Protocol of the Session on October 17, 2019

Jetzt ist der 1. Dezember angepeilt. Wenn das denn gelingen sollte, dann wäre dieser Monat kein Problem. Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass wir noch in diesem Jahr zur neuen Kommission kommen.

Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man draußen unterwegs ist, erkennt man: Die Menschen haben es satt, Eu ropa nur in nicht enden wollenden Personaldiskussionen wie derzufinden. Die Menschen im Land warten darauf, dass Eu ropa endlich die großen Probleme und Herausforderungen löst, und derer gibt es viele in Europa.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Ein erstes großes Thema ist und bleibt der Mehrjährige Fi nanzrahmen. Man würde sich wünschen, dass er noch in die sem Jahr kommt – allein mir fehlt der Glaube. Klar ist aber auch: Wenn er nicht in diesem Jahr endgültig und verbindlich kommt, werden wir ab 2021 keine verbindliche Anschlussfi nanzierung haben. Das wird viele europäische Projekte und Förderprogramme infrage stellen. Das sind Entwicklungen, die nicht gerade geeignet sind, die Akzeptanz der Menschen für Europa zu befördern.

Deswegen muss es die vorrangige Aufgabe sein, diesen Mehr jährigen Finanzrahmen ab 2021 jetzt endlich auf den Weg zu bringen. Noch liegen die Positionen der Mitgliedsstaaten weit auseinander. Besonders umstritten ist die Höhe der Einzah lungen in den Topf. Herr Dr. Merz, da spielt natürlich der Um gang mit dem Gap, der dadurch entstanden ist, dass Großbri tannien aus der Europäischen Union austritt, eine gewichtige Rolle. Bei den Vorstellungen der Mitgliedsstaaten reicht die Spanne von 1 % des Bruttonationaleinkommens, wie es die Nettozahler – unter ihnen Deutschland – fordern, bis hin zur Forderung des Europäischen Parlaments und einiger osteuro päischer Staaten von bis zu 1,3 %.

Auch bei der Agrarpolitik und den Strukturfonds sind die Dif ferenzen fast unüberbrückbar. Die finnische Ratspräsident schaft, die an einer Lösung arbeitet, ist nicht zu beneiden. Ma ximalforderungen werden nicht helfen. Kompromisse sind nö tig. Vor allem auch mit Blick auf die Herausforderungen, die vor uns liegen, müssen Forschung und Entwicklung oder Aus tauschprogramme einen größeren Stellenwert bekommen. Denn in diesen Feldern zeigt sich der europäische Mehrwert für die Bürger Europas. Günther Oettinger mahnt in gleicher Weise: „Die Uhr tickt.“ Wenn nicht rechtzeitig eine Einigung gelingt, sind Verzögerungen beim Start von Forschungspro grammen unvermeidlich. Das sollten wir verhindern. Europa kann sich keinen Stillstand leisten.

Ein letzter Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit Blick auf die erste Donau-Justizministerkonferenz, die wir in Ulm durchgeführt haben. Nach meiner Einschätzung war das ein gelungener Auftakt, auch wenn noch nicht aus allen Donauan rainerstaaten die Justizministerinnen und Justizminister per sönlich gekommen sind. Es war ein erster Aufschlag. Es sind natürlich auch aus den Verbänden und Institutionen Vertrete rinnen und Vertreter gekommen. Man hat auch kein Blatt vor den Mund genommen.

Der Staatssekretär aus Ungarn, vor dessen Kommen ich gro ßen Respekt hatte, weil er ja damit rechnen musste, dass er sich einer kritischen Diskussion stellen muss, hat sich dieser Diskussion auch gestellt. Wir haben über das Trennende ge sprochen. Es hat sich aber eben auch gezeigt – vielleicht soll ten wir das wieder stärker in den Mittelpunkt stellen –, dass das Verbindende in Europa überwiegt.

Wir dürfen aber nicht aufhören, die zwingenden rechtsstaat lichen Fundamente Europas zum Thema zu machen. Wenn wir stillschweigend akzeptieren, dass sich einzelne Länder auf den Weg machen, diese rechtsstaatlichen Fundamente infra ge zu stellen, dann stellen wir Europa infrage. Dazu darf es nicht kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

In diesem Sinn glaube ich, dass wir derzeit unverändert in ei ner schwierigen europäischen Entwicklung unterwegs sind, einer Entwicklung, die die neue Kommission vor große Her ausforderungen stellt.

