Protocol of the Session on May 6, 2020

Deswegen, Herr Kollege Rülke, kann man, glaube ich, nicht so argumentieren, dass man zu jedem beliebigen Zeitpunkt, an dem die Zahlen so sind, sagt: Jetzt muss man auch in die sem Schritt parallel dazu die Einschränkungen aufheben. Man muss das schon auf Sicht machen, zumal die Zahlen, die man heute hat, die Ereignisse der Pandemie vor etwa zehn Tagen wiedergeben. Deswegen fährt man da gezwungenermaßen auf Sicht.

Ich denke, das Gebot der Prävention und der Vorsicht gebie tet es einfach, so zu verfahren und nicht einfach quasi jeden Tag, wenn etwas heruntergegangen ist, etwas Neues zu öff nen. Vielmehr muss man immer schauen, dass das mit einer gewissen Taktung geschieht, damit man unter Umständen auch nachvollziehen kann, welche Öffnungsmaßnahme zu ei nem neuen Aufflackern der Pandemie geführt hat.

Allerdings sind wir davon jetzt schon ein erhebliches Stück entfernt, weil, wie gesagt, jetzt die Länder auch eigene Wege gehen. Das ist natürlich einerseits gerechtfertigt aufgrund ih rer regionalen Lage, andererseits schafft das aber auch das Problem, dass man dann die Pandemie – das ist ja eine welt weite Infektion, die vor keinerlei Grenzen haltmacht – nicht so kontrollieren und handeln kann. Das ist ein Problem, wenn jetzt jeder nur gerade auf das reagiert, was in seinem Spren gel geschieht.

Darum gibt es schon das Bedürfnis, dass man in wichtigen Fragen zusammenbleibt.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Auch in der Regierung!)

Das ist bisher auch im Großen und Ganzen geschehen. Wie schon gesagt, Sachsen-Anhalt ist da einen eigenen Weg ge gangen. Deswegen heißt es in dem Beschluss, dass das, was vorher schon beschlossen war, gilt. Damit hat man auf Sach sen-Anhalt Rücksicht genommen. Aber die anderen 15 Län der haben sich entschlossen, dabei zu bleiben, dass wir jetzt

nicht eine Zahl erhöhen, bei der man sich treffen kann; sie ha ben gesagt: „zwei Haushalte“, aber auch das wieder zeitlich begrenzt, damit man dann weitere Schritte gehen kann.

Das sind wichtige Grundstrukturen, die man auch, finde ich, relativ unabhängig von einem lokalen Geschehen beibehalten muss, weil, wie gesagt, diese Pandemie nicht vor irgendeiner Grenze haltmacht, sondern durch die hohe Mobilität der Be völkerung jederzeit auch überspringen kann.

Herr Ministerpräsident, lassen Sie eine Zwischenfrage von Frau Abg. Reich-Gutjahr zu?

Herr Ministerprä sident, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Was mich schon lange beschäftigt, ist das Zahlenwerk, an dem wir uns hier entlanghangeln. Sie schicken uns ja freundlicherweise je den Tag die neuesten Zahlen. Was aber nie erkennbar ist, ist: Wie viele Tests wurden denn durchgeführt?

Nun haben wir ja immer mehr Testmöglichkeiten. Anfangs hat man nur die getestet, die meinten, erkrankt zu sein. Da durch hat man die Anzahl der Erkrankten herausgefunden; die anderen waren nicht krank. Jetzt haben wir immer mehr Test verfahren und machen also auch mehr Tests. Da wir wissen, dass es eine Dunkelziffer gab, die nie jemand erfasst hat, muss man ja die jetzt gefundenen Infizierten irgendwie ins Verhält nis setzen zu der Zahl der Tests.

Gibt es dazu im Kreis der Ministerpräsidenten irgendwelche Überlegungen? Denn wenn ich jetzt zehnmal so viele Men schen teste wie vorher und doppelt so viele Infizierte finde wie bisher, dann habe ich natürlich eine ganz andere Information. Aber ich kann sie nicht einordnen ohne die Basiszahl, die An zahl der zugrunde liegenden Tests.

Ihre Frage zeigt, dass das die Entscheidung noch komplizierter macht.

(Vereinzelt Heiterkeit)

In der Tat war es am Anfang natürlich so: Tests waren ein Mangelprodukt, weil nicht genügend Testkits da waren. Da hat man sowieso nur das testen können, was man unbedingt musste, etwa in Krankenhäusern und Altenheimen. Auf die ser Ebene waren die Testverfahren in etwa noch ähnlich. Jetzt, da die Testkapazitäten erhöht werden, wird natürlich auch nicht mehr ganz einheitlich getestet. Darum haben wir eben keine ganz klaren Vorgaben. Das gehört einfach zu den Um ständen dazu, die man zu bewerten hat.

Es war, glaube ich, die Frage vom Kollegen Stoch: Wir testen hier in Altersheimen flächendeckend – das macht in diesem Ausmaß kein anderes Bundesland –, und zwar aus den Grün den, die Sie genannt haben. Denn das ist wichtig.

Natürlich bringt es, Frau Abgeordnete, sofort das Problem: Wenn man mehr testet, kann man auch mehr finden, und dann verändern sich die Zahlen. Das ist auch bei dem R-Faktor so. Es hängt alles davon ab. Deswegen sind das leider nicht alles so eindeutige Parameter, bei denen man sagen kann: „Wenn..., dann...“

Eine bessere Antwort kann ich Ihnen leider nicht geben. Ich nehme aber an, dass sich das in allen Ländern jetzt mit der Verfügbarkeit von mehr Testmaterial ändern wird.

