Protocol of the Session on September 28, 2016

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner ABW: Die Parlaments geschichte ist aber anders, Frau Kollegin!)

Rechte einer qualifizierten Minderheit dürfen auch in Zukunft nicht nach dem Prinzip „Doppeltes Lottchen“ missbraucht und pervertiert werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der Grünen und der FDP/DVP)

Für die SPD-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Binder das Wort.

Herr Präsident, meine Kollegin nen und Kollegen! In Artikel 35 Absatz 1 Satz 1 unserer Lan desverfassung heißt es:

Der Landtag hat das Recht und auf Antrag von einem Viertel seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsaus schüsse einzusetzen.

Der 11. Landtag hat während der Großen Koalition – die Kol legen haben darauf hingewiesen – eine zusätzliche Möglich keit geschaffen, einen Untersuchungsausschuss zu beantra gen, ohne dafür eine der beiden Koalitionsfraktionen zu brau chen. Liest man die Debattenbeiträge vom 21. April 1993, die ich Ihnen wärmstens ans Herz legen darf, so stellt man fest, dass sich damals die große Mehrheit mit guten und nachvoll ziehbaren Gründen eben nicht, wie damals von den Republi kanern gefordert, dafür entschied, das Quorum auf ein Zehn tel der Mitglieder herabzusetzen. Das heißt, der damalige Ge setzgeber, der von zwei Fraktionen ausgegangen ist, deren Mitglieder nicht einer Partei angehören, hat nicht das Quorum herabgesetzt, sondern ein zusätzliches Mittel eingeführt.

Deshalb handelt es sich hier lediglich um eine Klarstellung des damaligen Gesetzestextes. Da man immer auch die dama ligen Begründungen und die damaligen Debattenbeiträge – ich denke, das wissen auch die Juristen in der AfD-Fraktion, so es sie denn gibt – in die Auslegung eines Gesetzestextes mit einbinden muss, ist klar, dass der Gesetzgeber es damals, hätte er die heutige Situation gesehen, genauso formuliert hät te. Deshalb ist es lediglich eine Klarstellung, die die Fraktio nen hier einbringen.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner ABW: Also Unvorsich tigkeit damals! – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner ABW meldet sich. – Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, gestat ten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Dr. Fiechtner?

Nein.

Zum zeitlichen Ablauf: Ich bin ein wenig verwundert über die Pressemitteilung der AfD vom 23. September 2016. Über die Wortwahl selbst bin ich, ehr

lich gesagt, nicht mehr verwundert. Aber den Vorwurf, den Sie dort erhoben haben, wir anderen Fraktionen würden de mokratische Mittel nicht nutzen, sondern benutzen, halte ich für falsch, vor allem vor dem Hintergrund des zeitlichen Ab laufs. Spätestens seit der Beratung in der Präsidiumssitzung zu Beginn der Sommerpause am 26. Juli 2016 ist Ihnen allen bekannt, dass die Fraktionen in diesem Haus, die jetzt diesen Antrag stellen, beabsichtigen, sowohl das Untersuchungsaus schussgesetz als auch die Geschäftsordnung schnellstmöglich zu ändern. Sie konnten daher keinesfalls überrascht sein, dass wir die notwendigen gesetzlichen Änderungen heute, am ers ten Plenartag nach der Sommerpause, in erster und zweiter Lesung beschließen.

Kollege Merz – er ist gerade nicht im Haus – –

(Zuruf von der AfD: Doch! Hinter Ihnen! – Abg. Ni cole Razavi CDU: Er hat sich versteckt! – Abg. Wolf gang Drexler SPD: Warum soll er hier sein? – Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Ich bin hier! – Zuruf: Drehen Sie sich um, Herr Kollege!)

Ah, er steht da. – Herr Merz, wenn Sie sich noch einmal die Mühe machen, in das Protokoll der Präsidiumssitzung vom 26. Juli 2016 zu schauen – es ist nicht zitierfähig –, dann kön nen Sie lesen, was Sie damals sagten. Wenn man sich das an schaut, fragt man sich schon, wie Sie dann selbst eine solche Pressemitteilung verschicken können, wie Sie es jetzt in die ser Woche getan haben.

