Protocol of the Session on October 16, 2019

(Beifall der Abg. Sabine Kurtz CDU)

Zwei unschuldige Menschen wurden ermordet, zwei Famili en weinen um den Verlust von geliebten Angehörigen. Wir sind heute in Gedanken auch bei diesen Familien, deren Schmerz wir ja nur erahnen können.

Dieser Anschlag galt aber primär unseren jüdischen Mitbür gerinnen und Mitbürgern. Was wäre geschehen, hätte die Tür der Synagoge dem Beschuss nicht standgehalten? Was wäre geschehen, wäre der Täter mit seinen Mordwerkzeugen in das Innere der Synagoge vorgedrungen? Was wäre geschehen, wenn der Rechtsterrorist seine abscheulichen Pläne in die Tat hätte umsetzen können? Ich mag mir die Auswirkungen und die Antworten darauf gar nicht ausmalen.

Dass es heute wieder jüdisches Leben in unserem Vaterland gibt, dass es auch eine blühende jüdische Kultur gibt, das ist, meine Damen und Herren, in meinen Augen ein Geschenk, für das wir dankbar sein sollten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der AfD)

Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wir nehmen jüdisches Leben auch nicht nur hin, sondern wir freuen uns darüber, dass es mitten unter uns stattfindet, und wir betrachten es als ein Geschenk, das wir dankbar annehmen.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP, Abgeordneten der AfD sowie des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

Antisemitismus darf in Deutschland nie wieder geduldet wer den. Unsere Geschichte macht dies zu einer besonderen Ver antwortung. Zwei Worte: Nie wieder! Das ist auch eine Ver antwortung, die eben keinen Schlussstrich kennt.

Ich versichere allen Jüdinnen und Juden, dass die Sicherheits behörden in diesem Land rund um die Uhr alles in ihrer Macht Stehende tun, um Gefahren für jüdische Menschen mit aller Konsequenz abzuwenden – nicht erst seit drei Tagen.

Ich denke, ich spreche im Namen der allermeisten Abgeord neten dieses Landtags, wenn ich sage, dass wir auch weiter hin alles in unserer Macht Stehende daransetzen, Antisemitis mus im demokratischen Schulterschluss entschlossen zu be kämpfen. Schließlich gilt – das wurde hier zu Recht gesagt –: Nur gemeinsam können wir Antisemitismus wirksam bekämp fen.

Die Polizei verstärkte in der letzten Woche umgehend die be reits hohen Sicherheitsvorkehrungen an jüdischen Einrichtun gen. Das machen wir immer, wenn wir der Meinung sind, dass sich die Anschlagsgefahr intensiviert.

Neben der polizeilichen Präsenz an jüdischen Einrichtungen begutachtet unser Landeskriminalamt schon seit Langem auch

die dortigen sicherheitstechnischen Vorkehrungen. Wie sich letzte Woche in Halle gezeigt hat, ist das ja auch bitter nötig und richtig.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Da wa ren sie nämlich nicht da!)

Das mutmaßliche Vorgehen des Täters, Herr Kollege, in die Synagoge einzudringen und dort die Gläubigen niederzumet zeln, ist daran gescheitert, dass die Tür standgehalten hat.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Genau! Aber nicht daran, dass die Polizei da war!)

Um den ständigen persönlichen Kontakt vor Ort zu verbes sern, haben wir seit 2018 auf meine Initiative hin Ansprech partner bei der Polizei für die Israelitischen Religionsgemein schaften benannt, die den Gemeinden vor Ort rund um das Thema Sicherheit mit Rat und Tat zur Seite stehen.

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Diese stehen den Gemeinden natürlich auch nach dem aktu ellen Geschehen zur Seite. Aber wir machen das seit dem ver gangenen Jahr.

