(Abg. Karl Zimmermann CDU: Soll er mir doch er klären, wieso er die andere Seite nicht bewertet ha ben will!)
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol legen! Ich hatte eben bei der Vorstellung des Einsetzungsan trags von noch offenen Fragen gesprochen. Auch ich bin der Überzeugung, dass wir durch diese Enquetekommission nicht auf alle offenen Fragen Antworten finden werden. Wir be trachten diese Kommission jedoch als ersten parlamentari schen Schritt, dem weitere Schritte werden folgen müssen.
Diesen Schritt halten wir dennoch für außerordentlich wich tig. Aus meiner persönlichen Sicht kann dazu früher oder spä ter auch ein Untersuchungsausschuss gehören, weil bestimm te Fragen dort in angemessener Form behandelt werden kön nen.
Diese Enquetekommission soll auf Erkenntnisse anderer par lamentarischer Aufklärungsversuche zurückgreifen, beispiels weise des parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags oder auch der Untersuchungsausschüs
se und Kommissionen in anderen Bundesländern. Wir können darauf bauen, dass wir auch in Zukunft von dort Erkenntnis se für Baden-Württemberg und über Baden-Württemberg er warten können, insbesondere aus Thüringen über die extrem enge Verbindung zwischen den rechtsextremistischen Szenen in Baden-Württemberg und Thüringen. Wir werden beispiels weise auch neue Erkenntnisse durch den laufenden Prozess in München bekommen.
Die gewachsenen rechtsextremen Strukturen, an die der NSU in Baden-Württemberg andocken konnte, werden mit der Be zeichnung „Rechtsextreme Jugend- und Musikszene“ nicht zutreffend beschrieben, sondern geradezu verharmlost. Da hinter stehen Strukturen, die international und bundesweit eng vernetzt sind, die trotz Verboten weiter existieren und funkti onieren, die Nachfolgeorganisationen gebildet haben – ob das im juristischen Sinn so stimmt, muss man schauen –, die er hebliche Summen erwirtschaften und damit politische Arbeit finanzieren.
Dazu kann man auch Gewalttaten bis hin zu terroristischen Aktivitäten zählen. Auch im Hinblick auf die Existenz von Gruppierungen wie dem Ku-Klux-Klan im Raum Schwäbisch Hall und verschiedene Vorfälle in den letzten Jahren, bei de nen Waffen eine Rolle gespielt haben, sehen wir, die Frakti on GRÜNE, eine hohe Dringlichkeit, diese Bereiche genau zu untersuchen, jetzt Bilanz zu ziehen und eine genaue Analyse des Rechtsextremismus in Baden-Württemberg vorzunehmen.
Wir sehen – um auf diese Frage einzugehen – diese Intensität und die Verwicklungen in dieser Form bei anderen Extremis musbereichen derzeit nicht. Genau deshalb sind wir der Auf fassung, dass CDU und FDP/DVP mit ihren Änderungsanträ gen zu unserem Antrag auf Einsetzung einer Enquetekommis sion dem Aufklärungswillen dieses Parlaments keinen Dienst erweisen.
Diese Enquetekommission zum Hintergrund des NSU-Terrors auch noch mit allen anderen Extremismusphänomenen zu be fassen würde sie aufblähen und nach unserer Ansicht ihren Rahmen sprengen. Das stellt nicht infrage, dass man die von Ihnen angesprochenen Bereiche auch hier parlamentarisch un tersuchen kann. Ich fordere Sie auf: Reichen Sie Vorschläge ein, wie wir das in geeigneter Form machen können.
Wir halten die von Ihnen vorgeschlagene Form eines Ando ckens, eines Anschließens an diese Enquetekommission nicht für sinnvoll. Dies wird auch den Erwartungen an dieses Par lament und seinem Auftrag nicht gerecht. Daher noch einmal der Appell: Ziehen Sie Ihre Änderungsanträge zu unserem An trag auf Einsetzung einer Enquetekommission zurück.
Sowohl Sie, Herr Schebesta, als auch Sie, Herr Goll, haben davon gesprochen, dass Sie die Frage der Einsetzung einer Enquetekommission in diesem wichtigen Bereich ganz sicher
nicht zum Streit ausarten lassen wollen. Nach meiner Kennt nis gibt es kein anderes Bundesland, auch keine andere CDULandtagsfraktion und keine andere FDP-Landtagsfraktion, bei der die Aufarbeitung des NSU-Terrors und der Situation der davon betroffenen Menschen mit anderen Fragen verknüpft und dermaßen in den Hintergrund gedrängt worden wäre, wie das hier gemacht wurde, um eine Debatte zu initiieren.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Haben Sie es überhaupt gelesen?)
sich zu überlegen, ob Sie diese mit dieser Form des Aufklä rungswillens nicht eher vor den Kopf stoßen und ob es nicht darum gehen sollte, sie mit einem deutlichen Zeichen dieses Parlaments hin zur Aufklärung mit zu unterstützen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Professor Dr. Goll, zu nächst einmal: Es geht nicht, in einer solchen Debatte die Aus schreitungen bei Demonstrationen gegen den Bildungsplan in einen Zusammenhang zu stellen mit einer Mordserie an ei nem Teil unserer Bevölkerung.
Zweitens haben Sie bezweifelt, ob wir mit dieser Enquete kommission weiter als bisher kommen. Da muss ich Ihnen sa gen: Das ist genau der Punkt. Was die Ermittlungsergebnisse anbelangt, kommen wir wahrscheinlich nicht weiter. Da wä ren wir aber auch in einem Untersuchungsausschuss nicht wei tergekommen. Die Enquetekommission schaut jedoch gerade nach vorn.
