Protocol of the Session on May 6, 2020

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Es wird nachher heißen, man entwickle doch Szenarien und arbeite an Plänen. Das ist schön. Aber genau das heißt es aus Ihrem Mund bereits seit über einem Monat. Vorgelegt wurde bisher nichts, und als sich die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin auf erste Lockerungen verständigt haben, kam von Ihnen ein entschlossenes „Ich weiß ja nicht so richtig“, sodass ich meine Zweifel habe, dass Sie auch nur halbfertige Szena rien in der Schublade haben.

Was bleibt, ist eine enorme Unsicherheit für Hunderttausen de Familien, für Schulen, Lehrer und die Schüler und Kinder, eine Unplanbarkeit ohne Perspektive.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Das hat nicht die Kultusministerin ausgelöst, sondern das Vi rus, gewiss; aber die Kultusministerin hat nichts unternom men, um diese Unsicherheit zu mindern. Corona gibt es in je dem Bundesland, aber in anderen Bundesländern gibt es kla rere Pläne, wie dieser Wiedereinstieg stattfinden soll. Wir wol len unseren Kindern im Moment sagen: Macht trotz Corona eure Hausaufgaben! Wir sagen der Kultusministerin: Machen Sie endlich gerade wegen Corona Ihre Hausaufgaben, Frau Kultusministerin!

Herzlichen Dank.

(Beifall – Das Redepult wird desinfiziert.)

Nun hat das Wort für die Fraktion GRÜNE Frau Abg. Boser.

Das hat jetzt keinen Bezug zu meinem Vorredner, aber das Pult ist ganz nass. Daran muss man sich erst gewöhnen. Da klebt alles.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Die Coronakrise bedeutet für uns alle und vor allem auch für Kinder und Familien tiefe Einschnitte. Dies müssen wir natürlich in all unseren Entscheidungen mit berücksichtigen. Ich bin daher der SPD auch sehr dankbar, dass wir heute an dieser Stelle nicht nur über Wirtschaft diskutieren, sondern auch über Bildung und die Chancen für Familien in der Co ronazeit. Denn je länger diese Coronakrise andauert, umso nö tiger ist Entlastung für die Familien, für die Kinder in unse rem Land, und zwar in finanzieller und in sozialer Hinsicht.

(Beifall)

Viele Familien haben sowieso schon einen großen Spagat zwi schen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mit Homeof fice, Homeschooling wird das Ganze nicht einfacher, sondern viel schwieriger, und insbesondere für Alleinerziehende und Frauen bedeutet die Situation ein großes Maß an Herausfor derung, dies bestmöglich zu managen.

Unsere Fraktion hat daher ebenfalls Vorschläge erarbeitet, wie wir in dieser Situation Familien und Kinder entlasten und ih nen helfen können. Es hat übrigens jede Fraktion ebenfalls die Möglichkeit, anstatt zu kritisieren auch Vorschläge zu erarbei ten,

(Abg. Raimund Haser CDU: Sehr gut!)

denn ich glaube, an dieser Stelle sind wir alle gemeinsam ge fragt, das Bestmögliche zu erarbeiten, um unsere Situation insgesamt zu verbessern.

(Beifall)

Ich komme auch gleich auf diese Vorschläge, was wir Grünen uns da noch über das hinausgehend vorstellen, was das Kul tusministerium schon erarbeitet hat. Aber – das will ich an die ser Stelle auch sagen – wir sind nach wie vor mitten in der Krise. Ich finde, sämtliche Visionen, die ein Stück weit auch beinhalten, wir wären am Ende und es könne jetzt schnell al les wieder losgehen, halte ich für brandgefährlich. Ich glau be, wir müssen uns immer auch bewusst sein, dass wir in der aktuellen Situation vorsichtig und schrittweise vorgehen müs sen. Denn es zeigt sich: Solange das Virus nicht in allgemei ner Form bekannt ist, solange es keine wirksamen Medika mente gibt, solange wir keinen Impfstoff haben, wird es nur schrittweise vorangehen. Das müssen wir bei all unseren Ent scheidungen auch berücksichtigen.

Ich finde es wichtig, dass beispielsweise das Sozialministeri um die Tests ausweitet, dass das Wissenschaftsministerium die Studien für Kinder in Auftrag gegeben hat, weil beides dann auch Möglichkeiten bietet, daran abgeleitet weitere Ent scheidungen und Lockerungen auf den Weg zu bringen.

Ich finde wirklich auch schwierig, was hier immer wieder an geprangert wurde. Wir haben die Kinder nicht eingesperrt. Kinder können raus in die Natur gehen. Wir haben sehr schö ne Naturräume.

(Beifall – Zurufe, u. a. Abg. Andreas Schwarz GRÜ NE: Sehr richtig!)

