Protocol of the Session on October 16, 2019

Es wird nachher bekannt gegeben. – Vielen Dank.

Wir fahren in der Tagesordnung fort.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Der kurze Draht zum Parlament – Pe titionen als Baustein einer modernen Verwaltung – bean tragt von der Fraktion GRÜNE

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Die Redezeit der Regierung wird hierauf selbstverständlich nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung.

Für die Fraktion GRÜNE darf ich Frau Abg. Böhlen das Wort erteilen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf heute noch einmal als Parlamentarierin zu Ihnen sprechen. Darüber freue ich mich sehr und danke dafür. Es geht um ein Thema, das – da rüber müssen wir einmal ganz ehrlich reden – nicht alle vom Hocker reißt, das aber, wie ich glaube, heute und an dieser Stelle das richtige Thema ist.

Vor achteinhalb Jahren wurde ich von einer Kollegin aus ei ner anderen Fraktion gefragt, in welchen Ausschüssen ich denn sei. Ich antwortete ganz stolz: im Finanzausschuss und im Petitionsausschuss. „Ach ja?“, war die Antwort, und: „Die Neuen kommen immer in den Petitionsausschuss, und die, die nichts mehr werden wollen.“

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Die, die was arbei ten wollen! Die müssen in den Petitionsausschuss! – Gegenruf des Abg. Daniel Rottmann AfD: So ist es, Jimmy!)

Herr Zimmermann, Sie dürfen gleich hier sprechen. – Da bei hat mir die Praxis genau das Gegenteil gezeigt: Im Petiti onsausschuss sind die engagiertesten Kolleginnen und Kolle gen und die, die am breitesten aufgestellt sind.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sehr gut! – Abg. Rai ner Stickelberger SPD: Nicht nur!)

Denn das Wissen und die Erfahrung, die man im Petitionswe sen braucht, sind immens. Das ist der Ausschuss mit Verfas sungsrang, der Ausschuss, der gebildet werden muss, für je dermann, ohne hohe Zugangs-, Form- und Verfahrenshinder nisse. Wir können stolz sein, dass wir dieses in der Verfassung verbriefte Recht haben.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Daniel Rott mann AfD – Vereinzelt Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Georg Nelius SPD)

Aus den Erfahrungen des nationalsozialistischen Verbrecher staats wurden Lehren gezogen, und diese müssen hochgehal ten werden. Von manchen Juristen auch als form-, frist- und fruchtlos belächelt, ergibt sich die Verpflichtung für das Par lament, sich der Sorgen der Bürgerinnen und Bürger anzuneh men, damit dies eben nicht fruchtlos bleibt.

Gerichte prüfen nicht den Ermessensspielraum einer Behör de, Gerichte prüfen, ob Recht richtig angewandt wurde. Des halb ist es umso wichtiger, dass die Petitionsausschüsse und das Ombudswesen auf Ermessensspielräume aufmerksam ma chen, und deshalb kann der Petitionsausschuss mit seinen Mit gliedern auch abweichend von einem Gerichtsurteil, das Ver waltungsentscheidungen des Landes betrifft, Entscheidungen treffen. Daher ist es auch so wichtig, dass das Petitionswesen auch nach Gerichtsurteilen durchaus noch eine Möglichkeit darstellen kann. Dafür stehen wir, und dafür kämpfen wir.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Daniel Rottmann AfD – Abg. Anton Baron AfD: Wahnsinn, Wahnsinn!)

Im Petitionsausschuss muss das Denken in politischen Lagern außen vor bleiben, damit wir Einzelfallgerechtigkeit erzeugen können. Ich bin meinen Kolleginnen und Kollegen im Aus schuss dankbar, dass uns dies sehr, sehr oft gelingt. Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen müssen wir hier auch in Zukunft mit gutem Beispiel vorangehen.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Als wesentliches Staatsprinzip prägt die Gewaltenteilung das Petitionsverfahren. Die Arbeit der Gerichte ist für uns außen vor. Die Exekutive hat entsprechend den Weisungen der Le gislative zu prüfen und die Möglichkeiten darzustellen. Da schaue ich jetzt mal zur Regierungsbank hinüber –

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Schweizer Käse! – Abg. Norbert Beck CDU: Die vertrauen uns! – Staatsse kretärin Bärbl Mielich: Zwei grüne Ministerinnen sind da! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Die Wich tigen sind da! – Weitere Zurufe)

ich sehe hier und da jemanden – und sage: Leicht ist es mit Ihnen oftmals nicht.

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Ich denke da beispielsweise an die Petition zum Thema „Äff le-und-Pferdle-Ampel in Stuttgart“. Da haben wir anderthalb Jahre gebraucht, bis wir eine Lösung gefunden hatten. Gut, da war auch noch der Bund involviert; ganz klar. Aber wenn Trier sich ampelmäßig mit Karl Marx schmücken kann, dann dür

fen auch die Kultfiguren des SWR in einer Ampel in Stuttgart wohnen. Da haben wir einen Erfolg erzielt, vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall – Zuruf von den Grünen: Mit un serem Verkehrsminister!)

Aber genau das ist unsere Aufgabe: die Wünsche und Ideen der Bürgerinnen und Bürger aufzunehmen und in die politi sche Alltagsarbeit einfließen zu lassen. Da müssen Sie, liebe Ministerinnen und Minister, sicherstellen, dass Ihre Verwal tung und die Amtschefs das Petitionswesen stützen.

