Ich verspreche Ihnen: Genauso, wie wir die Grundrechte und Grundfreiheiten einschränken mussten, werden wir sie auch wieder öffnen, sobald es der Schutz von Leben und Gesund heit zulässt. Das ist die Nagelprobe, die wir bestehen müssen und die darüber entscheidet, ob unsere Demokratie unverletzt aus der Krise hervorgeht. Davon bin ich allerdings fest über zeugt.
Die Krise ist aber auch eine Bewährungsprobe für uns als Ge sellschaft. Trotz all der Einschränkungen und Belastungen: Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger da draußen, und wir alle gemeinsam bestehen diese Bewährungsprobe bisher auf be eindruckende Art und Weise. Unser Zusammenhalt ist der größte Trumpf in der Krise.
Ich bin sehr froh über das Verantwortungsbewusstsein, die Ge duld und die Disziplin, mit der sich die allermeisten an die Vorgaben halten. Das ist in der gegenwärtigen Situation un endlich wichtig.
Viele Menschen verhalten sich in dieser Krise aber nicht nur verantwortlich, sie verhalten sich geradezu vorbildlich. Sie packen einfach an und helfen anderen: Jüngere kaufen für Äl tere ein, Ältere nähen für ihre Nachbarschaft Alltagsmasken, Sportvereine bieten Training fürs Wohnzimmer an, Unterneh men spenden Atemschutzmasken, Kinder malen Bilder für die Menschen in Altersheimen, und Künstler singen vor Kranken häusern, um den Patienten Mut zu machen. Diese Liste ließe sich lange fortsetzen. Das ist gelebte Hilfsbereitschaft und So lidarität.
Ich möchte an dieser Stelle aber auch – nennen wir sie ein fach einmal so – all den Heldinnen und Helden der Krise dan ken. Danke an alle, die im Brennpunkt der Pandemie stehen, Danke dem Pflegepersonal, den Ärztinnen und Ärzten, den Mitarbeitern in den Laboren und den Gesundheitsämtern.
Ich danke denen, die unter widrigen Umständen unsere Ver sorgung und unsere Sicherheit garantieren: der Polizei, der Feuerwehr und dem Rettungsdienst, den Organisationen des Bevölkerungsschutzes und der Bundeswehr, den Verkäuferin nen in den Lebensmittelgeschäften und den Mitarbeitern im Handel und in der Logistik, all jenen, die unsere Energie- und Wasserversorgung sicherstellen, den Angestellten und Beam ten im öffentlichen Dienst, den Lehrerinnen und Lehrern, die ihre Arbeit unter schwierigen Umständen weiterführen und für die Schülerinnen und Schüler da sind, sowie vielen ande
ren mehr, die ich hier nicht alle nennen kann. In diesen Zei ten wird besonders sichtbar, wie sehr wir sie brauchen. Herz lichen Dank im Namen aller Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger.
Meine Damen und Herren, nach dem Lockdown gehen wir jetzt erste, vorsichtige Schritte der Öffnung. Leider ist aber klar: Eine schnelle Rückkehr zur Normalität wird es erst ge ben, wenn wir einen Impfstoff haben. Niemand kann heute sa gen, wann das der Fall sein wird. Sicher ist nur: Es werden keine Wochen, es werden viele Monate sein. Bis dahin wer den wir die Pandemie nicht besiegt haben. Wir können lernen, mit der Pandemie zu leben. Das ist die große Aufgabe, der wir uns jetzt stellen müssen.
Leben mit dem Virus, das heißt: Je vorsichtiger wir uns be wegen, desto mehr dürfen wir uns nach und nach auch wie der zutrauen. Vorsicht, das heißt erstens, dass wir alle weiter hin viele Monate lang weiter Abstand halten müssen, und heißt zweitens, dass wir viele Monate Masken tragen müssen. Ich bin mir bewusst, dass das ein echter Kulturwandel ist. Aber es hilft dabei, die Verbreitung des Virus zu bremsen, weil beim Husten, Niesen oder Sprechen Tröpfchen durch die Mas ke zurückgehalten werden. Deshalb haben wir das Tragen ei ner Maske beim Einkaufen und im ÖPNV zur Pflicht gemacht. Damit ist derzeit ausdrücklich kein medizinischer Mundschutz gemeint, wie er im Krankenhaus benutzt wird. Der wird drin gend für das medizinische Personal, für Pflegeheime, für die Polizei oder für das Personal in den Supermärkten benötigt. Eine selbstgemachte oder gekaufte Stoffmaske, die über Mund und Nase getragen wird, reicht aus.
Wenn in einigen Monaten genügend professionelle Masken auch für die Bürgerschaft zur Verfügung stehen, werden wir eine Strategie entwickeln, wie man diese Masken gezielt für weitere Öffnungen einsetzen kann.
Leben mit dem Virus, das bedeutet so etwas wie eine „gebro chene Normalität“, ein Alltag, in dem wir weiter vorsichtig sein und uns einschränken müssen. Je besser uns das gelingt, desto mehr können wir uns wieder zutrauen. Ich verspreche Ihnen: Wir werden so viel Freiheit ermöglichen, wie es der Schutz von Leben und Gesundheit zulässt – Schritt für Schritt.
Nein. – Als po litisch Verantwortliche konzentrieren wir gerade unsere gan ze Kraft darauf, diese Krise so gut wie möglich zu bewälti gen. Das steht im Zentrum unserer Arbeit. Dennoch möchte ich kurz den Blick über die akute Krise hinaus werfen. Vier Dinge erscheinen mir für die Zeit nach Corona besonders wichtig; deshalb sollten wir sie schon heute bei unserem Han deln berücksichtigen.
