Protocol of the Session on January 29, 2020

Frau Präsident, ich wiederhole gern diesen Satz: Selbstverständlich gibt es auch andere Probleme, die vorgetragen werden können. Die Mehrheit der Bevölkerung unterstützt einen despotischen, durch undemokratische Prozesse an die Macht gekommenen, bösartigen, antisemitischen Staatschef, der die Verbreitung des Islams in Europa befürwortet. Aber das trifft auch auf FrankWalter Steinmeier zu.

(Beifall des Abg. Stefan Räpple AfD – Zuruf: Herr Räpple klatscht! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ul rich Rülke FDP/DVP: Rauswerfen! Rauswerfen! – Abg. Georg Nelius SPD: Der letzte Heuler! – Gegen ruf des Abg. Anton Baron AfD: Freie Meinungsäu ßerung!)

Vielen Dank, Herr Abg. Dr. Rülke. – Diese Bezeichnung unseres obersten Staatsober haupts ist wirklich nicht in Ordnung.

(Abg. Anton Baron AfD: Freie Meinungsäußerung, Frau Präsidentin! – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [frak tionslos]: Was hat er denn gemacht? Er empfängt Ab bas!)

Entschuldigung, ich diskutiere mit Ihnen nicht darüber, wenn es hier um Stilfragen geht.

(Abg. Anton Baron AfD: Frau Präsidentin, das ist sei ne Sicht der Dinge! Das muss keiner teilen!)

Das ist ja ganz eindeutig. Vielen Dank. – Man sollte Ihnen al so doch aufmerksamer zuhören.

(Vereinzelt Beifall – Abg. Anton Baron AfD: Das ist seine Sicht der Dinge! Das muss niemand teilen! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ja, und jetzt?)

Ja, das ist ein Ordnungsruf. Das habe ich doch gerade ge sagt, oder?

(Abg. Anton Baron AfD: Nein! – Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Der zweite heute schon! – Abg. Andreas Stoch SPD: Das ist der zweite Ord nungsruf!)

Ich kann zählen. Danke schön.

Nun darf ich Herrn Minister Wolf für die Regierung ans Re depult bitten.

Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es fällt etwas schwer, nach einer insgesamt guten Debatte, aber angesichts der letzten Wortmeldung, in der Rede des Regierungsvertre ters sogleich zur Sache zu sprechen.

Ich will für die baden-württembergische Landesregierung, aber, wie ich denke, auch für die ganz große Mehrheit dieses Hohen Hauses zum Ausdruck bringen, dass ich die Würdi gung des deutschen Bundespräsidenten als Antisemiten als niederträchtig und der Würde dieses Hauses nicht angemes sen erachte.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Andreas Stoch SPD: Man blicke auf die AfD! – Zuruf des Abg. Udo Stein AfD)

Meine Damen und Herren, die Türkei und der EU-Beitritt – eine unendliche Geschichte, die sicherlich auch schon viel An lass zur konfliktträchtigen Debatte bot.

Fakt ist: Die Türkei hat bereits 1987 einen Beitrittsantrag ge stellt, 2005 wurden die Beitrittsverhandlungen daraufhin er öffnet. Es ist kein Geheimnis, dass meine Partei eine Vollmit gliedschaft der Türkei für einen Fehler halten würde und sich seit jeher für eine privilegierte Partnerschaft ausgesprochen hat.

Fakt ist auch: Seit Juni 2018 sind die Beitrittsverhandlungen im Prinzip eingefroren, nachdem die EU-Kommission der Türkei schwere Rückschritte auf dem Weg in die Europäische Union attestierte. Deutlich unterstrichen wurde dies durch den Fortschrittsbericht der EU-Kommission mit Blick auf die Tür kei aus dem Jahr 2019. Dort heißt es – ich zitiere –:

Allerdings hat sich die Türkei weiter von der Europäi schen Union wegbewegt, vor allem durch Rückschritte in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte so wie durch die Schwächung des Prinzips der Kontrollen und Gegenkontrollen im politischen System infolge von Verfassungsänderungen.

Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch in diesem Haus sind wir uns einig, dass sich an dieser Situation bis heu te – ich füge hinzu: leider – nichts geändert hat.

Nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 wurde in der Tür kei der Ausnahmezustand verhängt, der am 18. Juli 2018 of fiziell endete. Jedoch hat das türkische Parlament danach ein Gesetz verabschiedet, das viele Elemente der Notstandsrege lung beibehält.

Die EU-Kommission und der Europarat sahen und sehen ins besondere die damit verbundenen Einschränkungen der Grund freiheiten kritisch. Beide Institutionen sehen zudem deutliche Defizite bei der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien, ins besondere – das sage ich auch infolge meiner ganz persönli chen Einschätzung – bei der Unabhängigkeit der Justiz.

Auch bei den wirtschaftlichen Kriterien sieht die Kommissi on gravierende Rückschritte. Die Erdgasbohrungen der Tür kei im östlichen Mittelmeer haben in jüngster Zeit für weite ren Konfliktstoff im Verhältnis zu Griechenland gesorgt.

An dem Stillstand bei den Beitrittsverhandlungen wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern. Denn die Türkei hat sich sehr weit und immer weiter von den Beitrittskriterien entfernt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das Europäische Parlament hat sich am 13. März 2019 schließ lich mit seiner Mehrheit dafür ausgesprochen, die Beitritts verhandlungen offiziell auszusetzen.

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Weder der Europäische Rat noch die Kommission haben sich dieser Forderung bislang angeschlossen.

