten Unterla gen, die ich auf meinen Schreibtisch bekomme, gehe ich sys tematisch durch, in aller Regel von vorn nach hinten. Ich ge be zu: Das ist bei den Berichten des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Würt temberg anders. Ich stöbere erst einmal in den Einzelfällen.

Dort treffe ich z. B. auf die „Liste der Auffälligen“ der Stadt Tübingen, in deren städtischen Unterkünften untergebrachte Asylsuchende erfasst werden, die als gewaltbereit bekannt

sind. Auffällig ist dabei, dass die Stadt Tübingen offenbar die Kooperation mit dem Landesdatenschutzbeauftragten verwei gert.

Dort treffe ich auch auf den Abschied des Landesdatenschutz beauftragten von Twitter nach einer Entscheidung des Bun desverwaltungsgerichts, weil dieser Schritt eine Debatte über Social-Media-Präsenz öffentlicher Stellen ausgelöst hat.

Dort lese ich natürlich auch von den stichprobenartigen Kon trollen der Bodycameinsätze. Da gab es Kritik, weil in eini gen Fällen des Einsatzes die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben und Daten auch zu lange gespeichert worden sind. Diese Kritik wurde aber aufgenommen und in eine bessere Ausgestaltung des Vorgangs umgesetzt.

Ich nenne aber auch den Fall der E-Mail eines Jobcenters, das einen Bescheid per E-Mail unverschlüsselt versenden wollte und einen Fehler bei der Eingabe der E-Mail-Adresse gemacht hat. Die E-Mail-Adresse war falsch, aber es gab sie, das heißt, ein Namensvetter hat den Bescheid erhalten. Man stellt sich das anders vor.

Ich nenne den Postkartenversand einer Führerscheinstelle aus Kostengründen. Das betreffende Landratsamt hielt es offen bar für eine gute Idee, auf einer offenen Postkarte Bürgerin nen und Bürger anzuschreiben, um ihnen mitzuteilen, welche Unterlagen, vielleicht sogar welche medizinische Bescheini gung, für den Führerschein noch fehlten und welche Gebüh ren noch offenstünden.

(Zuruf)

Offen gestanden: Das geht den Postzusteller und die Nachba rin, die im Urlaub den Briefkasten leert, nichts an.

(Vereinzelt Heiterkeit – Zurufe)

Diese Fälle machen deutlich: Datenschutz ist nicht abstrakt, sondern ist ganz konkret. Es wird ganz konkret, wie schwie rig es manchmal ist, alles richtig zu machen. Es wird deutlich, dass die Bereitschaft zum Datenschutz unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Und es wird auch deutlich, welche Folgen Da tenpannen haben können.

Ich gebe es zu: Mich persönlich hat Datenschutz auch schon mal genervt.

Meine Tochter besucht ein Gymnasium. Zoom funktioniert technisch prima, BigBlueButton funktioniert bei uns im Haus halt ungefähr 15 Minuten, dann ist es vorbei. Aber ich kenne die Hintergründe. Ich sehe, dass die Voreinstellungen eben nicht in Ordnung waren und sich Dritte einschalten konnten, dass es möglich war, dass nicht nur der Lehrer Inhalte teilen konnte, sondern möglicherweise auch Dritte, und zum Teil pornografisches Material hochgeladen wurde. Das will ich nicht.

Insofern stehe ich hinter der Warnung, die Ihre Behörde aus gesprochen hatte. Ich finde es gut, dass Zoom dann auch re agiert hat, sodass die Warnung gestern aufgehoben werden konnte. Es hat sich gezeigt, es war das richtige Vorgehen.

(Beifall)

Nachdem die Datenschutz-Grundverordnung im Mai 2018 in Kraft getreten war, stand 2018 zunächst die Beratung im Mit telpunkt der Arbeit Ihrer Behörde. 2019 hat die Kontrolle ei nen stärkeren Anteil erhalten. Es wurde deutlich – kurz zu sammengefasst –: Je kleiner die Einheit, desto größer die Pro bleme. Diese Kritik an der Datenschutz-Grundverordnung tei len wir.

Zusammenfassend hatten Sie, Herr Dr. Brink, im Ständigen Ausschuss gesagt, Sie seien eigentlich sehr zufrieden – eine gute Bewertung. Sie bescheinigen großes Interesse an der Be ratung und stellen fest, dass Beanstandungen überwiegend ernst genommen und umgesetzt werden.

Ihnen, Herr Dr. Brink, und Ihrer Behörde darf ich namens mei ner Fraktion gleichfalls gute Arbeit und – das ist mir beson ders wichtig – das notwendige Fingerspitzengefühl beschei nigen und mich von Herzen für Ihre Arbeit bedanken.

(Beifall)

Jetzt hat Herr Kollege We ber für die SPD das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrter Herr Dr. Brink! Die Datenschutz-Grundverordnung ist vom Kollegen Sckerl schon angesprochen worden. Auch wir haben natürlich Interesse an einem kritischen und konstruktiven Dialog dazu. Denn – der Kollege Sckerl hat es angesprochen – gerade im ehrenamtlichen Bereich gibt es hier noch viele Fragezeichen. Ich möchte mich da vorweg gern anschließen.

Ich möchte auch festhalten, dass uns gerade die Coronapan demie deutlich gemacht hat, dass im Zuge der wahnsinnig schnellen Digitalisierung, die wir in den letzten Wochen er lebt haben, der Datenschutz noch einmal zentraler in die De batte gerückt ist. Ich sage nur: Homeoffice, Homeschooling, Corona-Warn-App – das sind alles Stichworte in den letzten Wochen, die den Datenschutz noch einmal in den Mittelpunkt gerückt haben.