Gerade in letzter Zeit kommt es jedoch öfter vor, dass das Stillhalteabkommen bei Infrastrukturprojekten nicht beachtet wird und dass das Verwaltungshandeln der unteren Behörden nicht kritisch genug geprüft wird. Es kann nicht sein, dass der Ausschuss vor vollendete Tatsachen gestellt wird und nicht, wie vereinbart, vorher befragt wird. Gerade das Stillhalteab kommen ist immanent wichtig für das Vertrauen in dieses Ver fassungsgut.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Unilaterales Handeln steht im klaren Widerspruch zum Ab kommen und unserem Petitionswesen. Deshalb bitte ich die Exekutive, in den eigenen Verwaltungen noch einmal kritisch hinzuschauen und ihre Verwaltungschefs auf die Erfüllung dieses Bürgerrechts einzuschwören. – Ich hätte gedacht, jetzt kommt Applaus; aber bitte.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Machen wir, machen wir!)

Aber auch auf die Mitglieder des Petitionsausschusses kommt noch mehr Verantwortung für die zivilgesellschaftliche Betei ligung zu. Wir haben schon einiges in Gang gesetzt, um mehr Transparenz herzustellen. Aber wir haben uns von den ge schlossenen Fensterläden erst bis zur Milchglasscheibe vor gearbeitet. Die ausgetretenen Pfade des Parlamentsalltags müssen meines Erachtens verlassen und öffentliche Aus schusssitzungen eingeführt werden. Damit können dem Bür ger, der Bürgerin Politik und Verwaltung auch besser erklärt werden und oftmals auch, warum einer Petition nicht abge holfen werden kann.

Es dreht sich um einen Wertekanon, es dreht sich darum, dass wir uns um alle kümmern. Das sind die Grundprinzipien des ethischen und demokratischen Zusammenlebens. Deshalb dür fen wir auch Einzelschicksale nicht aus den Augen verlieren.

Ich habe ein persönliches Anliegen. Wir haben auch sehr vie le ausländerrechtliche Petitionen. Bei diesen geht es darum, die ausreisepflichtigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur freiwilligen Ausreise mit einer Rückkehroption zu bera ten. Es geht darum, dass das Innenministerium dies auch noch einmal an die unteren Ausländerbehörden weitergibt, damit Polizistinnen und Polizisten Familien nicht am frühen Mor gen aus dem Bett holen müssen, damit Schülerinnen und Schüler nicht aus den Schulen geholt werden müssen. Es kann doch nicht sein, dass wir mit einer nicht vollständigen Bera tung zu solchen Situationen kommen, in denen Beamtinnen und Beamte unzumutbaren Situationen ausgesetzt sind und Familien mit Kindern Traumata beschert werden. Genau hier haben wir Handlungsbedarf, genau hier sollten wir ansetzen.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Darum bitte ich Sie für die Zukunft.

(Beifall bei den Grünen)

Wir befinden uns in einem stetigen Wandel, und diesem Wan del müssen Taten folgen. Das war eigentlich der Schlusssatz zu der Ausländergeschichte, dass wir noch einmal darüber nachdenken, dass wir uns diesem Wandel auch in diesen Zei ten, in denen Menschen zu uns kommen und Schutz suchen, offen gegenüberstellen und Handlungsoptionen erarbeiten.

Zum Schluss danke ich allen Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich die letzten acht Jahre den spannenden Weg der Pe titionen gehen durfte. Jeder, jede von Ihnen hat mich mit Ih rem Engagement für die Bürgerinnen und Bürger beeindruckt.

Ein besonderer Dank geht an Norbert Beck,

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der AfD und der FDP/DVP)

meinem genialen Stellvertreter, auf den ich mich immer zu 100 % verlassen konnte, den Mitarbeiterinnen und Mitarbei tern der Landtagsverwaltung – Herr Hahn, herzlichen Dank für Ihr Engagement;

(Beifall bei den Grünen, Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP sowie des Abg. Daniel Rottmann AfD)

namentlich danke ich auch Herrn Haas und Herrn Drißner –

(Beifall bei den Grünen, Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP sowie des Abg. Daniel Rottmann AfD)

und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ministerien, die sich engagiert und mit viel Arbeitsaufwand der Anliegen annehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Norbert Beck CDU – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

Ihnen allen ein herzliches „Auf Wiedersehen!“ und vielen Dank für die vielen und sehr guten Erfahrungen, die ich mit Ihnen machen konnte. Machen Sie es gut! Ab und an bin ich ja noch da.

(Beifall bei den Grünen, Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP sowie der Abg. Anton Baron AfD und Andreas Stoch SPD)

Für die CDU hat Herr Abg. Zimmermann das Wort.

Frau Präsidentin, werte Kol leginnen und Kollegen! Ganz am Anfang gilt auch mein Dank Ihnen, Frau Böhlen. Wo sind Sie? Ganz dort hinten. Begeben Sie sich etwa schon weg vom Parlament? Nein.

Sicherlich ist diese Aktuelle Debatte auch Ihrem Weggang auf grund Ihrer Wahl zur Bürgerbeauftragten geschuldet. Das freut mich. Ich habe gedacht: Endlich gibt es zum Thema Petitio nen einmal eine Aktuelle Debatte und erfolgt die Beratung