Protocol of the Session on October 17, 2019

(Heiterkeit – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Wie oft noch?)

das, was Sie hier als Gesetzentwurf einreichen, hat wirklich nichts mit einer zukunftweisenden Sonntagsrede zu tun. Das ist höchstens ein marktradikaler Donnerstagsexzess – maxi mal.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Timm Kern FDP/ DVP: Mehr fällt Ihnen dazu nicht ein!)

Lieber Herr Schweickert, ich schätze Ihre ökonomische Ex pertise sehr. Aber Sie können doch hier nicht ernsthaft sagen: „Die Zeiten werden schwieriger. Wir haben wirtschaftlich we niger zu erwarten, und darum schrauben wir einmal nach un ten, wenn es darum geht, dafür zu sorgen, dass weiter ordent liche Löhne gezahlt werden, und wenn es darum geht, dass sich die Arbeitnehmer genau in die Transformationsprozesse mit entsprechender Bildungszeit einbringen können.“ Das ist doch nicht logisch, und es geht doch an den wirtschaftlichen Anforderungen vorbei.

Es ist richtig, dass wir ein Gesetz gemacht haben, das den Ar beitnehmerinnen und Arbeitnehmern unabhängig vom Unter nehmen und unabhängig davon, wie zukunftsfähig es denken kann, einen Anspruch auf Bildungszeit gibt. Wir können doch nicht einerseits in Sonntagsreden über lebenslanges Lernen sprechen und dann andererseits im marktliberalen Donners tagsexzess sagen: „Jetzt schaffen wir mal eben die Bildungs zeit ab.“

Umgekehrt muss es sein: Die Bildungszeit muss weiter ge stärkt werden. Wir haben aus dem Evaluierungsbericht, der unserer Meinung nach einfach zu früh gemacht wurde,

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Völlig richtig!)

weil das Gesetz noch gar nicht seine volle Wirksamkeit in der Fläche entfalten konnte, z. B. gesehen, dass wir mehr über dieses Gesetz informieren müssen, dass wir auch mehr in die Fläche tragen müssen, wie wichtig lebenslanges Lernen ist und dass es mit der Bildungszeit einen entsprechenden An spruch gibt.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Ja!)

Natürlich müssen wir dort die verschiedenen Facetten von Lernen mit abbilden. Denn auch die politische Bildung – das haben Sie hier in diesen Tagen doch wieder gesehen – gehört mit dazu, wenn wir über einen vollumfänglichen Bildungsbe griff beim lebenslangen Lernen sprechen.

(Beifall bei der SPD)

Wir nehmen die Rückmeldungen, die es gibt, sehr ernst. Schau en Sie mal, was beispielsweise die Landfrauen zurückgemel det haben, die auf dieses Gesetz setzen, um die örtliche Wei terbildung zu gestalten und um Menschen beim lebenslangen Lernen mitzunehmen. Wir nehmen die Rückmeldungen aus der Evaluierung sehr ernst, wenn es darum geht, dass offen sichtlich viele noch nicht um ihren Anspruch wissen.

Darum wollen wir eine landesweite Informationskampagne. Das packen wir zusammen, um den Wirtschaftsstandort Ba den-Württemberg noch zukunftsfähiger zu machen und die Menschen an der weiteren technologischen Entwicklung teil haben zu lassen. So gelingt es uns am Schluss, Baden-Würt temberg auch in den wirtschaftlich schwierigeren Zeiten gut aufzustellen.

Jetzt freut uns natürlich, wenn seitens der CDU hier plötzlich eine gewisse Sympathie für das Bildungszeitgesetz zugege ben wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Das war ja nicht immer so. Ich bin jetzt mal gespannt, ob sich die zuständige Ministerin dem anschließt. Denn sie hat ja am Anfang durchaus deutlich gemacht, wo sie beim Bildungszeit gesetz gern schreddern will. Wir sind hoch gespannt auf die Rede hier. Denn wir sagen: Wer Wirtschaft in Baden-Würt temberg gestalten will, der muss auch zum Bildungszeitge setz Baden-Württemberg stehen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir werden das, was die FDP/DVP hier vorlegt, nicht mittragen – aus wirtschaftlicher Verantwor tung für Baden-Württemberg und weil uns der Anspruch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf lebenslanges Ler nen wichtig ist.

Aber Sie haben einen guten Input gegeben. Die Koalition, die sich bei diesem wichtigen Thema so lange zerstritten hat, in der der eine gesagt hat, was er abschaffen will, und der ande re sich nicht dazu bekannt hat, dass er hinter einem guten Ge setz steht, muss jetzt Farbe bekennen. Dieses Farbebekennen ist wichtig; denn die Menschen in Baden-Württemberg haben einen Anspruch darauf, dass die Regierung sagt, ob sie beim zukunftsfähigen Baden-Württemberg mitmacht – das bedeu tet, hinter dem Bildungszeitgesetz zu stehen – oder ob sie ein

mal mehr ein wichtiges Thema verschnarcht. Darum vielen Dank für diesen Input.

(Beifall bei der SPD)

Für die Landesregierung er teile ich Frau Ministerin Dr. Hoffmeister-Kraut das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in der Debatte das Gefühl bekommen, dass wir durch das Bildungszeitgesetz die strukturellen und konjunkturellen Probleme lösen, in denen wir uns derzeit befinden,

(Abg. Claus Paal CDU: Genau!)

und damit wichtige Impulse für Fortschritt, Innovation und Technologie setzen. Ich glaube, hier wurde vieles miteinan der vermengt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Mein Ansinnen ist es – –

(Abg. Daniel Born SPD: Wir setzen auf Sie!)

