Protocol of the Session on July 20, 2016

Vielen Dank für Ihre einfühlsamen und einführenden Worte zu den tragischen Anschlägen der letzten Tage. Auch wir möchten uns dafür bei Ihnen bedanken. Herzlichen Dank.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Abgeordnete der AfD, die Integration in Deutschland und Baden-Württemberg wird seit vielen Jahrzehnten gelebt. Diese infrage zu stellen und mit den schrecklichen Ereignissen von Nizza und dem Putschversuch in der Türkei in Zusammenhang zu bringen ist populistisch und typisch für die AfD.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD – Abg. Stefan Räpp le AfD: Sie sind bei den Grünen?)

Nein, ich bin schon richtig aufgehoben. – Wie geschmack los ist es eigentlich, einen Terroranschlag mit 84 Toten, der offenkundig auch in keinerlei Beziehung zum Putschversuch in der Türkei steht, für die Profilierung im Landtag zu nutzen? Ausgerechnet die Fraktion, die sich selbst nicht in einer Frak tion integrieren kann,

(Heiterkeit)

fabuliert von Integration. Das ist schon von besonderer Güte.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD – Abg. Daniel An dreas Lede Abal GRÜNE: Mit Scheitern kennen die sich aus!)

Integration ist keine Erfindung seit Beginn der Flüchtlingswel le im letzten Jahr. Menschen vieler Kulturen und Nationalitä ten sind fester Bestandteil unserer Gesellschaft und gar nicht mehr wegzudenken. Integration ist nicht erst in der jüngsten Vergangenheit ein Thema. Vielmehr findet diese seit den Sech ziger- und Siebzigerjahren mit der Gastarbeiterwelle statt.

Seit 1998 sind etwa zweieinhalb Millionen Menschen aus Eu ropa und der ganzen Welt zu uns gekommen. Sie alle haben erfolgreich die Sprache erlernt und konnten sich am Arbeits markt integrieren. Auch in unserer Gesellschaft sind sie fes ter Bestandteil geworden. Gehen Sie abends zum Essen durch die Königstraße, bekommen Sie Linsen mit Spätzle von ei nem freundlichen kroatischen Kellner, die Pizza um die Ecke vom Scherze machenden Italiener. Undenkbar, wenn all die se Menschen hier fehlen würden.

Zugegeben: Eine unkontrollierte Zuwanderung, die uns Frau Merkel beschert hat, kann in der Kürze der Zeit und angesichts dieser Menschenmenge nicht bewältigt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und frakti onslosen Abgeordneten)

Was die FDP seit Langem fordert, ist zumindest in Teilen am 7. Juli durch das Integrationsgesetz im Bundestag beschlos sen worden. Ein schnellerer Zugang zum Arbeitsmarkt sowie Verbesserungen des Angebots an Integrations- und Sprach kursen helfen bei der Förderung. Das Gesetz fordert aber auch, diese Angebote anzunehmen.

Unsere Positionen: Der Stand der Integration ist in BadenWürttemberg ungleich besser als in anderen Regionen. Das liegt zum einen an den zahlreichen freiwilligen Helfern, zum anderen aber auch an der wirtschaftlichen Stärke unseres Bun deslands. Integration erfolgt über Spracherwerb, Schule, Aus bildung und vor allem den Beruf. Das heißt nicht, dass das von heute auf morgen geschehen könnte, aber der erste Schritt ist der Anfang vom Weg.

Erforderlich ist eine schnelle und unbürokratische Arbeitser laubnis für Kriegsflüchtlinge und Asylsuchende. Jeder, der in unserem Land lebt, muss auch die Möglichkeit haben, für sei nen Lebensunterhalt selbst sorgen zu können. Wir brauchen, wie auch von uns gefordert, ein modernes Einwanderungsge setz, das auch Kriegsflüchtlingen und Zuwanderern bei ent sprechenden Voraussetzungen die Eingliederung in den deut schen Arbeitsmarkt ermöglicht und durch das sie sich in un ser Leben und unsere Kultur eingliedern können.

Ein konsequentes Vorgehen der Vollzugsbehörden bei Straf taten ist genauso unumgänglich. Wir fordern von den zuge wanderten Menschen, sich an unsere Gepflogenheiten anzu passen und sich zu unserem Rechtssystem zu bekennen. Wir fordern aber auch eine rasche Rückführung dann, wenn ein Bleiberecht und ein Aufenthaltstitel nicht möglich sind.

Wir alle lieben unsere Freiheit und Demokratie. Diese wird durch rechten und linken Extremismus gefährdet. Islamisti scher Terror ist in aller Welt und leider auch bei uns angekom men.