Erst vor Kurzem wurde die Bundesrepublik Deutschland von den Vereinten Nationen und vom Europarat dafür kritisiert, dass wir mit Rassismus nicht vernünftig umgehen. Es ist uns geraten worden, Reformen im Strafrecht anzugehen, um ras sistisch motivierte Taten besser zu erfassen und strenger ahn den zu können. Dafür brauchen wir jedoch Instrumente, und diese wollen wir erarbeiten. Allein im Jahr 2013 waren in Deutschland 113 rassistische Aktionen gegen Ausländerhei me zu verzeichnen. Es besteht also wirklich Handlungsbedarf.
Herr Kollege Schebesta, es wäre schön gewesen, im Konsens vorzugehen. Es ist richtig: Bei linksextremistischen Strafta ten ist ein starker Zuwachs zu verzeichnen; sie bewegen sich
Ich werde versuchen, Ihnen zu begründen, warum ich es für falsch halte, Ihrem Antrag zu folgen und alle extremistischen Strömungen gemeinsam zu behandeln. Ich meine, es liegt ein struktureller Unterschied vor, den man auch rechtlich begrün den kann. Wenn wir den Linksextremismus und den religiös motivierten Extremismus näher betrachten, so stellen wir fest, dass beide Strömungen im Grunde aus grundrechtlich garan tierten Strömungen, der Meinungsfreiheit und der Religions freiheit, kommen. Sie überziehen und missbrauchen jedoch ihre Rechtsposition.
(Abg. Peter Hauk CDU: Ach so! – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Interessante Betrachtungsweise! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)
Ich weiß, es ist nicht ganz einfach. Ich will die Betrachtungs weise etwas herleiten. Beide, sowohl der Linksextremismus als auch der religiös motivierte Extremismus, kommen von legitimen Ansätzen her. Nur: Sie missbrauchen ihre Rechts position.
Worin liegt jetzt der Unterschied zu den NSU-Morden mit den rassistischen, den rechtsextremen Hintergründen? Der rassis tische Ansatz verstößt elementar gegen unser Wertesystem, gegen unsere Verfassung und gegen den humanistischen Kern unserer Gesellschaft. Wer Menschen nach Herkunft oder nach Rasse differenziert, der findet nicht einmal im Ansatz einen Anknüpfungspunkt im Grundgesetz. Deswegen wäre es eine Verhöhnung der Opfer, die rassistisch motiviert Opfer gewor den sind, wenn wir ganz andere Strömungen und kriminelle Entwicklungen zusammenbrächten und gemeinsam bearbei teten.
Nein, wir müssen genau dieses Problem – und zwar nach vorn gerichtet – lösen, das wir auf den Tisch gelegt bekommen ha ben, bei dem wir verpflichtet sind, es in Ordnung zu bringen. Ich sage Ihnen: Vermischen Sie das nicht. Den Opfern zulie be
müssen wir genau differenzieren nach unterschiedlichen Straf taten mit unterschiedlicher Motivation. Ich sage Ihnen: Die Opferfamilien mit türkischer Herkunft und eine mit griechi scher Herkunft – neben der ermordeten Polizistin und dem versuchten Mord an einem Polizisten – haben es verdient, dass die Ursachen, die zu den Taten geführt haben, nämlich rassis tisch motivierte Ursachen, die nichts mit einem religiösen Hintergrund oder Meinungsfreiheit zu tun haben, geklärt wer den. Außerdem geht es darum, präventiv Jugendliche frühzei tig zu erreichen und unsere Sicherheitsbehörden so aufzustel len, dass sie diesen Sonderbereich effektiv bearbeiten und be kämpfen können. Denn eines müssen wir garantieren: So et was darf nie wieder vorkommen.
Liebe Kollegen von Grünen und SPD, auf Ihren eigenen Antrag hin, eine Enquetekommis sion einzusetzen, muss ich Ihnen erklären, was der Unter schied zwischen einer Enquetekommission und einem Unter suchungsausschuss ist.
Im Untersuchungsausschuss klärt der Landtag über ein The ma auf, das im öffentlichen Interesse liegt. Er untersucht es und erstattet dem Landtag Bericht. In einer Enquetekommis sion werden umfangreiche und bedeutsame Sachverhalte vor bereitet.
Es geht also nicht darum – deshalb steht davon in Ihrem Ein setzungsantrag auch nichts –, die Ermittlungsergebnisse neu aufzurollen – Herr Sakellariou hat dies erwähnt – und die Ar beit des Untersuchungsausschusses des Bundestags weiterzu führen, sondern es geht darum, Strukturen zu erfassen und da raus Konsequenzen abzuleiten. Wenn man das tut, wenn man sich mit Prävention, staatlichen Institutionen und mit Unter wanderung befasst, dann sollte dabei alles erfasst werden.
Dabei geht es nicht darum, dass wir dann den Opfern und den Angehörigen nicht gerecht würden. Darum würde es gehen, wenn wir eine Betrachtung der Aufklärung dieses Falls vor nähmen. Wenn wir jedoch eine Enquetekommission einsetzen und breit angelegt über Extremismus sprechen, dann – Ent schuldigung, Herr Sakellariou – haben Ihre Rede und Ihre Dif ferenzierungen eher die Begründung dafür geliefert, warum es notwendig ist, über alle Arten von Extremismus und nicht nur über eine Form davon zu sprechen.