Protocol of the Session on February 5, 2020

Es geht also darum, dass wir uns jetzt in dieser Weise richtig aufstellen. Das tut diese Landesregierung sehr wohl.

Ich will aber noch etwas dazu sagen, warum das jetzt so ist, wie es ist. Erst einmal müssen Sie sehen, dass selbst beim bat terieelektrisch betriebenen Fahrzeug die Deckungsbeiträge sehr viel geringer sind als beim Verbrenner. Das hängt mit den hohen Kosten der Batterie zusammen.

(Abg. Anton Baron AfD: Und wo werden die herge stellt?)

Aber für ein Brennstoffzellenauto, das verkäuflich sein soll, gibt es überhaupt noch keine Geschäftsmodelle. Sie können doch von den Automobilisten nicht erwarten, dass sie Fahr zeuge auf den Markt bringen, an denen sie nichts verdienen, weil sie wegen der viel zu hohen Preise nicht gekauft werden. Da muss man einfach auch ein bisschen an Physik denken.

(Abg. Anton Baron AfD: Ach!)

Ein wasserstoffbetriebenes Auto braucht schon einmal dop pelt so viel Energie wie ein batteriebetriebenes Auto. E-Fuels brauchen etwa das Sechsfache der Energie. Da kann man sich also vorstellen, dass das der Hauptkostenfaktor ist, dass es da für mit den Technologien, die wir heute haben, keine Ge schäftsmodelle gibt, die sich am Markt auch etablieren kön nen. Das ist doch der Kern der ganzen Frage, warum sie ge rade nicht das machen, was Sie unbedingt wollen.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Hein rich Fiechtner [fraktionslos])

Deshalb muss ich mich darüber schon sehr wundern.

Ich will nur einmal sagen, Herr Kollege Stoch: Es ist richtig, wir müssen uns um Weiterbildung kümmern. Deswegen legt die Regierung – sie ist gerade dabei – gerade für diese Bran che ein Weiterbildungskonzept auf – das ist auch ein Ergeb nis des Strategiedialogs Automobilwirtschaft; es ist daraus ge boren –, und wir werden uns gezielt überlegen, wie wir im Zu sammenspiel mit der Wirtschaft, aber auch mit den Gewerk schaften und Betriebsräten solche Weiterbildungskonzepte auf die Beine stellen können. Also, auch darum kümmert sich die se Regierung.

Ich will noch einmal sagen: Es geht um den richtigen Mix. Aber dies ist ein Mix, der sich im Moment nicht darstellen lässt; es ist ein Mix für die Zukunft. Im Moment geht es um die Batterieelektrik. Alles andere sind Pilotprojekte. Ja, die sind wichtig, auch die betreiben wir. Deswegen hat die Lan desregierung die richtige Strategie. Sie ist technologieoffen, aber sie schaut auch darauf, dass für den kommenden Markt hochlauf der Elektromobilität die richtigen Infrastrukturvor aussetzungen geschaffen werden.

Ich biete Ihnen noch einmal an, dass Sie bei unserer Agentur e-mobil BW einen Termin machen und sich dort einen Tag lang auf den Stand der Diskussion bringen lassen. Das möch te ich Ihnen einfach anbieten, damit wir hier zu einer Debat te kommen, die so ist, dass wir den Automobilstandort im Au ge haben, aber auch wissen, es kommt zu einer Mobilitäts wende im nachfossilen Zeitalter, und die zeigt, dass es uns da rum geht, dass wir Arbeitsplätze, Wertschöpfung erhalten und unser Land auf diesem Gebiet spitze bleibt.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen – Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, nachdem Herr Ministerpräsident Kretschmann das Wort er griffen hat, löst dies die sogenannte Fraktionsvorsitzenden runde aus.

Für die SPD erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Stoch.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Herr Ministerpräsident, ich denke, wäh rend Ihrer Rede wurde deutlich, dass das, was Sie über das Einvernehmen in dieser Landesregierung zu diesem Themen feld gesagt haben, nicht der Realität entspricht. Bei einer Re de des Ministerpräsidenten habe ich noch selten einen von bei den Koalitionspartnern mit derart schweren Händen gesehen.

(Heiterkeit bei der AfD)

Obwohl vieles von dem, was Sie hier heute in Ihrer Rede auf genommen haben, in diesem Haus Konsens ist, wurde deut lich: Was die Frage nach der Technologieoffenheit und die Frage nach den Arbeitsplätzen in Baden-Württemberg angeht, besteht, glaube ich, in vielen Punkten Konsens. Dennoch schwebt über dieser Debatte ein tief sitzendes Misstrauen zwi schen den beiden Regierungspartnern bei der Frage: Was steckt denn wirklich dahinter?

