Protocol of the Session on May 7, 2020

(Zuruf)

Moment, bitte, bevor Sie sich aufregen. – Ich glaube, inzwi schen hat jeder verstanden – das hat auch Ihre Kollegin, Frau Wolle, die jetzt leider draußen ist, gestern gesagt –: Abstand zu halten ist das Gebot der Stunde. Das ist das eine.

(Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD)

Moment, Herr Abg. Räpple!

Das andere: Diese Sitzordnung hier haben wir im Präsidium besprochen und beschlossen – im Präsidium sitzt auch die AfD –; daher bitte ich Sie, sich daran zu halten und mit Ab

stand zu sitzen. Es geht nicht nur um Ihren eigenen persönli chen Schutz – das können Sie handhaben, wie Sie wollen –, sondern es geht auch um den Gesundheitsschutz der anderen Kolleginnen und Kollegen sowie vor allem auch unserer Be schäftigten. Ich bitte Sie, das zu beachten.

Seien Sie sich einfach auch immer wieder darüber im Klaren: Wir sollten als Vorbilder agieren. Deshalb bitte ich Sie noch mals, Abstand zu halten.

Vielen Dank.

(Beifall)

Nun erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Gedeon.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gestern wurde beschlossen, dass die weitere Regie in der Coronapolitik den Ländern obliegt. Das ist ein Sieg des Föderalismus, den ich mit Nachdruck be grüße. Wir sollten ihn auch nutzen, vor allem im Sinne des Parlaments. Das heißt, wir sollten dem Parlament die Rolle geben, dass es nicht zum Abnickverein für die Regierungs maßnahmen wird, sondern die Regie in der ganzen Sache führt. Das ist umso wichtiger, als diese Regierung gerade bei der Exitpolitik eine sehr diffuse, unkonkrete und zögerliche Haltung einnimmt.

Deswegen, meine Damen und Herren, fordere ich jetzt – das wird ein Geschäftsordnungsantrag –, dass sich der Landtag, solange die Coronakrise andauert, einmal in der Woche trifft.

Es war ein Skandal, dass zwischen dem 19. März und dem 29. April, sechs Wochen lang, der Landtag in den Urlaub ge schickt worden ist, gerade in der entscheidenden Zeit der ex ekutiven Maßnahmen.

Also, bitte schön, nehmen wir diese Chance, die wir als Par lament und als Landespolitiker haben, wahr und werden ihr dadurch gerecht, dass wir uns jetzt einmal in der Woche zur Plenarsitzung treffen und dann immer wieder aufs Neue fest stellen: Sind die Maßnahmen noch notwendig, und sind sie angemessen?

Ich fordere also jetzt per Geschäftsordnungsantrag eine Ab stimmung über das regelmäßige Treffen des Landtags einmal pro Woche während der Coronakrise. Bitte stimmen Sie für diesen Antrag.

Danke schön.

Meine Damen und Herren, Sie haben den Geschäftsordnungsantrag von Herrn Abg. Dr. Ge deon gehört. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag abgelehnt.

(Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktionslos] meldet sich.)

Herr Abg. Dr. Gedeon, setzen Sie sich bitte hin. Abstimmun gen sind zu akzeptieren, egal, ob sie einem passen oder nicht.

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Frau Ministerin Dr. Hoffmeister-Kraut.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, ich glaube, es wird auch in dieser Debatte wieder deutlich: Die Auswirkungen der Co ronaviruspandemie auf unsere Wirtschaft und auf unsere Ge sellschaft sind in ihrer Dramatik beispiellos in der Geschich te unserer Bundesrepublik Deutschland. Bei aller berechtig ten Sorge sollten wir aber nicht übersehen, wie viel Großarti ges eben gerade in dieser schwierigen Zeit an vielen Orten in unserem Land geleistet wird.

Deshalb möchte ich den Schwerpunkt der Debatte wieder auf die Menschen richten, die uns in dieser Krise an vorderster Front unterstützen. Es ist mir persönlich ein großes Anliegen, allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu danken, de nen in dieser Krise sehr viel abverlangt wird, sei es, weil sie an vorderster Front gegen das Virus und seine Folgen kämp fen, sei es, weil sie im Homeoffice bereits über viele Wochen hinweg Arbeit und Kinderbetreuung unter einen Hut bringen müssen und dabei nicht selten auch an die Grenzen ihrer per sönlichen Belastbarkeit kommen, oder sei es, weil sie in Kurz arbeit plötzlich mit weniger Einkommen zurechtkommen müs sen, während sie an den laufenden Kosten wenig bis gar nichts ändern können.