Ich sage es einmal so: Auch wenn wir zeitlich jetzt in einer Randlage des Parlaments sind, steht bei uns das Thema Da tenschutz im Mittelpunkt der parlamentarischen Debatte. Des wegen danke ich Ihnen, Herr Dr. Brink, für Ihren Tätigkeits bericht und den Bericht, den Sie hier gegeben haben.

Ich möchte, weil es die Kollegin Gentges angesprochen hat, kurz auf das Thema Videokonferenz eingehen. Sie haben das treffend beschrieben. Deswegen möchte ich an dieser Stelle gar nicht so viel Zeit darauf verwenden. Ich schließe mich da an. Es ist ein wesentlicher Hinweis auch von Ihnen gewesen, dass wir damit sorgsam umgehen müssen. Uns freut es natür lich, dass wir durch einen kritisch-konstruktiven Dialog Ver besserungen erreichen. Das zeigt auch, dass Datenschutz nicht zwangsläufig eine Konfrontation ist, sondern man im Dialog Verbesserungen im Sinne von allen erreichen kann.

Weil der Herr Innenminister da ist, möchte ich noch einmal ganz konkret auf das Thema Bodycam eingehen, das Sie auf gegriffen haben. Ich will das in einen Zusammenhang rücken, weil wir am vergangenen Samstag auch ganz schwierige Ge fahrenlagen gesehen haben. Da ist es, glaube ich, umso wich tiger, dass die Beamtinnen und Beamten das Rüstzeug haben,

um wirklich konkret zu wissen: Wie kann ich den Einsatz kon sequent und richtig bewerkstelligen? Deswegen ist der Dia logprozess auch hier wichtig. Noch einmal die Botschaft: Ge rade ein kritisch-konstruktiver Dialog ist wichtig.

Sie alle wissen: Es steht noch das Thema „Einsatz von Body cams in Wohnungen“ im Raum. Auch da setzen wir auf den kritisch-konstruktiven Dialog, weil wir die grundsätzliche Ver pflichtung des Schutzes des Wohnraums beachten und berück sichtigen möchten.

Ich möchte an dieser Stelle ganz bewusst auf den Informati onsfreiheits-Tätigkeitsbericht eingehen und ihn auch aus drücklich loben. Ich freue mich auch über das positive Inter esse – bis auf ein Interesse, über das ich gestolpert bin. Dazu möchte ich doch zwei Worte verlieren.

Wenn der Normenkontrollrat auf die Idee kommt, das Infor mationsfreiheitsgesetz sei nur dann sinnvoll, wenn es ein be rechtigtes Interesse gebe, dann hat der Normenkontrollrat – das haben Sie richtig gesagt – das Gesetz nicht verstanden – um es ganz deutlich zu sagen. Und da, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss man den Normenkontrollrat auch fragen, ob er wirklich noch in die Zeit passt, wenn er Gesetze kritisiert, deren Inhalt er offensichtlich nicht versteht.

Weil Sie das Thema Transparenz angesprochen haben: Unse re Dialogbereitschaft hierzu kann ich Ihnen zusichern. Wir freuen uns auch, wenn wir da in die Debatte gehen.

Ich will den Kollegen Lede Abal an einem Punkt, der auch mir aufgefallen ist, zitieren. Die „Liste der Auffälligen“ macht mich an dieser Stelle schon schwer nachdenklich. Ich glaube, da gibt es erheblichen Klärungsbedarf, der in diesem Fall auch von Ihnen, glaube ich, innerparteilich beantwortet werden muss. Denn ein Oberbürgermeister einer Stadt wie Tübingen ist kein König, sondern er ist im Gefüge des Rechtsstaats zu Hause. Er muss sich an entsprechende Pflichten und Rechte halten und muss Menschen sowie deren Rechte schützen, lie be Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall – Zurufe, u. a.: Es ist, wie es ist! – Was mei nen Sie, was wir da schon versucht haben?)

Wir helfen da gern auch kritisch von außen.

(Zuruf: Dann mal vorwärts!)

Aber ich glaube, das ist innerparteilich bei Ihnen gut verortet. Deswegen wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei Ihrem weiteren Prozess an dieser Stelle. Aber ich lege Ihnen doch schwer ans Herz, da auch ein bisschen mit Nachdruck dran zu sein.

Ich will ganz kurz noch einmal auf das Thema Datenschutz zurückkommen, weil es ja zentral in der Debatte ist. Ich fin de es wichtig, dass mit dem Aufbau des Schulungszentrums ein wesentlicher Baustein von der beratenden und begleiten den Behörde – Dienstleister eben auch – gewährleistet wird, dass wir diesen Dienstleistungsgedanken für die vielen Ak teure im Bereich des Datenschutzes hier in den Mittelpunkt stellen.

Ich will getreu Ihrem Motto „Bye-bye, Twitter“ noch etwas sagen. Ich kann nachvollziehen, dass Sie Twitter verlassen ha ben, aber ich glaube schon, es gibt staatliche Institutionen –

ich denke da an die Polizei –, bei denen es für Gefahrenlagen ganz wesentlich ist, auf einem schnellen, breiten Informa tionskanal in den Dialog treten zu können. Deswegen bin ich da für eine etwas andere Haltung. Aber Ihnen alles Gute.

Danke schön.

(Beifall)