Dazu kommt, dass wir hoffentlich in Bälde valide Antikörper tests haben werden. Dann können wir in Kombination mit dem Testen auf die Infektion selbst auch feststellen: Hatte die Per son bereits die Infektion? Und hoffentlich können wir in Bäl de auch feststellen, ob die Antikörper neutralisierend sind oder nicht. Davon sind wir allerdings noch ein Stück entfernt.

(Zurufe, u. a. Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktions los]: So lange ist das Kaffeesatzleserei!)

Herr Ministerpräsident, würden Sie zulassen, dass die Frau Abgeordnete noch mal nachfragt?

Frau Kollegin, in der Studie, die wir jetzt machen lassen, um herauszufinden, was das Virus mit den Kindern macht, wird eben auch auf An tikörper getestet und nicht nur auf die Infektion selbst; wir versprechen uns daraus deshalb mehr Erkenntnisse. Aber das sind wissenschaftlich komplizierte Fragen, die ich Ihnen frei händig jetzt auch nicht beantworten kann.

Eine ergänzende Bitte vielleicht – –

Also, noch mal: Das zeigt aber – –

(Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf)

Bitte schön.

Es wäre hilfreich, wenn dieses Datenmaterial vorliegt, dass man eben zu der Zahl der Infizierten auch die Zahl der durchgeführten Tests mit meldet, sodass man da einen Überblick bekommt, wie vie le Leute eigentlich getestet werden. Denn ich habe dazu bis her nichts gefunden. Vielleicht könnte Herr Lucha – –

(Minister Manfred Lucha: 2,3 Millionen wurden bis her in Deutschland getestet!)

Ja. Also, ich meine sozusagen auch analog zu den gefunde nen Infizierten.

Dann können wir diesen Punkt jetzt abschließen.

Herr Ministerpräsident, es gibt einen weiteren Wunsch nach einer Zwischenfrage, und zwar von Herrn Abg. Zimmermann. Lassen Sie die Frage zu? – Er läuft schon.

Bitte schön.

(Zurufe)

Danke schön, Herr Minis terpräsident. – Ich habe eine Frage zu den Tests. Wenn ich jetzt nicht aus dem engsten Bekanntenkreis folgenden Umstand kennen würde, würde ich die Frage nach den Tests nicht stel len. Es sind tatsächlich – ich könnte Ihnen drei Fälle nennen – Familienmitglieder positiv getestet worden, waren sogar

krank, aber deren Familienangehörige sind bis heute nicht ge testet worden. Das ist doch völlig unvorstellbar, dass der Sohn,

(Abg. Anton Baron AfD: Unglaublich!)

die Mama nicht getestet werden, der Papa aber positiv ist. Wie kann so etwas in Baden-Württemberg vorkommen?

(Zurufe)

Herr Abgeord neter, Sie werden sicher verstehen, dass ich die Frage schlicht weg nicht beantworten kann.

(Unruhe – Zurufe: Schriftlich!)

Das müssen Sie dann schon sozusagen mit konkreten Anga ben nachfragen, dann können wir dem vielleicht nachgehen und es auch beantworten.

(Anhaltende Unruhe)

Ich bitte jetzt um Auf merksamkeit!

Herr Kollege Rülke, das ist eine wichtige Frage. Solch eine Pandemie ist ein Prozess. Sie müssen sich auch entlang dieses Prozesses verhalten und können nicht einfach immer sozusagen belie big nur aufgrund der Ergebnisse, die Sie jeweils gerade ha ben, entscheiden. Das haben wir berücksichtigt. Das heißt, das Vorsorge- und Vorsichtsprinzip ist auch leitend. Das schätzen wir halt auch nur ab. Die Gerichte schätzen es manchmal an ders ab und korrigieren dann das, was wir gemacht haben.

Seien Sie einfach versichert, dass wir die Maßnahmen selbst immer gegen die Folgen und die Schäden, die sie verursachen, abwägen. Deswegen gehen wir jetzt nicht übervorsichtig da heran – davon kann nämlich gar keine Rede sein –; manche Entscheidungen finde ich im Gegenteil eher sehr mutig. Aber ich möchte noch einmal betonen: Es sind immer zeitlich be grenzte Maßnahmen; sie sind in der Regel sogar datiert. Inso fern kann man nicht sagen, dass es jetzt sozusagen permanen te Grundrechtseingriffe sind.

Ich will noch mal sagen: Wichtig ist bei der Entscheidung, ob man öffnet, aber auch, ob das Geschehen gut nachzuverfol gen ist oder nicht. Auch das ist ein Kriterium für die Öffnung. Das ist natürlich, wie gesagt, in einem Gasthaus etwas anders als auf der Delegiertenversammlung einer Partei. Wir haben hier auch über Großveranstaltungen gesprochen; das können Sie dem Beschluss entnehmen. Da hat sich erst einmal nichts geändert.

(Zuruf)

Es gab jetzt auch eine Diskussion, ob wir endlich dazu kom men, nach unten hin zu definieren, was eine Großveranstal tung ist. Darüber gab es allerdings keinen Konsens – wahr scheinlich ist ein solcher auch nicht herstellbar –, sodass je des Land selbst entscheiden muss, wie das geschieht. Da wird man sich einerseits – so denke ich – eine Zahl überlegen, an dererseits aber auch die Bedingungen.

Verstehen Sie? Bei einem Parteitag wissen Sie, wie viele De legierte kommen. Sie können sagen, welchen Raum Sie brau

chen, damit die alle unterkommen. Bei einem Feuerwehrfest wissen Sie halt erst einmal nicht, wer da kommt. Darum muss man wahrscheinlich auch das unterschiedlich behandeln, han deln.