Ich will auch an dieser Stelle noch mal sagen: Sosehr ich auch darüber verärgert war, dass nach einem Wahlkampf, der mit Spitzenkandidatinnen und -kandidaten geführt wurde, am En de des Tages eine andere Person Kommissionspräsidentin ge worden ist, so sehr sollten wir uns alle gemeinsam darüber freuen, dass die künftige Kommissionspräsidentin eine ange sehene Politikerin unseres Heimatlands, der Bundesrepublik Deutschland, ist. Lassen Sie uns das auch in der weiteren Ent wicklung positiv bewerten. Es ist auch in unserem Interesse, mit Ursula von der Leyen eine Kommissionspräsidentin zu bekommen, die den europäischen Weitblick und Überblick behält und die für uns auch in Europa Positives bewirken kann.

In diesem Sinn: Machen wir Europa auch weiterhin zum The ma, wir Baden-Württemberger im Herzen Europas.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Willi Stächele CDU: Bravo!)

Meine Damen und Her ren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa und Internationales, Drucksache 16/6928. Der Ausschuss schlägt Ihnen vor, von der Mitteilung des Ministeriums der Justiz und für Europa, Drucksache 16/6576, Kenntnis zu nehmen.

Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Abg. Dr. Grimmer, dass Sie förmlich darüber abstimmen wollen?

(Abg. Dr. Bernd Grimmer AfD: Nein!)

Herr Fraktionsvorsitzender, bitte, Sie haben das Wort.

Wir lehnen die Kenntnisnahme ab. Wir wollen eine Abstimmung.

Okay. – Wer stimmt der Beschlussempfehlung des Ausschusses

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Zur Kennt nisnahme!)

zur Kenntnisnahme zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses, von dem Bericht Kenntnis zu nehmen, mehr heitlich zugestimmt.

Wir haben Tagesordnungspunkt 6 erledigt.

(Unruhe)

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der AfD – Gesetz zur Aufhebung des Tariftreue- und Mindestlohn gesetzes für öffentliche Aufträge in Baden-Württemberg – Drucksache 16/6726

Das Präsidium hat für die Begründung eine Redezeit von fünf Minuten sowie für die Aussprache eine Redezeit von fünf Mi nuten je Fraktion festgelegt.

Zuerst spricht für die AfD-Fraktion Herr Abg. Dr. Merz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Damen und Her ren! Mit dem euphemistisch so genannten Landestariftreue- und Mindestlohngesetz – kurz: LTMG – besteht in BadenWürttemberg bis heute ein Gesetz, das zu grün-roter Regie rungszeit beschlossen wurde, ein Gesetz, das von Beginn an infrage stand, das spätestens seit 2015 überflüssig ist und laut Gutachten unwirksam war und unwirksam ist.

Sechs Jahre, ein langer Weg zu dieser Erkenntnis, der sich manche hier immer noch verweigern, sechs lange Jahre, in de nen die Auftragnehmer öffentlicher Aufträge im Land Milli onen Euro zur Umsetzung von Dokumentations- und Nach weispflichten vergeuden mussten – eine Erkenntnis, die man aber auch schon damals hätte haben können, hätte man nur auf jene gehört, die sich mit Wirtschaft auskennen, die viel leicht sogar aus der Wirtschaft kommen oder die zumindest schon einmal in der freien Wirtschaft gearbeitet haben.

Stattdessen wurde die Wirtschaft Baden-Württembergs ge zwungen, sich auf ein jahrelanges Experiment einzulassen, wobei jegliche Kritik bislang mit dem Hinweis auf eine lau fende Evaluierung abgewiesen wurde – dies auch 2015, als nach Einführung des bundesweiten Mindestlohns konsequen terweise auch schon einmal die Abschaffung dieses in BadenWürttemberg zusätzlichen Gesetzes gefordert wurde. Die Eva luierung, hinter der man sich in der Vergangenheit permanent versteckte, hat sechs statt vier Jahre gedauert, und das nun vorliegende Gutachten beinhaltet genau das zu erwartende, vernichtende Ergebnis. Lassen Sie mich kurz darauf einge hen.

