Protocol of the Session on May 6, 2020

Blickt man über den Großen Teich und betrachtet die Bundes staaten der USA, kann dort, wo Fiskalregeln eingeführt wur den, eine sinkende Staatsschuldenquote beobachtet werden. Ausnahmen bestätigen die Regel. Ausgerechnet in Colorado, dem Bundesstaat mit den strengsten Fiskalauflagen, der soge nannten Taxpayer Bill of Rights, zeigte die Schuldenbremse gar keine Auswirkung.

Die Schuldenbremse ist also nur so gut wie der verantwor tungsvolle Umgang mit ihr und die Nutzung der Spielräume. Spielräume gibt es bei der Beurteilung, ob eine Notlage oder

eine Naturkatastrophe überhaupt vorliegt, der realistischen Schätzung der Produktionslücke und der Festlegung eines niedrigen Schwellenwerts zur Bestimmung der Nettokredit aufnahme.

Die Schuldenbremse ist also kein Mittel zur automatischen Konsolidierung des Landeshaushalts. Sie entbindet uns nicht von der Verantwortung, Spielräume ungenutzt zu lassen – oder sie eben zu nutzen, wenn dies angezeigt ist. So wenig, wie man in der Coronakrise Virologen die alleinige Verantwor tung für politische Entscheidungen überlassen kann, so we nig entbindet uns die Schuldenbremse von unserer finanzpo litischen Letztverantwortung für das Land.

Vielen Dank.

(Beifall)

Frau Ministerin Sitzmann hat als Nächste das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es kommt ja nicht oft vor, dass hier im Landtag von Baden-Württemberg die Landesverfassung geändert wird. Allein schon die Tatsa che, dass wir eine Zweite Beratung zur Änderung der Landes verfassung aufgrund der Ministerpräsidentenkonferenz unter brochen haben, zeigt, in welch besonderer und herausfordern der Krisensituation wir uns derzeit befinden.

Alle Vorrednerinnen und Vorredner haben betont, dass es gut, richtig und wichtig ist, mit der vereinbarten Schuldenbremse auch in einer sehr schwierigen Zeit handlungsfähig zu sein. Es ist möglich, bei Naturkatastrophen oder in besonderen Not situationen Schulden aufzunehmen, deren Höhe festzulegen und einen Tilgungsplan zu vereinbaren. Dies hat sich jetzt – leider viel zu früh – als sehr wichtig und sehr wirksam erwie sen.

Herr Kollege Hofelich, ich habe es nicht bereut, dass wir fünf Arbeitsgruppensitzungen hatten. Wir haben im Januar 2018 begonnen, und danach folgte ein politischer Einigungsprozess der Fraktionen. Wir haben damals in der Arbeitsgruppe aus gemacht, dass wir nicht nur über die Verfassungsänderung ver handeln, sondern uns fraktionsübergreifend auch über die ein fachgesetzlichen Regelungen einigen wollen und diese nicht mit einfacher Mehrheit hier im Landtag beschließen wollen. Das war ein guter Weg und ein richtiger Weg.

Deswegen waren wir im Dezember in der Lage, über die Än derung von § 18 LHO die Voraussetzungen für die Kreditauf nahme Mitte März zu schaffen. Wir waren uns damals schon einig und sind damit, wie sich nun zeigt, auch auf die heutige Änderung der Landesverfassung gut vorbereitet gewesen.

Es ist obsolet, jetzt noch mal darzustellen, was die einzelnen Änderungen konkret bedeuten. Das haben wir, wie gesagt, seit Anfang 2018 intensiv und konstruktiv diskutiert. Wir muss ten sehr viel früher von der Möglichkeit der Kreditaufnahme Gebrauch machen, als wir uns das Mitte Dezember vorgestellt hatten. Es war aber sehr wichtig, dass wir in dieser schwieri gen Situation die Möglichkeit hatten.

Jetzt kann man das natürlich über die Konjunkturkomponen te, Herr Kollege Brauer, so oder so auslegen. Uns war es aber

auch in den Beratungen von Anfang an wichtig, ein Verfah ren zu wählen, das mit dem anderer Bundesländer vergleich bar ist, und dass wir im Stabilitätsrat – wo häufig meine Staatssekretärin, Frau Splett, vertreten ist – zu bundesweit ver gleichbaren Ergebnissen kommen. Sonst haben wir immer ei nen riesigen Kommunikationsbedarf: Passen die Zahlen zu sammen oder nicht? Das ist ein Wert, der ebenfalls wichtig ist. Natürlich gibt uns diese Konjunkturkomponente auch die Verpflichtung, bei guten Einnahmen Schulden zu tilgen, und ermöglicht uns, in einer schlechten Einnahmesituation Kredi te aufzunehmen.

Aber selbstverständlich soll und muss auch in Zukunft der Haushaltsgesetzgeber darüber beraten, ob eine mögliche Kre ditaufnahme zu einer tatsächlichen Kreditermächtigung und Kreditaufnahme führen soll oder nicht. Sie wissen: Wir hät ten theoretisch schon beim Beschluss des Doppelhaushalts die Möglichkeit gehabt, Kredite aufzunehmen, rund 179 Millio nen € in diesem Jahr und 250 Millionen € im kommenden Jahr. Aber Sie und wir haben entschieden, das nicht zu tun.

Das war in der damaligen konjunkturellen Situation sicher lich auch die einzig richtige Entscheidung, obwohl wir damals schon die eine oder andere Wolke am Konjunkturhimmel ge sehen haben.

