Ich sage ganz offen: Ich danke den Initiatoren wirklich auch dafür, dass sie dieses Thema in den letzten Monaten auch in dieser Form ganz oben auf die gesellschaftliche Agenda ge setzt haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den vergange nen Monaten aber auch erleben müssen, dass das Volksbegeh ren zu einer gesellschaftlichen Lagerbildung geführt hat: Stadt gegen Land, Biolandwirte gegen konventionell wirtschaften de Betriebe, Naturschutz gegen Landwirtschaft. Und diese La gerbildung war von den Initiatoren – da bin ich mir ziemlich sicher – gewiss so nicht beabsichtigt. Aber sie ist ein Fakt.
Ich will mir gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn das noch monatelang so weiterlaufen würde – oder wenn es so weitergelaufen wäre. Wir erleben da aber auch, dass wir in längst überwunden geglaubte Grabenkämpfe zurückfallen – all diese Dinge. Deshalb ist es der Landesregierung und ist es meinem Kollegen Peter Hauk und mir wichtig gewesen, zu verhindern, dass das Volksbegehren zu einer gesellschaftli chen Spaltung führt.
Wir wollen keine alten Konflikte aufheizen. Wir wollen unser Land befrieden und gemeinsam die Natur und die natürlichen Lebensgrundlagen in unserem Land erhalten und weiterent wickeln. Auch landwirtschaftlichen Betrieben ist der Insek tenschutz ein Herzensanliegen – jedenfalls den allermeisten. Auch die Initiatoren des Volksbegehrens möchten, dass die Betriebe faire Rahmenbedingungen haben. Denn ohne Land wirtschaft gibt es niemanden, der die Kulturlandschaften in unserem Land pflegt und der die Naturschutzmaßnahmen auch in der Fläche umsetzt.
Zusammengenommen geht es darum, dass wir den Natur schutz m i t der Landwirtschaft voranbringen wollen
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zusammen mit dem Land wirtschaftsministerium haben wir in den letzten Tagen wirk lich intensiv an einem Eckpunktepapier gearbeitet, in das die meisten Aspekte des Volksbegehrens eingegangen sind. Ich will auch einmal sagen: Das, was uns da vorliegt, ist kein
Kompromiss, Herr Kollege Karrais, sondern – darauf lege ich Wert – das ist eine Weiterentwicklung des Volksbegehrens.
Warum ist es eine Weiterentwicklung? Wir haben vieles aus der Initiative des Volksbegehrens aufgenommen. Wir haben aber beispielsweise auch zahlreiche Anregungen von gesell schaftlichen Gruppen, von Bauernverbänden mit aufgenom men. Wir haben Punkte mit aufgenommen, über die wir im Zusammenhang mit dem ökologischen Landbau, mit der Re duzierung von Pflanzenschutzmitteln, auch mit der Frage, wie wir mit unseren landeseigenen Domänen umgehen, intensiv diskutiert haben. Und da sind wir nicht weit weg von dem, was in dem Gesetzentwurf der Initiative steht.
Das Eckpunktepapier ist auch deswegen eine Weiterentwick lung des Volksbegehrens, weil wir Punkte aufgenommen ha ben, die die Initiatoren gar nicht drin hatten, nämlich das gan ze Thema „Stärkung von Biodiversität im besiedelten Raum, auch in den Städten“. Ich meine, das ist nicht nur ein Thema für den ländlichen Raum. Das muss man einmal offen sagen.
Das heißt, wir haben damit umfassende Maßnahmen für mehr Artenvielfalt mit den berechtigten Interessen der Landwirt schaft zu einem wirkungsvollen Ganzen zusammengeknüpft. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass das eine gute Grundla ge ist.