Ich danke allen, die sich in Krankenhäusern, in Arztpraxen und Pflegeheimen um alte und kranke Menschen kümmern. Ich danke allen, die in Supermärkten, Bäckereien, Metzgerei en, Apotheken, im Handwerk oder bei Lieferdiensten ihr Bes tes geben, um unseren Alltag aufrechtzuerhalten. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen: Polizistinnen und Polizisten, Reinigungskräfte, auch hier bei uns, gerade im Landtag, die jedes Mal, nach jeder Rede hier das Pult reinigen

(Beifall – Zurufe, u. a. Abg. Karl Zimmermann CDU: Das wird nun immer so gemacht! Denn manche re den so einen Mist! – Heiterkeit)

da bringt aber auch das Desinfektionsmittel nichts –, LkwFahrer, Paketzusteller, die Landwirtinnen und Landwirte in unserem Land. Ja, die Coronakrise kennt viele Heldinnen und Helden, die jeden Tag für uns alle im Einsatz sind.

Nicht zuletzt danke ich auch den vielen freiwilligen Helferin nen und Helfern, die in diesen Wochen für ihre Nachbarn ein kaufen, die ihre Mitmenschen in vielfältiger Weise ganz un kompliziert und kreativ unterstützen. Ihnen allen gebührt un ser größter Dank und unser Respekt.

Auch ich unterstütze die Prämie für die Menschen, die in der Pflege Besonderes leisten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie steht es bei uns mit der Wertschätzung von Arbeit, gerade auch in den weni ger gut bezahlten Berufen? Wie gehen wir wohl nach der Kri se – Frau Reich-Gutjahr, ich gebe Ihnen recht: heute kann noch niemand verlässlich sagen, wann das sein wird – mit die sen Fragen um? Für mich steht zunächst ein Punkt ganz klar im Vordergrund: Wir müssen gegenwärtig alle Anstrengungen unternehmen, damit möglichst wenig Arbeitsplätze verloren gehen. Beschäftigungssicherung ist in dieser Krise alles an dere als ein Selbstläufer. Deshalb haben für mich die Hilfs programme für Unternehmen und Selbstständige im Moment eine sehr hohe Priorität.

An zweiter Stelle möchte ich das Kurzarbeitergeld nennen. Ja, in Baden-Württemberg haben inzwischen 107 000 Betrie be Kurzarbeit beantragt; das ist jeder dritte Betrieb in unse rem Land. Dahinter stehen rund 1,6 Millionen Beschäftigte, die potenziell von Kurzarbeit betroffen sind. Dieses arbeits marktpolitische Instrument ist krisenerprobt; andere Länder beneiden uns darum. Es ist ein intelligenter Weg, um Anpas sungsfähigkeit der Unternehmen mit Beschäftigungssicherung zu verbinden.

Ich halte es auch für richtig, dass die Bundesregierung die Hö he des Kurzarbeitergelds bei längerer Bezugsdauer angeho ben hat und Hinzuverdienste nicht angerechnet werden. Da für habe ich mich persönlich auch starkgemacht.

(Beifall)

Auch den Arbeitsschutz stärken wir weiter bei uns im Land, in Baden-Württemberg.

Zum Thema Tarifpolitik möchte ich unterstreichen: Ja, die Ta rifpartnerschaft ist eine Errungenschaft der sozialen Markt wirtschaft, und sie hat auch einen ganz wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass wir bei uns in Deutschland einen solchen wirtschaftlichen Erfolg erreichen konnten. Es ist zuallererst die Aufgabe der Sozialpartner, Tarifverträge auszuhandeln. Dies gilt für alle Bereiche, also auch für die Gesundheitsbran che und die Altenpflege. Dabei gibt es nach dem Grundgesetz ein striktes staatliches Neutralitätsgebot, und das ist gut so.

(Beifall)

Tarifautonomie und Sozialpartnerschaft besitzen für mich ei nen hohen Stellenwert. Sie sind ein elementarer Bestandteil unserer sozialen Marktwirtschaft. Die Stabilität, die wir einer funktionierenden Sozialpartnerschaft verdanken, verschafft uns auch Vorteile im internationalen Wettbewerb. Auch jetzt, in der Coronakrise, hat sie sich wieder bewährt. So ist Be schäftigungssicherung in diesen Zeiten vielerorts wichtiger als Lohnerhöhung.