Sie haben die Möglichkeit, sich auch mit einem Freund drau ßen zu treffen, im Haus können sie sich sogar mit mehreren

Personen treffen. Ich halte es wirklich für ein fatales Signal, nach außen zu geben, wir hätten die Kinder eingesperrt. Das ist nicht so. Es ist natürlich für viele eine angespannte Situa tion, aber Kinder haben bei uns schon immer die Möglichkeit gehabt, rauszugehen.

(Beifall – Abg. Raimund Haser CDU: Sehr gut!)

Wir wissen natürlich alle. Die sozialen Kontakte sind für Kin der und Jugendliche wichtig. Gerade auch die Kitaschließun gen und die Schulschließungen haben einen besonderen Ver lust des sozialen Kontakts zur Folge. Die Notfallbetreuung, wie wir sie in Baden-Württemberg eingerichtet haben, ist be reits jetzt eine große Entlastung, denn wir stellen bereits 50 % der Plätze für die Notfallbetreuung zur Verfügung. Bayern zieht da jetzt erst nach. Dessen muss man sich einfach auch bewusst sein. Wir haben die Kindertagespflege bereits seit Wochen geöffnet. Auch da zieht Bayern jetzt erst nach. Das muss man auch immer im Bewusstsein haben.

Wir haben damit auch den Familien und den Kindern im Land bereits weitreichende Möglichkeiten gegeben, damit mit ei ner Notfallbetreuung auch die Kinder die Unterstützung be kommen, die sie brauchen,

(Abg. Raimund Haser CDU: Und das funktioniert!)

zum einen, wenn die Eltern präsenzpflichtig arbeiten gehen, aber darüber hinausgehend auch für Alleinerziehende. Auch Kinder, die von der Jugendhilfe mit begleitet werden, haben hier die Möglichkeit, in die Notfallbetreuung zu gehen. Das möchte ich an dieser Stelle wirklich betonen.

(Beifall)

Man muss dabei, aber auch bei allen weiteren Schritten, über die wir nachdenken, wirklich berücksichtigen: Es gibt zwei wesentliche Rückmeldungen zu der Notfallbetreuung, und zwar egal, ob im Kindergarten oder in der Schule.

Zum einen haben wir an vielen Stellen überhaupt nicht das Personal, das die Notfallbetreuung umsetzen kann, weil Er zieherinnen und Erzieher oder Lehrerinnen und Lehrer auf grund von vulnerablen Gruppen nicht die Möglichkeit haben, ihrer Arbeit nachzugehen. Es gibt zum anderen aber auch an vielen Stellen eine große Zurückhaltung bei Eltern, weil sie sagen: In dieser Betreuungssituation will ich meine Kinder überhaupt nicht betreuen lassen, wenn ich mit Abstandsregeln, mit kontaktarmer Betreuung zu tun habe. Diese zwei Punkte müssen wir berücksichtigen.

Deswegen wäre für uns, die Grünen, beispielsweise vorstell bar, dass wir Eltern-Kind-Gruppen ermöglichen, bei denen sich mehrere Familien zusammentun, um gemeinsam zu spie len, um rauszugehen – eingetragene Eltern-Kind-Gruppen, in denen auch der Infektionsverlauf nachvollziehbar ist. Bayern hat diese Eltern-Kind-Gruppen bereits vor zwei Wochen er möglicht. Das wäre eine Möglichkeit, über die Notfallbetreu ung hinaus nochmals Angebote für Familien zu machen.

Auch die Öffnung von Spielplätzen wird jetzt erst mal ein wichtiger Beitrag für die Kinder sein. Aber ich bin mir ganz sicher: Es wird natürlich auch zu Frustsituationen führen, wenn man sich anschaut, dass eben nur eine begrenzte Anzahl von Kindern die Spielplätze nutzen kann. Da müssen sich die

Kommunen auch Gedanken machen, ob man beispielsweise öffentliche Parks und Grünflächen – die in manchen Städten wohl gesperrt sind – für Familien öffnet, damit Kinder auch dort die Möglichkeit haben, zu toben und zu spielen. Ein we sentlicher Bestandteil von Kindheit besteht in Bewegung, und entsprechende Möglichkeiten müssen wir den Kindern auch an dieser Stelle zur Verfügung stellen.

(Beifall)

Ich will an dieser Stelle auch die Öffnung der Bibliotheken und Mediatheken mit in die Betrachtung hineinnehmen. Auch hier gibt es zusätzliche Möglichkeiten für Familien, sich bei spielsweise Lesestoff zu holen. Auch dort können unserer An sicht nach kleine Angebote gestaltet werden, wie beispiels weise Vorleseangebote mit einer begrenzten Anzahl von Kin dern, wo man den Abstand einhalten kann. Solche Möglich keiten vor Ort zu prüfen und zu ermöglichen wäre einfach ein Vorschlag, den wir gern mit in die Diskussion nehmen.