Das ehrt mich sehr, dass Sie auf mich setzen, Herr Born. Das ist wirklich ein großes Kompliment, das Sie im Parlament öffentlich aussprechen.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Fragezeichen! – Weitere Zurufe von der SPD)

Lieber Herr Schweickert, ein Gesetz zum Bürokratieabbau, das ist die Intention. Ich möchte vorweg deutlich machen: Der Abbau überflüssiger Bürokratie ist mir persönlich und auch der Landesregierung ein sehr wichtiges Anliegen. Nach Kräf ten unterstütze ich, unterstützen wir die Unternehmen in un serem Land, und dazu zählt auch, um die Wirtschaft zu ent lasten, ein zügiger Bürokratieabbau auf allen Ebenen. Das ha ben wir bei all unseren Entscheidungen im Blick.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Anton Ba ron AfD: Bravo!)

Wir reden nicht nur darüber, sondern wir haben auch schon gehandelt, wir haben umgesetzt. Der Normenkontrollrat, der Anfang 2018 ins Leben gerufen wurde, hat dem Bürokratie abbau in unserem Land wieder richtigen Schwung verliehen. Das ist ein umfassender Ansatz, den wir, die Landesregierung, gewählt haben, und hierbei sind wir auch schon einen großen Schritt vorangekommen. Herr Schweickert, die Landesregie rung wird u. a. auf Basis der Vorschläge des Normenkontroll rats das Arbeitsprogramm zum Bürokratieabbau erarbeiten, nicht mein Ministerium.

(Vereinzelt Beifall – Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/ DVP: Bis wann?)

Jetzt spreche ich für mich. Das müssen Sie andere fragen. Es wird zeitnah – –

(Abg. Daniel Born SPD: Was machen Sie denn so?)

Herr Born, ich weiß nicht, ob Sie sich mit dem Bericht des Normenkontrollrats auseinandergesetzt haben.

(Abg. Claus Paal CDU: Ich gebe ihm meinen!)

Aber sollten Sie ihn gelesen haben, dann werden Sie darin ei ne umfangreiche Passage, die das Wirtschaftsministerium mit gestaltet hat, vorgefunden haben. Claus Paal hat den Bericht auf dem Tisch liegen; er kann Ihnen gern aushelfen.

Also: Bürokratieabbau hat in der Landesregierung eine ganz hohe Priorität, weil wir sehen, dass es gerade auch für kleine und mittlere Unternehmen ein sehr wichtiger Punkt ist, Kos teneinsparungen und Effizienz im Wettbewerb umsetzen zu können.

Wir haben beim Bürokratieabbau auch schon einiges erreicht; das kam in der Debatte nicht zur Sprache. Stichwort: Novel lierung der Landesbauordnung. Wir haben hier einen spürba ren Beitrag zur Entlastung der Wirtschaft und der Bürgerin nen und Bürger in unserem Land geleistet: z. B. die Verfah ren für die Schaffung von kostengünstigerem Wohnraum be schleunigt sowie Kosten und Aufwände reduziert – Stichwort: Digitalisierung der Verfahren.

(Abg. Daniel Born SPD: Das wurde ja nach hinten verschoben! – Zuruf des Abg. Claus Paal CDU)

Ja, weil die Kommunen die Verfahren umsetzen müssen und sich darauf vorbereiten wollen. Das war der Grund, warum man es um ein Jahr nach hinten verschoben hat.

(Abg. Daniel Born SPD: Aber Ihr Vorschlag war ja weiter gehend!)

Das ist pragmatisch. Wir machen Politik für die Menschen, wir machen sie nicht losgelöst und wollen den Akteuren die Möglichkeit geben, dies umzusetzen. Ich glaube, das ist nur fair.

Zum Zweiten haben wir die VwV Beschaffung novelliert und auch hierbei weiteres Entlastungspotenzial generiert.

Mit dem Gesetzentwurf der FDP/DVP-Fraktion mit dem Ziel, Bürokratie abzubauen, sowohl durch die Abschaffung des Bil dungszeitgesetzes als auch des Landestariftreue- und Mindest lohngesetzes, werden viele Aspekte, die in dieser wichtigen Debatte einen hohen Wert haben, überhaupt nicht berücksich tigt. Und das, liebe FDP/DVP, wundert mich schon, denn auch Sie sind über die aktuellen Beratungsverfahren bei beiden Ge setzen informiert. Auch die FDP/DVP sollte – so meine ich zumindest – die Stimmen der Stakeholder, derjenigen, die be troffen sind, hören, sollte sie ernst nehmen und auch darüber diskutieren.

Herr Schweickert, Sie haben den Schlingerkurs sogar selbst erwähnt, den Sie bezüglich Ihres Standpunkts gerade beim Bildungszeitgesetz

(Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP: Das war Ihr Vorschlag, Frau Ministerin! Wortwörtlich!)

in den letzten Monaten und Jahren hier praktiziert haben. Das zeigt, dass auch die FDP/DVP in ihrer Position hier schlin gert: Im letzten Landtagswahlkampf wollten Sie die komplet te Abschaffung des Gesetzes. Wenige Monate später brachten Sie einen Gesetzentwurf ein, mit dem lediglich die Freistel

lungsansprüche reduziert werden sollten, und jetzt wieder die Rolle rückwärts zur ganz großen Lösung. Wir machen hier sachorientierte Politik, und wir nehmen die Betroffenen da bei sehr ernst.