Die Finanzministerin wird ja nicht müde, zu betonen, dass ei ne Verschuldung von rund 1 Milliarde € schon beim letzten Doppelhaushalt – unter Maßgabe der Verfassungsänderung – möglich gewesen wäre. Das stimmt auch. Aber, Frau Sitz mann, erwarten Sie von der Opposition tatsächlich, dass wir Sie loben, nur weil Sie in Zeiten der höchsten Steuereinnah men in der Geschichte Baden-Württembergs ohne neue Schul den ausgekommen sind? Das können Sie nicht von uns erwar ten; das ist nämlich eine reine Selbstverständlichkeit.
Die Ausnahmeregelungen innerhalb der Schuldenbremse sind sinnvoll, bedeuten aber nicht, dass man sie immer bis zum Äußersten ausreizen muss. Sie definieren lediglich eine Ober grenze für die Neuverschuldung und sind an bestimmte Vor aussetzungen gebunden, auf deren Einhaltung wir, das Parla ment, ein besonderes Augenmerk werfen werden. Sie können sicher sein, dass wir das tun und unserer Rolle als Haushalts gesetzgeber auch weiterhin gerecht werden. Das galt in der Vergangenheit ohne und das gilt in Zukunft mit der Schulden bremse. Auch deshalb können wir der sinnvollen Verfassungs änderung nur zustimmen.
(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Achtung, klebrig! – Gegenruf des Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Ja, das stimmt!)
Frau Präsidentin, vielen Dank für den Hinweis. Ich lege eine Klarsichtfolie drunter, dann klebt meine Mappe vielleicht nicht fest.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Dass wir heute in Dritter Beratung eine Änderung der Landesverfassung beschließen, um die Schuldenbremse auf zunehmen, ist eine sehr gute Entscheidung. Ich bin dankbar, dass wir in konstruktiven Gesprächen seit Beginn des Jahres 2018 nun zu einer einmütigen Änderung der Landesverfas sung gekommen sind.
Ich finde es – jenseits des wichtigen Inhalts der Verankerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung – in diesen Ta gen wichtig, dass wir zeigen, dass unsere Demokratie vom Kompromiss lebt und dieser über Fraktionsgrenzen hinweg trägt. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiges Signal in der heu tigen Zeit.
Wir haben uns innerhalb des Verfahrens – im Jahr 2018 hat ten wir insgesamt fünf fraktionsübergreifende Sitzungen im Finanzministerium – nicht nur die Landesverfassung ange schaut. Wir haben uns auch mit der Opposition über die ein fachgesetzlichen Regelungen, die keiner Zweidrittelmehrheit bedürfen, geeinigt. Dass dies gelungen ist, freut mich sehr.
Wir haben jetzt – Gott sei Dank – mit der Änderung der Lan deshaushaltsordnung im Rahmen der Haushaltsberatungen in § 18 bereits einfachgesetzlich das vorweggenommen, was jetzt verfassungsrechtlich geregelt werden soll. Dies war die Grundlage dafür, dass wir bereits im März von der Möglich keit einer Kreditaufnahme im Fall einer Naturkatastrophe Ge brauch machen konnten. Der Landtag hat die Regierung er mächtigt, bis zu 5 Milliarden € an Krediten aufzunehmen.
Weiter hat der Landtag eine Naturkatastrophe festgestellt, ei nen Tilgungsplan festgelegt, einen Nachtrag beschlossen – und das alles binnen eines halben Tages. Wenn eine krisen hafte Situation eintritt, kann die parlamentarische Demokra tie sehr schnelle Abstimmungen und Einigungen möglich ma chen.
Gerade in der Coronakrise ist es wichtig, dass wir Luft zum Atmen haben. Hätten wir keine Änderungen auf den Weg ge bracht, würde die grundgesetzliche Schuldenbremse gelten. Das hätte bedeutet, dass wir keine Kredite aufnehmen kön nen. In Anbetracht der riesigen Herausforderung, vor der wir stehen und in der wir gerade leben, wäre vermutlich eine noch viel schwierigere Situation entstanden.
Herr Podeswa, Sie haben die Zahlen der Steuerschätzung ge nannt. Von Verheimlichen kann keine Rede sein. Wir haben diese Zahlen, sobald die Berechnungen für Baden-Württem berg vorlagen, via Pressemitteilung veröffentlicht. Ich weiß nicht, woher Sie den Vorwurf nehmen, irgendetwas sei ver heimlicht worden. Ganz im Gegenteil, sobald wir die Zahlen hatten, haben wir diese offen kommuniziert.