Aber wir alle wissen: Es wird für uns noch für lange Zeit kein normaler Lebensabschnitt in dieser Coronakrise sein. Deswe gen müssen wir auch immer berücksichtigen, welche Maß nahmen wir in allen Bereichen hinzuziehen können.

Ich finde es wirklich beeindruckend, wie die Schulen in den vergangenen Wochen ihr Homeschooling aufgebaut haben, welche enormen Schritte da im Bereich der Digitalisierung geleistet wurden. Auch die Webinare beispielsweise, die für Lehrerinnen und Lehrer im Bereich der Digitalisierung zur Verfügung gestellt wurden, halte ich für ein sehr gutes Ange bot. Der Messengerdienst Threema, den wir jetzt haben, die Plug-in-Version von BigBlueButton – worüber es ja eine gro ße Diskussion im Zusammenhang mit Zoom gab –, stellen ei ne große Möglichkeit für die Schulen dar.

Denn eines haben wir leider festgestellt: Der Kontakt zwi schen Lehrerinnen und Lehrern sowie Schülerinnen und Schü lern hat in den letzten Wochen an vielen Stellen nicht so op timal funktioniert. Da muss es einfach jetzt noch mal mit den neuen Möglichkeiten Angebote geben, damit Lehrerinnen und Lehrer in Kontakt mit ihren Schülerinnen und Schülern ge hen, damit diese auch wieder besser in das Unterrichtsgesche hen einbezogen werden.

Es bleibt daher eine große Aufgabe, das Homeschooling wei ter zu verbessern. Wir haben bei uns in Baden-Württemberg das IBBW. Das könnte auch noch einmal Beispiele an die Schulen geben, wie das Homeschooling über Best Practice und andere Angebote verbessert werden kann. Da wäre ein fach die Möglichkeit, nochmals zu prüfen, was das IBBW da leisten kann.

Aber – das ist ein großer Punkt, den wir immer wieder fest stellen müssen – erfolgreicher Unterricht hängt derzeit stark von der technischen Ausstattung ab, und nicht jedes Kind hat zu Hause die technische Ausstattung, um diesen digitalen Un terricht wirklich optimal bestreiten zu können. Es fehlen zu Hause das Laptop, das Tablet. Eltern sind im Homeoffice, müssen selbst auf Geräte zurückgreifen oder es gibt überhaupt keine.

Hier müssen wir auch kurzfristig prüfen, ob Mittel aus dem Digitalpakt für die Schulen zur Verfügung gestellt werden, da

mit dort Leihgeräte für Schülerinnen und Schüler vorgehalten werden, die nicht über die technischen Voraussetzungen ver fügen. Der Digitalpakt gibt im Moment noch vor: Man braucht dafür den Medienentwicklungsplan. Aber vielleicht gibt es doch die Möglichkeit, in begrenztem Maß Mittel zur Verfü gung zu stellen, um Leihgeräte an die Schulen zu bringen.

(Beifall – Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Trotz all dieser digitalen Möglichkeiten werden sich die Schü lerinnen und Schüler in unserem Land den Lernstoff nicht komplett erarbeiten können. Wir werden deshalb auch – wie es das Kultusministerium schon angekündigt hat – freiwilli ge Ferienangebote unterstützen. Ich glaube, dass diese frei willigen Ferienangebote nicht nur den Lernstoff beinhalten müssen. Denn für viele Schülerinnen und Schüler brechen der zeit Kreativzeit, Bewegungszeit komplett weg. Die Schulen konzentrieren sich natürlich auf die Inhalte in den naturwis senschaftlichen Fächern, in den sprachlichen Fächern. Aber was bleibt davon übrig im Bereich Musik, im Bereich Kunst, im Bereich Sport?

Auch darauf müssen wir in den Ferien den Blick lenken: Was können unsere Kommunen gemeinsam mit dem Land den Schülerinnen und Schülern in Baden-Württemberg zur Verfü gung stellen, damit sie Kreativzeit, damit sie Bewegungszeit bekommen? Wir haben die Möglichkeit, dazu über Musik schulen, über Künstler, über Vereine Angebote zu schaffen. Denn wir wissen ja auch: Nicht alle Kinder sind in Vereinen, wenn jetzt auch das Vereinsleben wieder zurückkommt. Vie le Kinder haben einfach nur an den Schulen – –

Frau Abg. Boser, jetzt muss ich Sie zwischendrin einfach einmal unterbrechen, weil es seit einer Weile eine Wortmeldung von der Kollegin Wölfle gibt, und fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen.

Nein, nein. Das geht mir von der Redezeit weg. Ich habe noch einiges zu sagen.

Das wundert nicht.

Ich habe noch ein bisschen.

(Zuruf: Einfach ein bisschen schneller reden!)

Mir wäre es wirklich wichtig – ich kann auch noch ein biss chen schneller sprechen; das weiß ja jeder hier im Haus –, die se Ferienprogramme auch mit Angeboten, die über den Lern stoff hinausgehen, in den Blick zu nehmen.