Ich bin sehr froh, dass die Fraktionen in einem längeren Pro zess ein sehr gutes Ergebnis erzielt haben. Diese Änderung der Landesverfassung kann somit heute beschlossen werden.

Die Frage könnte auch noch sein: Warum muss es denn ei gentlich in die Landesverfassung? Liest man im heutigen Ar tikel 84, ist es klar. Warum? Es passt nicht mehr zur im Grund gesetz verankerten Schuldenregel. Außerdem bietet es mehr Rechtssicherheit, mehr Klarheit und natürlich auch mehr Kon trollmöglichkeiten bis hin zur Möglichkeit der Klage.

Was ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich zurückwei sen möchte, ist die Behauptung des Kollegen Podeswa, alle würden immer weiter Schulden machen. Ich möchte noch ein mal darauf hinweisen, dass Baden-Württemberg bereits seit dem Jahr 2015 keinen Euro an neuen Schulden gemacht hat.

(Zuruf)

Im Gegenteil: Wir haben die guten Zeiten genutzt und haben nicht nur keine zusätzlichen Schulden gemacht, sondern auch im Umfang von 6 Milliarden € explizite und implizite Schul den getilgt.

Meine Damen und Herren, es ist ausdrücklich und zu Recht von allen betont worden, dass wir jetzt sehr schnell die Erfah rung machen, dass diese Verankerung der Schuldenbremse nicht nur in der Landeshaushaltsordnung, sondern auch in der Landesverfassung eine gute, wichtige und richtige Entschei dung ist. Ich bin sehr froh, wenn heute die Änderung der Lan desverfassung beschlossen wird und damit ein langer, aber, wie ich finde, konstruktiver Prozess ein gutes Ende findet. Da für danke ich Ihnen. Denn klar ist, dass mit der Verabschie dung dieses Gesetzes Erreichtes gesichert wird, dass schwe ren Krisen vorgebeugt wird und wir damit auch zur Stärkung von Baden-Württemberg beitragen können.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Das Desinfektionsmittel klebt.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Finanzminister haben ja klebrige Hände! – Vereinzelt Heiterkeit – Weitere Zu- und Gegenrufe)

Meine Damen und Her ren, in der Allgemeinen Aussprache liegen mir keine weite ren Wortmeldungen vor.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, will ich noch einmal er wähnen: Die für eine Verfassungsänderung notwendige Mehr heit nach Artikel 64 der Landesverfassung muss erst bei der Schlussabstimmung, also in der Dritten Beratung, gegeben sein. Da wird es dann auch eine namentliche Abstimmung ge ben. Heute, in der Zweiten Beratung, wird nur die einfache Mehrheit benötigt. Der heutige Beschluss wird dann die Grund lage für die Dritte Beratung sein.

Wir kommen also jetzt in der Zweiten Beratung des Gesetz entwurfs Drucksache 16/7462 zur A b s t i m m u n g. Der Ständige Ausschuss empfiehlt Ihnen in seiner Beschussemp fehlung Drucksache 16/8033, dem Gesetzentwurf zuzustim men.

Ich bitte Sie, damit einverstanden zu sein, dass ich den Ge setzentwurf im Ganzen zur Abstimmung stelle. Sind Sie da mit einverstanden? – Das ist der Fall. Wer dem Gesetzentwurf Drucksache 16/7462 zustimmt, den bitte ich um das Handzei chen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Ich sehe keine. Damit ist dem Gesetzentwurf einstimmig zugestimmt.

Tagesordnungspunkt 6 ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der AfD – Gesetz zur Änderung des Waldgesetzes für Baden-Würt temberg – Drucksache 16/7696

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz – Drucksache 16/7988

Berichterstatter: Abg. Reinhold Pix

Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben sich darauf verständigt, in der Zweiten Beratung auf die Aussprache zu verzichten.

Deswegen kommen wir jetzt gleich zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 16/7696. Der Ausschuss für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz empfiehlt Ihnen in seiner Beschlussempfehlung Drucksache 16/7988, den Ge setzentwurf abzulehnen.

(Zurufe)

Sind Sie auch hier damit einverstanden, dass ich den Gesetz entwurf im Ganzen zur Abstimmung stelle? – Das ist schön. Vielen Dank. Wer dem Gesetzentwurf Drucksache 16/7696 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstim men? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf mehr heitlich abgelehnt.

Punkt 7 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Landeswohnraumförderungs gesetzes – Drucksache 16/7895 (Berichtigte Fassung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau – Drucksache 16/7997

Berichterstatter: Abg. Daniel Born

(Unruhe)

Ich darf um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Hierzu steht auch noch eine Beratung an.

(Unruhe)

Hier hat das Präsidium für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Zuerst hat das Wort für die Fraktion GRÜNE Frau Kollegin Bay.

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Im Moment wird man als Politikerin ja gelegentlich gefragt: Macht ihr eigentlich auch noch etwas an deres als Corona? Deutliche Antwort: Ja – auch wenn man heute vielleicht wieder einen anderen Eindruck gewinnen konnte. Aber weitere wichtige Themen sind uns Grünen über haupt nicht aus dem Blick geraten, beispielsweise die Versor gung der Baden-Württembergerinnen und Baden-Württem berger mit bezahlbarem Wohnraum und die Frage, was das Land im Rahmen seiner Zuständigkeit hierfür tun kann.

Wie weit oben das Thema auf der Agenda steht, zeigt die Tat sache, dass wir in unserer Sondersitzung am 19. März auch die erste Lesung des Änderungsgesetzes zum Wohnraumför derungsprogramm durchgeführt haben – wenn auch ohne Aus sprache.