Ich möchte Sie auch gern darüber informieren, dass diese po lizeilichen Ansprechpartner – das haben wir auch nicht erst in den letzten drei Tagen erfunden – jetzt nach Israel fahren wer den. Sie werden, Herr Fraktionsvorsitzender Professor Dr. Reinhart, Yad Vashem besuchen, weil ich glaube, dass es auch für die Polizeiorganisation wichtig ist, nicht nur über ein Fak tenwissen zu verfügen, sondern auch die Emotionalität und die Empathie zu haben, die man bei diesem Thema braucht. Ich glaube, das gibt es kein zweites Mal in Deutschland, dass so etwas stattfindet. Das machen wir aus ganzer Überzeugung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Da niel Rottmann AfD – Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Dabei bleibt es aber nicht. Selbstverständlich haben wir sämt liche Empfehlungen des 1. Berichts des Antisemitismusbeauf tragten Dr. Blume dankbar entgegengenommen, sie sehr ge nau geprüft und auch mit Herrn Dr. Blume eingehend bespro chen und erörtert. Wir sind bereits dabei, die sieben das In nenministerium betreffenden Empfehlungen umzusetzen. Hierzu gehören beispielsweise die wissenschaftliche Unter suchung des Zusammenhangs zwischen Mediennutzung und Radikalisierung durch unser Kompetenzzentrum gegen Ext remismus in Baden-Württemberg, konex, und die Entwick lung einer Schriftenreihe zum ehemaligen Stuttgarter Gesta pohauptquartier „Hotel Silber“ sowie zu dem Zusammenhang zwischen der Vergangenheit und der heutigen Polizeipraxis durch die Hochschule für Polizei in Kooperation mit dem Haus der Geschichte Baden-Württemberg.

Dazu gehört außerdem die verstärkte finanzielle Unterstüt zung für erforderliche Sicherheitsmaßnahmen. Hier trete ich wie Herr Dr. Blume dafür ein, den Staatsvertrag fortzuschrei ben, um jüdische Gemeinden bei ihren leider noch notwendi gen Sicherheitsanstrengungen zu unterstützen.

Unabhängig davon habe ich gestern im Ministerrat eine au ßerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung in Höhe von

1 Million € beantragt, um Zuschüsse für die Umsetzung si cherheitstechnischer Maßnahmen an jüdisch-israelitischen Re ligionseinrichtungen rasch realisieren zu können. Ich bin, Herr Ministerpräsident, dem Ministerrat dankbar, dass wir einen entsprechenden Kabinettsbeschluss gefasst haben, und zwar aus zwei Gründen:

Erstens: Das ist in diesen Tagen eine Lage, in der wir Solida rität nicht nur verbal bekunden sollten – das tun wir –,

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Wie sonst?)

sondern in der wir auch konkret handeln sollten.

Zum Zweiten: Ich finde, dieser Kabinettsbeschluss ist auch ein gutes Zeichen, ein Signal an unsere jüdischen Mitbürge rinnen und Mitbürger, dass wir es ernst mit unseren Worten meinen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Auch wenn uns keine Frist gesetzt wurde, hat die Umsetzung der Empfehlungen für das Innenministerium – das wissen Sie, Herr Dr. Blume – nicht erst seit dem Anschlag in Halle eine sehr hohe Priorität. Wir werden das nicht dilatorisch behan deln, wir werden nichts auf die lange Bank schieben, sondern uns mit Ihnen gemeinsam tatkräftig an die Umsetzung ma chen.

Daher mein ganz herzlicher Dank an den Antisemitismusbe auftragten, Herrn Dr. Blume, für sein großes Engagement und die gute Zusammenarbeit. Danke, dass Sie das mit so viel Em pathie und Einsatz machen. Herzlichen Dank dafür, Herr Dr. Blume.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der FDP/DVP)

Das Innenministerium wird seine Arbeit auch weiterhin nicht zuletzt durch unsere eigens für seine Unterstützung benannte Ansprechpartnerin mit voller Kraft fortführen, meine sehr ver ehrten Damen und Herren. Nur gemeinsam können wir gegen Antisemitismus vorgehen. Nur gemeinsam wird es uns gelin gen, dass Menschen jüdischen Glaubens in Baden-Württem berg sicher leben können, sicher glauben können, sicher be ten können und sicher ihre Feste feiern können.

