Protocol of the Session on November 6, 2019

Meine Damen und Herren, das ist alles kein Grund zur Panik; denn bekanntlich verläuft die Konjunktur in Wellen. Aber es ist ein Grund zur Vorsicht und zur Vorsorge. Wenn heute die Wirtschaftsweisen der Bundeskanzlerin ihr neues Gutachten übergeben, dann werden sie auch warnend darauf hinweisen, dass sich die deutsche Volkswirtschaft in einem Abschwung befindet. Allerdings gehen sie nicht von einer breiten und tie fer gehenden Rezession aus. Es gibt also Risiken, aber es gibt keinen Grund zur Panik.

Der bundesweite Trend zeigt sich natürlich auch insbesonde re in der Branchenstruktur in Baden-Württemberg. Die füh renden Wirtschaftsinstitute rechnen in ihrem Herbstgutachten für Deutschland für das laufende Jahr nur noch mit einem sehr mäßigen Wachstum von etwa 0,5 %. Zu Jahresbeginn lagen die Wachstumsprognosen noch beim Doppelten.

Wir haben seit gut einem Jahr eine zweigeteilte Konjunktur. Während nämlich die Industrie zunehmend Probleme be kommt, ist der Dienstleistungsbereich in guter Verfassung. Auch die Beschäftigtensituation und die Lohnentwicklung sind nach wie vor robust, und der Konsumbereich ist intakt. Allerdings ist es natürlich so, dass Handelskonflikte und der Strukturwandel in der Leitbranche Fahrzeugbau insbesonde re die Industrie schwächen. Das trifft natürlich Baden-Würt temberg im Bundesvergleich besonders stark. Immerhin sind ein Drittel aller deutschen Arbeitsplätze im Maschinenbau hier in Baden-Württemberg angesiedelt. Im Fahrzeugbau ist es je der vierte Arbeitsplatz.

Eine starke Abschwächung des verarbeitenden Gewerbes trifft Baden-Württemberg also mehr als andere Bundesländer. Des halb haben sich auch die Steuereingänge im Land unterdurch schnittlich entwickelt. Das ist folgerichtig auch das Ergebnis der Steuerschätzung, das uns seit Montag für Baden-Würt temberg vorliegt.

Ja, meine Damen und Herren, ich sage es offen: Das Ergeb nis der Steuerschätzung ist überraschend positiv. Entgegen al len Annahmen haben wir ein Plus bei den Steuereinnahmen im Vergleich zur Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres zu verzeichnen. In Zahlen bedeutet das für dieses Jahr ein Plus von 96 Millionen € im Vergleich zum Haushaltsansatz 2019. Für 2020 und 2021 sollen die zusätzlichen Einnahmen sogar auf 482 Millionen € bzw. 487 Millionen € steigen. Das ist na

türlich ein gutes, ein erfreuliches Ergebnis für das Land. Aber für 2022 müssen wir in der mittelfristigen Finanzplanung durch die aktuelle Schätzung mit einem Minus von 147 Mil lionen € rechnen.

Das Ergebnis der Steuerschätzung für die beiden Jahre 2020 und 2021 lässt uns mehr finanzielle Spielräume. Es mahnt uns aber auch zur Vorsicht. Das Beste für unser Land ist es, den Landeshaushalt wetterfest aufzustellen und eine entsprechen de Rücklage zu bilden.

Die Ergebnisse der Herbststeuerschätzung sind in diesem Haushaltsentwurf selbstverständlich noch nicht enthalten. Ich habe der Haushaltskommission am vergangenen Montag die Ergebnisse vorgestellt und auch einen Vorschlag für die Ver wendung der Steuermehreinnahmen unterbreitet.

Zentral und wesentlich ist für mich im Sinne einer voraus schauenden und soliden Haushaltspolitik eine relevante Auf stockung der Rücklage für Haushaltsrisiken. Das, was Sie in der Zeitung dazu lesen konnten, stimmt: Die Größenordnung, die mir vorschwebt, liegt bei 1 Milliarde € zusätzlich.

Selbstverständlich sollten wir auch das Kontrollkonto zum 31. Dezember dieses Jahres ausgleichen und eine entsprechen de Tilgung von – Stand heute – 132 Millionen € vorsehen.

In Anbetracht der vorangegangenen Debatte über die Sanie rung der Württembergischen Staatstheater erwähne ich: Eine Erhöhung der Rücklage für die Sanierung von Kulturliegen schaften würde sicherlich auch Sinn machen.

Ein Sofortprogramm für Klima- und Artenschutz schafft Spielräume für zusätzliche Maßnahmen. Denn, meine Damen und Herren, der Klimawandel wartet nicht. Wir sollten zeit nah weitere Projekte auf den Weg bringen, die den CO2-Aus stoß mindern und so das Klima und die Umwelt schützen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Zuruf von der AfD: Oh Gott!)

Aus meiner Sicht ist es essenziell, meine Damen und Herren, die Innovationskraft von Baden-Württemberg zu erhalten und den Forschungsstandort zu stärken. Dazu gehört für mich auch ein guter und ausgewogener Hochschulfinanzierungsvertrag. Daher habe ich vorgeschlagen, auch hier zusätzliches Geld für Sonderbedarfe in die Hand zu nehmen.

