Protocol of the Session on May 20, 2020

Seien Sie sich wirklich bewusst: Es ist uns klar, was das be deutet – allein die Schulden, die wir jetzt auftürmen müssen. Darum hat das so lange gedauert. Das geschieht nicht, weil wir nachher mit den 1,5 Milliarden € protzen möchten. Das machen wir höchst skrupulös. Ich meine, es gibt auch ein Le ben nach der Krise, und jede Milliarde, die wir jetzt ausgeben, werden wir, wenn sie nicht wirkt, hinterher zu Recht vorge halten bekommen. Deswegen protzen wir nicht damit, dass wir 1,5 Milliarden € ausgeben, sondern wir versuchen, zu be gründen, warum wir das machen. Dabei haben Sie uns gehol fen, diese Schulden machen zu dürfen.

Gern nehmen wir Ihre Kritik entgegen, wenn Sie den Umfang dieser Schulden für zu hoch oder aber für zu gering erachten sollten. Aber eine solche Kritik haben Sie jedenfalls bislang nicht vorgetragen.

Wir sind überzeugt, das sind notwendige Maßnahmen. Wir können in der Krise nicht gegen die Krise ansparen, und wir müssen verhindern, dass eine Insolvenzwelle entsteht, die hin terher dann die Quellen des Reichtums, also die Steuereinnah men, untergräbt. Dies leitet unser Handeln.

Aber seien Sie gewiss – darum geht manches, auch in der Kri se, nicht von heute auf morgen –: Es will alles gut überlegt sein. Mit all diesen Fragen muss man sich in einer Koalition auseinandersetzen, und man muss teilweise auch streiten, um dann zu einem Ergebnis zu kommen, das man verantworten kann. Das sind die Verfahren, nach denen wir vorgehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Meine Damen und Her ren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind nun am Ende von Tagesordnungspunkt 2 angelangt.

Wir treten in die Mittagspause ein und setzen die Sitzung um 15:30 Uhr mit Punkt 3 der Tagesordnung fort. Ich kann Ihnen schon jetzt sagen, dass die Tagesordnungspunkte 8 und 9 auf grund der Absprachen unter den Fraktionen von der heutigen Tagesordnung abgesetzt wurden.

(Unterbrechung der Sitzung: 14:27 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 15:34 Uhr)

Meine Damen und Herren! Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Kunst trotz Abstand – Öffnungspers pektiven und Unterstützung für das kulturelle Leben durch den „Masterplan Kultur BW“ – beantragt von der Frak tion GRÜNE

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung. Wie immer darf ich an dieser Stelle die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Herrn Abg. Sa lomon.

(Zuruf – Vereinzelt Beifall)

Große Erwartungen, vie len Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehr ten Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Wo ran erinnern wir uns? Was bleibt im Gedächtnis hängen? Das sind die Erlebnisse und Erfahrungen mit der Familie und mit Freunden. Das sind Konzerte, Feste, Theaterstücke oder Fil me, die wir zusammen erlebt haben. All diese Erfahrungen und Erlebnisse leben von direkter Nähe.

Leider können wir im Moment nur wenige solcher Momente teilen. Dies wird sich höchstwahrscheinlich in den nächsten Monaten – wie wir in der vorherigen Debatte gehört haben – fortsetzen.

Die Folgen für die Kultur stehen dabei symbolisch für das, was uns Corona abverlangt. Dabei geht es gar nicht um eine Konkurrenz der Themen; alle Themen sind in Zeiten von Kri se und Not gleichermaßen anzunehmen und abzuhandeln, und alle Themen bedürfen des direkten Einwirkens. Aber ich glau be, im Bereich Kultur und beim Stichwort Nähe sieht man die Besonderheit der Situation.

Das Coronavirus trifft den Kern dessen, was Kunst und Kul tur ausmacht: das physische Zusammenkommen von Men schen an einem Ort. Kultur erlebt man mit dem gesamten Kör per und allen Sinnen – hören, sehen, riechen –, Kultur bringt Menschen zusammen, Kultur verbindet.

Das sieht man vor allem an Konzerten. Jetzt geht es nicht um meine und Ihre Erlebnisse, aber beispielsweise werden in die sem Jahr DAS FEST bei mir in Karlsruhe oder die Schloss festspiele Ettlingen ausfallen. Man könnte weitere Beispiele auch aus Ihren Wahlkreisen – auch in Ulm werden Veranstal tungen ausfallen – nennen. Das schmerzt uns alle sehr; denn durch Wärme und Schweiß wird aus Gesellschaft eine Ge meinschaft. Kultur schweißt somit sprichwörtlich die Gesell schaft zusammen.

(Beifall – Vereinzelt Heiterkeit – Zurufe, u. a.: Sehr richtig!)