Ich danke Herrn Dr. Blume für seine Arbeit und seinen Be richt, ich danke unseren Polizistinnen und Polizisten für ihre Arbeit, und ich danke allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die an der Seite der Jüdinnen und Juden stehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP/DVP sowie Abgeordneten der SPD)

Nun erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Fiechtner.

Frau Präsiden tin, verehrte Damen, sehr geehrte Herren!

(Abg. Reinhold Gall SPD: Geht doch!)

Ich lese aus Genesis 12, Bereschit:

Der Herr aber hatte zu Abram gesprochen: Geh hinaus aus deinem Land und aus deiner Verwandtschaft und aus dem Haus deines Vaters in das Land, das ich dir zeigen werde. Und ich will dich zu einem großen Volk machen und dich segnen und deinen Namen groß machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen. Und in dir sollen geseg net werden alle Geschlechter auf der Erde.

Ich möchte Ihnen die Verheißung des Allmächtigen für das jü dische Volk ins Gedächtnis rufen oder sie überhaupt erst ein mal aufrufen. Die Kinder Abrahams, Isaaks und Jakobs sind von ihm erwählt. Wer sie segnet, ist gesegnet. Wer sie ver flucht, lädt Fluch auf sich. Niemand, kein Volk in dieser Welt geschichte, konnte bestehen, das sich dieser Verheißung und diesem Fluch nicht gestellt hat. Umgekehrt ernten die Völker, die das beherzigen, überreichen Segen, wirtschaftlich, intel lektuell, kulturell. Ich werde niemals meine Stimme gegen Ju den oder gegen Israel erheben.

Anders als der Beauftragte gegen Antisemitismus es insinu iert, ist der Antisemitismus nicht wieder da; er war nie weg. Er war die ganze Zeit in der Bundesrepublik da. Der Bundes verband der Deutschen Industrie wollte die Beziehungen mit Israel nicht aufnehmen, als Ludwig Erhard dies wollte – we gen der Beziehung zu den arabischen Ländern. Der Großan tisemit Willy Brandt in Begleitung von Walter Scheel hat den Staat Israel im Jom-Kippur-Krieg fast ans Messer geliefert. Und wir haben jetzt die Großantisemitin als Bundeskanzler,

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Hallo? Geht es noch?)

die Hunderttausende Antisemiten zusätzlich zu denen, die hier in diesem Land sind, noch hinzugenommen hat. Wir haben ei nen Herrn Steinmeier, der sich vor dem Grab von Arafat ver neigt.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Geht es noch?)

Wir haben eine Bundesregierung, die es nicht fertigbringt, die Hisbollah als das zu verurteilen, was sie ist, nämlich eine ter roristische Vereinigung. Und wir haben eine Bundesregierung, die Hunderttausende Millionen Euro an palästinensische Or ganisationen gibt, die damit sogenannte Märtyrer und Mörder finanzieren.

Das alles gewinnt Vorschub durch einen Mann, der alles und jedes vereinnahmt und damit verwässert unter seinem ganz spezifischen Antisemitismusbegriff: Eine kritische Haltung zu Journalisten und Medien sei danach bereits antisemitisch; Skepsis gegenüber dem Einfluss eines judenhassenden Islams. Sogar der Klima- und CO2-Wahn wird von ihm instrumenta lisiert – nicht um Juden oder Israel zu schützen, sondern um der freiheits- und demokratiefeindlichen Agenda der Ge brauchtparteien

(Vereinzelt Beifall)

und ihrer Angriffe gegen die politischen Gegner aus dem li bertären und konservativen Raum eine scheinbar judenfreund liche Fundierung zu verleihen.