Gestern Abend – Sie haben es ja dann aus den Medien erfah ren und manche gestern auch bei unserem Fest – haben wir dieses Eckpunktepapier den Initiatoren und Unterstützern des Volksbegehrens vorgestellt. Es handelt sich, wie gesagt, um eine echte Weiterentwicklung. Ich glaube auch, dass das mit der Grund war, dass der Unterstützerkreis, dem Peter Hauk und ich das gestern Abend gemeinsam vorgestellt haben – wir haben mit ihm diskutiert; es wurden auch noch offene Fragen beantwortet –, der anschließend ohne uns unter sich beraten hat, zu später Stunde gestern Abend gesagt hat: Sie gehen ge meinsam mit uns diesen Weg, und wenn wir das so umsetzen, wie wir das in dem Eckpunktepapier festgehalten haben, sind sie auch bereit, ab sofort von dem weiteren Sammeln von Un terschriften abzusehen.
Das halte ich zunächst einmal für einen großen Erfolg im Hin blick darauf, dass wir zu einer Befriedung in diesem Land bei einem Thema kommen, bei dem die Gefahr drohte, dass es zu tiefen gesellschaftlichen Konflikten kommt. Ich bin den Ini tiatoren und den Unterstützern des Volksbegehrens sehr dank bar, dass sie bereit sind, mit uns diesen Weg zu gehen.
Mein Fraktionsvorsitzender Andreas Schwarz hat vorhin an gesprochen, dass wir das Thema jetzt zügig weiter vorantrei ben und ins Kabinett bringen sollten. Peter Hauk und ich ha ben uns gestern schon darüber unterhalten und auch mit dem Ministerpräsidenten darüber gesprochen. Auch mit dem Frak tionsvorsitzenden der CDU habe ich darüber gesprochen, dass wir das zügig machen wollen. Meine Hoffnung ist, dass wir das vielleicht sogar schon am nächsten Dienstag hinbekom men, sodass die Initiatoren auch sehen, dass wir die Punkte,
die wir ihnen jetzt vorgestellt haben, auch wirklich verbind lich in einer Kabinettsvorlage beschließen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der umstrittenste Punkt des Volksbegehrens war, wie wir alle wissen, das umfassende Ver bot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in allen Schutz gebieten, also nicht nur in Naturschutzgebieten, sondern auch in Landschaftsschutzgebieten, Natura-2000-Gebieten usw. Danach wäre auf rund einem Drittel der Landesfläche der Pflanzenschutz weitgehend unmöglich gewesen, übrigens auch für die ökologische Landwirtschaft. Das will ich an die ser Stelle noch einmal ausdrücklich sagen.
Herr Minister, vielen Dank für das Zulassen der Zwischenfrage. – Sie haben jetzt sehr stark auf die Weiterentwicklung, wie Sie es genannt ha ben, abgehoben. Heißt das, dass diese Weiterentwicklung auch vor Ort von den Grünen unterstützt wird, die sich dort auch für das Volksbegehren einsetzen, oder trifft das jetzt nur auf die Landesregierung zu?
Es gab meines Wissens schon gestern Abend ei ne Pressemitteilung der Landespartei der Grünen, die dieses Vorgehen von uns ausdrücklich begrüßt. Daher gehe ich nicht davon aus, dass einzelne Kreisverbände der Grünen jetzt noch weiterhin das Volksbegehren unterstützen. Wir haben dieses Volksbegehren von Anfang an nicht als Landespartei unter stützt. Wir hatten darüber eine Debatte auf unserem Landes parteitag. Das will ich ausdrücklich nochmals betonen.
Es gibt eine andere Partei, die hier mit einer Fraktion vertre ten ist, die Kollegen der SPD, die das Volksbegehren auch als Landespartei unterstützt haben.
Meine Partei hat das nicht getan. Es gab einzelne Kreisver bände, die das getan haben. Aber ich gehe selbstverständlich davon aus, dass sie dieses Vorgehen von uns auch begrüßen. Da mache ich mir nun wirklich überhaupt keine Sorgen.