Vielen Dank. – Aber Sie alle werden die Nachrichten aus dem Kulturbereich vernommen haben. Besonders intensiv und prägend waren für mich die Beiträge, die ich von Chorsänge rinnen und Chorsängern bekommen habe, die noch einmal dargestellt haben, welches Gefühl, welche Emotionen dabei sind, wenn man in der Zugehörigkeit zu einem größeren Ge samtkörper – dem Chor – gemeinsam singen kann. Dieses Er lebnis fehlt jetzt. Auch der gemeinsame Austausch, den man nach dem gemeinsamen Singen hat, fehlt. Daran sieht man, welche Effekte das auch in diesem Fall haben wird.

Also, erwähnt wurde: Kultur lebt von Nähe. Daher geht es nicht um Kultur mit Abstand, sondern – wie auch zutreffend vonseiten des Wissenschafts- und Kunstministeriums erwähnt worden ist – es geht um Kultur trotz Abstand. Dabei hilft auch nicht, dass man – diese Rückmeldung erhalte ich oftmals – mithilfe der Digitalisierung einige dieser Punkte auffangen kann.

Digitalisierung hilft sicherlich in manchen Bereichen weiter, beispielsweise, dass man Events, Veranstaltungen digital über tragen kann. Aber Kultur lebt, wie gesagt, von diesem Mo ment, von diesen Erfahrungen, vom gemeinsamen Teilen sol cher Momente. Daher kann Digitalisierung höchstens ein wei teres Instrument sein, ein weiteres Medium, eine weitere Di mension in dieser Fragestellung, aber es gibt kein Entwederoder, sondern wir müssen dies zusammen denken. Solche For mate sind also durchaus zu begrüßen; aber Kultur lebt von ört licher Präsenz, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Verstehen Sie es nicht falsch: Kultur lebt auch nicht vom Klat schen, was wir derzeit oftmals bei Debatten sehen

(Heiterkeit – Vereinzelt Beifall)

darauf habe ich nur gewartet, dass Sie das machen; vielen Dank für die Vorlage –, sondern wir, die Politik und vor allem auch die Landespolitik, können direkt helfen. Das ist in die sem Fall mit dem „Masterplan Kultur Baden-Württemberg“ passiert. Damit können wir Kultur – genauso wie auch in der Pflege; auch dort ist Baden-Württemberg Vorreiter – unter stützen. Der Masterplan eröffnet nämlich eine differenzierte Öffnungsperspektive.

Diese Differenzierung ist entscheidend. Denn der Kunst- und Kulturbereich ist vielfältig. Singen im Chor – wie erwähnt – und Autokinos bringen in Coronazeiten unterschiedliche An forderungen mit sich.

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Bei diesem Differen zieren leitet uns der Infektionsschutz. Das hat der Minister präsident vorhin auch noch einmal deutlich herübergebracht. Forderungen nach Pauschalöffnungen sind unseres Erachtens unangebracht. Vielmehr müssen wir schauen – – Da leitet uns das Beispiel Kupferzell, das war gestern auch noch mal in den Nachrichten. Dort waren, wie es aussieht, während eines Kon zerts von einem sogenannten Superspreader, der das Virus weitergegeben hat, weitere Personen – wahrscheinlich meh rere Hundert – infiziert worden. Es gibt jetzt auch eine Unter suchung dazu.

(Zuruf)

Daher muss man an dieser Stelle noch einmal sagen: Der In fektionsschutz bedeutet für uns eine Verantwortung. Dieser Verantwortung wird das Wissenschaftsministerium mit unse rer Staatssekretärin Frau Olschowski und Ministerin Bauer und wird die gesamte Landesregierung unter unserem Minis terpräsidenten gerecht. Sie haben das im Blick und stehen an der Seite von Kunst und Kultur, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Was heißt das nun konkret? Da gibt es einen Dreiklang: Öff nen da, wo es vertretbar ist. Wir haben angefangen mit den Museen, den Freilichtmuseen, den Archiven, den Bibliothe ken, den Ausstellungshäusern – also dort, wo es auch aufgrund des Platzes und mithilfe der Schutzvorkehrungen durchaus möglich ist, dass man wieder zusammenkommt. Wir haben bei professionellen Theatern und Orchestern wieder einen Pro benbetrieb unter Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen er möglicht.

Aber ich möchte auch klar sagen: Diese Verantwortung muss allen hier auch klar sein. Kupferzell ist nur ein Beispiel. Wir erleben es auch immer wieder – ich habe das auch heute in den Debatten vorhin wieder erlebt –, dass es nicht darum geht, eine Egonummer daraus zu machen. Es geht nicht an, dass man einfach sagt: „Ich will weitere Öffnungen; ich glaube, es geht weiter“, sondern wir haben auch eine Verantwortung ge genüber den Zuschauerinnen und Zuschauern, also den Men schen vor der Bühne; auf der Bühne haben wir den Künstle rinnen und Künstlern gegenüber Verantwortung, aber wir ha ben auch hinter der Bühne eine Verantwortung, nämlich ge genüber dem Personal, das im weiteren Umfeld arbeitet und ebenfalls seine Gesundheit riskieren würde, wenn wir dort nicht verantwortlich vorgehen. Deshalb muss bei einer Öff nungsdebatte auch in der Kultur der Gesundheitsschutz im mer wieder allererste Priorität haben.