Extreme sind aber nicht angeboren, sondern werden – auch bei uns – durch Hassprediger verbreitet. Islamunterricht in deutscher Sprache hilft, den Hinterhofimamen endlich das Handwerk zu legen.

(Beifall bei der FDP/DVP, Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD sowie des Abg. Stefan Räpp le AfD)

Den Menschen muslimischen Glaubens allerdings die Einrei se zu verweigern, wie von der AfD gefordert, trägt nicht zu unserer Sicherheit bei.

Islamistischer Terror findet in der ganzen Welt statt. Diesen gilt es zu bekämpfen. Der Islam ist nicht Vater des Terrors. Wir sollten uns hüten, den Terror einer Religion anzulasten. Idiotie hat keine Herkunft – außer Unvernunft. Hüten wir uns also vor Pauschalierungen. Diese sind der Anfang von Aus grenzung und Diskriminierung.

Natürlich leben in unserer Gesellschaft auch kranke Men schen, die unsägliches Leid und Not bringen. Sie nahmen bei ihrem Suizid mit einem Flugzeug oder bei den Amokläufen in Winnenden und Erfurt viele Menschen mit in den Tod. Auch dies hatte nichts mit Religion zu tun. Wir Freien Demokraten wollen aber die Freiheit des Menschen, und diese verteidigen wir mit allem Nachdruck und aller Kraft.

Es ist bei den bisher von der AfD beantragten Aktuellen De batten immer offensichtlich erkennbar, in welche Kerbe Sie schlagen wollen. Es geht Ihnen nicht um eine sachliche Dis kussion, sondern einzig und allein um die Bedienung rechter Ressentiments. Herr Merz, das war ganz deutlich zu hören.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD)

Den Rechtsstaat sicherstellen, unsere Freiheit und Demokra tie gewährleisten, Mut machen, statt Ängste zu schüren!

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD)

Für den Zusammenschluss der fraktionslosen Abgeordneten erteile ich Herrn Abg. Dr. Meu then das Wort.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, mei ne Damen und Herren! Es ist bezeichnend, dass wir selbst nach solch grauenhaften Vorfällen, wie sie sich in Nizza, aber auch – mit nicht ganz so schrecklichen Folgen – in Würzburg ereignet haben, offenbar nicht in der Lage sind, wirklich zu sammenzustehen und gemeinsam geschlossen gegen einen Feind anzutreten, der gegen die Menschlichkeit und alle un sere Werte kämpft,

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten und Abge ordneten der AfD)

einen Feind, der angesichts seiner vollkommenen Skrupello sigkeit und Hinterhältigkeit immer häufiger so übermächtig erscheint wie die griechische Hydra. Denn kaum hat man ei ne Terrorzelle zerschlagen, entstehen irgendwo zwei weitere.

Während wir hier im kleingeistigen politischen Tagesgeschäft die Zeit – jedenfalls zu Teilen – dazu nutzen, mit dem Finger aufeinander zu zeigen, planen woanders Terroristen den nächsten Anschlag.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten und der AfD)

Wir alle können diese wenigen Redeminuten damit verbrin gen, uns in dieser Situation wechselseitig Vorwürfe zu ma chen. Aber was würde es bringen, wenn ich hier etwa die Zeit dafür nutzen würde, Herrn Schmid vorzuwerfen, dass er mit seiner türkischen Wahlwerbung aktiv für Parallelgesellschaf ten wirbt oder dass seine Frau im vorherigen Wahlkampf bei den nationalistischen Grauen Wölfen auftrat? Nichts würde es ändern.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Aber Sie haben das jetzt schön gemacht!)

Ich erwähne es. Ich sage aber auch: Ich halte nichts davon.

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP)

Ich will es exemplarisch machen. Sie verstehen mich schon. Sie wollen mich vielleicht nicht verstehen.

Stattdessen würden wir uns weiter wie kleine Kinder mit ir gendwelchen verbalen Steinchen bewerfen, während da drau ßen – das ist das Schlimme – Menschen sterben, so viele ar me Menschen tieftraurig um ihre Angehörigen trauern, die ei nen sinnlosen, frühen Tod sterben mussten, oder noch mehr Menschen zunehmend in Angst leben müssen, wo immer es zu größeren Menschenansammlungen kommt – Menschen, für deren Sicherheit wir doch alle als gewählte Volksvertreter eine entscheidende, selbst gemeinsam nur sehr schwer zu be wältigende Verantwortung tragen.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten und Ab geordneten der AfD)