Einen kleinen Moment bitte, Frau Ministerin. – Es geht hier um eine Verfassungsän derung. Ich darf Sie um ein bisschen Aufmerksamkeit und Ru he bitten.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Es geht um Größenordnungen von minus 3,3 Milliarden € in diesem Jahr, minus 3,5 Milliarden € im kom menden Jahr, und Stand heute ist die Perspektive für die wei teren Jahre auch nicht sehr rosig; sie liegt bei etwa 3,7 bis 3,8 Milliarden € pro Jahr.
Das macht ganz deutlich, dass die zehn guten Jahre, die wir jetzt hinter uns haben, erst einmal zu Ende sind und vor uns eine lange Wegstrecke liegt. Diese Anstrengungen werden so wohl, was die Gesundheit, die Prävention, die wirtschaftliche Unterstützung, als auch, was die Haushalts- und Finanzpoli tik betrifft, gewaltig sein, und natürlich stellt auch eine Kre ditaufnahme, so wichtig sie ist, eine Zukunftsbelastung dar. Dessen muss man sich bewusst sein.
Sie haben hier im Parlament fraktionsübergreifend beschlos sen, dass ab 2024 pro Jahr 500 Millionen € getilgt werden müssen.
Frau Ministerin, ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Stickel berger zulassen, nachdem jetzt auch wieder etwas mehr Ru he im Raum herrscht.
Vielen Dank. – Frau Minis terin, Sie sind jetzt auf die aktuelle Haushaltslage eingegan gen. Kollege Wald hat vorhin – was auch unserer Meinung
entspricht – deutlich gemacht, dass er eine Haushaltssperre nicht befürwortet. Eine Haushaltssperre hat er ausdrücklich abgelehnt – zu Recht, wie ich meine, in Anbetracht der Kre ditbewilligungen, die wir im März beschlossen haben, und der 1,2 Milliarden € aus dem anderen Topf.
Bis wann rechnen Sie mit einem Nachtragshaushalt? Die ak tuelle Steuerschätzung wirft ja die Zahlen, die bisher im Haus halt zugrunde gelegt sind, über den Haufen, sodass aus unse rer Sicht eine Anpassung des Haushalts geboten ist. Wie stel len Sie sich dazu?
Lieber Herr Kol lege Stickelberger, ich gehe davon aus, dass wir in diesem Jahr einen Nachtrag zum Doppelhaushalt brauchen werden. Die entscheidende Frage ist, wann wir diesen aufstellen. Sie alle haben gelesen, dass die Steuerschätzer des AK Steuerschät zung zum ersten Mal in der Geschichte beschlossen haben, nicht nur im Mai und im November eine Steuerschätzung zu machen, sondern auch eine außerordentliche im September.
Das heißt, die Situation ist sehr volatil. Wir haben jetzt Zah len, aber es kann gut sein, dass diese Zahlen sich ändern. Sie alle kennen auch die Konjunkturprognosen, die durchaus – –
Sie alle kennen die Konjunkturprognosen, die zwar unterschiedlich sind, aber alle deutlich nach unten zeigen.
Die entscheidende Frage wird sein: Wie entwickelt sich die Konjunktur? Haben wir ein V, sprich das Wachstum geht jetzt deutlich zurück und es gibt eine relativ zügige Erholung? Das war die Steuerschätzung der Bundesregierung im Frühjahr: minus 6,3 % im Jahr 2020, plus 5,6 % im nächsten Jahr. Es könnte auch sein, dass es kein V wird, sondern ein U. Das heißt, dass wir eine längere Zeit mit niedrigerem Wachstum haben werden. Das schlimmste Szenario wäre aber das L: Ei ne Erholung findet nicht statt und das Wachstum verharrt län gere Zeit auf einem niedrigen Niveau.
Die Volatilität der wirtschaftlichen Entwicklung hängt nicht nur an uns, sondern auch an folgenden Fragen: Wird es mög lich sein, das Infektionsgeschehen dauerhaft auf einem nied rigen Niveau zu halten? Wird es eine zweite Welle im Herbst oder Winter geben? Wird es anderswo eine Infektionswelle geben, die dann z. B. Lieferketten wieder unterbricht? Wie gut ist die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen in unserem Land? Wie lange können sie mit den angebotenen Hilfen zu rechtkommen? All das sind offene Fragen. Deshalb, glaube ich, tun wir gut daran, noch ein wenig Zeit ins Land gehen zu lassen, bevor wir uns an einen Nachtrag machen.
Außerdem sollte für uns immer gelten, dass all das, was wir in Baden-Württemberg tun, auch abgestimmt ist mit dem, was zukünftig eventuell auf europäischer Ebene kommt, und mit dem, was die Bundesregierung auf den Weg bringen will.