Wir führen also, wenn wir heute über die einzelnen Punkte re den, die auch Sie angesprochen haben, eine Metadebatte, ei ne Debatte, die hinter der Sachdebatte steht. Diese Debatte möchte ich noch einmal deutlich machen:

Bei den Grünen kommt immer wieder, gerade wenn es um die Zukunft des Verbrennungsmotors geht, wenn es um die Fra ge geht, wann ein Ende des Verbrennungsmotors gekommen ist, zum Ausdruck, dass man das Auto – eigentlich den Indi vidualverkehr, aber in dem Objekt Auto verkörpert er sich dann – eigentlich nicht haben möchte,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: So ist es!)

dass es einem eigentlich querliegt, weil es den eigenen Ideen, wie zukünftig Mobilität aussehen könnte, widerspricht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen: Ba den-Württemberg wird in der Zukunft für alle Menschen in diesem Land Mobilität gewährleisten. Viele Menschen wer den auf den Individualverkehr und auf das Auto angewiesen sein. Deswegen ist diese Verteufelung des Autos, die dahin tersteckt, garantiert falsch und hat nichts mit der Lebenswirk lichkeit vieler Menschen in Baden-Württemberg zu tun.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP sowie der Abg. Dr. Christina Baum AfD – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Deswegen brauchen wir keine Verbotsdebatten, sondern wir brauchen eine von wirtschafts- und industriepolitischen Fra gen, aber auch von arbeitsmarktpolitischen Fragen geprägte Debatte, die lautet: Wie sieht die Zukunft dieses wichtigen In dustriezweigs in Baden-Württemberg aus, und zwar gerade im Hinblick auf die Frage, welche Produkte dort gebaut wer den?

Dann kommen wir zur anderen Seite. Es wird ganz sicher so sein – bei all den Mutmaßungen, die wir hier über die Zukunft anstellen –, dass wir mit der bisherigen Dogmatik, nur der Ver brennungsmotor sei die Lösung, nicht weiterkommen. BadenWürttemberg ist keine Insel, und wir können nicht nur in Deutschland regeln, wie viele Autos bei uns gekauft werden. Deutschland ist auf den Export angewiesen. Wenn in anderen Ländern aufgrund von Restriktionen, aufgrund von gesetzli chen Vorgaben emissionsfreie Mobilität gewünscht wird, wenn dort Mobilität gewünscht wird, die auf andere Antriebs arten setzt, dann wäre Deutschland dumm, dann wären deut sche Unternehmen dumm, wenn sie weiter auf diesen Pfad setzen würden. Deswegen ist Ihre Argumentation schlicht dumm, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt kommen wir zur Frage: Wie bilden wir eine Schnittmen ge? Wie bilden wir eine Schnittmenge unter dem Obersatz,

den auch Herr Kollege Rülke ganz zu Beginn seiner Rede for muliert hat: „Wir sind uns klar, dass wir zukünftig bei der Fra ge des Ressourceneinsatzes, bei der Frage der Antriebstech nologie nicht so weitermachen können wie bisher“?

Was ist die richtige Technik? Ich glaube nicht, dass die Poli tik in der Lage ist – sie sollte es auch nicht tun –, eine einzel ne Technik rigoros auszuschließen, vor allem dann nicht – das verstehe ich eben an der heutigen Debatte durch den Beitrag der FDP/DVP auch nicht –, wenn unter den vorhandenen Op tionen diese Option, nämlich die batteriebetriebene Mobilität, im Moment – das sagen uns ja verschiedene Wissenschaftler – im Vergleich zum Verbrennungsmotor noch die wirtschaft lichste Alternative ist und wenn aus diesem Grund die badenwürttembergischen Automobilunternehmen jetzt sehr stark auf diesen Entwicklungspfad setzen. Dann muss es doch gerade die Aufgabe von Politik sein, das Vertrauen in diese Option zu setzen – das hat auch etwas mit Infrastruktur zu tun –, so dass diese Produkte auch einen Markt haben und in BadenWürttemberg, Deutschland und in der Welt verkauft werden können, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen bringen Angstdebatten nichts – eine Angstdebatte, die dann doch wieder lautet: „Der Verbrenner ist nichts, den muss man abschaffen.“ Das ist eine Angstdebatte. „Das elek trisch betriebene Fahrzeug ist ein Irrweg; das muss man ver bieten, das muss man abschaffen, das darf man nicht weiter verfolgen.“

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das habe ich nicht gesagt!)

Ich habe hier am Pult heute für Sie in der FDP die Botschaft: Lassen Sie diesen Entwicklungsstrang. Sie haben nämlich ge nau so argumentiert; Sie haben gesagt, man sollte sich nicht ideologisch auf diesen einen Entwicklungspfad verengen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Genau!)

Aber aus diesem Satz zu schließen, dass dies ein Irrweg ist, ist doch der Denkfehler in Ihrer Argumentation, Herr Dr. Rül ke. Ich glaube, die batteriebetriebene Technologie wird in Ba den-Württemberg in den nächsten Jahren für Wertschöpfung und Arbeitsplätze im Automobilsektor wichtig sein, meine Da men und Herren.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Thomas Blenke CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Jetzt geht es darum, zu fragen: Was müssen wir, was kann Po litik überhaupt tun? Es ist in der Tat richtig: Politik wird nicht die neuen Autos entwickeln, und sie wird sie nicht erfinden. Sie wird auch nicht neue Antriebskonzepte entwickeln. Es geht darum, dass wir, die Politik, mit den Geldern, die uns der Steuerzahler vertrauensvoll anvertraut, dafür sorgen, dass die richtigen Entscheidungen getroffen werden, dass auch die richtigen Entscheidungen unterstützt werden. Das hat mit Fra gen von Forschung und Entwicklung zu tun.