Spätestens seit dieser Sitzung ist klar, dass wir Handlungsbe darf sehen und dass wir auch handeln. Sie haben dann sehr schnell einen Untersuchungsausschuss beantragt, um diesem Gesetzgebungsverfahren irgendwie zuvorzukommen. Das heißt, Sie können uns nicht vorwerfen, dass wir irgendetwas ausnutzen würden. Die Einzigen, die Rechte für sich ausnut zen, sind Sie und sonst niemand in diesem Parlament.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der Grünen und der CDU – Zuruf von der AfD: Sie haben so viel schon ausgenutzt! S 21!)

Mir bleibt nur – an Ihre Adresse gerichtet –, ein Zitat des ehe maligen SPD-Abgeordneten Wolfgang Bebber aus der Ple nardebatte vom 21. April 1993 in Richtung Republikaner zu wiederholen:

Wie viel Charakter besitzen Sie eigentlich, wenn Sie ei nerseits den Altparteien alle Böswilligkeiten unterstellen, aber gleichzeitig von ihnen Liebesdienste in der Weise verlangen, dass sie Minderheitenrechte einräumen sol len, wie es sie sonst in der ganzen Bundesrepublik nicht gibt?

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Kern.

(Unruhe – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner ABW: Sind nicht zuerst wir dran?)

Nein. Lieber Kollege, nach der Geschäftsordnung sind zu nächst einmal die Antragsteller an der Reihe. Danach geht es

entsprechend der Größe der Fraktionen weiter; dann sind Sie als Redner an der Reihe.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Lesen bildet! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So einfach ist das! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Zuruf von der AfD)

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst etwas sehr Grundsätzliches feststellen. Wir setzen heute ein Zeichen: Die repräsentative Demokratie lässt sich nicht verhöhnen.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Und wir sorgen heute dafür, dass sich Rechtsradikale auch zu künftig an der baden-württembergischen Demokratie die Zäh ne ausbeißen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD)

Im Übrigen würden wir das gegenüber Linksradikalen genau so tun.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP, der Grünen, der CDU und der SPD)

Nach den Beiträgen meiner Vorredner kann ich mich kurzfas sen, was das Thema angeht. Als die Formulierungen zu den zwei Fraktionen in das Untersuchungsausschussgesetz aufge nommen wurden, hatte man im Landtag die Situation, dass die damaligen Oppositionsfraktionen mangels einer Ein-Vier tel-Minderheit keinen Anspruch auf die Einsetzung eines Un tersuchungsausschusses hatten.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Dr. Kern, ge statten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Fiechtner?

(Zurufe: Nein!)

(Heiterkeit – Abg. Nicole Razavi CDU: Neugierig!)

Ja. – Herr Abg. Dr. Fiecht ner, bitte.

Abg. Dr. Heinrich Fiechtner ABW: Vielen Dank, Herr Kol lege. Das spricht für Sie. Ein letzter Rest an Liberalität scheint geblieben zu sein.

(Zurufe)

Sie sprachen von Rechtsradikalen. Ich möchte Sie darum bit ten, näher zu spezifizieren, wen Sie damit genau meinen.

(Zurufe, u. a.: Sie!)

Das mache ich sehr gern. Z. B.: Sie tolerieren in Ihrer Partei bundesweit Leute, die ganz, ganz am rechten Rand sind, die sehr wohl rechtsradikal sind, die Sie nicht aus Ihrer Partei ausschließen.

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Namen!)

Solange Sie solche Menschen in Ihren Reihen tolerieren, so lange sind Sie auch Rechtsradikale.

(Lebhafter Beifall bei der FDP/DVP, den Grünen, der CDU und der SPD – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner ABW meldet sich. – Glocke des Präsidenten)

Ich kann Ihnen die Beispiele hier nennen: Markus Frohnmai er, den kennen Sie.