Ich darf noch einmal auf das Thema § 34 mit dem Komplett verbot zurückkommen. Ich habe schon gesagt, danach wäre auf rund einem Drittel der Landesfläche jeglicher Pflanzen schutz nicht mehr möglich gewesen – nicht nur der Einsatz synthetischer, sondern auch biologischer Pflanzenschutzmit tel. Unsere Lösung sieht nun vor, dass wir dort, wo der höchs te Schutzstatus besteht, nämlich in den Naturschutzgebieten – ich sage es einmal ein bisschen pathetisch: in den Perlen des Naturschutzes; das sind etwa 2,4 % der Landesfläche –, ab 1. Januar 2022 – übrigens muss ich da meinen Fraktionsvor sitzenden korrigieren: es ist nicht eine Fortsetzung der bishe rigen Regelung – ein Komplettverbot des Einsatzes von Pflan zenschutzmitteln haben werden.
Aber auch dort werden wir dann Ausnahmen vorsehen. Da, wo Betriebe durch ein Verbot in wirtschaftliche Schwierigkei ten kämen, werden wir darüber nicht hinwegsehen. Da braucht sich, glaube ich, niemand Sorgen zu machen. Aber man kann so viel sagen: Dort, wo Naturschutz draufsteht, ist künftig auch Naturschutz drin. Das Verbot des Einsatzes von Pflan zenschutzmitteln soll, wie gesagt, nicht dazu führen, dass Be triebe in wirtschaftliche Not geraten. Dafür haben wir einfa che Ausnahmen vorgesehen.
In den übrigen Schutzgebieten wird der Einsatz von Pflanzen schutzmitteln durch einen massiven Ausbau und eine landes spezifische Erweiterung des integrierten Pflanzenschutzes überdurchschnittlich reduziert. Landesweit wird der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 – so haben wir es im Pa pier festgehalten – um 40 bis 50 % in der Menge reduziert. Und wir wollen – auch das steht im Papier – bei dieser Re duktion auch einen Schwerpunkt auf die Schutzgebiete – Landschaftsschutzgebiete, Natura-2000-Gebiete und andere – legen.
In der Pflanzenschutzmittelreduktionsstrategie sind hierzu auch zahlreiche konkrete Maßnahmen vorgesehen, die wir sehr zeitnah umsetzten wollen. Insbesondere sind konkrete Vorgaben zum Einsatz der Mittel auf dem Feld sowie die at traktive Förderung von Alternativen zum Einsatz von Pflan zenschutzmitteln mit enthalten.
Weiter wollen wir – auch das haben wir festgehalten; das ist das, was ich vorhin hinsichtlich der Weiterentwicklung gesagt habe; das war bislang in dem Volksbegehren nicht drin –, dass in Privatgärten künftig keine chemisch-synthetischen Pflan zenschutzmittel mehr eingesetzt werden dürfen. Dafür bedarf es einer Änderung des Bundesrechts. Da gibt es schon erste Initiativen auf Bundesebene. Aber da werden wir auch schau en, dass wir hier vom Land aus, von Baden-Württemberg aus auch eine Initiative in dieser Richtung starten.
Neben der Pflanzenschutzmittelreduktion wird ein weiterer Schwerpunkt auf den Erhalt und den Ausbau vielfältig struk turierter Lebensräume gesetzt. Was heißt das? Schlichtweg mehr abwechslungsreiche Landschaften, auch einmal Hecken streifen am Ackerrand oder auch eine Blühwiese. Künftig sol len alle landwirtschaftlichen Betriebe gegen eine Förderung einen Mindestanteil an Strukturen sowie an Lebens- und Rückzugsräumen für Tiere und Pflanzen schaffen. Diese so genannten Refugialflächen entfalten eine biodiversitätsstei gernde Wirkung und stärken die biologische Vielfalt damit auf der gesamten landwirtschaftlichen Fläche. Damit wird ein deutliches Mehr zum bisherigen Volksbegehren – auch da sa ge ich deshalb noch einmal: Weiterentwicklung – auf großer Fläche für den Schutz der Insekten bewirkt.