Deswegen muss es natürlich wichtig und zentral sein, dass wir in Baden-Württemberg, dem Automobilland Deutschlands, z. B. auch bei der Batteriezellenforschung, bei der Batterie zellenentwicklung ganz vorn sind. Deswegen ist es noch im

mer nicht akzeptabel, dass dieser Standort aufgrund einer Ent scheidung, die im Bundesbildungsministerium bei Frau Kar liczek getroffen wurde, nicht Ulm ist. Die Entwicklung dieser Batteriezellen der Zukunft, und zwar vor allem auch der um weltfreundlicheren Batteriezellen, muss in Baden-Württem berg stattfinden, weil wir in Baden-Württemberg diese An triebsmodelle, diese Batterien brauchen, um unsere Autos hier zu fertigen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Klaus Dürr AfD)

Deswegen brauchen wir – das ist die Aufgabe von Politik – Unternehmen, die endlich diese Entscheidungen treffen. Auch dort sind, glaube ich, in den letzten Jahren Versäumnisse zu verzeichnen gewesen.

(Zuruf des Abg. Klaus Dürr AfD)

Politik und Wirtschaft haben sich im Prinzip gegenseitig an geschaut, und jeder hat gewartet, bis der andere reagiert. Das war ganz sicher ein Fehler. Deswegen ist es richtig, gemein sam die richtigen Konzepte zu entwickeln. Niemand hat heu te eine Garantie für die Richtigkeit dieser Konzepte. Aber wir müssen versuchen, diesen Wandel so zu gestalten, dass er zum Nutzen möglichst vieler Menschen in Baden-Württemberg er folgt. Das kann nur gelingen, wenn wir die richtigen Produk te an den Markt bringen, und das kann nur dann gelingen, wenn diese Produkte von Menschen in Baden-Württemberg gebaut werden.

Deswegen brauchen wir massive Investitionen in neue, res sourcenschonende Technologien, Produkte und Prozesse. Wir brauchen die Sicherung und den Ausbau von Zukunftsarbeits plätzen. Wir brauchen ganz sicher eine moderne, leistungsfä hige Infrastruktur, und zwar sowohl bei der Verkehrswende als auch zur Umsetzung der Energiewende. Wir brauchen ei ne intelligente Regional- und Strukturpolitik – ich habe das Thema „Ansiedlung der Zellfertigung“ angesprochen.

Und noch etwas brauchen wir dringend: Herr Ministerpräsi dent, ich freue mich ja, wenn Sie sagen: „Wir machen uns jetzt daran, uns auch um die Weiterbildung zu kümmern.“ Aber wir, die SPD, stehen hier an diesem Pult und haben seit drei oder vier Jahren, in mehreren Haushalten, beantragt, dass diese Landesregierung gerade kleinen und mittleren Unternehmen Geld für Weiterbildung in diesem Bereich zur Verfügung stellt. Passiert ist nichts. Ich kann das nur Ignoranz vor den Problemen der Menschen in diesem Land nennen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen geht es nicht darum, dass hier einer steht oder sich irgendjemand hinstellt und sagt, er wisse, wohin es geht. Nie mand kann das mit Garantie tun. Aber wir alle müssen die Ver antwortung wahrnehmen, die heißt: Wir müssen diesen Wan del in der Automobilindustrie, der gestartet, der eingetreten ist, diesen sogenannten Transformationsprozess, mit all den Veränderungsprozessen – die da heißen: Digitalisierung, Glo balisierung; die aber auch heißen: technologischer Wandel in der Antriebstechnologie – so gestalten, dass er nicht zum Schaden Baden-Württembergs, sondern zum Nutzen BadenWürttembergs führt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich nenne ein Bei spiel: Bereits vor etwas mehr als zwei Jahren hat die Fried rich-Ebert-Stiftung mit vielen Fachleuten gemeinsam eine Schrift herausgebracht mit dem Titel: „Die Zukunft der deut schen Automobilindustrie“. Der Untertitel lautet: „Transfor mation by Disaster or by Design?“

(Abg. Winfried Mack CDU: Guter Titel!)

Will ich diesen Wandel als Desaster, als strukturellen Bruch erleiden? Oder kann ich diesen Wandel auch gestalten? Ge stalten – „by design“ – heißt in diesem Fall, nicht nur zu war ten, was die Wirtschaft tut, sondern politische Rahmenent scheidungen zu treffen, die nicht einseitig einzelne dieser tech nologischen Stränge überhöhen, sondern die all diesen tech nologischen Entwicklungssträngen die Möglichkeit geben, zu zeigen, welches das richtige Produkt sein wird, das in Deutsch land, in Baden-Württemberg zu entwickeln ist. Wenn wir das schaffen, „by design“, dann wird Baden-Württemberg auch in Zukunft ein erfolgreiches Automobilland sein und vielen Men schen in diesem Land Arbeit geben.