Ich will aber deutlich zum Ausdruck bringen: Für mich ist völ lig klar, dass es in dieser aktuellen Lage keine weiteren Bei trittsverhandlungen mit der Türkei geben kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der AfD)

Die Europäische Union kann nur dann gegenüber ihren eige nen Mitgliedsstaaten glaubwürdig bleiben, wenn sie bei den Beitrittsverhandlungen eine klare Haltung hat. Dies gilt ins besondere für die Themen Rechtsstaatlichkeit und Menschen rechte. Aufgrund der bekannten Entwicklungen in der Türkei ist ein Beitritt des Landes zur EU absehbar nicht realistisch, und das muss man auch in dieser Form unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Aber eine Abwendung der Türkei von Europa – das ist die andere Facette der Debatte, die wir hier führen – kann ebenso wenig in unserem Interesse sein.

Richten wir also den Blick nach vorn: Die Verhandlungen mit der Türkei führen uns meiner Meinung nach vor Augen, dass die Europäische Union das Thema Erweiterung grundsätzli cher betrachten und nach neuen Lösungen suchen sollte. Für Staaten, die auf absehbare Zeit die Beitrittskriterien und ge meinsamen Werte und Standards nicht erreichen, sollte die EU neue Modelle einer engeren Kooperation unterhalb einer Vollmitgliedschaft ins Auge fassen.

Denn trotz aller Schwierigkeiten bei den Beitrittsverhandlun gen ist und bleibt auch die Türkei – das ist von Vorrednern an gesprochen worden – für uns Europäer ein wichtiger geostra tegischer Nachbar. Die Türkei ist für die EU der fünftwich tigste Handelspartner. Umgekehrt steht die EU für die Türkei bei Exporten und Importen auf Nummer 1. Die geografische Lage macht die Türkei zu einem wichtigen Gesprächspartner in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Sie hat zudem eine zentrale Rolle als Transitland für Flüchtlinge. Das EUTürkei-Flüchtlingsabkommen vom März 2016 hat einen wich tigen Beitrag dazu geleistet, die Zahl der illegalen Ankünfte deutlich zu verringern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will aber auch eines zum Ausdruck bringen, weil es mit Blick auf dieses Flüchtlings abkommen immer wieder eine Rolle spielt: Dieses notwendi ge und richtige Flüchtlingsabkommen darf auf der anderen Seite auch nicht dazu missbraucht werden, dass die türkische Führung immer wieder versucht, mit dieser Argumentation andere Länder zu erpressen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der AfD)

Auch dieses Signal muss deutlich zum Ausdruck gebracht werden: Wir lassen uns nicht erpressen.

Ein wichtiger Teil des Abkommens sind die Hilfszahlungen der Europäischen Union, die direkt den syrischen Flüchtlin gen in der Türkei zugutekommen. So konnten damit z. B. Schulen gebaut oder Säuglinge geimpft werden.

Auch die bisherigen Heranführungshilfen – ein etwas sperri ges Wort – der Europäischen Union für die Türkei waren ge nerell sinnvoll. Sie dienen nicht nur der direkten Unterstüt zung von Regierung und Verwaltung im Hinblick auf einen EU-Beitritt, sondern sie finanzieren auch Projekte zur Förde rung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Die Kommission muss aber sicherstellen, dass die Mittel beim richtigen Empfänger ankommen. Sie hat auch Konsequenzen aus den veränderten Umständen in der Türkei gezogen. So wurden die Heranführungsmittel für die Türkei seit 2017 er heblich gekürzt, um auf die gravierenden Rückschritte bei den grundlegenden Beitrittskriterien zu reagieren. Zudem hat die Europäische Kommission die für 2018 bis 2020 bereitgestell

ten Mittel folgerichtig auf die Bereiche Zivilgesellschaft, De mokratie und Rechtsstaatlichkeit umgewidmet. 2019 und 2020 werden keine Maßnahmen mehr im Justizwesen finanziert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Türkei bleibt in politi scher, geostrategischer und wirtschaftlicher Hinsicht ein Part ner, den wir nicht einfach ausblenden sollten. Ich wiederho le: Unter den gegebenen Rahmenbedingungen können Bei trittsverhandlungen nicht stattfinden. Aber in gleicher Weise darf der Gesprächsfaden nicht reißen. Die EU und die Bun desregierung sind trotz aller Schwierigkeiten in der Türkei gut beraten, diesen Gesprächsfaden weiterhin zu nutzen und zu pflegen. Die Gespräche finden auch weiterhin auf höchster po litischer Ebene statt. Kanzlerin Merkel war erst am vergange nen Montag zum Gespräch bei Präsident Erdogan.

Es ist richtig, dass auf dieser Ebene nach Lösungen in den schwierigen Beziehungen gesucht wird. Dennoch ist es gut und richtig, wenn auch der Landtag und die Landesregierung die Entwicklung in der Türkei mit wachsamem Auge verfol gen und hier im Plenum demokratisch diskutieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP)

Vielen Dank, Herr Minis ter. – Nun hat sich Herr Abg. Sänze noch für die zweite Run de der Aussprache gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich klarstellen: Niemand in der AfDFraktion hält den Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutsch land für einen Antisemiten. Niemand!

(Beifall bei der AfD – Zurufe von der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Allerdings läuft der Herr Bundespräsident Gefahr, mit seiner Akzeptanz der Einwanderung von vielen sogenannten Flücht lingen diesen deutschen Staat zu überfordern. Wir meinen schon, dass er dieser Bewegung das Wort redet.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Winfried Mack CDU: Was?)

Jetzt räume ich mal auf mit diesen Schimären. Wer hat denn dieses Europa wie besoffen erweitert? Das waren doch Sie!

(Beifall bei der AfD)