Erstens: Nach der Coronakrise kommt eine andere, noch viel fundamentalere Krise wieder zum Vorschein, nämlich die Kli makrise.
Zudem wird Baden-Württemberg als führendes Industrieland nach Corona weiter mit der digitalen Revolution und dem tief greifenden wirtschaftlichen und technologischen Strukturwan del konfrontiert sein.
Deshalb stellen sich auch in der Krise zwei Aufgaben mit gro ßer Dringlichkeit: Wie bekommen wir es angesichts einer tie fen Wirtschaftskrise hin, hier im Land den wirtschaftlichen Wandel erfolgreich zu gestalten und unseren Wohlstand auf Dauer zu sichern? Und wie schaffen wir es, den Klimawan del zu begrenzen und unseren Planeten lebenswert zu erhal ten? Beide Aufgaben müssen wir gemeinsam angehen.
Dafür brauchen wir ein ökonomisch und ökologisch ambitio niertes Investitions- und Konjunkturprogramm, das wirtschaft liche Erholung, Innovation und Klimaschutz intelligent mit einander verbindet. An den Konturen solch eines Programms arbeiten wir – übrigens auch mit anderen zusammen: beim Thema Automobilindustrie z. B. mit den Kollegen Söder und Weil, mit denen ich mich heute Nachmittag besprechen wer de, als Regierungschefs der größten Automobilländer.
Zweitens: Die europäische Einigung droht in der Coronakri se schweren Schaden zu nehmen. Als Solidarität in der Krise gefragt war, haben vielerorts die nationalen Reflexe wieder eingesetzt.
Baden-Württemberg hat als erstes deutsches Land Patienten aus dem Elsass aufgenommen, als dort die Kliniken überlas tet waren. Andere Länder sind uns gefolgt. Staatspräsident Macron hat unserem Land dafür Ende letzter Woche in einem Brief seinen Dank ausgesprochen.
Aber dennoch müssen wir uns alle nach der Krise selbstkri tisch fragen: Hätten wir nicht noch mehr für unsere in Not ge ratenen Partner tun müssen?
Deshalb irritiert es mich auch, wenn jetzt von manchen die al ten Debatten aus der Finanzkrise 2011 wiederholt werden. Die Lage ist eine völlig andere, und wenn jetzt ein EU-Gründungs land wie Italien oder auch ein Land wie Spanien durch das Vi rus unverschuldet in schweres Fahrwasser gerät, muss ganz anders gedacht werden. Wir müssen jetzt europäische Solida rität beweisen.
Hinzu kommt: Wenn Frankreich, Italien oder Spanien nicht auf die Beine kommen, dann trifft das auch unsere Wirtschaft – gerade Baden-Württemberg als Exportland Nummer 1.
Drittens: Wir werden die Globalisierung neu denken müssen. Die Pandemie führt uns die Abhängigkeit und Verwundbar
keit von starren Lieferketten vor Augen, und sie zeigt uns: Wir müssen unabhängiger werden bei strategisch überlebenswich tigen Gütern wie Medikamenten oder Schutzkleidung. Die Art der Globalisierung, alles dorthin zu verlegen, wo die Produk tion am billigsten ist, müssen wir überdenken.
In Zukunft werden wir Lieferketten nicht nur unter dem Ge sichtspunkt der Kosteneffizienz, sondern auch unter den Ge sichtspunkten der Widerstandsfähigkeit und der Nachhaltig keit bewerten müssen.
Viertens: In der Krise erleben wir: Wir hängen alle voneinan der ab. Es kommt auf jeden Einzelnen an. Wir erleben, was wir schaffen können, wenn wir gemeinsam handeln, und wir erleben unglaublich viel Engagement und Hilfsbereitschaft.
Lassen Sie uns dieses neue Miteinander in die Zeit nach der Krise hinüberretten. Wenn uns das gelingt, wenn wir uns alle stärker in die Res publica – in die öffentlichen Angelegenhei ten – einbringen, und wenn wir das eigene Wohlergehen nicht über das Gemeinwohl stellen, dann hätten wir ein starkes Fun dament für alles, was an weiteren Herausforderungen auf uns zukommt.
Meine Damen und Herren, wir in Deutschland und BadenWürttemberg haben die Coronakrise bisher besser bewältigt als viele andere Staaten. Die „New York Times“ sprach vor Kurzem sogar von der „deutschen Ausnahme“ und berichte te dabei auch über Beispiele aus Baden-Württemberg.
Und ja, es ist uns gelungen, die Ausbreitung des Virus einzu dämmen. So konnten wir eine Überlastung unserer Kranken häuser verhindern und viele Menschenleben retten. Wir dür fen diesen Zwischenerfolg, den wir dem Virus in einem gro ßen gemeinsamen Kraftakt abringen konnten, nun aber nicht selbst wieder gefährden. Wir dürfen jetzt nicht leichtsinnig werden, sondern müssen weiter auf das setzen, was uns in den letzten Wochen stark gemacht hat: auf Verantwortungsbe wusstsein, Geduld, Disziplin und Zusammenhalt. Wenn wir das tun, werden wir – hoffentlich – eine zweite Infektionswel le verhindern können und diese Krise gemeinsam meistern.
Meine Damen und Herren, für die Aussprache über die Regierungserklärung hat das Präsi dium freie Redezeit festgelegt.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich möchte zu Beginn meiner Rede nun nicht in eine generelle Dankesorgie eintreten. Aber selbstverständlich bedankt sich auch die AfDFraktion