Ein Zusammenhang zwischen dem Gesetz und einem verbes serten Wettbewerb besteht aus Sicht der Vergabestelle nicht. Weder der Bieterkreis noch die Qualität der Leistungserbrin gung haben sich verbessert. Ebenso hat sich der Einsatz von Subunternehmen nicht wesentlich verändert. Auch die Auf tragnehmer sehen keine Wettbewerbsveränderung, wohl aber einen immensen und unnötigen Mehraufwand im Bereich von Dokumentationspflichten.

Und das ganz Absurde ist, dass diese Dokumente von mehr als 60 % der Vergabestellen überhaupt nicht überprüft wer den. Die Gründe für die Nichtprüfung sind u. a., dass schlicht kein Anlass besteht oder die Branche ohnehin für ihre gute Bezahlung bekannt ist. Überhaupt haben weniger als 1 % der Vergabestellen irgendwelche Verstöße gegen das LTMG fest gestellt oder sahen überhaupt irgendeinen Anlass für eine Kontrolle. Das heißt, dass die Wirtschaft hier hauptsächlich gezwungen wird, für den Papierkorb zu arbeiten.

Wenn dieses Gutachten also etwas bestätigt, dann zunächst einmal, dass die Mär vom ausbeuterischen Arbeitgeber in Ba den-Württemberg allenfalls nur ein linksideologisches Hirn gespinst ist. Das Gegenteil ist nämlich der Fall. Schon vor ei nem Mindestlohn haben die Auftragnehmer im Land überwie gend gut und anständig bezahlt.

Laut Normenkontrollrat entstehen für die Betriebe in BadenWürttemberg allein durch die Erbringung von Verpflichtungs erklärungen von Subunternehmen Kosten in Höhe von ca. 1,8 Millionen € im Jahr – wohlgemerkt: seit 2015 völlig sinnlos, denn durch das bundesweit gültige Mindestlohngesetz muss dieser Mindestlohn ohnehin bezahlt werden.

(Abg. Daniel Born SPD: Den wollen Sie aber auch nicht!)

Und im bundesweiten Gesetz sind Subunternehmer übrigens ja auch mit berücksichtigt.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, scheuen Sie sich bitte nicht, Gesetze, die sich als sinnlos erwiesen haben, wie der abzuschaffen, auch wenn irgendwelche Gewerkschaften dann pöbeln und kreischen und uns polemisch und absurd Ar beitnehmerfeindlichkeit vorwerfen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: „Irgendwelche Gewerk schaften“!)

So ist es nämlich nicht. Nicht nur die Arbeitgeber, auch die Arbeitnehmer gerade in kleinen und mittleren Unternehmen wissen oft um die bürokratische Belastung für ihren Betrieb. Auch diese Arbeitnehmer werden Ihnen Bürokratieabbau dan ken, weil in baden-württembergischen Betrieben mehr Zu sammenhalt und gemeinsames Erfolgsinteresse bestehen als irgendwelcher linksideologisch herbeigeredeter Klassenkampf.

Die Rückmeldungen der Wirtschaftsverbände zu unserem Ge setzentwurf sind äußerst positiv.

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Von wem denn? – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Falsch interpretiert! Wer hat das aufgeschrieben?)

Denn auch dort hat eine intensive Auseinandersetzung mit dem von uns hier vorgelegten Gesetzentwurf stattgefunden. Auch dort wird deutlich überwiegend eine Abschaffung des LTMG befürwortet.

Wir werben mit diesem Gesetzentwurf auch für mehr Vertrau en in unsere heimischen Unternehmer. Die Arbeitgeber in Ba den-Württemberg sind keine Ausbeuter, sondern sie haben zu sammen mit den fleißig arbeitenden Bürgern in unserem Land die Wirtschaftskraft des Südwestens überhaupt erst möglich gemacht,

(Beifall bei der AfD)

und sie garantieren diese noch immer. Dafür braucht man Mut und Unternehmergeist, und man muss bereit sein, etwas zu riskieren. Viele der heute großen Unternehmen sind in Zeiten groß geworden, in denen man die Leute noch unbehelligt ar beiten ließ und sie nicht mit Vorschriften überschüttet hat.

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Besonders freuen wir uns über die Unterstützung unseres Ge setzentwurfs durch die Mittelstands- und Wirtschaftsvereini gung der CDU Baden-Württemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)