Zur Stärkung der Tarifbindung unterstützt die Landesregie rung grundsätzlich den Ansatz, durch tarifliche Öffnungsklau seln in Gesetzen aus dem Bereich des Arbeitsrechts deren At traktivität zu erhöhen. Konkrete Beispiele gibt es im Arbeit nehmerüberlassungsgesetz, im Teilzeit- und Befristungsge setz und im Arbeitszeitgesetz.

Die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen ist kein All heilmittel; dabei gibt es grundgesetzliche Schranken, die zu beachten sind. Meine klare Linie ist die, dass ich Allgemein verbindlichkeiten zustimme, wenn die gesetzlichen Voraus setzungen vorliegen. In Baden-Württemberg haben wir das im Friseurhandwerk und im Sicherheitsgewerbe getan.

Sie sehen also: Die Tarifpartnerschaft ist uns wichtig, und die Tarifpartnerschaft wird auch – davon bin ich überzeugt – in der Zeit nach der Krise diese Themen aufgreifen und wird hier gute Lösungen erarbeiten. Das ist in unser aller Sinn.

Vielen Dank.

(Beifall)

Gibt es in der zweiten Runde noch Wortmeldungen? Herr Abg. Poreski hat noch Redezeit,

Herr Abg. Stoch aber nicht mehr. – Wenn ich keine Wortmel dungen mehr sehe, dann erteile ich nun für die Landesregie rung Herrn Minister Lucha das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender Stoch, ganz herzlichen Dank für die Aktuelle Debatte. Sie haben recht, wir müssen wirklich allen Menschen hier in diesem Land Danke sagen.

Natürlich gibt es jetzt eine aufgeladene Debatte, eine soge nannte Öffnungsdebatte. Aber alles in allem: großer Respekt für unsere gesamte Gesellschaft, in der seit Wochen verant wortungsbewusst mit der Situation umgegangen wird, in der Verantwortung für alle anderen übernommen wird.

Ich darf Ihnen einfach noch einmal diese „Landkarte“ des LGA und des RKI zeigen.

(Der Redner hält eine Grafik hoch.)

Die dunkelblau gefärbten Gebiete weisen überdurchschnittli che, ultrahohe Inzidenzen auf. Baden-Württemberg war eben so wie Bayern aus bekannten Gründen eines der am stärksten betroffenen Länder, mit der größten Herausforderung, die es zu bewerkstelligen galt.

Meine Damen und Herren, wir konnten diese größte Heraus forderung so gut bewältigen, weil wir auf ein extrem gutes Gesundheitssystem, auf eine extrem gute Kultur der Zusam menarbeit der Sektoren – Ambulant, Stationär, Pflege, Be handlung, Sorge, bürgerschaftliches Engagement – zurück greifen konnten. Das haben wir gemeinsam, Sie alle, in kur zer Zeit, wirklich rund um die Uhr, in widrigen Situationen zusammengespannt – selbstverständlich.

Herr Fraktionsvorsitzender Stoch, jawohl, es gab keine Mas ken. Es waren Raubritter unterwegs, die diese Masken, die wir vor zehn Wochen so dringend benötigt hätten, jetzt wie Sauerbier anbieten und uns in der Zwischenzeit wirklich fast die Haushalte ruiniert hätten. Frau Sitzmann, das war wirk lich dramatisch. Sie kennen die Situation: Wir öffnen Kisten, in denen Sägespäne sind, wo aber vorn „FFP2“ draufsteht.

In dieser Lage, meine Damen und Herren, haben jetzt die Per sonen im Gesundheitswesen, in den sorgenden Berufen, alle in den Verwaltungen, in den Landratsämtern, bei uns in den Gesundheitsämtern, im öffentlichen Gesundheitsdienst – – Der war nicht immer gut gelitten bei Haushaltsanträgen, egal, wer an der Regierung war. Wir haben unsere Hausaufgaben nun gemacht. Diese Leute haben es möglich gemacht, dass wir heute so gut dastehen, wie wir dastehen. Dafür einen ganz herzlichen Dank an alle, die in dieser Gesellschaft für diese Verantwortung getragen und diese Tat vollbracht haben.

(Beifall)