Es gibt noch weitere wichtige Vorhaben. Ich will nur noch ei nes beispielhaft herausgreifen: den Bereich der Gedenkstät tenförderung. Das Land Baden-Württemberg sollte sich wie der Bund und die anderen Länder an der Stiftung der Gedenk stätte Auschwitz-Birkenau beteiligen. Es ist wichtiger denn je, dass die Erinnerung an dieses dunkle und unvorstellbar grausame Kapitel deutscher Geschichte nicht in Vergessen heit gerät. Das Konzentrationslager muss als Mahnmal für heutige und künftige Generationen erhalten bleiben.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren, die Haushaltskommission trifft sich gern, und wir werden uns in der nächsten Woche wieder treffen.

(Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

Wir werden Beschlüsse fassen, wie mit den zusätzlichen Spielräumen umgegangen wird.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Also sind Sie sich noch nicht einig!)

Klar ist, dass das Ergebnis der Steuerschätzung, wie auch sonst üblich, im parlamentarischen Verfahren in den Entwurf des Haushalts eingearbeitet werden muss. Weitere Weichen werden dann in den Landtagsberatungen in den kommenden Wochen gestellt.

Ich bin überzeugt: Eine nachhaltige und solide Finanzpolitik ist wichtiger denn je. Denn – ich habe es bereits gesagt – die Voraussagen mahnen zur Vorsicht. Wir müssen ausreichend Vorsorge treffen!

Neben diesen äußeren Faktoren gibt es natürlich auch Ent scheidungen, die wir bereits getroffen haben, die im Haushalt abgebildet werden müssen. Diese politischen Entscheidungen binden vorhandenes Geld. Ich sage nicht, dass das schlecht ist, aber man muss es sich einfach immer vor Augen führen, wenn man einen Haushalt aufstellt. Denn auch wir können je den Euro nur einmal ausgeben.

Ein solcher Faktor sind die steigenden Personalausgaben. Den Tarifabschluss vom März 2019 haben wir auf Besoldung und Versorgung system- und zeitgleich übertragen. Ich bin froh, dass das in diesem Haus einstimmig beschlossen worden ist; denn das ist meines Erachtens ein wichtiges und richtiges Si gnal an unsere Landesbeschäftigten.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Im Personalbereich ergab sich gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung ein Mehrbedarf von rund 450 Millionen € für 2020 und von 440 Millionen € für 2021. Das ist viel Geld, aber ich finde, das Geld ist gut und zukunftweisend investiert. Wir investieren in unsere Beschäftigten, die mit ihrer Arbeit den Grundstein unseres Gemeinwesens bilden. In Zeiten des Fachkräftemangels stehen auch die öffentlichen Arbeitgeber in einem Wettbewerb um die besten Köpfe. Deshalb wollen und müssen wir ein attraktiver und interessanter Arbeitgeber sein und bleiben.

Immer wieder unterstützt der Bund Länder und Kommunen bei wichtigen Aufgaben. Das ist auch gut so. Aber manche Gesetze des Bundes erschweren eine weitsichtige, verlässli che und generationengerechte Finanzplanung.

Frau Ministerin, lassen Sie ei ne Zwischenfrage des Abg. Räpple zu?

(Vereinzelt Lachen bei den Grünen)

Nein. Wir wer den in der nächsten Woche und in den darauffolgenden Wo chen sehr viel Zeit für Diskussion und Aussprache haben; des halb lasse ich heute keine Zwischenfragen zu.

Liebe Frau Kultusministerin, mit dem „Gute Kita“-Gesetz bei spielsweise unterstützt der Bund die Länder bei der Weiter entwicklung der Qualität in der Kindertagesbetreuung. Das ist gut so. Aber Stand heute sind die Bundesmittel nur bis 2022 zugesagt.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Weil die CDU es so will!)

Anschließend ist die Finanzierung der damit angestoßenen Maßnahmen mit vielen Fragezeichen versehen.

Bei anderen Bundesvorhaben und Gesetzen sind die Mehr kosten für Baden-Württemberg schwer abzuschätzen, z. B. beim Bundesteilhabegesetz oder auch beim Zensus für 2021. Eine weitsichtige und verlässliche Finanzpolitik muss hier Vorsorge treffen, und es müssen entsprechende Spielräume in den Haushalt eingeplant werden. Das haben wir getan, und wir haben auch entsprechende Rücklagen gebildet.

Sie sehen: Wir haben uns auf viele Unwägbarkeiten einzustel len. Wir wollen, dass Baden-Württemberg in einem immer härteren Wettbewerb in einer Spitzenposition bleibt. Wir müs sen Risiken einkalkulieren und Sicherheiten schaffen. Wir müssen wichtige Investitionen für unser Land vornehmen, aber wir müssen bei diesem Haushalt auch umsichtig und vor sichtig planen; es ist ein Spannungsfeld, in dem sich die Fi nanzpolitik, die Landesregierung, aber eben auch der Haus haltsgesetzgeber befinden.