Unser Credo ist: Wir verzahnen, und wir ergänzen da, wo es für Baden-Württemberg richtig und wichtig ist. Wie Sie alle wis sen, hat die Bundesregierung – Bundesfinanzminister, Bun deswirtschaftsminister und andere – angekündigt, dass sie sich Anfang/Mitte Juni intensiv beraten wird, um die Frage zu klä ren, welche konjunkturellen Impulse wie gesetzt werden sol len. Ich rate dazu, nicht ungeduldig zu werden und mit dem Nachtrag zu warten, bis eine möglichst genaue Abschätzung der zukünftigen Entwicklung vorliegt. Im schlimmsten Fall könnte ansonsten Folgendes passieren: Wir machen jetzt ei nen schnellen Nachtrag, und in drei Monaten machen wir wie der einen. Das wollen wir definitiv nicht, meine Damen und Herren.
Aber lassen Sie mich noch etwas zur Zukunftsbelastung sa gen. Auch auf der kommunalen Seite gehen die Zahlen mas siv zurück: minus 3,6 Milliarden € in diesem Jahr, minus 2,3 Milliarden € im kommenden Jahr. In diesem Jahr sind laut Steuerschätzung ungefähr die Hälfte davon Einbrüche bei der Gewerbesteuer.
Ich muss Ihnen an dieser Stelle aber auch sagen, dass die Vor schläge, die der Bundesfinanzminister gemacht hat, um den Kommunen unter die Arme zu greifen, für uns kein akzepta bler Weg sind. Zum einen wird etwas in den Raum gestellt – nämlich eine 50-%-Beteiligung der Länder –, ohne dass man mit den Ländern darüber gesprochen hat. Das geht gar nicht, meine Damen und Herren. Zum Zweiten hatten wir eine Ar beitsgruppe – Bund und alle Länder – über die Gleichwertig keit der Lebensverhältnisse. Da ging es u. a. um einen Alt schuldenfonds, und es kam heraus, dass es genau dafür keine Mehrheit unter den Ländern gibt, weil die Betroffenheiten eben extrem unterschiedlich sind. In Baden-Württemberg wür den kaum Kommunen profitieren, wenn alle Schulden, insbe sondere Kassenkredite, mit Bundes- und Landesmitteln über nommen würden. Wir hatten nicht umsonst eine Arbeitsgrup pe. Darüber hinaus kam diese zu dem Ergebnis, dass es viel wirksamer wäre, die Kommunen bei den Kosten der Unter bringung zu unterstützen.
Deshalb: Der Vorschlag vom Bundesfinanzminister ist für uns kein gangbarer Weg. Für beides wären übrigens Änderungen des Grundgesetzes notwendig, denen Bundestag und Bundes rat mit Zweidrittelmehrheit zustimmen müssten. Wie er die se Mehrheit erreichen will, ist aus meiner Sicht völlig frag lich.
Nichtsdestotrotz erwarten wir natürlich vom Bund, dass er sich an der Deckung der Ausfälle aufgrund der kommunalen Steuereinbrüche einerseits und an den Ausgabenzuwächsen andererseits relevant beteiligt. Wir erwarten, dass wir, Bund und Länder, bald in intensive Gespräche darüber eintreten werden.
Herr Kollege Brauer, Sie haben von Mitnahmeeffekten bei branchenspezifischen Hilfen gesprochen. Da frage ich Sie jetzt mal: Sind Sie dafür, oder sind Sie dagegen? Wir haben ein So forthilfeprogramm auf den Weg gebracht, das branchenoffen ist. Wir haben jetzt festgestellt, es gibt besondere Bedarfe im
Bereich der Gastronomie und der Hotellerie; sie sind ja staat licherseits geschlossen worden. Ich habe nun von Ihnen so ein bisschen Kritik an irgendwas gehört, aber eine klare Positio nierung sind Sie uns schuldig geblieben.
Wenn Sie jetzt eine Imagekampagne kritisieren, muss ich sa gen: Selbst durch deren Streichung werden Sie einen Haus halt niemals konsolidieren; das kann ich Ihnen schon verspre chen. Aber wir sind offen für ganz konkrete Vorschläge, wel che Aufgaben wir aufgeben sollen, welche Summen wir da mit einsparen können. Bitte fühlen Sie sich also ermuntert und aufgefordert, hier konkrete Vorschläge zu machen. Da sind wir selbstverständlich diskussionsbereit und beraten das gern mit Ihnen im Finanzausschuss oder auch hier im Plenum.