Meine Damen und Herren, es ist nicht nur das Thema Integ ration, dessen Bewältigung uns besser gelingen muss als bis lang, um Terror zu verhindern, aber es ist neben der polizeili chen und geheimdienstlichen Terrorprävention, über die der Innenminister in der vergangenen Woche berichtet hat, ein elementarer Punkt im präventiven Kampf gegen die Entste hung von Terrorzellen. Wir müssen uns hier den realen Gege benheiten stellen, ohne dabei eine falsche Rücksicht in Form politischer Korrektheit zu nehmen.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten und Abge ordneten der AfD)

Die Erfahrung zeigt – auch wenn Sie das nicht gern hören –, dass sich in der Vergangenheit Muslime in Deutschland mit der Integration deutlich schwerer taten als andere Migranten gruppen. Zugleich ist offenkundig, dass der weitaus größte Teil des Terrors jüngeren Datums in Europa einen eindeutig islamistischen Hintergrund hat.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Das hat sehr wohl und sehr viel mit nicht vollzogener oder misslungener Integration zu tun. 50 Jahre nach Ankunft der ersten Gastarbeiter lebt ein Drittel der türkischstämmigen Be völkerung unterhalb der Armutsgrenze. Obwohl sie mittler weile oft in zweiter oder dritter Generation hier sind, liegen sie sowohl beim Einkommen als auch bei den Schul- und Be rufsabschlüssen hinter allen anderen großen Migrantengrup pen zurück. Das ist eine Tatsache.

Nicht nur in Deutschland tun sich Muslime schwer. Auch in anderen europäischen Ländern beobachten wir das gleiche Phänomen. Muslimische Migranten zählen zu den Schluss lichtern auf dem Arbeitsmarkt. Ob nun die Türken in Deutsch land und Österreich, die Maghrébins in Frankreich oder Bel gien oder die Pakistani und Bangladeschi in Großbritannien, sie alle zählen zu den Schlusslichtern der Integration in Ar beitsmarkt und Gesellschaft. Es ist offensichtlich nicht die Diskriminierung, sondern eben auch und sogar viel mehr die fehlende Bereitschaft, sich an die Kultur der Wahlheimat an zupassen.

Insofern sind Ihre Vorstellungen, Herr Dr. Lasotta und Herr Hinderer – verzeihen Sie –, ein wenig naiv – wohlmeinend, aber eben auch naiv. Das funktioniert leider mit vielen nicht. Sie können das exemplarisch an dem afghanischen Flüchtling sehen, der die Tat in Würzburg begangen hat. Bei ihm hat es an Integrationsbemühungen nicht gefehlt. Er hat maximale

Zuwendung erfahren, und es hat dennoch nicht funktioniert. Davor dürfen wir die Augen nicht verschließen.

Das wird auch in Studien belegt. Es gibt den Migrationsfor scher Ruud Koopmans. Seine Studie zeigt auf, dass Muslime häufiger als andere Zuwanderer dazu neigen, unter sich zu bleiben. Man zieht in bestimmte Bezirke, in denen sich Get tos bilden. Sprachliche Verständigungsprobleme prägen den Alltag, zumal oft auch Zeitungen und Fernsehsendungen wei ter in der Muttersprache konsumiert werden.

Muslime, die es schaffen, sich in Deutschland zu integrieren und erfolgreich zu werden, gibt es glücklicherweise auch in nicht ganz kleiner Zahl. Aber die haben den Problembezirken entweder frühzeitig den Rücken gekehrt, oder sie haben dort erst gar nicht gelebt. Doch zu viele sind in ihren Milieus ge fangen. Kindergärten und Schulen mit hohem Migrantenan teil haben oft zur Folge, dass die Sprache nie richtig erlernt wird. Das ist fatal. Denn mehr noch als der Arbeitsmarkt ist das Bildungssystem – das ist eine Binsenweisheit – der Schlüssel für gelingende Integration.

Das ist auch der Grund dafür, dass die Alternative für Deutsch land ein Einwanderungsgesetz nach dem kanadischen Modell fordert. Nicht nur hier können wir von den Erfahrungen Ka nadas profitieren. Kanada lässt Neuzuwanderer erst nach ei ner hoch konzentrierten Sprachförderung, die sofort nach der Ankunft verpflichtend beginnt, in die Regelschulen.

Das haben wir auch in unserem Wahlprogramm gefordert. Sie machen das ansatzweise; aber es ist nicht genug. Die korrek te Beherrschung der deutschen Sprache muss ein Unterrichts ziel an allen Schulen sein. Für Schüler mit Migrationshinter grund fordern wir dort, wo nötig – das gilt für die meisten –, intensivsten Förderunterricht. Wir müssen das nicht nur för dern. Wir müssen das auch fordern – ja, als Voraussetzung für eine Bleibeberechtigung sogar ultimativ verlangen. Andern falls werden wir dieses Problems nie und nimmer Herr.