Die Bewirtschaftung und der Erhalt der für Baden-Württem berg so prägenden Streuobstwiesen – auch das war ja im Ge setzentwurf der Initiative mit drin – werden zukünftig noch ambitionierter gefördert als bislang und auch gestärkt. Die vorhandenen Bestände werden ohne Nachteile für die Bewirt schaftenden künftig besser vor Zerstörung geschützt.
Der Ausbau des Anteils der Ökobetriebe soll bis 2030 auf ein Minimum von 30 bis 40 % erfolgen. Für die Betriebe gibt es
auch das will ich noch einmal betonen – keinen Umstel lungszwang, sondern wir wollen hier natürlich auch die Sei te der Vermarkter betrachten, auch über das Thema „Umstel lung von Kantinen“, auch mit Bewerben im Bereich von Fir men, damit diese verstärkt auch Bioprodukte nehmen. Da wol len wir natürlich schauen, dass im Marketingbereich die Nach frage nach biologischen Produkten gesteigert wird. Denn es macht ja keinen Sinn, dass wir sagen: „Wir schauen, dass es auf der Angebotsseite zu einer Steigerung kommt“, was dann zu einem Preisverfall führen würde.
Wir haben festgehalten, dass wir die landwirtschaftlichen Do mänen des Landes bei einer Neuverpachtung zukünftig vor rangig an Pächter vergeben wollen, die biologisch bzw. nach den Grundsätzen des ökologischen Landbaus wirtschaften.
Noch einen weiteren Punkt möchte ich nennen: Wir wollen die Städte und Gemeinden verpflichten, in ihrem Gemeinde gebiet den Biotopverbund konkret zu planen und bis 2030 um zusetzen.
Lassen Sie mich noch einen letzten Punkt nennen: Im Natur schutzrecht und auch im Baurecht gibt es Regelungen über Ausgleichsmaßnahmen und Ausgleichsflächen. Dem wird in aller Regel – das sage ich einmal – durchaus auch nachgekom men. Aber wir hatten in der Vergangenheit keinen Überblick, wo da eigentlich was gemacht wird und ob nicht manche Flä chen auch doppelt und dreifach belegt werden.
Deswegen haben wir uns darauf verständigt, auch als Ange bot an die Initiatoren: Wir wollen vom Land aus zukünftig auch ein landesweites Kataster über die Ausgleichsflächen er stellen, das dann auch für alle einsehbar ist. Ich glaube, das ist wirklich eine wichtige und gute Sache, und das ist uns ins besondere auch von den Umweltverbänden gestern Abend noch einmal so gegengespiegelt worden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluss sagen: Mit diesem Maßnahmenpaket ist neben dem bestehen den Sonderprogramm für Biodiversität, das ich erwähnt ha be, die Grundlage gelegt, um die Trendwende beim Artenster ben in Baden-Württemberg zu schaffen. Kein anderes Land in Deutschland plant auch nur annähernd ein solch umfassen des Maßnahmenpaket wie wir in dem Eckpunktepapier, das wir gestern Abend vorgelegt haben – mit elf Unterpunkten. Wenn es uns gelingt, das umzusetzen, dann können wir alle zusammen, die daran mitgearbeitet haben, stolz darauf sein, dass wir mit der Landwirtschaft in Baden-Württemberg einen gehörigen Schritt bei Artenschutz und Naturschutz weiterge kommen sind. Davon bin ich zutiefst überzeugt.
Diese Landesregierung ist angetreten, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Die Weiterentwicklung des Gesetz entwurfs, der dem Volksbegehren zugrunde liegt, zeigt: Wir reden nicht nur vom gesellschaftlichen Zusammenhalt, son dern wir sind fest entschlossen, das auch in die Praxis umzu setzen.