Protocol of the Session on July 20, 2016

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Denn ob wir Ihrer Regierung Glauben schenken dürfen, wenn Sie uns etwas sagen, ob Ihre Verhandlungspartner aufseiten des Beamtenbunds, des Gemeinde- und des Städtetags Ihnen Glauben schenken, wenn Sie ihnen die Finanzlage des Lan des schildern, ist für das Land ein hohes Gut. Die Glaubwür digkeit dieser Regierung wurde durch dieses Vorgehen nach haltig beschädigt, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der FDP/ DVP und fraktionslosen Abgeordneten)

Wenn man ganz aufgeregt ist und einem in der Sache nichts mehr einfällt, wird man offensichtlich hochmütig. Denn Sie haben uns vorgeworfen, Herr Ministerpräsident, wir würden wohl offensichtlich nicht anstreben, in den nächsten zehn, 15 oder 20 Jahren zu regieren.

Wir haben den Anspruch, dies zu tun. Und wir haben den An spruch, wenn wir zu Ergebnissen gekommen sind und auch in schwierigen Politikfeldern Kompromisse erreicht haben, dies den Menschen dann auch erklären zu können und uns nicht vor den Menschen in diesem Land verstecken zu müs sen, weil Geheimpapiere existieren, die wir den Menschen erst später in homöopathischen Dosen beibringen.

Zur Glaubwürdigkeit einer Landesregierung und damit zu ih rer Handlungsfähigkeit gehört als Kapital das Vertrauen der Menschen. Und Sie sind dabei, das Vertrauen der Menschen zu verspielen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der FDP/ DVP und der AfD)

Für die FDP/DVP-Frakti on erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzendem Dr. Rülke das Wort.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Es war schon ein bemerkens werter Auftritt gerade, Herr Ministerpräsident. Sie haben der Opposition vorgehalten: Wer das kritisiert, was ich jetzt ge macht habe, der will vermutlich die nächsten 20 Jahre nicht mehr regieren.

Jetzt schauen wir uns einmal ganz sachlich an, was Sie denn gemacht haben, Herr Ministerpräsident. Sie haben zunächst einmal einen Koalitionsvertrag vereinbart, diesen Koalitions vertrag veröffentlicht, diesen Koalitionsvertrag im Parlament mit einer Regierungserklärung verteidigt und ihn anschlie ßend mit dem Parlament diskutiert. Parallel dazu haben Sie – das haben Sie der Öffentlichkeit nicht verraten – noch ein Ge heimpapier erstellt und dieses Geheimpapier vor der Öffent lichkeit, vor den Medien, vor der eigenen Partei und vor den Koalitionsfraktionen geheim gehalten. Dann wurde dieses Pa pier durchgestochen. Es kam an die Öffentlichkeit, und dann haben es auch die Koalitionsfraktionen erfahren. Daraufhin haben Sie in höchster Not dieses Papier veröffentlicht und müssen den ganzen Vorgang am heutigen Tag im Parlament verteidigen.

Und dann stellen Sie sich hin und sagen: „Wer es anders macht, der will die nächsten 20 Jahre nicht regieren.“ Herzli chen Glückwunsch, Herr Ministerpräsident!

(Beifall bei der FDP/DVP)

Gleichzeitig sagen Sie: „Ich verantworte das.“ Natürlich. Wer denn sonst?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD und fraktions losen Abgeordneten)

An dieser Stelle frage ich Sie aber: Würden Sie das noch ein mal so machen? Geheimpapier, unterschreiben, verheimli chen, dann wird es doch bekannt, dann veröffentlicht man es, und dann muss man sich ins Parlament stellen und erklären – ich zitiere Sie sinngemäß –: „Ich weiß, dass ich heute keinen Blumentopf gewinne.“ Würden Sie das noch einmal so ma chen, Herr Ministerpräsident?

(Heiterkeit der Abg. Dr. Christina Baum AfD)

Oder ist es tatsächlich so, wie Sie es vorhin in etwa gesagt ha ben: „Das kann man wohl so machen, und wer es anders macht, der will die nächsten 20 Jahre nicht regieren“?

Dann haben Sie das als ganz normalen Vorgang beschrieben und gesagt: Parteien verhandeln dieses, und Parteien schlie ßen diese Vereinbarungen ab, und dann wird es Parteitagen vorgelegt. So waren Ihre Worte. Nein, Herr Ministerpräsident, das wurde eben nicht Parteitagen vorgelegt. Weder der CDUParteitag noch der Grünen-Parteitag hat von Ihrem Geheim papier erfahren.

(Zuruf: So ist es!)

Dafür muss es doch einen Grund geben, Herr Ministerpräsi dent, und die Begründung dafür sind Sie in der ganzen Debat te am heutigen Tag schuldig geblieben.

(Beifall bei der FDP/DVP und der SPD sowie frakti onslosen Abgeordneten)

Sie haben gesagt: Na ja, Sie müssten es so oft erklären, dass an den Inhalten dieses Papiers keine Kritik geübt wird, bis al le es verstanden haben.