(Beifall)

Herr Abg. Salomon, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Haußmann zu?

Ja, bitte.

Herr Salomon, Sie ha ben gesagt, Sie lassen sich leiten vom Infektionsschutz. Das ist auch wichtig. Würden Sie mir aber dann einfach erklären, inwieweit die Infektionsgefahr unterschiedlich ist, je nach dem, ob jetzt ein Probenbetrieb in der professionellen Musik stattfindet oder im Bereich der Amateurmusik? Wenn ich Sie richtig verstanden habe, gehen Sie davon aus, dass in der Amateurmusik die Infektionsgefährdung größer ist als bei den Profis.

Erstens habe ich das nicht gesagt, und zweitens haben Sie, glaube ich, die Debat te vorhin gar nicht miterlebt.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Doch, ich war die ganze Zeit hier!)

Das scheint mir nicht so, aber ich kann es Ihnen noch ein mal sagen. Worum geht es? Wir dürfen bei Öffnungsdebatten nicht auf den Einzelfall schauen – das bringt meines Erach tens nichts –, sondern wir müssen beim Infektionsschutz auf die gesamte Breite schauen. Das hatten wir auch bei der De

batte über die 800 m2. Darüber kann man ja streiten. Aber es geht immer darum, dass jede Einzelmaßnahme in der Gesamt heit dazu beitragen kann, dass wir mindestens eine Dunkel ziffererhöhung oder eine Risikoerhöhung haben.

Deswegen ist es meines Erachtens richtig – und dazu wäre ich jetzt auch gekommen –, dass wir jeweils sagen, wo es derzeit möglich ist. Natürlich ist es in einem professionellen Betrieb einfacher, gewisse Vorkehrungen zu schaffen; es ist auch fi nanziell und personaltechnisch einfacher. Daher, glaube ich, bringt es nichts, singulär auf eine Sparte, auf einen Bereich zu schauen, sondern wir müssen den Gesamtbereich in den Blick nehmen.

Das ist ja das, was mit dem „Masterplan Kultur BW“ passiert. Wir schauen alles an und differenzieren nach Veranstaltungs arten, wo man öffnen kann. Wir gehen nicht so vor, dass wir stoisch sagen: Wir schauen nur kleinteilig auf die Bereiche. Da, glaube ich, hilft die Debatte von vorhin – diese können Sie sich noch einmal anhören – bei der Erkenntnis in diesem Bereich.

(Beifall)

Ich führe weiter aus: Nachdem wir öffnen, wo es möglich ist, wollen wir auch Perspektiven schaffen, da, wo es kalkulier bar ist. Das ist auch ein wesentlicher Teil des Masterplans, dass wir Theaterbühnen und soziokulturellen Zentren eine Möglichkeit und auch eine Perspektive schaffen, wann stufen weise Öffnungen möglich sind – immer, wie gesagt, unter dem Gesichtspunkt Infektionsschutz.

Da gibt es natürlich die Debatten, die draußen geführt wer den. Einfach abwarten und darauf hoffen, dass auch diese Gruppen, die es derzeit gibt – – Denn Konzerte können mei nes Erachtens nicht regional entschieden werden. Für Kon zerte muss auch im bundesweiten Chor der jeweiligen Län der definiert werden, was Großveranstaltungen sind, damit da nicht weiter vorgeprescht und angeheizt wird, sondern wir im mer geordnet und nach klaren Kriterien Öffnungsdebatten füh ren. Das hilft unseren Kulturinstitutionen und den Künstlerin nen und Künstlern in unserem Land am meisten.

Dann gibt es noch als dritten Punkt innerhalb des Dreiklangs, dass wir auch – in dem Masterplan steht es drin – anderwei tig unterstützen, wo Öffnungen derzeit noch nicht vertretbar sind. Das heißt, dass wir Unterstützungsmaßnahmen ergrei fen, um den Kulturbereichen, die aus epidemiologischen Grün den auf längere Zeit noch nicht öffnen können, mit Geldleis tungen zu helfen, aber auch, dass wir aus der Corona-Sofort hilfe I, die ja fortgeführt wird, mit jeweils 1 180 € die Lebens haltungskosten der Künstlerinnen und Künstler und der Solo selbstständigen decken. Da sind wir bundesweit Vorreiter; das kann sich durchaus sehen lassen. Andere Bundesländer zie hen da nach. Denn wir wollen die Künstlerinnen und Künst ler nicht zu Bittstellern machen, die bei der Arbeitsagentur vorstellig werden müssen, sondern sie haben auch eine Wür de in ihrer Selbstständigkeit, und deshalb sagen wir, wir un terstützen sie direkt. Das sind wir ihnen, meine ich, schuldig. Daher ist das ein wichtiger und richtiger Schritt.

(Beifall)

Wir haben es heute Vormittag auch schon gehört: Wir haben gestern Abend ein Notprogramm Kultur beschlossen. 40 Mil