Ein auf Kante genähter Haushalt wäre kein guter Haushalt für Baden-Württemberg. Trotz ordentlicher Steuereinnahmen sollten wir daher Vorsorge treffen und die Rücklage für Haus haltsrisiken mit etwa 1 Milliarde € auffüllen. Und wir sollten bei weiteren Ausgaben maßvoll sein.

(Beifall bei den Grünen und des Staatssekretärs Wil fried Klenk)

Meine Damen und Herren, was beinhaltet der Haushaltsent wurf für die kommenden beiden Jahre? Für rechtlich und ver traglich vorgeschriebene Aufgaben müssen wir etwa 680 Mil lionen € ausgeben. Die übrigen 1,35 Milliarden € Deckungs mittel haben wir für politische Schwerpunkte vorgesehen; das sind Klimaschutz, Bildung, innere Sicherheit und gesellschaft licher Zusammenhalt, die Unterstützung unserer Kommunen, die Stärkung der Innovationskraft unserer Hochschulen – um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Daraus ergibt sich im Jahr 2020 ein Haushaltsvolumen von 50,3 Milliarden €; im Jahr 2021 sind es knapp 2 Milliarden € mehr, nämlich 52,2 Milliarden € – eine stolze Summe, die auch wirtschaftspoli tisch klug ist, weil wir mit den investiven Maßnahmen dieser Haushaltspolitik einen Beitrag gegen die abflauende Konjunk tur leisten.

Diese Summe beinhaltet auch 2 858,5 Neustellen, überwie gend in den bereits genannten Bereichen. Ich will Ihnen er klären, meine Damen und Herren, warum ich diese Stellen für richtig und wichtig halte:

(Zuruf des Abg. Hans Peter Stauch AfD)

Von diesen 2 858,5 Neustellen werden etwa 730 in Landesbe trieben geschaffen. Mit dem Haushaltsentwurf stärken wir den Personalkörper bewusst dort, wo es notwendig ist. Ich möch te Ihnen sechs Beispiele nennen.

Erstens: Wir müssen jetzt die Lehrerstellen schaffen, damit weniger Unterricht ausfällt und die Kinder in allen Schular ten gut lernen können. Dazu gehören 115 neue Stellen und 114 weitere Deputate für Vertretungslehrkräfte. Dazu gehö ren 130 Stellen für das Angebot von G-9-Zügen an Gymnasi

en, 228 Stellen für den Ethikunterricht, 100 Stellen für Ganz tagsangebote, 318 Stellen für Inklusion, 103 Stellen für Pool stunden an den Realschulen und schließlich 71 Stellen zur Umsetzung des Pakts für gute Bildung und Betreuung.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Zweitens, meine Damen und Herren: Wir stärken unsere Jus tiz, die mit enormen Herausforderungen zurechtkommen muss. Deshalb schaffen wir 175 neue Stellen im Justizvoll zug. Sie wissen, unsere Justizvollzugsanstalten sind gut be legt bis überbelegt. Das bedeutet für die Beschäftigten natür lich noch einmal eine besondere Herausforderung. Wir schaf fen 25 neue Wachtmeisterstellen für die Gerichte und 95 neue Richter- und Staatsanwaltsstellen.

Drittens: Wir sorgen mit neuen Anwärterstellen dafür, dass die Polizei die Altersfluktuation ausgleichen und alle Stellen be setzen kann.

Viertens: Wir müssen die Staatliche Vermögens- und Hoch bauverwaltung besser ausstatten, damit die verfügbaren Mit tel des Landes und des Bundes auch verbaut werden können. Insgesamt schaffen wir beim Landesbetrieb Vermögen und Bau – inklusive der SSG, der Staatlichen Schlösser und Gär ten Baden-Württemberg – 31 neue Stellen. Wir wandeln 117 Stellen von befristeten in unbefristete Stellen um, und wir schaffen 120 Stellen beim Bundesbau, die aber vollständig vom Bund finanziert werden.

Fünftens: Wir müssen die Voraussetzungen schaffen, damit die Steuerverwaltung die Grundsteuerreform fristgerecht um setzen kann. Diese Reform wird voraussichtlich insgesamt 500 Stellen erfordern. In einem ersten Schritt schaffen wir im Jahr 2021 immerhin 150 Stellen. Wir sichern damit diese wichtige Einnahmequelle, 1,8 Milliarden € für unsere Kom munen in Baden-Württemberg.

Sechstens: Wir brauchen für die Umsetzung des Notfallplans Wald 150 neue Stellen für Bedienstete im Forst und für die Beratung der Waldbesitzer.

(Abg. Anton Baron AfD: Das ist verrückt! Natur- Mensch-Beziehungen!)

Viele Abgeordnete haben sich in ihren Wahlkreisen umge schaut, und es ist offensichtlich: Der Wald und auch die Wald besitzer brauchen unsere Unterstützung. Deshalb ist für mich klar: Da müssen wir etwas tun.