In dieser Debatte wurde aber mindestens so oft an Sie die Fra ge gerichtet, warum dieses Papier verheimlicht werden muss te. Offensichtlich ist es auch notwendig, das zehn- oder 20

mal zu erklären, bis es verstanden wird. Warum haben Sie es denn nicht veröffentlicht, Herr Ministerpräsident? Dafür muss es doch einen Grund geben. Weder irgendeiner aus der Koa lition noch Sie haben dies in zwei Runden erklärt. Die Öffent lichkeit und dieses Parlament verdienen eine Antwort auf die se Frage.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der SPD und fraktionslosen Abgeordneten – Zuruf: Ge nau!)

Ein Letztes: Es ist keineswegs so, dass wir dieses Papier nicht inhaltlich kritisieren würden. Ich habe vorhin gesagt: Dieses Papier führt zu Mehrausgaben in Höhe von 2 Milliarden €, davon über 700 Millionen € strukturell. Sie haben gegenüber der Öffentlichkeit erklärt, Sie hätten einen enormen Sanie rungsbedarf des Haushalts: 2,6 Milliarden € strukturelles De fizit. Jetzt hat die geneigte Öffentlichkeit erfahren, dass sich dieses strukturelle Defizit auf ungefähr 3,3 Milliarden € aus weitet, wenn Sie nämlich Ihr Geheimpapier umsetzen.

Und was wir nicht gehört haben – weder von Ihnen noch von den Koalitionsfraktionen –, ist, wie Sie das finanzieren wol len. Man kann doch nicht einfach nur ein Märchenbuch be schließen, ein Preisschild darum hängen und anschließend nicht verraten, wie es finanziert wird. Oder gibt es vielleicht noch ein zweites Geheimpapier, Herr Ministerpräsident, in dem dann steht, wo gespart wird? Diese Antwort würden wir schon gern hören.

Wenn Sie uns dann – wie bei Haushaltsberatungen üblich – einerseits auf den Tisch legen, wo Sie das Geld ausgeben wol len, und andererseits auf den Tisch legen, wo Sie Geld einspa ren wollen, dann können wir natürlich darüber diskutieren, aber doch nicht auf Basis eines halben Märchenbuchs, in dem dann die halben Märchen der Gebrüder Grimm stehen, was dann bekannt wird. So, wie Sie hier Vertrauen verspielt ha ben, kommt wahrscheinlich noch eine ganze Menge mehr he raus – möglicherweise die Einsparungen. Ich sage Ihnen: Le gen Sie beides auf den Tisch! Dann können wir darüber dis kutieren, und dann werden wir uns – das verspreche ich Ih nen – auch inhaltlich mit diesen Dingen auseinandersetzen.

(Beifall bei der FDP/DVP und fraktionslosen Abge ordneten)

Für die Fraktion der AfD erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzendem Dr. Merz.

Danke. – Inhaltlich ist alles ge sagt.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Also dann! – Weitere Zurufe)

Inhaltlich ist alles gesagt, und ich danke auch den Vorsitzen den der anderen Oppositionsfraktionen für ihre Fragen.

Doch kann ich abschließend nur immer wieder das Thema „Politikestablishment und Vertrauen der Bürger in die Politi ker“ erwähnen. Ich möchte nicht nur zufällig Parallelen zu EU-Kommissionspräsident Juncker ziehen, der sagte: „Wenn es ernst wird, dann muss man lügen.“

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Das Motto der Regierung Kretschmann ist für mich: „Wenn es wesentlich und konkret und beziffert ist, dann ist das ge heim.“

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort dem Fraktionsvorsitzenden Schwarz.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Debatte hat es gezeigt: Die Über schrift, Herr Stoch, ist wesentlich spektakulärer als der Inhalt. Die Zahlen und alle Inhalte sind transparent.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Aha!)

Von einem Geheimpapier kann ab sofort nicht mehr die Rede sein.

(Lachen bei der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Ab surde Behauptung! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: „Ab sofort“! – Weitere Zurufe)

Wir haben das gut herausgearbeitet. Es ist ein Arbeitspapier, es ist eine Auslegungshilfe. Herr Kollege Reinhart – das fand ich sehr zutreffend – hat von einer „ergänzenden Ergebnissi cherung“ gesprochen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ja, das war sehr schön!)

Mehr und weniger ist es nicht. Es lohnt sich nicht, es zu skan dalisieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD – Glocke des Präsi denten)

Kollege Schwarz, gestat ten Sie eine Zwischenfrage?

Lassen Sie mich noch ei nige Gedanken zu Ende bringen, dann kann gern die Zwi schenfrage kommen.

Eine Kurzintervention?

(Abg. Dr. Ulrich Goll FDP/DVP: Das war ein Miss verständnis!)

Sie wollten sich zu Wort melden für eine weitere Runde. Entschuldigung, Herr Kollege.